Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft - Auswirkungen auf die Schweizer Konjunktur

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Transkript:

DOSSIER N R. 7 2 Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft - Auswirkungen auf die Schweizer Konjunktur November 2010 Daniel Lampart

Inhalt 1 Grosse Bedeutung des Konsums für die Konjunktur... 5 2 Konsumankurbelung: Pro- und Kontra-Argumente... 5 3 Ist Konsumankurbelung konjunkturpolitisch wirksam?... 6 3.1 Konsumierte Waren und Dienstleistungen kommen mehrheitlich aus dem Inland... 6 3.2 Mehr Kaufkraft = mehr Konsum von inländischen Produkten... 7 3.3 Mehr Einkommen = mehr Konsum bei tiefen und mittleren Einkommen... 8 4 Gesamtwirtschaftliche Effekte einer Kaufkraftstärkung... 10 5 Bibliografie... 12 Editorischer Hinweis: Dieses Dossier erschien erstmals in Rote Revue 2/2010

5 Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft Auswirkungen auf die Schweizer Konjunktur Im kommenden Jahr droht vor allem über höhere Krankenkassenprämien eine massive Kaufkraftabschöpfung von rund 2 Milliarden Franken. Diese wird die Arbeitslosigkeit zusätzlich in die Höhe treiben. Denn weniger Kaufkraft heisst weniger Konsum. Und der Konsum ist die grösste Nachfragekomponente der Wirtschaft. Würde die Kaufkraft erhöht, ergäben sich dementsprechend positive Wirkungen auf die Konjunktur. Vor allem mit Massnahmen zugunsten von tiefen und mittleren Einkommen wie höhere Prämienverbilligungen bei der Krankenversicherung kann der Konsum angekurbelt werden. Schlecht ist hingegen die Wirksamkeit von Massnahmen, von denen höhere Einkommen profitieren (z.b. eine Senkung der Einkommenssteuer). Das zeigen verschiedene Untersuchungen. 1 Grosse Bedeutung des Konsums für die Konjunktur Pro Jahr konsumiert die Schweizer Bevölkerung Waren und Dienstleistungen in der Grössenordnung von über 300 Milliarden Franken. Das sind rund 55 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Der Konsum ist die mit Abstand bedeutendste Nachfragekomponente viel bedeutender zum Beispiel als die Investitionen der Unternehmen oder des Staates. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts hängt daher in hohem Mass von der Entwicklung des Konsums ab. Konsumiert die Schweizer Bevölkerung weniger, so hinterlässt das deutliche Spuren in der gesamten Wirtschaft. Wenn die konsumnahen Unternehmen weniger verkaufen können, fahren sie Investitionen zurück und reduzieren ihren Personalbestand, wodurch sich die Absatzprobleme auf andere Branchen wie z.b. auf die Investitionsgüterhersteller oder den Bau übertragen. Der Konsum ist nur schon wegen seiner Grösse eine konjunkturpolitische Zielgrösse. Mit Massnahmen zur Ankurbelung des Konsums werden weite Teil der Wirtschaft erreicht. Wie lässt sich der Konsum stimulieren? Am einfachsten erfolgt die Ankurbelung indirekt über eine Stärkung der Kaufkraft vor allem indem das Einkommen der Haushalte erhöht wird. Alternativ dazu sind gezielte Verbilligungen von Produkten, Subventionen, Waren- oder Einkaufsgutscheine denkbar. 2 Konsumankurbelung: Pro- und Kontra-Argumente In der Politik, aber teilweise auch in den Wirtschaftswissenschaften gibt es Skeptiker, die bezweifeln, ob eine Stimulierung des Konsums möglich und konjunkturpolitisch wirksam ist. Die Skeptiker bringen vor allem zwei Argumente vor, nämlich a) dass Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft nicht zu einem höheren Konsum führen, weil die Haushalte davon ausgehen, dass sie die Massnahmen in Zukunft über höhere Steuern bezahlen müssen ( Ricardianische Äquivalenz ). Sie legen das zusätzliche Einkommen deshalb auf die hohe Kante. b) dass eine Erhöhung des Konsums im Ausland versickert, weil in einer kleinen offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz ein grosser Teil der Produkte importiert wird.

