TTIP UND SCHIEDSGERICHTSBARKEIT. von Prof. Dr. Claus Köhler und Isabella Theisen* Hintergrund

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Transkript:

TTIP UND SCHIEDSGERICHTSBARKEIT von Prof. Dr. Claus Köhler und Isabella Theisen* Hintergrund Bei der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft ( TTIP ; Treaty on Transatlantic Investment Partnership) handelt es sich um ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen den USA und Europa. Es geht um die Abschaffung von tarifären- und nichttarifären Handelshemmnissen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. Das Ziel von TTIP ist die langfristige Verbesserung und Harmonisierung der Wirtschaft. Der so entstehende gemeinsame Wirtschaftsraum wäre die Vereinigung der weltweit größten Wirtschaftsräume. Dadurch entstünden neue Maßstäbe für Markt und Wirtschaft, welche zur weltweiten Globalisierung beitragen würden. TTIP soll insbesondere auch Investitionssicherheit, z.b. durch Regelungen zur Streitbeilegung, und Wettbewerbsgleichheit fördern, staatsübergreifende Aufträge vereinfachen und Beschränkungen für kommerzielle Dienstleistungen verringern. Aber nicht nur wirtschaftliche Aspekte sind Gegenstand von TTIP. Auch Regelungen zum Verbraucherschutz, zu Arbeitnehmerrechten sowie zur Nachhaltigkeit von Gütern sind auf der Agenda der seit dem Jahre 2013 laufenden Verhandlungen. Kritik an TTIP TTIP gerät in der europäischen Union zunehmend in medienwirksame Kritik. Die Gegner von TTIP bemängeln z.b. die Anpassung der Verbraucherschutzstandards an die im Vergleich niedrigeren der USA und äußern Skepsis bezüglich der Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen des Investitionsschutzes. Die Besorgnis der Europäer stieß bislang auf amerikanischer Seite eher auf Unverständnis. Das Zusammenrücken mit der EU wurde sowohl von Demokraten als auch von Republikanern einheitlich begrüßt. Das Abkommen wurde als eine deutliche Erleichterung für Handel und Export nach Europa und als Vereinfachung des Zugangs für amerikanische Produkte auf den europäischen Markt begriffen. Mittlerweile werden aber auch auf amerikanischer Seite Bedenken geäußert. Besonders der Präsidentschaftskandidat der Republikaner Donald Trump lehnt als Globalisierungsgegner das Freihandels-Abkommen ab. Objektiv wird vorgebracht, dass nicht nur die Gefahr der Beeinträchtigung gewisser Standards auf europäischer Seite bestünde. Auch die USA befürchten zudem eine Reduzierung ihrer Standards, z.b. bezüglich der Bankenaufsicht und des Umweltschutzes. In der Folge wird der Themenkomplex TTIP und Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen des Investitionsschutzes näher beleuchtet. 164520v17 1

Kritik am investor-state dispute settlement Das sog. investor-state dispute settlement ( ISDS ) als Teil von TTIP gäbe ausländischen Investoren die Möglichkeit, sich an ein Schiedsgericht mit dem Antrag auf Entscheidung der Streitigkeit zu wenden, wenn sie geltend machen, dass sie von Staaten enteignet oder diskriminiert worden sind. Folge eines berechtigten Anliegens eines Investors kann die Titulierung eines Schadensersatzanspruchs gegen den rechtswidrig handelnden Staat durch das angerufene Schiedsgericht sein. Gerade auch die Streitbeilegung im Bereich Investitionsschutz durch Schiedsgerichte ist ein zentraler Kritikpunkt gegen TTIP. Die Kritiker des ISDS befürchten einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. TTIP eröffne Investoren die Chance, staatliche Rechtsprechung und staatliche Regelungen zu unterlaufen. Ebenso sehen die Kritiker vor allem in Deutschland mit Verweis auf Art. 92 Grundgesetz, der die rechtsprechende Gewalt ausschließlich den Richtern der staatlichen Gerichte zuweist, einen Bruch verfassungsrechtlicher Prinzipien. Ein weiterer Kritikpunkt ist der nicht öffentliche Ablauf der Verhandlungen von Schiedsgerichten. Der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisierte scharf die TTIP Schiedsgerichtsbarkeit. Nach seiner Aussage hätten sowohl die USA als auch Europa eine nationale Gerichtsbarkeit, welche ausreichend verlässlich sei. Insbesondere würde er aufgrund der mangelnden Transparenz ( ) privaten Schiedsgerichten nicht zustimmen. Auch die Aussage vom bisherigen TTIP-Verfechter SPD-Chef Sigmar Gabriel, sorgte nun bei Angela Merkels Verkündung während des G7-Gipfels in Japan noch bis Ende dieses Jahres die Vertragsverhandlungen abzuschließen, für Konfusion. Bisher verteidigte er das Abkommen. Nun äußerte er Kritik an den Schiedsgerichten und zweifelte an den Verhandlungen mit den USA. Gabriel betonte, dass ein zu frühzeitiges schlechtes Abkommen nicht tragbar sei und er einer Vereinbarung nicht zustimmen würde, wenn die geplanten privaten Schiedsgerichte nicht mindestens den CETA-Standards (Comprehensive Economic and Trade Agreement; geplantes europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen) entsprächen: "Ich werde niemals einem Abkommen zustimmen, wenn es bei den intransparenten privaten Schiedsgerichten bleibt." Schiedsgerichtsbarkeit als effizientes Mittel zur alternativen Streitbeilegung allgemein und der Regeln des ISDS und im Kontext von TTIP Die in hohem Maß emotionale und populistische Kritik an der Streitbeilegung durch nichtstaatliche Schiedsgerichte im Rahmen von TTIP ist unberechtigt. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist ein effizientes und bewährtes Mittel der sog. alternativen Streitbeilegung, d.h. einer Streitbeilegung außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit, sowohl allgemein als auch in im Kontext von TTIP. Den Bedenken der Kritiker lässt sich Folgendes entgegnen: Gegen die Kritik spricht des schon die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Schiedsgerichten durch Investoren bei Klagen gegen einen Staat. Grundlage dafür sind zahlreiche sowohl durch europäische Staaten als auch durch die USA abgeschlossene bilaterale Investitionsschutzab- 164520v17 2

