2 Richtfunkantennen Eine Richtfunkantenne hat als Sendeantenne die Aufgabe, die ihr vom Sender des Funkgeräts über die Antennenzuleitung zugeführte Sendeleistung abzustrahlen, und zwar scharf gebündelt in Richtung der Empfangsantenne der zugehörigen Gegenstelle. Die Empfangsantenne hat im Gegenzug die Aufgabe, einen möglichst hohen Anteil der Leistung der ankommenden elektromagnetischen Welle über die Antennenzuleitung an den Eingang des Empfängers zu liefern. In der Regel werden Reflektorantennen mit parabolförmigem Reflektor verwendet. In Sonderfällen werden oberhalb 20 GHz Linsenantennen eingesetzt und ab 50 GHz auch Schlitzgruppenantennen (Slot Antenna Arrays). Antennen sind Wellentypenwandler. Die Sendeantenne wandelt die ihr zugeführte, leitungsgebundene, elektromagnetische Welle in eine Freiraumwelle um. Die Empfangsantenne empfängt eine Freiraumwelle, die als Leitungswelle über die Antennenzuleitung an den Empfänger weitergeleitet wird. 2.1 Wirkungsweise von Parabolantennen Parabolantennen bestehen aus einem parabolförmigen Metallreflektor, in dessen Brennpunkt sich der Erreger bzw. Primärstrahler befindet. Bei der Antenne in Abbildung 2-1 ist der Reflektor ein rotationssymmetrisches Paraboloid. Der Erreger im Brennpunkt wird durch einen gebogenen Rechteckhohlleiter gehalten, der zugleich als Antennenzuleitung dient. F = H = > B H 4 A B A J H E C A H 0 D A E J A H - H H A C A H > M 2 H E H I J H = D A H E * H A F K J @ A I 4 J = J E I F = H = > E @ I Abbildung 2-1: Rotationsparabolantenne J. Donnevert, Digitalrichtfunk, DOI 10.1007/978-3-8348-2212-3_2, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
12 2 Richtfunkantennen Die prinzipielle Wirkungsweise einer Parabolantenne kann mit Hilfe einer strahlenoptischen Betrachtungsweise erklärt werden. Bei dieser Betrachtungsweise wird die Welleneigenschaft der elektromagnetischen Welle vernachlässigt. In der Schnittzeichnung in Abbildung 2-2 sind vier von unendlich vielen vom Erreger im Brennpunkt des Paraboloids ausgehenden Strahlen gezeichnet. Sie treffen auf die Oberfläche des parabolförmigen Reflektors und werden reflektiert, sodass sie die Antenne parallel zur Antennenachse verlassen. Daraus erklärt sich die Richtwirkung der Antenne. Die Schattenfläche des Reflektors bezeichnet man als Apertur. Antennen der beschriebenen Art, bei denen die Abmessungen der Apertur um ein Vielfaches größer sind als die Wellenlänge der elektromagnetischen Welle, werden als Apertur- oder Flächenstrahler bezeichnet. F = H = > B H 4 A B A J H E C A H 5 A @ A H - H H A C A H > M 2 H E H I J H = D A H E * H A F K J @ A I 2 = H = > I ) J A A =? D I A 0 D A E J A H H? I J? = H J E C C A > C A ) F A H J K H Abbildung 2-2: Parabolantenne mit Strahlengang Die Erläuterung der Wirkungsweise der Parabolantenne anhand der Schnittzeichnung von Abbildung 2-3 berücksichtigt die Welleneigenschaft der elektromagnetischen Welle. Man erkennt in der Zeichnung eine Kugelwelle, die vom Erreger im Brennpunkt des Rotationsparaboloids ausgeht. Die Flächen gleicher Phase dieser Welle sind in der Schnittzeichnung Kreise mit dem Brennpunkt F 1 als Mittelpunkt. Bei der Reflexion am parabolförmigen Reflektor entsteht eine ebene Welle. Die Flächen gleicher Phase der ebenen Welle sind in der Schnittzeichnung Geraden, die senkrecht auf der Achse des Paraboloids stehen. Anhand der Leitebene des Paraboloids kann anschaulich erklärt werden, dass nach der Reflexion eine ebene Welle die Apertur verlässt. Die Leitebene ist eine virtuelle Fläche, die im Abstand der Brennweite f hinter dem Scheitel S des Rotationsparabo- 1 F = Fokus = Brennpunkt.