6 Die Befürworter der Konsumankurbelung auf der anderen Seite weisen hingegen darauf hin, c) dass Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen sowie Haushalte mit Kindern von ihrem Einkommen bestenfalls nur einen geringen Teil sparen können ( Liquiditätsrestriktion ). Wenn sie mehr Einkommen haben, geben sie das aus. d) dass ein grosser Teil des Konsums inländische Dienstleistungen und Waren beinhaltet, so dass nur ein Teil der Nachfrage ins Ausland versickert. 3 Ist Konsumankurbelung konjunkturpolitisch wirksam? Diese Argumente und Positionen können anhand von Statistiken und Modellsimulationen überprüft werden. Im Folgenden wird zunächst die Frage geklärt, welche Produkte in welchem Ausmass aus dem Ausland importiert werden bzw. ob eine höhere Konsumnachfrage über höhere Importe im Ausland versickert. Danach wird untersucht, wie gross der finanzielle Spielraum der Schweizer Haushalte ist. Wird ein zusätzlicher Franken an Kaufkraft ausgegeben oder auf die hohe Kante gelegt? 3.1 Konsumierte Waren und Dienstleistungen kommen mehrheitlich aus dem Inland Selbst in der kleinen Schweiz kommt der Löwenanteil der konsumierten Waren und Dienstleistungen aus dem Inland. Im Warenkorb des Landesindexes der Konsumentenpreise sind 71 Prozent der Konsumgüter inländischer Herkunft. Die Haushalte geben einen grossen Teil ihres Geldes schätzungsweise etwas mehr als die Hälfte für inländische Dienstleistungen aus. So beispielsweise fürs Wohnen, dem grössten Ausgabenposten, aber auch für Gesundheitsdienstleistungen, Freizeit, Kultur, Bildung oder persönliche Dienstleistungen wie Coiffeur etc. Aber nicht nur die Dienstleistungen, sondern auch Teile der konsumierten Waren kommen aus dem Inland. Zum Beispiel ist der Bereich der Nahrungsmittel stark inländisch geprägt.1 Bedeutend sind die Importe hingegen bei der Bekleidung und den Automobilen. Diese werden kaum mehr im Inland produziert. Allerdings fällt auch in diesen Bereichen eine bedeutende Wertschöpfung im Inland an, nämlich im Verkauf oder im Service. Diese Übersicht lässt deshalb den Schluss zu, dass bei einem höheren Konsum der Privathaushalte ein grosser Teil der Nachfrage im Inland wirksam wird. 1 Gemäss der Input-Output-Tabelle für die Schweiz fliessen nur rund 20 Prozent der Nahrungsmittelausgaben in den Import. Bei der Bekleidung und beim Verkehr sind es 45 bzw. 35 Prozent. Allerdings berücksichtigt diese Schätzung anhand der Input-Output-Tabelle nicht, dass für die Produktion von inländischen Waren importierte Vorprodukte erforderlich sind (www.input-output.ethz.ch).