kommen, die auf den ISDS Prinzipien beruhen, die auch in TTIP verankert werden sollen, also eine Streitbeilegung durch Schiedsgerichte vorsehen. Einklang mit Gewaltenteilung und Rechtsstaatsprinzip Dem Rechtsstaatsprinzip, der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 92 Grundgesetz und dem Parlamentsvorbehalt wird in vollem Umfang genügt, wenn das Parlament eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union, ggf. mittelbar durch die Übertragung von Kompetenzen z.b. auf die Europäische Union, der Zuständigkeit eines nichtstaatlichen Schiedsgerichts zur Entscheidung über einen Rechtsstreit und der verbindlichen Wirkung des Schiedsspruchs und dessen Vollstreckbarkeit zugestimmt hat. Nichts anderes gilt schon bisher auch für die allgemeine nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeit, die in den nationalen Zivilprozessordnungen und/oder nationalen Gesetzes ihre rechtliche Grundlage hat; dort werden auch die Regeln von zwischenstaatlichen Abkommen, z.b. des New Yorker Übereinkommens von 1957 über Schiedsgerichtsbarkeit für den jeweiligen Staat anwendbar erklärt. Die Kritik daran, dass sich die Gesetzgebung von Staaten, die Investoren Investitionsschutz durch ISDS gewährten, eingeschränkt wird, weil ja die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Souveräns auf der Basis seiner souveränen Entscheidung erfolgte, ist rein politisch zu sehen, sie ist rechtlich irrelevant. Auch diese Kritik erscheint im Übrigen fragwürdig. Es geht für die Staaten darum, Wachstum und Wohlstand durch die Förderung von Investitionen durch rechtssichere Investitionsbedingungen mit anderen politischen Zielen abzuwägen und eine ausgewogene Entscheidung zu treffen. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsgerichten Schiedsgerichte werden nicht durch eine Partei, z.b. einen Großkonzern, beherrscht. Vielmehr benennen beide Parteien Schiedsrichter, die dann einen Vorsitzenden wählen. Dabei ist ein Staat gegenüber einem Unternehmen nicht benachteiligt. Staaten lassen sich in vielen Angelegenheiten beraten und vertreten, oftmals auch von Rechtsanwälten, die in sog. Großkanzleien tätig sind; Staaten sind im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit seit langem versiert. Schiedsrichter kann nur werden, wer unabhängig und unparteiisch ist und während des Schiedsgerichtsverfahrens bleibt. Die Parteien tun gut daran, schon bei der Benennung darauf zu achten, dass die Schiedsrichter die vorgenannten essentiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Schiedsrichteramtes erfüllen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein Schiedsspruch später durch ein staatliches Gericht wegen eines diesbezüglichen Verstoßes aufgehoben wird. Letztlich sind alle Schiedsrichter beider Parteien zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihres Amtes verpflichtet; anders ausgedrückt ist der von einer Partei benannte Schiedsrichter nicht Vertreter der benennenden Partei, sondern hat die Interessen beider Parteien durch die ordnungsgemäße Ausübung seines Schiedsrichterauftrages zu wahren. 164520v17 3

