Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise: Welche Erkenntnisse können aus der Vergangenheit gewonnen werden?



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Transkript:

36 Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise: Welche Erkenntnisse können aus der Vergangenheit gewonnen werden? Johannes Steinbrecher* Einleitung Die US-Finanzkrise, deren Ursprung in einer Destabilisierung des US-Immobilienmarktes lag, hat sich längst zu einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ausgeweitet. Die Frage über das Ausmaß der Belastungen, die mit dem Übergreifen der Krise von der Finanz- auf die Realwirtschaft einhergehen, wird seitdem kontrovers diskutiert. Dabei sind insb. die Belastungen für die weltwirtschaftliche Potenz und der zeitliche Horizont des Abschwungs von Interesse. Um dieser Frage nachzugehen, lohnt ein Blick auf die Historie von Wirtschaftskrisen, wie eine Studie des INTERNATIONALEN WÄHRUNGSFONDS (IWF) zeigt. Diese untersucht das Auftreten von Rezessionen in den 21 wichtigsten OECD-Staaten 1 im Zeitraum von 1960 bis 2007 [vgl. CLAESSENS et al. (2008)]. Klassifizierung von Wirtschaftskrisen Die Forscher des IWF konnten im Beobachtungszeitraum insgesamt 122 Rezessionen in den untersuchten Ländern identifizieren, wobei im Allge meinen mehrere Länder gleichzeitig Rezessionsphasen durchliefen. Immerhin 11% des Beobachtungszeitraumes, d. h. zusammengenommen fünf Jahre und zwei Monate, befand sich jede dieser Volkswirtschaften durch schnittlich in einem konjunkturellen Abschwung. Von diesen 122 Rezessionen wurden 18 durch eine starke Kontraktion der Kreditvergabe, sog. Kreditklemmen, begleitet, denen in der Regel eine schwere Störung des Bankensystems vorausging. Weitere 34 Rezessionen waren mit einem Einbruch der Immobilienpreise verbunden, bei zusätzlichen 45 Rezessionen war ein massiver Rückgang der Aktienkurse zu beobachten. Bei 17 der dokumentierten Rezessionen traten mindestens zwei der beschriebenen Begleiterscheinungen auf. Bei vier Rezessionen traten alle drei Marktstörungen zeitgleich auf (vgl. Abb. 1). Eine typische Rezession in der untersuchten Periode dauerte durchschnittlich vier Quartale und hatte einen mittleren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von * Johannes Steinbrecher arbeitet als Doktorand an der Niederlassung Dresden des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Abbildung 1: Wirtschaftskrisen von 1960-2007 für ausgewählte OECD-Staaten Kreditklemmen 10 3 1 4 18 9 31 Hauspreiseinbrüche Aktienkurseinbrüche

37 3,04 % (Median) zur Folge. Die kürzeste beobachtete Rezession dauerte lediglich zwei Quartale, die längste hingegen 13 Quartale. Schwere Rezessionen waren durch eine längere Dauer durchschnittlich 5 Quartale und einen stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung gekennzeichnet (Median: 9,94 %). 2 Im Durchschnitt war jedes der 21 untersuchten Länder im Beobachtungszeitraum 5,81 Rezessionen ausgesetzt, wovon 2,14 zu den schweren Rezessionen zählten. In Deutschland waren in diesem Zeitraum acht Rezessionen zu beobachten, wovon lediglich eine als schwere Rezession von den Autoren eingestuft wurde. Dennoch fielen die Wirtschafts - krisen in Deutschland im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern etwas milder aus, was sich durch eine kürzere durchschnittliche Dauer und einen geringeren mittleren Rückgang der Wirtschaftskraft ausdrückte (vgl. Abb. 2). Lediglich 46 der beobachteten Rezessionen waren nicht mit einer der genannten Begleiterscheinungen verbunden. