Wettbewerbskommission Commission de la concurrence Commissione della concorrenza Kreditkarten Interchange Fees Presserohstoff Welche Unternehmen sind im Schweizer Kreditkarten-Geschäft tätig? Als Issuer der Vier-Parteien-Systeme Visa und MasterCard (vgl. Abbildung) sind in der Schweiz gegenwärtig die Cornèr Banca SA, Credit Suisse, UBS AG und Viseca Card Services SA tätig. Dabei ist heute das sogenannte Dual Branding vorherrschend, das heisst die Issuer sind Mitglied sowohl von Visa als auch von MasterCard und vermarkten Produkte beider Kreditkartensysteme. Acquirer Interchange Fee Vergütung des Kaufpreises Issuer Merchant service charge Vergütung des Kaufpreises Bezahlung des Kaufpreises Karten- inhaber- Gebühren Händler Bezug von Waren und Dienstleistungen Karteninhaber Abbildung: Vier-Parteien-System Auf der Acquiring-Seite sind Telekurs Multipay AG und neu Aduno SA (Tochtergesellschaft der Viseca Card Services SA) für die Vier-Parteien-Systeme Visa und MasterCard aktiv. Die Aduno SA hat das Acquiring-Geschäft im Juli 2005 von der Cornèr Banca SA übernommen. Daneben bieten auch ausländische Acquirer wie B&S Card Service GmbH und ConCardis GmbH Acquiring-Dienstleistungen in der Schweiz an. Auch im Acquiring-Geschäft herrscht das "Dual Branding" vor. Daneben existieren die Drei-Parteien-Systeme American Express, Diners Club und JCB. Bei American Express erfolgt das Issuing und Acquiring in der Schweiz durch Swisscard AECS AG, einem Joint-Venture zwischen Credit Suisse und American Express. Das Issuing und Acquiring für die Diners Club-Kreditkarte erfolgt durch Diners Club Switzerland Ltd. JCB-Kreditkarten werden vor allem von asiatischen Touristen benützt und werden in der Schweiz nicht herausgegeben. Monbijoustrasse 43 CH 3003 Bern Telefon: 031 322 20 40 Telefax: 031 322 20 53 www.weko.ch weko@weko.admin.ch
Was ist die Funktion der Domestic Multilateral Interchange Fee (DMIF) und wie wirkt sich diese aus? Bei jeder inländischen Kreditkartentransaktion (Transaktion mit einer in der Schweiz herausgegebenen Kreditkarte an einem Verkaufspunkt in der Schweiz) vergütet der Acquirer, mit dem der jeweilige Händler einen Vertrag abgeschlossen hat, dem Issuer die DMIF als Prozentsatz des Transaktionsbetrags. Für den Acquirer stellt die DMIF somit ein Teil der Kosten dar, welcher über die Händlerkommission gedeckt werden muss. Die Höhe der DMIF wirkt sich daher auf die Höhe der von den Händlern zu bezahlenden Händlerkommission (MSC) aus. Auf der anderen Seite bildet die DMIF Teil der Einnahmen der Issuer. Die Höhe der Interchange Fee beeinflusst daher auch den Anteil der Issuing-Kosten, welcher über die Karteninhabergebühren gedeckt werden muss. Je höher die DMIF ist, desto geringer wird der Anteil der Issuing-Kosten, welcher über Karteninhabergebühren zu decken ist. Ist die DMIF eine Preisabrede? Die DMIF für die Kreditkartensysteme MasterCard und Visa werden in der Schweiz in nationalen Karten-Gremien, in welchen die Issuer und die Acquirer vertreten sind, multilateral verhandelt. Die DMIF ist die wichtigste Kostenkomponente der Acquirer, da sie einen wesentlichen Bestandteil der MSC ausmacht. Die Höhe der DMIF wirkt sich daher direkt auf den Preissetzungsspielraum der Acquirer aus. Sie fixiert faktisch einen Mindestpreis im Acquiring-Geschäft. Wie bereits erwähnt, beeinflusst die DMIF auch auf der Issuing-Seite den Preissetzungsspielraum, allerdings in umgekehrter Richtung. Sie hat einen Einfluss darauf, welcher Anteil der Kosten direkt über die Karteninhabergebühren gedeckt werden muss. Die Erträge aus der DMIF machen dabei über einen Fünftel der Gesamterträge der Issuer aus. Die DMIF ist somit als eine Preisabrede im Sinne des Kartellgesetzes zu qualifizieren. Welche Massnahmen sieht die einvernehmliche Regelung vor? Die einvernehmliche Regelung sieht weitreichende Massnahmen vor, um den Wettbewerb im Bereich der Kreditkarten zu beleben. a) Einschränkung der DMIF auf Netzwerkkosten Mit der einvernehmlichen Regelung wird die von den Issuern anwendbare durchschnittliche DMIF auf eine objektive Basis gestellt. Damit wird den Issuern 2
