Wirkung steuerlicher Anreize für energetische Gebäudesanierungen und mögliche Hemmnisse bei deren Finanzierung

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Transkript:

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK Bundesamt für Energie BFE Abteilung Energiewirtschaft August 2015 Wirkung steuerlicher Anreize für energetische Gebäudesanierungen und mögliche Hemmnisse bei deren Finanzierung Zusatzbericht zur Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts

Auftraggeber: Bundesamt für Energie BFE, 3003 Bern Auftragnehmende: Interface Politikstudien Forschung Beratung, Luzern Autoren/Autorinnen: David Walker, dipl. Forsting. ETH (Projektleitung) Milena Iselin, Dipl. Soz. Stefan Rieder, Dr. rer. pol. Ueli Haefeli, Prof. Dr. Begleitung: Lukas Gutzwiller, Bundesamt für Energie BFE Für den Inhalt sind allein die Autoren/Autorinnen verantwortlich. Bezug Als Download (kostenfrei) unter: www.bfe.admin.ch BFE >Themen > Energiepolitik > Berichte Bundesamt für Energie BFE Mühlestrasse 4, CH-3063 Ittigen; Postadresse: CH-3003 Bern Telefon +41 58 462 56 11, Fax +41 58 463 25 00 contact@bfe.admin.ch, www.bfe.admin.ch

1 AUSGANGSLAGE UND ZIELSETZUNG Interface hat für die Studie zur Wirkung steuerlicher Anreize für energetische Gebäudesanierungen im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) (Vertrag Si/200117-01 Energiestrategie 2050 Steuerliche Anreize für Gebäudesanierungen) eine Befragung bei Gebäudebesitzenden durchgeführt. Auf die Ergebnisse dieser Studie wird hier nicht mehr vertieft eingegangen. Bei Bedarf wird auf relevante Abschnitte in der Hauptstudie verwiesen. Die Effizienz und Effektivität des heutigen Systems der steuerlichen Anreize für Gebäudesanierungen sind als tief zu veranschlagen. Insbesondere die Mitnahmeeffekte sind hoch (Abschnitt 2.3 der Hauptstudie). In der Hauptstudie werden Massnahmen zur Reduktion des Mitnahmeeffekts diskutiert (Abschnitt 2.3). Aus theoretischer Perspektive würde mit der Einführung eines Mindeststandards erstens ein Vergabekriterium eingeführt (Verminderung der Zahl der Inanspruchnehmenden). Zweitens kann mit einer kontinuierlichen Erhöhung des Mindeststandards Einfluss auf den Umfang und die Qualität der durchgeführten Sanierungen genommen und mit der technologischen Entwicklung Schritt gehalten werden. Zielsetzung Im Zusammenhang mit der Beratung der Energiestrategie 2050 des Bundesrates im Parlament ist die Frage aufgetaucht, ob auf der Basis der Daten aus der Befragung der Gebäudebesitzenden eine Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts durch die Einführung eines Mindeststandards vorgenommen werden kann. Ziel des vorliegenden Kurzberichts ist es, eine quantitative Abschätzung auf der Basis der Ergebnisse aus der Befragung bei Gebäudebesitzenden vorzunehmen, um zu eruieren, wieviel der Mitnahmeeffekt bei steuerlichen Anreizen mittels eines Mindeststandards reduziert werden könnte. ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 3