2.2 Fernfeld von Richtfunkantennen 13 loids angenommen wird. Der Weg der elektromagnetischen Welle vom Brennpunkt F über den Reflexionspunkt A bis zum Punkt A auf der Aperturfläche ist so groß wie die Strecke vom Punkt A auf der Leitebene über den Punkt A auf dem Rotationsparaboloid zum Punkt A auf der Aperturebene. Ebenso ist der Weg der elektromagnetischen Welle vom Brennpunkt F über den Reflexionspunkt B bis zum Punkt B auf der Aperturfläche so groß wie die Strecke. Das Gleiche gilt für alle Reflexionspunkte und alle zugehörigen Punkte der Leitebene. Daraus folgt: Die Welle, die den Bereich der Rotationsparabolantenne verlässt, könnte man durch unendlich viele dicht benachbarte Kugelstrahler auf der Leitebene, die alle gleichphasig in die rechte Halbebene senden, erzeugen. Durch die Überlagerung aller von diesen Kugelstrahlern ausgehenden Wellen entsteht eine ebene Welle. Eine Parabolantenne transformiert somit die vom Primärstrahler ausgehende, sphärische Wellenfront in eine ebene Wellenfront. Das System Erreger mit parabolförmigem Reflektor ist einer gleichphasig strahlenden, ebenen Fläche gleichwertig. A E J A > A A A > A A 9 A A ) F A H J K H B? D A ) F A H J K H A > A A ) ) B 5 * H A M A E5 J A B ). 2 = H = > E @ * * *. 5? D E J J A E? D K C A E A I A E B =? D A 0 H A H H A C A H I Abbildung 2-3: Parabolantenne mit Leitebene und Hornerreger 2.2 Fernfeld von Richtfunkantennen Aus der Beschreibung der prinzipiellen Wirkungsweise einer Parabolantenne im vorangehenden Abschnitt könnte man annehmen, dass sich die elektromagnetische Welle nur in einem Bereich von der Größe der Apertur im Raum vor der Antenne
14 2 Richtfunkantennen ausbreitet. Tatsächlich gehen die von einer Sendeantenne ausgehenden Wellenfronten in ausreichendem Abstand, dem sogenannten Fernfeldabstand, in sphärische Wellenfronten über 2. Die von der Antenne ausgehende Strahlung erscheint dann als eine von einer punktförmigen Quelle ausgehende Welle. Mit guter Näherung kann eine Parabolantenne als punktförmige Quelle angenommen werden, wenn die Entfernung eines Punktes P auf der Antennenachse bis zu einem Punkt R auf dem Rand der Apertur um größer ist als der Abstand des Punktes P zum Mittelpunkt M der Apertur (Abbildung 2-4a). Wenn die Streckendifferenz gleich ist, gilt nach dem Satz des Pythagoras:, d. h. Das quadratische Glied in dieser Gleichung kann vernachlässigt werden, so dass man für den Fernfeldabstand erhält: (2.1), 4 @ = D B A @ @ 2. A H B A @ 5 A @ A = J A A = @ B A H @ F K J B H E C A 5 A @ A = J A A @ - F B = C I = J A A, > Abbildung 2-4: Fernfeldabstand einer Parabolantenne 2 Siehe auch Kapitel 11, Elektromagnetische Umweltverträglichkeit, EMVU.