7 Anteil der Konsumgütergruppen am Gesamtkonsum 25% 24% 20% 15% 10% 15% 12% 10% 8% 8% 8% 5% 5% 4% 3% 3% 0% 1% Miete und Nebenkosten Gesundheit sonstiges Nahrungsmittel Freizeit/Kultur Restaurants/Hotels Verkehr Möbel, Haushaltgeräte Bekleidung Alkohol, Tabak Kommunikation Bildung Quelle: BFS 3.2 Mehr Kaufkraft = mehr Konsum von inländischen Produkten Für die Konjunkturstabilisierung ist allerdings nicht nur ausschlaggebend, dass die Nachfrage im Inland wirksam wird, sondern auch dass sie schnell wirkt. Theoretisch wäre denkbar, dass eine Konsumstimulierung kurzfristig in den Importen versickert, obwohl ein grosser Teil des Konsums aus inländischen Waren und Dienstleistungen besteht. Das dann die inländischen Produkte vor allem gebundene Ausgabenposten sind, die in der kurzen Frist nur schwer erhöht werden können, während die ausländischen Produkte stärker auf Veränderungen des Einkommens reagieren. Die Frage lässt sich mit ökonometrischen Schätzungen beantworten. Eine Übersicht über die Schätzungen findet sich in nachstehender Tabelle. Diese zeigen, dass die gewichtigen, inländisch dominierten Gruppen Wohnen und Gesundheit stark vom Einkommen abhängen. Wenn ein Franken mehr Einkommen zur Verfügung steht, steigen die Ausgaben für Wohnen und Gesundheit um 85 bzw. 66 Rappen. In Restaurants/Hotels wird sogar 1.02 Fr. mehr ausgegeben. Wenig einkommenssensitiv ist hingegen der Konsum von Nahrungsmitteln sowie Alkohol, Tabak. Die Schätzung zeigt aber auch, dass die importierten Produkte Bekleidung sowie Automobile ebenfalls rasch auf Einkommensveränderungen reagieren. Allerdings ist ihr Anteil am Gesamtkonsum geringer als derjenige der inländisch dominierten Gruppen.

8 Einkommensreagibilität der Konsumgütergruppen 1990 bis 20072 ( Koeff. = Veränderung des Konsums je Gruppe bei Einkommensanstieg um 1 Prozent; Sig. = Signifikanz bzw. Aussagekraft der Schätzung) Koeff. Sig. Nahrungsmittel 0.41 ** Alkohol, Tabak 0.06 - Restaurants/Hotels 1.02 *** Bekleidung 0.89 ** Wohnen 0.85 *** Möbel, Haushaltgeräte 0.49 ** Gesundheit 0.66 ** Verkehr 0.77 *** Kommunikation 0.63 * Freizeit/Kultur 0.51 *** Sonstiges 0.35 - *** 1%; ** 5%;* 10%; - >10% Quelle: eigene Schätzungen 3.3 Mehr Einkommen = mehr Konsum bei tiefen und mittleren Einkommen Soll die Konjunktur über Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft stabilisiert werden, ist es entscheidend, dass das zusätzliche Einkommen auch tatsächlich ausgegeben wird. Wenn die zusätzliche Kaufkraft gespart wird, ist die Massnahme wirkungslos. Im Durchschnitt geben die Haushalte von einem Franken verfügbarem Einkommen rund 90 Rappen wieder aus. 10 Rappen werden gespart. Das Sparverhalten ist allerdings nach Einkommensklassen verschieden. Tiefe Einkommen sparen viel weniger als hohe Einkommen. Sie brauchen das Geld und können kaum etwas auf die hohe Kante legen. In der offiziellen Statistik gibt das unterste Fünftel der Einkommen (Einkommen bis 4599 Fr./Mt.) sogar 30 Prozent mehr aus als es einnimmt, während das oberste Fünftel fast 25 Prozent der Einkommen spart. Allerdings ist diese Statistik leicht verzerrt, indem im untersten Fünftel sehr viele RentnerInnen sind, die teilweise Vermögen aufbrauchen. So oder so zeigt sich aber klar, dass Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft umso wirksamer sind, je mehr die tieferen und unteren mittleren Einkommen davon profitieren. Wenn diese mehr Geld erhalten, werden sie es ausgeben. 2 Die Koeffizienten wurden mit einer Regression des Konsums in den jeweiligen Gruppen auf das aggregierte, verfügbare Einkommen geschätzt.