2 MATERIAL UND METHODEN Im Rahmen der Hauptstudie wurde eine Umfrage bei rund 400 Eigentümerinnen und Eigentümern von Gebäuden und Wohnungen im Stockwerkeigentum durchgeführt. Für die Befragung standen 6 000 Adressen aus Deutschschweizer Kantonen zur Verfügung. Grundlage für die vorliegende Untersuchung bilden die Resultate zu folgenden beiden Inhalten aus der Umfrage: - Mitnahmeeffekt : Bei den befragten Gebäudebesitzenden wurde der Mitnahmeeffekt getrennt nach den einzelnen Effekten wie Auslöseeffekt, zeitliches Vorziehen, Steigerung der Qualität und Umfangs der Sanierung (vgl. Abschnitt 2.3 der Hauptstudie) abgefragt. - Beurteilung zur Anpassung des Steuerrechts : Weiter wurde bei Befragten eine Beurteilung der zwei zum Zeitpunkt der Befragung noch vorgesehenen Anpassungen des Steuerrechts eingeholt (Einführung des Mindeststandards und Verteilung der Investitionskosten auf mehrere Steuerperioden; vgl. Abschnitt 3.2.3 der Hauptstudie). Hier ist lediglich die Frage zur Einführung des Mindeststandards von Interesse. Es gilt zu beachten, dass die Bewertung eines solchen Inhalts mittels der Art und Weise der durchgeführten Befragung mit Nachteilen behaftet ist, welche bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen sind und letztlich die Aussagekraft schmälern: - Die Befragung am Telefon bedingt, dass der Inhalt auf ein vorgegebenes Statement reduziert werden muss, zu welchem die Befragten in vordefinierten Kategorien ihre Meinung zum Ausdruck bringen können. Es ist weder möglich, den Befragten den Inhalt im Detail zu erläutern und Verständnisfragen zu beantworten, noch haben die Antwortenden die Möglichkeit, differenziert für oder gegen die Aussage zu argumentieren. - Es ist davon auszugehen, dass nur sich ein kleiner Teil der Befragten vertieft mit der Thematik auseinandergesetzt und sich zu den vorgegebenen Aussagen schon einmal eine Meinung gebildet hat. Zu diesen beiden Inhalten wurden bei den Befragten qualitative Einschätzungen abgefragt. Die Variablen weisen ein ordinales Skalenniveau auf. Die statistische Auswertung beschränkt sich auf deskriptive Analysen (Häufigkeitszählungen, Kreuztabellen). Auf eine Überprüfung der statistischen Signifikanz von Unterschieden mit Tests wurde verzichtet. Das Modell für die Auswertung basiert auf derart weitgehenden Annahmen (siehe Abschnitt 3.1), dass weitergehende statistische Tests eine nicht existierende Stichhaltigkeit der Resultate suggerieren würden. ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 4

3 ERGEBNISSE Ausgangspunkt für die Auswertung der Befragungsergebnisse bildet die Annahme, dass aus dem Antwortverhalten zur Frage bezüglich der Anpassung des Steuerrechts (Einführung eines Mindeststandards) ein Rückschluss auf die Reduktion des Mitnahmeeffekts gezogen werden kann. In diesem Kapitel wird in einem ersten Teil das theoretische Modell für die Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts eingeführt. In einem zweiten Teil werden die eigentlichen Resultate präsentiert. 3.1 MODELL FÜR DIE ABSCHÄTZUNG Um die Reduktion des Mitnahmeeffekts aus den Umfragedaten abschätzen zu können, braucht es ein theoretisches Modell. Hinter der Einführung eines Mindeststandards steht die explizite Vorstellung, dass mit dieser Massnahme das Verhalten der Gebäudebesitzenden beeinflusst werden kann. Diese sich auf einer Kette von Wenn-Dann- Beziehungen abstützende Vorstellung wird mit dem Begriff Wirkungsmodell bezeichnet. Darstellung D 3.1 enthält ein solches Wirkungsmodell für die Einführung des Mindeststandards bei steuerlichen Anreizen. Die Umsetzung (Einführung) und die damit verbundenen Outputs (z.b. Information, Beratung, Überprüfung bei der Veranlagung durch die Steuerbehörden) wirken auf die Gebäudebesitzenden (Zielgruppe) ein, und bewegen diese zu einer Verhaltensänderung (qualitativ bessere und/oder umfangreichere Sanierung). D 3.1 : Wirkungsmodell für die Einführung eines Mindeststandards bei steuerlichen Anreizen Umsetzung und Output Einführung eines Mindeststandards Impact Nicht-Mitnehmende, die die Einführung Mitnehmende, die die Einführung Quelle: eigene Darstellung. Auf Basis der Umfragedaten lassen sich die Gebäudebesitzenden nach den beiden oben eingeführten Variablen Mitnahmeeffekt und Beurteilung zur Anpassung des Steuerrechts segmentieren. Um die beiden Variablen für diese Segmentierung verwenden zu können, sind folgende Annahmen zu treffen: ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 5