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass rund zwei Drittel aller Rezessionen im untersuchten Zeitraum durch eine massive Störung des Kredit-, Immobilienbzw. Aktienmarktes begleitet wurden. Dieser Aspekt ist insofern von besonderem Interesse, da die Ökonomen des IWF einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Dauer und Intensität von Rezessionen und dem Auftreten dieser Störungen beobachten konnten (vgl. Tab. 1). Wirtschaftskrisen, die mit Kreditklemmen einhergingen, dauerten im Allgemeinen länger und hatten einen deutlich stärkeren Einbruch der Wirtschaftsleistung zur Folge als jene Rezessionen, die nicht durch eine Störung des Kreditmarktes begleitet wurden. Weiterhin verstärkten Kreditkrisen auch den Rückgang des Privatkonsums sowie den Anstieg der Arbeitslosenquote deutlich gegen - über Rezessionen ohne diese Störungen. Müssen Banken ihre Kreditvergabevolumen senken, wird die Finanzierung von Investitionsvorhaben für Unternehmen und Privathaushalte erschwert. Kreditklemmen führten dadurch stets zu deutlichen Investitionsrückgängen (Median: 5,63 %). Darüber hinaus wird die Refinanzierung der Unternehmen durch eine restriktive Kreditvergabe erschwert. Unter - nehmen, die nicht über ausreichende Liquiditäts reser ven verfügen, können somit in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Wirtschaftskrisen, die von Hauspreisimplosionen begleitet wurden, zeigten ebenfalls stärkere Einbrüche. Im Ver gleich zu Rezessionen ohne Störungen des Immobi - lienmarktes dauerten sie im Durchschnitt ein Quartal länger und führten zu einem weitaus stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung. Wie die Studie des IWF belegt, verschlechterte sich die Arbeitslosenquote überdurchschnittlich stark in Folge einer Immobilienmarktstörung. Auch der Privatkonsum sank stärker als in Rezes - sionen ohne Immobilienpreisimplosionen. Stark sin kende Hauspreise führen zu sinkendem Nettovermögen der Abbildung 2: Rezessionen von 1960 2007 in ausgewählte Wirtschaftsräumen 9,0 8,00 7,0 5,81 5,57 5,0 3,0 1,0 3,25 3,64 3,56 Amplitude (Median, in % des BIP) kumulierter Rückgang (Median, in % BIP) 1,0 3,0 5,0 Anzahl Rezessionen Durchschnittliche Dauer in Quartalen 1,41 1,59 1,87 Deutschland OECD-Staaten G7-Staaten 2,56 3,04 2,99

38 Tabelle 1: Wirkung ausgewählter Marktstörungen auf die Intensität von Rezessionen Rezessionen Dauer (Mittelwert in Quartalen) Amplitude (Median, in %) kumulierter Rückgang des BIP Veränderung des Privatkonsums Veränderung der Arbeits - losenquote ohne Kreditklemme 3,64 1,82 2,87 0,04 0,55 mit Kreditklemme 3,78 2,19 4,44 0,41 0,90 mit massiver Kreditklemme ohne mit mit starkem ohne mit mit starkem 4,33 2,70 6,15 0,58 1,00 3,20 1,52 2,25 0,09 0,50 4,47 2,18 3,74 0,73 1,30 4,60 2,64 5,32 1,16 1,24 3,48 1,63 2,64 0,05 0,60 3,82 1,98 3,08 0,09 0,60 3,61 2,05 3,20 0,27 0,60 Eigentümer, was die Konsumneigung der Privathaushalte abschwächt. Dies gilt umso mehr, wenn steigende Immobilienpreise mit einer sinkenden Sparquote einhergingen, wodurch der Wert der Immobilien eine wesentliche Determinante des Privatvermögens wurde. Hingegen konnten die Autoren der Studie nur vergleichsweise geringe Einflüsse von Kapitalmarktstörungen auf die Tiefe von Rezessionen beobachten. Obwohl Rezessionen, die von Kapitalmarktstörungen begleitet werden, tendenziell etwas länger dauerten, waren die Auswirkungen dieser Störungen auf die Wirtschaftsleis - tung, den Privatkonsum und die Entwicklung der Arbeitslosenquote vergleichsweise gering. Ein Grund dafür könnte in der relativ geringen Bedeutung des Wertpapiervermögens für den Privatkonsum liegen. Empirische