9 Sparquoten nach Einkommensklasse (Haushaltsbudgeterhebung 2007) 30% 20% 10% 0% -10% -20% -30% -40% Bis 4 599 4 600-6 699 6 700-8 899 8 900-12 499 12 500 und mehr Quelle: BFS Ob jemand finanziell in der Lage ist, einen Franken zusätzliches Einkommen zu sparen oder nicht, hängt auch davon ab, ob er oder sie Kinder hat. Die Einkommen von Haushalten mit Kindern sind ungefähr gleich hoch wie diejenigen von Haushalten ohne Kinder. Wer Kinder hat, muss sich daher finanziell einschränken. Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Statistik3 zeigt, dass dies auf Kosten des Konsums der Eltern im Haushalt geht. Haushalte mit Kindern geben z.b. weniger Geld für den Besuch von Restaurants, für Kultur, für öffentlichen Verkehr oder für Erwachsenenkleider aus. Eine Kaufkraftstärkung für Haushalte mit Kindern dürfte daher auch zu einem Konsumanstieg führen, zumindest was Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen betrifft. Monatliches Durchschnittseinkommen nach Haushaltstypen 12 000 10 000 8 000 6 000 4 000 2 000 0 Quelle: BFS Einpersonenhaushalte ohne Kinder Einelternfamilien mit Kindern Paare ohne Kinder Paare mit Kindern 3 BFS (2008): Familien in der Schweiz, Statistischer Bericht, Neuenburg.

10 4 Gesamtwirtschaftliche Effekte einer Kaufkraftstärkung Die Wirkung von Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft wurde mit makroökonomischen Modellen untersucht. Diese zeigen, dass Massnahmen grundsätzlich wirken, dass aber die Wirksamkeit je nach Massnahme unterschiedlich ist. So schneiden z.b. Steuersenkungen, von denen vtor allem höhere Einkommen profitieren, deutlich schlechter ab als Massnahmen zugunsten tieferer Einkommen. Ökonometrische Schätzungen zeigen, dass eine Erhöhung des verfügbaren Einkommens zu einem raschen Anstieg der privaten Konsums führt. Ein Franken mehr Einkommen führt gemäss diesen Schätzungen unmittelbar zu 65 Rappen (Lampart 2006) mehr Konsum. Dieser Effekt erhöht sich in der darauf folgenden Zeit auf rund 75 Rp. (Lampart 2006). Diese unmittelbare Wirkung der Kaufkrafterhöhung wird weiter verstärkt. Weil sie mehr verkaufen können, beginnen die Firmen zusätzliche Investitionen zu tätigen. Auch die Beschäftigung steigt infolge des höheren Absatzes. Das gibt gesamtwirtschaftlich mehr Einkommen, wodurch der ursprüngliche Kaufkraftimpuls verstärkt wird. Im Inland negativ wirkt sich allerdings aus, dass ein Teil der gestiegenen Kaufkraft und der Investitionsnachfrage über Importe ins Ausland abfliesst. Um diese Wirkungszusammenhänge zu quantifizieren, braucht es ein makroökonomisches Modell. Simulationen mit solchen Modellen für die Schweiz zeigen: Die grösste Wirkung hat ein Geldtransfer an tiefere oder untere mittlere Einkommen, zum Beispiel in Form von Prämienverbilligungen bei den Krankenkassenprämien. Gemäss einer aktuellen Schätzung der KOF ergibt sich dadurch auf einen Franken Impuls ein gesamtwirtschaftlicher Effekt von 80 Rappen. Die Wirkung von Steuersenkungen bei den direkten Steuern ist hingegen mit je nach Schätzung 30 bis 60 Rappen deutlich geringer. Was die Senkung von indirekten Steuern betrifft, weisen die Modellergebnisse grosse Unterschiede auf. Im Durchschnitt ist der BIP-Effekt einer Senkung der indirekten Steuern um 1 Fr. rund 40 Rappen also deutlich tiefer als derjenige eines Transfers an tiefere Einkommen. Die Wirkung hängt davon ab, ob die Unternehmen z.b. eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes an die KonsumentInnen weitergeben oder nicht. Wenn sie das tun, ist die Wirkung der Massnahme relativ gross. Tun sie das nicht, verpufft der Effekt grösstenteils. Schätzungen der Kaufkraftmultiplikatoren in der Schweiz (1 Fr. öffentlicher Impuls führt zu Fr. zusätzlichem BIP) Transfer für tiefere Direkte Steuern Indirekte Steuern Einkom- men BAK (2002) k.a. k.a. 0.15-0.35 KOF (2009a) 0.8 0.6 0.9 Lampart (2006) k.a. 0.6 0.5 OECD (2009)* k.a. 0.3 0.2 *Referenzszenario im Jahr nach dem Impuls