- Annahme 1: Die Mitnehmenden werden aufgrund ihres Verhaltens in der Vergangenheit ex-post bestimmt. 1 Im Wirkungsmodell in Darstellung D 3.1 wird nun angenommen, dass Personen, welche in der Vergangenheit das Verhalten eines Mitnehmenden an den Tag gelegt hatten, im Prinzip auch im Fall einer künftigen Sanierung ihres Gebäudes das gleiche Verhalten zeigen würden. Dieses Verhalten, wird einzig von der Voraussetzung der folgenden Annahme 2 übersteuert. - Annahme 2: Weiter wird die Annahme getroffen, dass Mitnehmende, welche in der Umfrage einer Einführung eines Mindeststandards zugestimmt haben 2, eine Reaktion zeigen und ihr Verhalten ändern. Das heisst, bei einer künftigen Gebäudesanierung würden diese Personen beispielsweise umfangreicher als geplant sanieren, um den Mindeststandard zu erreichen und folglich einen Steuerabzug machen zu können. In einem Mengendiagramm lassen sich die Segmente respektive Teilmengen der Gebäudebesitzenden darstellen (siehe Darstellung D 3.2). Der Effekt, welcher nun unter Voraussetzung der getroffenen Annahmen die Einführung eines Mindeststandards auf die Reduktion des Mitnahmeeffekts hätte, entspricht der Schnittmenge (dunkelgrünes Rechteck) der Mitnehmenden und der Befürwortenden. D 3.2 : Mengendiagramm für die Gebäudebesitzenden nach den Variablen Mitnahmeeffekt und Beurteilung zur Anpassung des Steuerrechts alle Gebäudebesitzende Mitnehmende Gebäudebesitzende, die die Einführung eines Mindeststandards Quelle: eigene Darstellung. 3.2 QUANTITATIVE ERGEBNISSE DER ABSCHÄTZUNG Da ein Mindeststandard in erster Linie Auswirkungen auf Umfang und Qualität von Sanierungen hätte, wurde aus den Umfragedaten erst die Reduktion des Mitnahmeeffekts zu diesen beiden Teilen berechnet. 1 2 Die Gebäudebesitzenden hatten in der Umfrage beispielsweise folgende Frage zu beantworten: Der Steuerabzug hat dazu geführt, dass ich energetisch umfangreicher erneuert habe (d.h. mehr Bauteile als ursprünglich geplant). Personen, die diese Frage verneinen, sind Mitnehmende. Den befragten Personen wurde folgendes Statement vorgelesen, welches sie auf einer vierer Skala ( finde ich sehr gut bis finde ich überhaupt nicht gut ) beurteilen konnten: Steuerabzüge werden nur gewährt, wenn der Energieverbrauch des Gebäudes nach der Sanierung einem Mindeststandard entspricht (z.b. einer bestimmten Effizienzklasse des Gebäudeenergieausweises der Kantone [GEAK]). ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 6

Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf die Qualität der Sanierung In der folgenden Darstellung D 3.3 sind die Antworten enthalten, welche sich auf den Mitnahmeeffekt in Bezug auf die Qualität der Sanierung beziehen. 34 von 94 Antwortenden wären Mitnehmende, welche ihr Verhalten ändern (dunkelgrüne Zelle). Der Anteil der Mitnehmenden würde sich um 36 Prozent reduzieren und beläuft sich noch auf 33 Prozent (dunkelrote Zelle). D 3.3 : Quantitative Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf die Qualität der Sanierung n = 94 Aufgrund des Steuerabzugs wurde qualitativ besser saniert. Quelle: eigene Erhebung. Ja Nicht-Mitnehmende Nein Mitnehmende Gebäudebesitzende, die die Einführung eines Mindeststandards 19 (20%) 10 (11%) 34 (36%) 31 (33%) Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf den Umfang der Sanierung Die Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf den Umfang der Sanierung geht aus der Darstellung D 3.4 hervor. 41 Antwortende respektive 43 Prozent würden eine Reaktion auf die Einführung des Mindeststandards zeigen und ihr Gebäude umfangreicher als geplant sanieren. D 3.4 : Quantitative Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf den Umfang der Sanierung n = 95 Aufgrund des Steuerabzugs wurde umfangreicher erneuert. Quelle: eigene Erhebung. Ja Nicht-Mitnehmende Nein Mitnehmende Gebäudebesitzende, die die Einführung eines Mindeststandards 13 (14%) 8 (8%) 41 (43%) 33 (35%) Reduktion in Bezug auf weitere Effekte der Mitnahme Weniger im Vordergrund stehen die Effekte, dass der Steuerabzug in Verbindung mit einem Mindeststandard den Ausschlag für eine Sanierung gibt oder diese zeitlich vorgezogen wird. Bei 45 Prozent der Antwortenden würde der mit einem Steuerabzug verbundene Mindeststandard zusätzlich eine Sanierung auslösen (siehe Darstellung D 3.5). ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 7