2.3 Richtcharakteristik von Parabolantennen 15 Tabelle 2-1: Beispiele für Fernfeldabstände Aperturdurchmesser D/m Radiofrequenz f/ghz Fernfeldabstand /m 2 6 160 0,6 23 55 Für eine Empfangsantenne gilt eine analoge Betrachtungsweise. Der Fernfeldabstand einer Empfangsantenne ist der Abstand, bei dem der Phasenfehler einer sphärischen Wellenfront, die von einer punktförmigen Quelle ausgeht, am Rand der Apertur, bezogen auf den Mittelpunkt der Apertur, gleich ist (siehe Abbildung 2-4 b). Bei einem Abstand, der größer ist als der Fernfeldabstand, kann die von einer punktförmigen Quelle ausgehende, sphärische Wellenfront im Bereich der Apertur der Empfangsantenne als ebene Welle angesehen werden. In Tabelle 2-1 sind zwei Beispiele für Fernfeldabstände angegeben. 2.3 Richtcharakteristik von Parabolantennen Sendeantennen strahlen nicht nur in Richtung der Achse der Antenne Leistung ab, sondern auch in alle anderen Richtungen. Die meiste Leistung wird allerdings in Richtung der Antennenachse abgestrahlt. Dies ist die Hauptstrahlrichtung der Antenne. Die Art und Weise, wie die Antenne Leistung in die verschiedenen Richtungen des Raumes abstrahlt, wird durch die Richtcharakteristik beschrieben. Sie gibt an, wie groß die von der Sendeantenne im Fernfeld erzeugte Leistungsflussdichte ist, und zwar in Abhängigkeit des Winkels und bezogen auf die in Hauptstrahlrichtung erzeugte Leistungsflussdichte. Die Leistungsflussdichte ist das Maß für die Stärke der Strahlung im Fernfeld einer Antenne. Ihre Maßeinheit ist Watt pro Quadratmeter (W/m²). Sie bezeichnet somit die Energie, die pro Zeiteinheit eine Fläche mit einem Flächeninhalt von senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Strahlung durchströmt. Ebenso wie die Sendeantenne hat auch die Empfangsantenne eine bevorzugte Richtung die Hauptempfangsrichtung. Eine elektromagnetische Welle, die aus dieser Richtung einfällt, erzeugt die größte Empfangsleistung. Wellen, die aus anderen Richtungen einfallen, liefern geringere Empfangsleistungen. Die Richtcharakteristik einer Empfangsantenne gibt die Empfangsleistung als Funktion des Winkels an, aus dem eine elektromagnetische Welle einfällt bei konstanter Leistungsflussdichte der einfallenden Welle und bezogen auf die Empfangsleistung in Hauptempfangsrichtung.
16 2 Richtfunkantennen A I I > A J - F B = C I = J A A - F B C A H 5 A @ A H 2 5 A @ A = J A A 2 ) A E C A > M 4 A C E I J H E A H K C @ Abbildung 2-5: Messanordnung zur Aufnahme der Richtcharakteristik Die prinzipielle Messanordnung zur Aufnahme der Richtcharakteristik einer Empfangsantenne ist in Abbildung 2-5 angegeben. Die Sendeantenne ist in Richtung der Empfangsantenne ausgerichtet. Die Empfangsantenne befindet sich auf einem drehbaren Messtisch auf dem Turm des Antennenmessgeländes. Die Sendeantenne ist tiefer aufgestellt als das Messobjekt. Dadurch werden Reflexionen durch das Gelände hinter dem Messobjekt, die das Messergebnis verfälschen könnten, ausgeschaltet. Die Entfernung zwischen Sendeantenne und Messobjekt muss größer sein als der Fernfeldabstand. Die Sendeleistung ist während der Messung konstant zu halten. Zu Beginn der Messung wird das Messobjekt auf die Sendeantenne ausgerichtet, d. h., der Drehtisch wird solange geneigt und gedreht, bis die Anzeige des Empfängers maximale Empfangsleistung anzeigt. Der Drehwinkel in dieser Stellung wird auf 0 gesetzt. Die Empfangsleistung bei ist die Bezugsleistung des relativen Empfangspegels : Bei, d. h. in Hauptempfangsrichtung, beträgt der relative Empfangspegel somit. Nun wird der Drehtisch um 360 gedreht und die Empfangsleistung bzw. der relative Empfangspegel als Funktion des Drehwinkels gemessen und registriert. Das Messergebnis ist der Schnitt in der Drehebene durch die dreidimensionale Richtcharakteristik. Aufgrund des Reziprozitätstheorems ist die Richtcharakteristik der Empfangsantenne gleich der Richtcharakteristik dieser Antenne beim Einsatz als Sendeantenne, d. h., Sende- und Empfangs-Richtcharakteristik einer Antenne sind identisch.
