Pharmazeutische Chemie - Avanafil. Avanafil (Spedra )

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Transkript:

Avanafil (Spedra ) Orale Phosphodiesterase-5-Hemmstoffe (PDE5-Hemmer) sind derzeit das Mittel der Wahl zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED). Avanafil (Spedra ) ist nach Sildenafil (Viagra ) im Jahr 1998 sowie Tadalafil (Cialis ) und Vardenafil (Levitra ) im Jahr 2003 der vierte reversible Phosphodiesterase-5-Inhibitor, der zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED) erwachsener Männer zugelassen ist. Die Tabletten werden ca. 30 Minuten vor der sexuellen Aktivität eingenommen, wobei zur Wirksamkeit eine sexuelle Stimulation notwendig ist. Die Einnahme zusammen mit Nahrung kann den Wirkungseintritt verzögern. Die empfohlene Dosierung beträgt 100 mg. Allerdings kann je nach individueller Wirksamkeit und Verträglichkeit die Dosierung auf 50 mg reduziert bzw. 200 mg erhöht werden. Die Einnahmehäufigkeit ist auf einmal täglich beschränkt (Fachinformation Spedra 2014). Abbildung 1 Zyklisches Guanosinmonophosphat führt zu einer Erschlaffung der glatten Muskulatur im Schwellkörper und damit zu einem verstärkten Zufluss an Blut, was eine Erektion bedingt. Die Phosphodiesterase-5 (PDE5) sorgt nun dafür, dass dieses cgmp durch Hydrolyse zu 5 -Guanosinmonophosphat (5 -GMP) wieder abgebaut abgebaut wird und die Erektion abklingt. Reversible PDE5-Hemmstoffe wie Avanafil konkurrieren mit cgmp um die Bindung an der PDE5, verdrängen cgmp aus dem aktiven Zentrum und führen zu einer erhöhten Konzentration an cgmp, was zu einer verstärkten Erektion führt (s. Abbildung 2). Zusätzlich zur PDE5 gibt es zahlreiche andere Phosphodiesterasen verteilt auf die verschiedensten Gewebe im menschlichen Körper (Wallis et al. 1999). Dementsprechend bestimmt die Selektivität eines PDE5-Inhibitors ganz entscheidend dessen Nebenwirkungsprofil. Sildenafil und in geringerem Umfang Vardenafil hemmen zusätzlich auch noch die PDE6, ein Enzym, das vorzugsweise in der Retina vorkommt. Die Hemmung der PDE6 wird mit den nach der Einnahme von v.a. Sildenafil und Vardenafil berichteten Sehstörungen in Verbindung gebracht. Tadalafil dagegen besitzt zusätzlich zur PDE5 auch noch eine hohe Affinität für die PDE11, die vornehmlich in den Hoden, der Prostata und im Skelettmuskel lokalisiert ist (Corbin und Francis 1999). Avanafil ist ein starker, reversibler Inhibitor der PDE5 (IC 50 = 5,2 nm) und besitzt zudem eine hohe Selektivität für die PDE5. Avanafil zeigt eine höhere Selektivität für PDE5 gegenüber PDE6 (120-fach) als Sildenafil (16-fach) und Vardenafil (21-fach). Somit besitzt Avanafil auch eine wesentlich geringere Tendenz, die berüchtigten 1 CA 25.4.2014

Sehstörungen zu verursachen. Im Vergleich zu Tadalafil, das die PDE5 nur etwa 25- fach stärker als die PDE11 hemmt, kann beim Avanafil keine nennenswerte Hemmung der PDE11 festgestellt werden (> 19000-fach). Somit sollten auch die unter Tadalafil zu beobachtenden Myalgien seltener auftreten. Abbildung 2: Wirkmechanismus der PDE5-Inhibitoren wie z.b. Avanafil Allerdings muss angemerkt werden, dass die in der Literatur anzutreffenden IC 50 - Werte für die PDE5-Hemmer stark schwanken, nichtsdestoweniger werden für alle vier Substanzen IC 50 -Werte im nanomolaren Bereich zitiert (s. Tabelle 1) (Saenz de Tejada t al. 2001, Kotera et al. 2012, Wang et al. 2012, Kedia et al. 2013). PDE5-Hemmer Markteinführung IC 50 (PDE5) (nm) Hemmung anderer PDEs Sildenafil (u.a. Viagra ) 1998 6,6 1 3,5 3 PDE6 Tadalafil (Cialis ) 2003 5 4 PDE11 Vardenafil (Levitra ) 2003 0,7 1 PDE6 Avanafil (Spedra ) 2014 5,2 2 PDE6 Tabelle 1: Übersicht zu den vier zugelassenen PDE5-Hemmern 1 Saenz de Tejada et al. 2001 2 Kedia et al. 2013 3 Ballard et al. 1998 4 Daugan et al. 2003 2 CA 25.4.2014

