Lehrenden und Lernenden sollte ein Paradigma für eine zukunftsweisende, demokratische Lern- und Unterrichtskultur sein.

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Transkript:

Rede der Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann Deutscher Lehrerpreis 2014 1. Dezember 2014 Es gilt das gesprochene Wort. Min. Löhrmann: Das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden sollte ein Paradigma für eine zukunftsweisende, demokratische Lern- und Unterrichtskultur sein.

2 Anrede, drehen wir gemeinsam in Gedanken kurz die Zeit zurück. Erinnern wir uns an unsere eigene Schulzeit und stellen wir uns vor, wir könnten spontan eine unserer ehemaligen Lehrerinnen oder einen Lehrer nachträglich für den Deutschen Lehrerpreis hier und heute nominieren. Wen würden wir wählen? Wer hat uns fasziniert? Welche pädagogischen Eigenschaften waren ausschlaggebend? Die meisten von uns haben ein intuitives Gefühl für pädagogische Qualität, und davon, wer in einer bestimmten Konstellation ein guter, ja, der beste Lehrer oder die beste Lehrerin war. Diese Intuition, die sich am Positiven orientiert, ist ungeheuer wertvoll.

3 Ich beneide Sie und Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, ein wenig darum, dass Ihr die Gelegenheit wahrnehmen konntet, eine Lehrerpersönlichkeit Eurer Wahl für den Deutschen Lehrerpreis vorzuschlagen. Das darin zum Ausdruck gebrachte Selbstbewusstsein und Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden sollte ein Paradigma für eine zukunftsweisende, demokratische Lern- und Unterrichtskultur sein. Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, als Präsidentin der Kultusministerkonferenz hier vor Ihnen anlässlich der Verleihung des 5. Deutschen Lehrerpreises 2014 sprechen zu dürfen. Der Deutsche Lehrerpreis gehört seit 2009 zum festen Bestandteil der Anerkennungsund Auszeichnungskultur für Lehrkräfte in unserem Land. Es wird zwar viel über Schule geklagt, doch laut einer neuen Studie gehen über 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler gerne zur Schule und haben ein positives Verhältnis zu ihren Lehrerinnen und Lehrern. Das haben Sie verdient, verehrte Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle vielen Dank für Ihre gelungene Arbeit.

Die Bedeutung der Lehrerrolle ist mit der Studie Visible Learning ( Sichtbare Lernprozesse ), die der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie im Jahr 2008 publizierte, neu ins Wahrnehmungsfeld der öffentlichen Diskussion gerückt. 4 Hatties Erkenntnisse basieren auf 800 Metastudien, in denen 50.000 Einzeluntersuchungen zur Unterrichtsforschung zusammengefasst wurden. Auf dieser Basis definierte Hattie 136 Einflussgrößen, die dazu beitragen, dass Unterricht gelingen kann. Seine Studie hat dazu beigetragen, dass in einer so häufig auf Strukturen und auf Haushaltsdaten gerichteten bildungspolitischen Diskussion die Lehrerpersönlichkeit wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt wird. Die größten Lernunterschiede, so stellte Hattie fest, manifestieren sich nicht zwischen verschiedenen Schulen, sondern zwischen einzelnen Klassen. Ich persönlich habe immer dafür geworben, innere und äußere Schulentwicklung als zwei Seiten einer Medaille zu betrachten.

5 Als einige der effektstärksten Einflussgrößen hat Hattie beispielsweise diese benannt: 1. Die Klarheit und Effektivität des Unterrichtshandelns, 2. die hohen Erwartungen der Lehrkraft an die Schülerinnen und Schüler, 3. das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern oder, 4. das Nichtetikettieren von Schülerinnen und Schülern und das Hineinversetzen in die Schülerrolle. Und die genannten Faktoren haben sehr viel mit Haltung, Zutrauen und Vertrauen zu tun! Anrede, meiner Einschätzung nach haben diese Gelingensbedingungen für guten Unterricht oder schulisches Leben bei der Auswahl und Vergabe des Deutschen Lehrerpreises in den letzten Jahren eine wichtige Rolle gespielt.