Studien konnten einen deutlich geringeren Einfluss einer Veränderung der Aktienkurse im Vergleich zu Immobilien - preisänderungen auf den Privatkonsum beobachten [vgl. bspw. LETTAU und LUDVIGSON (2004)]. Diese Ergebnisse könnten sich auch aus dem relativ geringen Anteil des Ak - tienvermögens am Gesamtvermögen der Privathaushalte ergeben. Abgesehen von den angelsächsischen Regionen, in denen das Aktienvermögen traditionell eine herausragende Rolle spielt, fokussiert sich die Vermö - gens bil dung in den anderen Ländern insbesondere in Kontinentaleuropa tendenziell auf andere Assetklassen (z. B. Immobilien und Bankeinlagen). So betrug der Anteil des Aktienvermögens am Gesamtvermögen eines durch - schnittlichen deutschen Haushaltes im Jahr 2006 nur 8,2 %, während zum gleichen Zeitpunkt rund 46 % des Vermögens in Immobilien gebunden war. Auch hat sich der Einfluss der Finanz- und Kapitalmärkte auf die Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. 3 Die Studie könnte dadurch den Einfluss der Finanzmärkte durch den langen Betrachtungszeitraum etwas unterzeichnen. In der Tat zeigen empirische Untersuchungen, dass die Entwicklung und Ausgestaltung der Aktienmärkte einen wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes haben kann [vgl. hierzu bspw. LEVINE und ZERVOS (1998) oder LEVINE et al. (1999)]. Die Kausalität der Ergebnisse wird in der Studie des IWF jedoch nicht diskutiert. Die Studie des IWF zeigt auch, dass sich die Effek - te der einzelnen Störungen bei zeitgleichem Auftreten gegenseitig verstärkten. Rezessionen, die z. B. sowohl von Kreditklemmen als auch von Hauspreisimplosionen begleitet wurden, dauerten durchschnittlich länger als fünf Quartale an und führten zu einem kumulierten Rückgang des BIP von 6,7 %. Auch die aktuelle Finanzkrise hatte ihren Ursprung in einer Immobilienmarktstörung, weitete sich dann auf den Kredit- und Finanzmarkt aus und verstärkte dadurch wiederum die Verwerfungen an

39 den Immobilienmärkten. Auffällig war ebenfalls die hohe Synchronität von Wirtschaftskrisen. Rezessionen traten selten isoliert bzw. sequentiell auf, vielmehr konnte häufig ein zeitgleiches Abschwächen mehrerer Wirtschaftsräume beobachtet werden. Einen ähnlichen Effekt konnten die Ökonomen REINHART und ROGOFF (2008a) für eine Untersuchung von Bankenkrisen beobachten. Auch in diesem Fall traten die Krisen zeitgleich in mehreren Ländern auf. Erkenntnisse für die aktuelle Wirtschaftskrise Im Hinblick auf die derzeitige Weltwirtschaftskrise sind die Ergebnisse der IWF-Studie ernüchternd. Während der rasante Wertverfall an den weltweiten Aktienmärkten nur relativ geringe Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben könnte, so dürften Kreditklemmen und Immobi - lienpreisimplosionen für die wirtschaftliche Entwicklung verheerend sein. Dies sind insb. für die USA schlechte Nachrichten, da sie als Ursprungsland der Krise einer besonders schweren Störung der Kredit-, Immobilienund Finanzmärkte ausgesetzt sind. Solche Störungen haben jedoch mittlerweile die meisten Länder erreicht, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass der Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise erst noch bevorsteht. Auch muss mit einer starken Rezession gerechnet werden, da der konjunkturelle Abschwung weltweit von Störungen der Kredit- und Kapitalmärkte begleitet wird. Der Umstand, dass sich neben der Wirtschaft auch das Finanz- und Bankensystem in einer massiven weltweiten Krise befindet, verstärkt diese Befürchtungen. REINHART und RO- GOFF beobachteten, dass die Wirtschaftsleistung durch die fünf