11 Im Vergleich mit anderen fiskalpolitischen Massnahmen sind diese Multiplikatoren etwas geringer. So ergaben Schätzungen der KOF (2009b) für öffentliche Bauinvestitionen einen Multiplikator von 1.6 ein Franken mehr öffentlicher Bau erhöht das BIP um 1.60 Franken. Doch hat eine Stützung des Baus gegenüber der Kaufkraftankurbelung den Nachteil, dass sich ihre Wirkung stark auf einzelne Branchen insbesondere die Baubranche konzentriert, während eine Stärkung der Kaufkraft eine wesentlich breitere Wirkung bei einer grossen Zahl von Branchen entfaltet. Zudem hängt ein Investitionsprogramm im Baubereich von der Zahl der kurzfristig realisierbaren Projekte ab, während eine Kaufkraftstärkung keinen derartigen Beschränkungen unterliegt.

12 5 Bibliografie BAK (2002): Das Finanzhaushaltsmodell des Bundes, Schlussbericht zur Reaktivierung und Weiterentwicklung 2001 und 2002, Projekt im Auftrag der eidg. Finanzverwaltung, Basel. BFS (2008): Familien in der Schweiz, Statistischer Bericht, Neuenburg. KOF (2009a): KOF Studie zum Pro und Kontra diskretionärer Fiskalpolitik, http://www.kof.ethz.ch/news/doc.php?did=1486&tid=2. KOF (2009b): Beschäftigungswirkungen eines Investitionsprogramms für die Schweiz, http://www.kof.ethz.ch/news/doc.php?did=1412&tid=2. Lampart, D. (2006): Handlungsspielräume und restriktionen der Schweizer Konjunkturpolitik in der langen Stagnation der 1990er Jahre, Diss. Uni Zürich. OECD (2009): Economic Outlook, March.