die Möglichkeit genommen, andere Kosten als die reinen Netzwerkkosten bei der Festsetzung der Höhe der DMIF zu berücksichtigen. Gemäss der getroffenen Regelung, bilden somit die effektiven Netzwerkkosten der Issuer eine Obergrenze der DMIF. Die Kosten für Dienstleistungen, von welchen lediglich die Karteninhaber profitieren (wie z.b. Kosten für die zinsfreie Periode bis zur Rechnungsstellung an den Karteninhaber, Zinskosten für Kredite bei Teilzahlung etc.), dürfen bei der Berechnung der durchschnittlichen DMIF nicht berücksichtigt werden. Die Ermittlung der Netzwerkkosten beruht auf einer genauen Definition der zu berücksichtigenden Kostenelemente und wird von einem Buchprüfungsunternehmen geprüft. Die Issuer haben sich verpflichtet, eine erste Senkung von ca. 15% der DMIF direkt nach Inkrafttreten des Entscheides vorzunehmen. b) Abschaffung der Nichtdiskriminierungsklausel (NDR) Mit der einvernehmlichen Regelung wird die sogenannte Nichtdiskriminierungsklausel (NDR) abgeschafft. Die NDR verbietet den kartenakzeptierenden Händlern, von den Kunden bei Bezahlung mittels Kreditkarte einen Zuschlag zu erheben oder bei Barzahlung einen Rabatt zu gewähren. Durch die Abschaffung der NDR wird der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Zahlungsmitteln verstärkt. Die NDR war bereits Gegenstand eines Verfahrens vor der Weko. Im November 2002 entschied diese, dass die NDR gegen das Kartellrecht verstösst. Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen, bei welcher die Acquirer die Verfügung der Weko angefochten hatten, wies den Fall aber im Juni 2005 zur Neubeurteilung an die Weko zurück. Sie verwies dabei hauptsächlich auf die mittlerweile geänderten Marktverhältnisse im Acquiring-Geschäft. Dieses Verfahren ist zur Zeit vor dem Bundesgericht hängig. c) Schaffung von Transparenz Die Acquirer verpflichten sich mit der einvernehmlichen Regelung, den Händlern auf Anfrage hin den für sie (branchen-)relevanten Interchange Fee-Satz bekanntzugeben. Welches sind die Auswirkungen der einvernehmlichen Regelung? Die einvernehmliche Regelung wird zu einer substantiellen, schrittweisen Senkung der durchschnittlichen DMIF von gegenwärtig [1,65 1,7%] auf [1,3 1,35%] führen. Die Senkung der DMIF sollte auch Auswirkungen auf die Händlerkommission haben, was sich wiederum auf die Endpreise gegenüber den Konsumenten auswirken sollte. Mit der Abschaffung der Nichtdiskriminierungsklausel und den Transparenzvorschriften wird der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Zahlungsmitteln 3
und die Verhandlungsposition der Händler gegenüber den Kreditkartenunternehmen verstärkt. Diese zusätzlichen Massnahmen sollen für eine Belebung des Wettbewerbs im Kreditkartengeschäft sorgen. Ist die schweizerische DMIF im Vergleich zum Ausland überhöht? Ein Vergleich der DMIF in der Schweiz mit dem Ausland ist mit verschiedenen Problemen verbunden. So existieren teilweise unterschiedliche DMIFs für verschiedene Branchen und Transaktionsarten. Zudem kann sich die Brancheneinteilung von Land zu Land unterscheiden. Vergleicht man die sogenannte Standard DMIF, welche für alle Branchen zur Anwendung kommt, für die keine spezifische DMIF definiert worden ist, dann bewegt sich die Schweiz bereits heute im Mittelfeld der europäischen Länder. Verschiedene ausländische Wettbewerbsbehörden und Regulatoren haben sich bereits mit der Problematik der Interchange Fees in Kreditkarten-Systemen befasst. Im Jahr 2002 hatte die EU-Kommission die Interchange Fee für grenzüberschreitende Visa-Transaktionen (also die intraregionale Interchange Fee) unter der Bedingung freigestellt, dass sie in objektiver Beziehung zu den Kosten steht und dass Transparenz gegenüber dem Handel hergestellt wird. Diese Freistellung wurde auf fünf Jahre befristet. In verschiedenen Ländern ist die DMIF zudem Gegenstand von laufenden Verfahren, wie z.b. Grossbritannien und Spanien. Die einvernehmliche Regelung, welche die Weko mit den Schweizer Issuern und Acquirern geschlossen hat, ist im internationalen Vergleich restriktiv in Bezug auf die Kosten, die bei der Bestimmung der Interchange Fee berücksichtigt werden dürfen. 4