großen Bankenkrisen der Nachkriegszeit 4 im Jahr des Ausbruchs und den darauffolgenden zwei Jahren deutlich stärker zurückging, als bei vergleichweise geringen Störungen des Bankensektors, wenngleich auch in diesen Fällen eine deutliche Abschwächung der Wirtschaftsleistung zu beobachten war. Ferner erkannten sie, dass obwohl sich die aktuelle Finanzkrise erst über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum erstreckt, die bereits messbaren Auswirkungen schon ähnlich hoch ausfallen wie während der großen 5 Bankenkrisen [vgl. REINHART und ROGOFF (2008b)]. Erkenntnisse für die deutsche Wirtschaft Auch Deutschland kann sich den Auswirkungen des weltweiten Abschwungs nicht entziehen, wie eine wachsende Anzahl negativer Wirtschaftsindikatoren beweist. Insbesondere die starke außenwirtschaftliche Verflechtung Deutschlands birgt dabei Risiken für die konjunkturelle Entwicklung. Der SACHVERSTÄNDIGENRAT (SVR) geht in seinem aktuellen Jahresgutachten davon aus, dass allein die Exporteinbrüche aufgrund der nachlassenden Nachfrage der USA, des Vereinigten Königreichs sowie Frankreichs und Spaniens das Wachstum des BIP um rund ein Prozent dämpfen könnten [vgl. SVR (2008)]. Dabei gibt vor allem die zunehmend restriktivere Kreditvergabe Anlass zur Sorge, da die Kosten der Rezession durch eine massive Kreditklemme sprunghaft ansteigen könnten. Auch bietet die derzeitige Fragilität des Bankensystems wenig Anlass zur Hoffnung auf baldige Besserung. Ein Blick auf die vom IFO INSTITUT erhobene Umfrage zur Kredit hürde zeigt, dass die Unternehmen diese in den ver gan genen Monaten als zunehmend restriktiver empfanden. Dabei scheinen sich am stärksten die für Deutschland so wichtigen Möglichkeiten zur Kreditaufnahme im verarbeitenden Gewerbe einzuschränken. Vor allem mittlere und große Unternehmen scheinen von dieser Entwicklung betroffen zu sein (vgl. Abb. 3). Immer - hin 51,9 % der befragten großen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe gaben an, dass die Kreditvergabe restriktiv sei. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Sommer 2003 (vgl. ifo Kredithürde, Februar 2009). Dennoch kann auch etwas Hoffnung für die deutsche Wirtschaft aus den Erkenntnissen der Studie des IWF geschöpft werden. Zwar muss für Deutschland ebenso mit rückgängigen Immobilienpreisen gerechnet werden, ein Einbruch der Immobilienpreise, mit den damit verbundenen Folgekosten, ist hierzulande jedoch unwahrscheinlich. Der grundlegend anders gestaltete institu - tionelle Rahmen und die daraus resultierende, wenig dynamische, Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes in den vergangenen Jahren bietet nur ein vergleichsweise geringes Korrekturpotenzial. 5 So deuten Berechnungen des IWF darauf hin, dass Immobilien in Deutschland anhand fundamentaler Bewertungskrite - rien, bspw. der demographischen Entwicklung oder der Preisentwicklung alternativer Vermögenswerte, tendenziell unterbewertet sind. Hingegen scheinen die Immobilienpreise in besonders stark betroffenen Volkswirtschaften (z. B. USA, Vereinigtes Königreich und Irland) fundamental deutlich überbewertet zu sein [vgl. IWF (2008)]. Von den schwerwiegenden Folgen eines Immobilienpreiseinsturzes dürfte Deutschland somit verschont bleiben. Die Untersuchung zeigt außerdem, dass Ausmaß und Dauer einer Rezession ebenfalls stark davon abhingen, in welcher wirtschaftlichen Verfassung sich die Länder vor Ausbruch der Rezession befanden. Und der überwiegende Teil der Unternehmen sowie der Privathaushalte in Deutschland war in den vergangenen Jahren wirtschaftlich kerngesund.