PDE5-Inhibitoren imitieren cgmp im aktiven Zentrum des Enzyms. Dementsprechend finden sich gerade bei den frühen PDE5-Hemmern wie Sildenafil und Vardenafil noch starke, strukturelle Ähnlichkeiten zum natürlichen Substrat. Während Sildenafil und Vardenafil über fast identische Strukturen verfügen und die strukturelle Verwandtschaft zu cgmp deutlich zu erkennen ist, weisen das Indol Tadalafil sowie das neue Avanafil kaum direkt erkennbare, strukturelle Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten zum cgmp auf (s. Abb. 2). Diese Unterschiede in der chemischen Struktur bedingen auch unterschiedliche Bindungsmodi im aktiven Zentrum. Ein PDE5-Inhibitor muss in Anlehnung an das natürliche Substrat cgmp vor allem drei strukturelle Komponenten aufweisen: 1) eine Guanin-imitierende Struktur, in der Regel ein heterozyklisches System, 2) eine Ribose-imitierende Struktur sowie 3) eine Phosphodieser-imitierende Struktur (Kedia et al. 2013). Sildenafil und Vardenafil verfügen über fast identische Strukturen (Sildenafil: N- Methyl-piperazin; Vardenafil: N-Ethyl-piperazin in der Seitenkette sowie ein etwas anderer Heterozyklus) und lassen auf den ersten Blick noch die strukturelle Verwandtschaft zum cgmp erkennen. Tadalfil als Indol-Derivat zeigt diese Verwandtschaft nicht und besitzt eine komplett andere chemische Struktur und somit auch ein anderes Bindungsverhalten am aktiven Zentrum der PDE5 als Sildenafil und Vardenafil (s. Abbildung 3). Abbildung 3: Strukturformeln der drei bislang zugelassenen PDE5-Inhibitoren Avanafil seinerseits besitzt wiederum eine zu den bislang verfügbaren PDE5- Hemmern andere Struktur. Insgesamt besitzt Avanafil vier Monozyklen, die 3 CA 25.4.2014

miteinander verbunden sind (s. Abbildung 4). Zentraler Baustein ist ein Pyrimidin- Carboxamid, der vermutlich das Guanin des cgmp imitiert. Der Stickstoff des Amids ist mit einem Pyrimidinmethyl-Rest vebunden. Es ist anzunehmen, dass die Ribose- Phosphodiester-Struktur des cgmp durch den Chlormethoxybenzylamino-Rest imitiert wird, wobei der Methoxy-Substituent und das Cl-Atom in diesem Fall die zyklische Phosphat-Gruppe repräsentieren. Avanafil besitzt zusätzlich einen 2- Hydroxymethyl-pyrrolidin-Rest, der über den Pyrrolidin mit dem zentralen Pyrimidin verbunden ist, wobei sich ein chirales C-Atom ergibt. Avanafil ist das (S)-Enatiomer. Bedingt durch die gewaltigen Strukturunterschiede im Vergleich zu den anderen PDE5-Hemmern ist beim Avanafil von einem anderen Bindungsverhalten am aktiven Zentrum der PDE5 auszugehen (Limin et al. 2010, Alwaal et al. 2011, Kedia et al. 2013). Abbildung 4: Struktureller Aufbau des Avanafils Avanafil wird sehr schnell resorbiert, t max -Werte werden nach 30 bis 45 Minuten erreicht (s. Tabelle 2). PDE5-Inhibitor Bioverfügbarkeit (%) t max (h) Halbwertszeit (h) Biotransformation Sildenafil 40 1 4 CYP3A4 (viel), CYP2C9 (wenig) Tadalafil n.b. 2 17,5 CYP3A4 Vardenafil 15 1 4-6 CYP3A4 (viel), CYP3A5 und CYP2C (wenig) Avanafil n.b. 0,5-0,75 6-17 CYP3A4 (viel), CYP2C9 (wenig) Tabelle 2: Pharmakokinetische Daten der vier zugelassenen PDE5-Hemmer 4 CA 25.4.2014

Genauso wie bei Sildenafil und Vardenafil verzögert sich die Resorption, wenn die Applikation zusammen mit Nahrung erfolgt - insbesondere mit fettreicher Nahrung. Avanafil besitzt eine Halbwertszeit von 6 bis 17 Stunden und wird wie die anderern PDE5-Hemmer auch in der Leber über CYP-Isoenzyme metabolisiert. Der Hauptteil der Biotransformation erfolgt über CYP3A4, ein kleinerer Anteil über CYP2C9. Dementsprechend besteht auch beim Avanafil ein hohes Interaktionspotential, die gleichzeitige Einnahme mit starken CYP3A4-Inhibitoren wie z.b. Ketoconazol oder Clarithromycin ist kontraindiziert (Limin et al. 2010, Kyle et al. 2013, Fachinformation Spedra 2014). Literatur: Alwaal, A. et al. Drug Des Devel Ther 2011, 5, 435 Ballard, S.A. et al. J Urol 1998, 159, 2164 Corbin, J.D. und Francis, S.H. J Biol Chem 1999, 274, 13729 Daugan, A. et al. J Med Chem 2003,46, 4533 Fachinformation Spedra 2014, Menarini International Operations Luxembourg S.A. Kedia, G.T. et al. Ther Adv Urol 2013, 5, 35 Kotera, J. et al. J Urol 2012, 188, 668 Kyle, J.A. et al. Ann Pharmacother 2013, 47, 1312 Limin, M. et al. Expert Opin Investig Drugs 2010, 19, 1427 Saenz de Tejada, I. et al. Int J Impot Res 2001, 13, 282 Wallis, R.M. et al. Am J Cardiol 1999, 83, 3C Wang, R. et al. J Sex Med 2012, 9, 2122 5 CA 25.4.2014