Warum hat die Weko mit den Banken eine einvernehmliche Regelung getroffen und nicht einfach verfügt? Gegenstand einer einvernehmlichen Streitbeilegung sind jegliche Massnahmen, die eine mutmassliche Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 5 oder 7 Kartellgesetz beseitigen. Dabei geht es nicht nur darum festzuhalten, was die Unternehmen in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht tun dürfen, sondern was sie gerade noch tun dürfen, so dass der Wettbewerb nicht erheblich beeinträchtigt wird bzw. die Wettbewerbsbeschränkung durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz nach Art. 5 Abs. 2 Kartellgesetz gerechtfertigt ist. Das Kartellgesetz setzt eine einvernehmliche Streitbeilegung einem hoheitlichen Entscheid gleich. Dies entspricht im übrigen auch den neuen Regeln in der EU, wonach die Kommission Verpflichtungszusagen, welche geeignet sind, die Bedenken der Kommission auszuräumen, im Wege einer Entscheidung für die Unternehmen bindend erklärt. Vorliegend hätte die Kommission die Möglichkeit gehabt, das multilaterale Verhandeln der DMIF zu verbieten. Allerdings hätte dies zwingend bilaterale Verhandlungen zur Folge gehabt. Da das Verhältnis zwischen Issuer und Acquirer aufgrund des Vier-Parteien-Systems nicht dem üblichen Verhältnis zwischen Geschäftspartnern auf einem Markt entspricht, bestanden Anhaltspunkte, dass das bilaterale Verhandeln zu Markteintrittsschranken für ausländische Unternehmen und eventuell zu einer Erhöhung der DMIF geführt hätte. Aus diesen Gründen war es im vorliegenden Fall angezeigt die positiven Verpflichtungserklärungen der Parteien für bindend zu erklären. Gilt die einvernehmliche Regelung unbefristet? Die Genehmigung der einvernehmlichen Regelung wurde von der Weko auf vier Jahre beschränkt. Sie erlaubt der Wettbewerbsbehörde die erwarteten Wirkungen der getroffenen Massnahmen auf den Wettbewerb im Kreditkartengeschäft zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund der neuen Marktverhältnisse und unter Berücksichtigung der Entwicklungen im Ausland erneut zu überprüfen. Warum untersteht der Fall nicht direkten Sanktionen gemäss dem neuen Kartellgesetz? Da die Parteien die einvernehmliche Regelung vor dem Ablauf der Übergangsfrist des revidierten Kartellgesetzes unterzeichneten und den Willen zu einer sofortigen Umsetzung geäussert hatten, entfällt die Sanktionierbarkeit gemäss revidiertem KG. 5
Konnte eine Abrede zwischen den Issuern bezüglich der Jahresgebühren festgestellt werden? Die Weko hat sich in einem ersten Schritt auf die Abrede bezüglich der DMIF konzentriert. Die im Rahmen der einvernehmlichen Regelung getroffenen Massnahmen sollten auch Wirkungen auf den Issuing-Markt haben, indem der Wettbewerb zwischen den Issuern belebt wird. Sollten die erwarteten Wirkungen nicht eintreten, behält sich die Weko vor, ein Verfahren auf dem Issuing-Markt zu eröffnen. Statistische Angaben zum Kreditkartenmarkt In der Schweiz sind über 3,4 Mio. Kreditkarten im Umlauf (Visa, MasterCard, American Express und Diners). Es bestehen über 360'000 Akzeptanzstellen. 1 Im Jahr 2004 wurden in der Schweiz mit 82 Mio. Transaktionen rund CHF 15 Mrd. umgesetzt. 2 Die Gesamteinnahmen der Schweizer Issuer beliefen sich im Jahr 2003 gemäss einer Erhebung der Weko auf CHF 840 Mio. Darin sind Einnahmen aus der DMIF von knapp CHF 160 Mio. enthalten. 1 Die Angaben beziehen sich auf Mai 2005 (Quelle: Schweizerische Nationalbank). 2 Transaktionen und Umsatz mit in- und ausländischen Karten in der Schweiz (Quelle: Schweizerische Nationalbank). 6