Die Reihe SGB-Dossier. Bisher erschienen: Titres déjà publiés dans la série Dossier de l USS : 42 JA zum Familienzulagengesetz am 26. November 2006, September 2006 / OUI à la Loi sur les allocations familiales le 26 novembre 2006, septembre 2006 43 Alte Fragen in neuer Schärfe? Verortungsversuche am Jubiläumskongress des SGB vom 5.11.2005, Oktober 2006/ Dossier des discours du Congrès du 125 e anniversaire de l USS, octobre 2006 44 Argumentarium Osteuropa, Oktober 2006 / Argumentaire : Loi fédérale sur la coopération avec l Europe de l Est, octobre 2006 45 JA zur sozialen Einheitskrankenkasse am 11. März 2007 46 Vertrags- und Lohnverhandlungen 2006/2007 Eine Übersicht aus dem Bereich der SGB-Gewerkschaften, März 2007 / Négociations conventionnelles et salariales 2006/2007, mars 2007 47 Für eine neue Gesundheitsversorgung in der Schweiz 2007, April 2007 / Proposition de réforme pour un nouveau système de santé en suisse, avril 2007 48 Temporärarbeit in der Schweiz, April 2007 avec compte-rendu en français (résumé et conclusion), avril 2007 49 20 Jahre SGB-Rentnerinnen- und Rentnerkommission, Juni 2007 50 Zur Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften im Jahr 2006, September 2007 51 Organisationen im Umbruch: Die Gewerkschaften in der Schweiz von 1990 bis 2006, September 2007 / Les syndicats en Suisse, de 1990 à 2006 : stratégies, fusions et évolution de leurs effectifs, janvier 2008 52 SGB-Kongress 9.11. 11.11.2006: Positionspapiere und Resolutionen, November 2007 / Congrès USS 9.11. 11.11.2006: Textes d orientation et résolutions, novembre 2007 53 Die AHV ist sicher SGB-Finanzierungsszenario für die AHV, Dezember 2007 / L AVS reste solide : scénario de l USS sur le financement de l AVS, décembre 2007 54 Vertrags- und Lohnverhandlungen 2007/2008 Eine Übersicht aus dem Bereich der SGB-Gewerkschaften, März 2008 Négociations conventionnelles et salariales 2007/2008, mars 2008 55 Argumentarium gegen die SVP-Initiative für demokratische Einbürgerungen, April 2008. Argumentaire contre l initiative populaire de l UDC «pour des naturalisations démocratiques», avril 2008. 56 Mindestlöhne in der Schweiz: Entwicklungen seit 1998 und Handlungsbedarf heute, April 2008, avec résumé en français. 57 Veränderungen im Bildungssystem der Schweiz und daraus resultierende Probleme im Bereich der beruflichen Grundbildung, der höheren Berufsbildung und der Weiterbildung, August 2008, avec résumé en français. 58 Weiter mit Bildung Berufsbildung fördern. Recht auf Standortbestimmung und lebenslange Bildung für alle, September 2008. Une formation, ça se continue Encourager la formation professionnelle. Droit au bilan professionnel et à l apprentissage tout au long de la vie, septembre 2008. 59 Zur Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften im Jahr 2007, August 2008; Évolution des effectifs syndicaux en 2007, août 2008. 60 Wirtschaftspolitik in der Schweiz: 60 Beiträge zu Lohn, Beschäftigung und Sozialstaat, Juli 2008 61 Die Liberalisierungspolitik in der Schweiz gedrosseltes Tempo, Eine Zwischenbilanz aus Gewerkschaftssicht. Oktober 2008 62 Welche Konjunkturprogramme wirken? Ein Kriterienraster und eine Evaluation der Investitionsprogramme von 1993 und 1997 / Quels programmes conjoncturels son efficaces? Grille de critères et évaluation des programmes d investissement de 1993 et 1997 63 Gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer/innen. November 2008 / Conditions de travail favorisant la santé des travailleurs âgés. Novembre 2008. 64 Vertrags- und Lohnverhandlungen 2008/2009 Eine Übersicht aus dem Bereich der SGB-Gewerkschaften, April 2009 Négociations conventionnelles et salariales 2008/2009, avril 2009 65 Mit Konjunkturstabilisierung längerfristige Wachstumschancen sichern Eine Auswertung der neueren empirischer Forschungsliteratur und ein Plädoyer für ein Umdenken in der Schweizer Wirtschaftspolitik, Juni 2009 66 Wie die Diskriminierung der MigrantInnen in der Arbeitswelt beseitigen? Das Programm des SGB, Juli 2009, avec résumé en français. 67 Zur Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften im Jahr 2008, September 2009; Évolution des effectifs syndicaux en 2008, septembre 2009. 68 Vertrags- und Lohnverhandlungen 2009 / 2010; Eine Übersicht aus dem Bereich der SGB-Gewerkschaften. Mai 2010. Négociations conventionnelles et salariales 2009/2010 ; un aperçu des secteurs couverts par les syndicats de l USS. Mai 2010. 69 Mitgliederentwicklung 2009, September 2010, Évolution des effectifs des syndicats en 2009, septembre 2010 70 11. SGB-Frauenkongress vom 20. und 21. November 2011. Vereinbarkeit jetzt! Erwerbsarbeit Familienarbeit: Schluss mit dem Zeitdilemma! August 2010. 11 e Congrès des femmes de l USS des 20 et 21 novembre 2009. Emploi et famille : un casse-tête au quotidien! Août 2010 71 Auswirkungen einer Frankenaufwertung auf die Schweizer Wirtschaft. September 2010 72 Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft Auswirkungen auf die Schweizer Konjunktur. Oktober 2010 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Nachbestellte Einzelnummern kosten Fr. 4.- pro Ex.; Umfangreiche Nummern sind teurer, Fr. 10.- (inkl. Porto). 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