2.3 Richtcharakteristik von Parabolantennen 17 Eine in dieser Weise gemessene, zweidimensionale Richtcharakteristik ist in Abbildung 2-6 beispielhaft angegeben. Da die db-werte in dem Diagramm alle positiv sind, wurde nicht der relative Pegel aufgetragen, sondern die Winkeldämpfung : Die wichtigsten Kennwerte der Richtcharakteristik sind in Abbildung 2-6 erläutert. 0 = K F J I J H = D H E? D J K C 0 = K F J A K A A > A A K A! @ *!!! # @ *! " # %! 9 E A @ F B K C > A E # % = # & @ * % ' " & # 4? @ F B K C = 4 = & Abbildung 2-6: Richtcharakteristik einer Parabolantenne
18 2 Richtfunkantennen 8 C A I? D K J H = C A 4 = @ Abbildung 2-7: Richtfunkantenne mit Kragen und Radom [2.2] Richtfunkantennen besitzen in der Regel ein Radom, das vor Witterungseinflüssen schützt. Die Antenne in Abbildung 2-7 ist eine Antenne des 7-GHz-Bereiches mit Radom. Man erkennt außerdem, dass der Reflektor der Antenne einen Metallkragen besitzt. Dieser Kragen ist auf der Innenseite mit absorbierendem Material belegt. Er hat die Aufgabe, die Überstrahlung des Reflektors durch den Erreger möglichst klein zu halten. Abbildung 2-8 zeigt eine 23-GHz-Antenne mit abgenommenem Radom. Man erkennt den Erreger und das schwarze Absorbermaterial auf der Innenseite des Kragens. Der Anteil der elektromagnetischen Welle, der auf das Absorbermaterial trifft, wird absorbiert. - H H A C A H I O I J A ) > I H > A H Abbildung 2-8: Antenne mit abgenommenem Radom und Kragen mit Absorber
2.3 Richtcharakteristik von Parabolantennen 19 Die Wirkung des Kragens auf die Richtcharakteristik einer Antenne ist aus Abbildung 2-9 ersichtlich. Im Gegensatz zur Darstellung in Abbildung 2-6 ist diese Richtcharakteristik im kartesischen Koordinatensystem im Winkelbereich von 0 bis 180 dargestellt. Die Winkeldämpfung der Antenne mit Kragen (ausgezogene Kurve) ist in fast allen Winkelbereichen zwischen 71 und 180 größer als 60 db. Nur in zwei kleinen Bereichen bei 108 und 114 beträgt sie 58 db bzw. 55 db.! 2 = H = > = J A A B! ' / 0 @ * @ * H A = J E L A H 2 A C A @ *! "! @ *, 0 = > M A H J I > H A E J A E J H = C A D A H = C A! " 9 E A @ F B K C @ * # #! % & " & 9 E A Abbildung 2-9: Richtcharakteristik einer Antenne mit und ohne Kragen In Abbildung 2-9 ist der Bereich um die Hauptkeule der Antenne in einer Skizze hervorgehoben, um einen weiteren Antennenkennwert zu erklären, die Halbwertsbreite oder die 3-dB-Breite der Antenne. Innerhalb der Halbwertsbreite sinkt der Leistungspegel, den eine Sendeantenne erzeugt, um 3 db ab, d. h. auf die Hälfte des Maximalwertes. Je kleiner die Halbwertsbreite ist, umso größer ist die Richtwirkung der Antenne. Die Halbwertsbreite ist von der auf die Wellenlänge bezogenen Fläche der Apertur abhängig. Näherungsweise kann die Halbwertsbreite mit der folgenden Beziehung berechnet werden: (2.2)
20 2 Richtfunkantennen Die Halbwertsbreite einer 3-m-Parabolantenne hat bei 7,7 GHz einen Wert von 0,9. Bei 23 GHz beträgt die Halbwertsbreite einer 1,2-m-Antenne 0,7. Obwohl die Halbwertsbreite einer Antenne ein Maß für deren Richtwirkung ist, spielt sie bei der Streckenplanung keine Rolle. Ihr Wert fließt in die statischen Berechnungen des Antennenträgers ein. Die Auslenkung des Antennenträgers sollte bis zu einer für den Ort des Antennenträgers spezifizierten Windgeschwindigkeit (z. B. 200 km/h bis 250 km/h) kleiner sein als ein Drittel der Halbwertsbreite [2.3]. 3 9 E A @ F @ K C @ *! " #? D = H = J A H E I J E I? D A 5? D K J A H A E A H 4 J = J E I F = H = > = J A A % & & " " & 9 E A / H = @ Abbildung 2-10: Typisches Richtdiagramm einer Rotationsparabolantenne [2.10] Das Richtdiagramm einer rotationssymmetrischen Parabolantenne besitzt im Winkelbereich zwischen etwa 15 und 60 eine für diesen Antennentyp charakteristische Schulter. In diesem Winkelbereich liegt die Winkeldämpfung etwa zwischen 48 db und 58 db (Abbildung 2-10). Die Schulter in der Richtcharakteristik ist die Folge von Streueffekten an den Konturen des Erregers und der Antennenzuleitung, die als Halterung des Erregers dient. Bei 180 hat die Richtcharakteristik ein Maximum, d. h., die Winkeldämpfung hat dort ein Minimum. Dieses Maximum ist auf Streueffekte am Rand des rotationssymmetrischen Reflektors zurückzuführen. 3 Annex B (informative].
http://www.springer.com/978-3-8348-1782-2