6 Es wäre reizvoll, z.b. die Videoberichte über die Preisträger des Deutschen Lehrerpreises unter diesem Blickwinkel durchzugehen und zu schauen, wieviel Hattie in ihnen steckt, oder ob es noch ganz andere Wege zum Erfolg gibt. Anrede, die einfachen Fragen Was müssen Lehrkräfte können? und Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit schulische Bildung gelingen kann? führen ins Zentrum der Arbeit der Kultusministerkonferenz der Länder. Von Beginn an war es den Ländervertreterinnen und - vertretern in der Kultusministerkonferenz klar, dass gut ausgebildete und motivierte Lehrkräfte das Fundament für ein qualitätsvolles, zukunftsfähiges Bildungswesen sind.

7 Der Aufbau einer an demokratischen Grundwerten orientierten Lehrerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, die Reform der Lehrerbildung Anfang der 70er Jahre, die Neubestimmung schulischen Lehrens und Lernens im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands in den 90er Jahren und die Internationalisierung unseres Bildungswesens seit Beginn des 21. Jahrhunderts: Bei all diesen Schritten zur Weiterentwicklung eines zeitgemäßen Selbstverständnisses des Lehrberufs hat die Kultusministerkonferenz maßgeblich mitgewirkt.

8 Anrede, im Jahr 2004 hat die Kultusministerkonferenz die Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften verabschiedet. In den dort definierten Kernkompetenzen wird sichtbar, wie anspruchsvoll der Beruf des Lehrers bzw. der Lehrerin mittlerweile geworden ist: Unter anderem sollen Lehrerinnen und Lehrer nicht nur Fachleute für schulische Lehr- und Lernprozesse sein. Sie nehmen zunehmend auch immer mehr Erziehungsaufgaben wahr, teilweise in Kooperation mit, immer öfter aber auch als Ersatz für Eltern. Dazu entwickeln Lehrkräfte ihre fachwissenschaftlichen und - didaktischen Kompetenzen im und neben dem Beruf weiter und beteiligen sich an den Prozessen schulischer Qualitätsentwicklung und gestalten sie in umfassender Weise mit.

9 Im Juni dieses Jahres hat die Kultusministerkonferenz eine überarbeitete Fassung der bildungswissenschaftlichen Standards für die Lehrerbildung verabschiedet, um den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention, gerecht zu werden. Damit wurden grundlegende Weichen für die Veränderung der Lehrerausbildung an den Hochschulen mit Blick auf die Erfordernisse der Inklusion gestellt. Den Akteuren in Bildungspolitik und Schulverwaltung, meinen Kolleginnen und Kollegen in der Kultusministerkonferenz und mir ist natürlich auch bewusst, dass hier nicht nur die einzelnen Lehrkräfte gefordert sind, sondern dass auch die systemischen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Ansprüche der Inklusionspädagogik auch zur sozialen Realität in den Schulen und Klassenräumen werden können. In der inklusiven Ganztagsschule, zu der wir schrittweise auf dem Weg sind, brauchen wir multiprofessionelle Teams. Auch das ist ein Paradigmenwechsel für das deutsche Schulsystem.

10 Anrede, allgemein heißt es: Auf den Lehrer bzw. die Lehrerin kommt es an. Wichtig ist, dass hier die Rollen der Lehrenden auf der einen Seite und der Lernenden auf der anderen Seite nicht zementiert werden. Lernen ist nicht einseitig die Aufgabe von Kindern und Jugendlichen so wie Lehren kein exklusives Privileg ist, das Erwachsene für sich beanspruchen können. Die Erfahrung zeigt uns, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist. Aber entscheidend ist die Hattie-Studie hat uns darauf hingewiesen es lehren diejenigen am besten, die sich in die Rolle des Lernenden hineinversetzen können. Und dazu zählen die heutigen Preisträgerinnen und Preisträger. Vielen Dank Ihnen allen für Ihre engagierte Arbeit und herzlichen Glückwunsch.