Mit Argumenten, dass reputabele Schiedsrichter zugunsten von Unternehmen urteilten, um so weitere Klagen zu generieren, die sie dann auch als Anwälte vertreten könnten, muss wohl angesichts der klaren Pflichtenlage, die mit der Annahme des Schiedsrichteramts verbunden sind, und wegen des Benennungsprozedere durch die Parteien eines Schiedsgerichtsverfahrens selbst, keine ernstliche Auseinandersetzung erfolgen. Öffentlichkeit und Vertraulichkeit Dass Schiedsgerichte nicht öffentlich tagen, hat nichts Anstößiges, sondern beruht auf dem durch die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit von den Parteien zum Ausdruck gebrachten Interesse an Vertraulichkeit. Es gibt in vielen Verfahren gute Gründe für Vertraulichkeit, z.b. die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, die in einer öffentlichen Verhandlung preisgegeben würden. Die Parteien, z.b. ein Unternehmen und ein Staat sind, wenn nicht entsprechende andere Pflichten zur Vertraulichkeit, z.b. Regelungen in der anwendbaren Schiedsgerichtsordnung (vgl. z.b. Art. 42 Schiedsgerichtsordnung des ständigen Schiedsgerichts der Deutschen - Rumänischen Industrie- und Handelskammer Bukarest) oder eine vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen bestehen, frei, die Öffentlichkeit über das Schiedsgerichtsverfahren zu informieren. Nur die Schiedsrichter sind kraft ihres Amtes in der Regel (so z.b. im Rule 15 ICSID Arbitration Rules International Center for Settlement of Investment Disputes) zur Geheimhaltung verpflichtet, ebenso wie die Rechtsanwälte gegenüber ihrem Auftraggeber, wenn sie nicht von ihrer Geheimhaltungsverpflichtung entbunden wurden. Angesichts der öffentlichen Diskussion über "die Gefahr einer intransparenten Entscheidung in einem Hinterzimmer" mag man versucht sein, anzunehmen, der Vorwurf der Heimlichkeit entspringt eher dem Misstrauen gegen die Wahrnehmung staatlicher Gewalt allgemein. Ein solches Unbehagen gegen das Verhalten staatlicher Organe darf nicht zu einer Diskreditierung der Schiedsgerichtsbarkeit instrumentalisiert werden. Ungeachtet des Vorstehenden sind mittlerweile (vgl. z.b. auch Rule 48 (4) der ICSID Arbitration Rules zur Veröffentlichung von Schiedssprüchen zumindest in Auszügen und die UNCITRAL Regeln zur Transparenz bei Investor-Staat Schiedsverfahren aus dem Jahre 2013) nach zahlreichen Schiedsgerichtsordnungen Inhalte von Schiedsgerichtsverfahren zwischen Investoren und Staaten öffentlich verfügbar. Zusammenfassung Daher spricht nichts dagegen, die nichtstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit auch für die Streitbeilegung zwischen Staaten und Investoren im Rahmen von TTIP einzusetzen, um die allgemein anerkannten Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit, z.b. den Einsatz von Experten als Schiedsrichter, die Stringenz und Zügigkeit des Verfahrens, die Rechtskraft einer Entscheidung ohne das Durchlaufen eines Instanzenzugs, die Wahl der Verfahrenssprache und die Vertraulichkeit des Verfahrens zu nutzen. Es ist bedauerlich, dass die öffentliche Diskussion diese Vorteile weitgehend außer Acht lässt und aus dem reinem Bauchgefühl einer Antiglobalisierungskampagne 164520v17 4

und einer populistischen Besinnung auf die Hoheitsrechte der Staaten heraus motivierte Argumente die Überhand zu gewinnen scheinen, und so das Thema Schiedsgerichtsbarkeit offensichtlich instrumentalisiert wird, um in der Antiglobalisierungsdiskussion TTIP insgesamt zum Scheitern zu bringen. Richtig ist, dass die Schiedsgerichtsbarkeit in umfassender Weise als ein effizientes Mittel der alternativen Streitbeilegung anzusehen ist. Dies gilt für Schiedsverfahren zwischen privaten Parteien gleichermaßen wie auch für Streitigkeiten zwischen Investor und Staat. *Prof. Dr. Claus Köhler, LL.M ist Rechtsanwalt in München und als Attorney-at-law in New York und beim US Supreme Court zugelassen. Er ist Professor am Lehrstuhl für Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Kozminski Universität Warschau und Präsident des Ständigen Schiedsgerichts der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer in Bukarest. Isabella Theisen ist Studentin der Rechtswissenschaften an der Universität Passau. 164520v17 5