D 3.5 : Quantitative Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf das Auslösen der Sanierung n = 95 Der Steuerabzug war ausschlaggebend für den Entscheid zu sanieren. Quelle: eigene Erhebung. Ja Nicht-Mitnehmende Nein Mitnehmende Gebäudebesitzende, die die Einführung eines Mindeststandards 11 (12%) 5 (5%) 43 (45%) 36 (38%) Bezogen auf den Effekt, dass ein steuerlicher Anreiz verbunden mit einem Mindeststandard Gebäudebesitzende eine geplante Sanierung zeitlich früher realisieren lassen würde, zeigt sich, dass bei 51 Prozent der Antwortenden dieser Effekt eine Wirkung entfalten würde (siehe Darstellung D 3.6). D 3.6 : Quantitative Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts in Bezug auf das zeitliche Vorziehen der Sanierung n = 94 Aufgrund des Steuerabzugs wurde die Sanierung zeitlich vorgezogen. Quelle: eigene Erhebung. Ja Nicht-Mitnehmende Nein Mitnehmende Gebäudebesitzende, die die Einführung eines Mindeststandards 6 (6%) 4 (4%) 48 (51%) 36 (38%) Fazit In der folgenden Darstellung D 3.7 sind die Ergebnisse der Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts nach den einzelnen Effekten in einer Übersicht dargestellt. Nach der Einführung eines Mindeststandards würde sich der Anteil von Gebäudebesitzenden, welche für eine Sanierung einen Steuerabzug machen und als Mitnehmende zu bezeichnen sind, von 70 und mehr Prozent auf maximal noch 38 Prozent reduzieren. ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 8

D 3.7 : Anteil der Mitnehmenden beim heute geltenden Steuerrecht und Reduktion des Anteils durch die Einführung eines Mindeststandards Aufgrund des Steuerabzugs wurde qualitativ besser saniert (n = 94). Aufgrund des Steuerabzugs wurde umfangreicher erneuert (n = 95). Der Steuerabzug war ausschlaggebend für den Entscheid zu sanieren (n = 95). Aufgrund des Steuerabzugs wurde die Sanierung zeitlich vorgezogen (n = 94). Quelle: eigene Erhebung. Mitnehmende beim heute geltenden Steuerrecht in Prozent Mitnehmende nach Einführung eines Mindeststandards in Prozent 69% 33% 78% 35% 83% 38% 89% 38% ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 9

4 DISKUSSION Die quantitative Abschätzung der Reduktion des Mitnahmeeffekts durch die Einführung eines Mindeststandards ergibt über die einzelnen Effekte ein konsistentes Resultat. Der Mitnahmeeffekt würde in Bezug auf die Qualität und den Umfang der Sanierung stark abnehmen. Der Anteil der Mitnehmenden bei steuerlichen Anreizen würde nach Einführung eines Mindeststandards bei rund 35 Prozent der Gebäudebesitzenden zu liegen kommen. Können die Ergebnisse durch einen Vergleich mit anderen finanziellen Fördermassnahmen aus dem Gebäudebereich plausibilisiert werden? Sowohl beim abgeschlossenen Gebäudeprogramm der Stiftung Klimarappen 3 als auch beim laufenden Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen konnten empirisch Abnahmen von Mitnahmeeffekten nachgewiesen werden. Die Reduktionen waren auf eine Änderung der Förderbedingungen und die zunehmende Laufzeit der Förderprogramme zurückzuführen. Die Wirkungsmechanismen dieser beiden Förderprogramme mit A-fonds-perdu-Beiträgen unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten von den steuerlichen Anreizen (siehe Seite 30 bis 31 in Abschnitt 2.3 der Hauptstudie), was die Aussagekraft des Vergleichs deutlich reduziert. Die hier präsentierten Resultate sind aus folgenden Gründen mit grosser Vorsicht zu interpretieren: - Erstens basiert das Modell auf Annahmen, die sehr weit gehen. Beispielsweise die Annahme, dass Gebäudebesitzende, welche sich in der Vergangenheit als Mitnehmende verhalten, sich auch künftig so verhalten würden. - Zweitens wurde die Variable, welche für die mit dem Mindeststandard verbundene Verhaltensänderung der Mitnehmenden verwendet wird, nicht direkt bei den befragten Gebäudebesitzenden erhoben. Die Variable wurde indirekt aus der Beantwortung einer anderen Frage abgeleitet (Beurteilung eines Vorschlags zur Anpassung des Steuerrechts). - Drittens kommt hinzu, dass das unter den gegebenen Voraussetzungen gewählte Vorgehen bei der Abfrage einer solchen Frage, Nachteile in sich birgt, die die Aussagekraft der Ergebnisse schmälern. Durch ein anderes Vorgehen bei der Befragung oder mittels Experimenten könnten belastbarere Daten zur Beurteilung einer geplanten Massnahme und deren Auswirkungen erhoben werden. Diese alternativen Ansätze wären aber mit deutlich grösseren Kosten verbunden, als im vorliegenden Projekt zur Verfügung standen. - An diesen Umstand anknüpfend ist schliesslich viertens noch auf die relativ kleine, auf die Deutschschweiz beschränkte Stichprobe von rund hundert Antwortenden zu verweisen. 3 Siehe Rieder, S. et al. (2010): Evaluation des Gebäudeprogramms der Stiftung Klimarappen. S. 86 ff. ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNGEN: REDUKTION MITNAHMEEFFEKT STEUERLICHER ANREIZE 10