40 Abbildung 3: Kredithürde im verarbeitenden Gewerbe nach Unternehmensgröße Anteil der Unternehmen, die die Kreditvergabe als restriktiv empfinden (%) 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 26,1 20,0 14,0 10,0 9,2 0,0 Juni 03 Juni 04 Juni 05 Juni 06 Juni 07 Juni 08 51,9 41,9 36,6 Große Mittlere Kleine Unternehmen Quelle: ifo Institut für Wirtschaftsforschung (2009). Literatur: CLAESSENS, S., KOSE, A. und M. TERRONES (2008): What happens during Recessions, Crunches and Busts?, IMF Working Paper WP/08/274, Dezember 2008. IWF INTERNATIONALER WÄHRUNGSFONDS (Hrsg.) (2008): World Economic Outlook, Oktober 2008. LETTAU, M. und S. C. LUDVIGSON (2004): Understanding Trend and Cycle in Asset Values: Reevaluating the Wealth Effect on Comsumption, American Economic Review 94, 2004, 276 299. LEVIN, R., und S. SERVOS (1998): Stock Markets, Banks and Economic Growth, American Economic Review 88, 1998, 537 558. LEVIN, R., LOYAZA, N. und T. BECK (1999): Financial Intermediation and Growth: Causality and Causes, World Bank Policy Research Working Paper No. 2059, Februar 1999. SVR SACHVERSTÄNDIGENRAT ZUR BEURTEILUNG DER GE- SAMTWIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG (Hrsg.) (2008): Jahresgutachten 2008/2009 Die Finanzkrise meis - tern Wachstumskräfte stärken, November 2008. REINHART, C. und K. ROGOFF (2008a): Banking Crises: An Equal Opportunity Menace, NBER Working Paper 14587, Dezember 2008. REINHART, C. und K. ROGOFF (2008b): Is the 2007 U.S. Sub-Prime Financial Crisis So Different? An International Historical Comparison, Working Paper, Februar 2008. Datenquellen: BULLWIENGESA AG: Kompetenz: Immobilienindex 1975 2008, Januar 2009, http://www.bulwiengesa.de/info/ IX_Immobilienindex.pdf. IFO INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG (Hrsg.) (2009): Die Kredithürde Ergebnisse des ifo Konjunkturtest im Februar 2009, Februar 2009, http://www.cesifo-group. de/portal/page/portal/ifohome/a-winfo/d1index/ 18INDEXKREDKL. 1 Die untersuchten Länder sind: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, Japan, Kanada, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, USA, UK. 2 Als schwere Rezessionen wurden die 25 % der beobachteten Wirtschaftskrisen eingestuft, bei denen der stärkste Rückgang der Wirtschaftsleistung zu beobachten war. Analog werden Kreditklemmen, Aktienkurs- und Immobilienpreiseinbrüche als schwer bezeichnet, wenn sie zu dem Quartil mit den stärksten Auswirkungen zählen. 3 Länder wie Irland, Island oder Großbritannien haben bspw. in den vergangenen Jahrzehnten ihre Wirtschaft stark auf Dienstleistungen ausgerichtet, wobei die Finanzindustrie eine Schlüsselrolle spielte. Darüber hi - naus haben die weltweite Integration der Güter- und Kapitalmärkte sowie die wachsende Anzahl an Finanzinstrumenten die internationale Bedeutung der Kapitalmärkte für die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. 4 Diese fünf großen Bankenkrisen umfassen: Spanien (1977), Norwegen (1987), Finnland (1991), Schweden (1991), Japan (1992). 5 Eine Übersicht über die Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes anhand verschiedener Immobilienindizes bietet beispielsweise die BULL- WIENGESA AG.