Glossar Acquirer Issuer Händler und Dienstleistungsanbieter, die Kreditkarten zur Zahlung akzeptieren, schliessen einen Vertrag mit einem Acquirer ab. Der Acquirer leitet sämtliche Kreditkartentransaktionen seiner Vertragspartner an den jeweiligen Herausgeber der Kreditkarte (Issuer) weiter und vergütet dem Händler den Kaufpreis der mit der Kreditkarte bezahlten Ware oder Dienstleistung. Gegenwärtig sind in der Schweiz hauptsächlich zwei Acquirer, Telekurs Multipay AG und Aduno SA (Tochtergesellschaft der Viseca Card Services SA), für die beiden Kreditkartensysteme Visa und MasterCard tätig. Seit 2002 haben zudem mehrere ausländische Acquirer das Acquiring-Geschäft aufgenommen. Deren Marktanteil ist jedoch klein. Der Issuer gibt Kreditkarten an Endkonsumenten heraus und belastet Kreditkartentransaktionen auf den Konti der Karteninhaber. Gegenwärtig geben auf dem Schweizer Markt mit UBS AG, Credit Suisse, Cornèr Banca SA und Viseca Card Services SA (Gemeinschaftswerk der Kantonal-, Raiffeisen-, Regional- und anderen Banken) vier Issuer Visa- und MasterCard-Kreditkarten aus. Daneben gibt es Anbieter von Kreditkarten im Rahmen von Drei-Parteien-Systemen (Swisscard AECS und Diners Club). Drei-Parteien-System In einem Drei-Parteien-System wird das Acquiring und das Issuing vom selben Unternehmen wahrgenommen. American Express,Diners Club oder JCB sind Beispiele für Drei-Parteien-Systeme. Vier-Parteien-System Vier-Parteien-Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass das Acquiring und das Issuing nicht durch die gleichen Unternehmen erfolgt (vgl. Abbildung). Visa und MasterCard sind solche Vier-Parteien-Systeme. Händlerkommission Die Händler zahlen für jede Kreditkarten-Transaktion einen bestimmten Prozentsatz des Kaufpreises in Form einer Händlerkommission ( Merchant Service Charge, MSC) an den Acquirer. Die Händlerkommission wird dabei vom Kaufpreis, welcher dem Händler vom Acquirer vergütet wird, abgezogen. Einen Teil dieser Händlerkommission leitet der Acquirer in Form der sogenannten Interchange Fee an den Issuer der an der Transaktion beteiligten Kreditkarte weiter. 7
Karteninhabergebühren Interchange Fee Domestic Interchange Fee Intra- und Interregional Interchange Fee Preisdifferenzierungsverbot Die Karteninhaber bezahlen für die Inanspruchnahme verschiedener Dienstleistungen Karteninhabergebühren (Jahresgebühr, Gebühr für Zusatzkarten, Kreditzinsen, Wechselkommission, etc.) an den jeweiligen Issuer. Die Interchange Fee ist eine Gebühr, welche in einem Vier-Parteien-System vom Acquirer an den Issuer bezahlt wird. Sie wird bei jeder Kartentransaktion prozentual auf dem Transaktionsbetrag erhoben. Je nachdem, ob es sich um eine inländische, europäische oder aussereuropäische Transaktion handelt, kommt ein unterschiedlicher Interchange-Satz zur Anwendung. Unterschiedliche Interchange-Sätze existieren auch für verschiedene Branchen und Transaktionsarten (manuell, elektronisch, PIN-Code, Telefon, Internet, etc.). Die Domestic Interchange Fee kommt für inländische Transaktionen (Bezahlung mit einer in der Schweiz herausgegebenen Kreditkarte an einem Verkaufspunkt in der Schweiz) zur Anwendung. Sie bildet Gegenstand der Untersuchung der Weko. Da die Domestic Interchange Fee von den Schweizer Acquirern und Issuern gemeinsam festgelegt wird, wird sie auch "Domestic Multilateral Interchange Fee" (DMIF) genannt. In der Schweiz gibt es für die beiden Kreditkartenysteme Visa und MasterCard je einen allgemein gültigen Satz (sog. Standard DMIF) sowie verschiedene Branchensätze. Die Intra- und Interregional Interchange Fees kommen bei grenzüberschreitenden Kreditkartentransaktionen zur Anwendung Sie werden je von den Kreditkartenorganisationen Visa und MasterCard festgelegt und bilden nicht Gegenstand des Verfahrens der Weko. Der Kreditkarten-Akzeptanzvertrag der Acquirer sieht ein Preisdifferenzierungsverbot ("Non Discrimination Rule", NDR) vor. Danach verpflichten sich die Händler, eine Preisdifferenzierung nach Art des Zahlungsmittels zu unterlassen. Den Händlern ist somit eine Überwälzung der MSC auf den Kreditkarteninhaber oder die Gewährung eines Preisnachlasses bei Verwendung eines anderen Zahlungsmittels durch den Kunden untersagt. 8