FRÜHE HILFEN WAS BRINGT DIE VERLÄNGERTE WOCHENBETTBETREUUNG? Dipl. Pflegepäd. Melita Grieshop Universität Osnabrück Prof. Dr. Bernd Röhrle Dr. Hanna Christiansen Dipl. Psych. Jana Anding Dipl. Psych. Rebecca Schilling Philipps-Universität Marburg Prof. Dr. med. Beate A. Schücking Universität Leipzig
Übersicht Effekte Frühe Hilfen Hebammen im Kontext Früher Hilfen Gesundheitsförderung in Familien Studie Ausweitung der Wochenbettbetreuung Vorläufige Ergebnisse Fazit
Effekte früher Hilfen I Übersichten (k= 33) zeigen, dass peri-und postnatale frühe Hilfen (insbesondere Hausbesuche) helfen bei der Identifikation psychischer Erkrankungen der Verbesserung des kindlichen und elterlichen Befindens des elterlichen Gesundheitsverhaltens der Mutter-Kind-Interaktion und führen langfristig zu Kosteneinsparungen (Barlow et al. 2010; Oldset al. 1999, 2004,2006; Spittleet al. 2010; Oldset al. 2007, 2009)
Effekte früher Hilfen II Bisher sind keine signifikanten Ergebnisse universell angelegter aufsuchender Programme belegt hinsichtlich Elternkompetenz psychische und physische mütterliche Gesundheit subjektive Lebensqualität und Zufriedenheit mit der Versorgung des Kindes (Shaw, Lewitt, Wong & Kaczorowski 2006)
Hebammen im Kontext Früher Hilfen Freiberufliche Hebammen zählen neben Jugendamt, Geburtskliniken, niedergelassenen Kinder-und FrauenärztInnenmit zu den bedeutsamen Akteuren im Kontext Früher Hilfen (Zugangswege). Qualität der Kooperation mit freiberuflichen Hebammen wird als gut bewertet. (Renner 2010)
Gesundheitsförderung in Familien Konzepte der Gesundheitsförderung in der Familie werden aufgrund des schwierigen Zugangs und mangelnder Akzeptanz durch die Familien zurzeit noch nicht ausreichend umgesetzt. (Hurrelmann, Klotz & Haisch 2007)
Hebammenbetreuung in der Gesundheitsförderung in Familien Hebammen sind wesentlich bei der präventiven und kurativen frühkindlichen Versorgung beteiligt (Gross et al. 2007). Direkter Zugang für Schwangere und Wöchnerinnen wird stark genutzt. (Allhof, 1999; Schäfers 2011; Hellmers 2005) Hebammenbetreuung genießt hohe Akzeptanz (Renner 2010). Frauen bewerten die Hebammenbetreuung im Wochenbett als unterstützend (Pullonet al. 2003).
Hebammen vs. Familienhebammen Konkurrenzmodell oder Ergänzungsmodell? Wir müssen aufpassen, dass die originäre Hebammentätigkeit nicht an Gewicht verliert, aber auch, dass Hebammen sich nicht überfordern und sich in Betreuungen begeben, denen sie nicht gewachsen sein können. Der grundständigen Ausbildung zur Hebamme fehlt es an einigen Kompetenzen, die für eine Familienhebamme unumgänglich sind. (Fietz,U., Februar 2012)
Studie Ausweitung der Wochenbettbetreuung (Hebammenpräventionsstudie/HPS) Evaluation einer universell auf 6 Monate ausgeweiteten Wochenbettbetreuung durch Hebammen Laufzeit: 01.08. 2010 30.09. 2012 Regionen: Bayern und Rheinland-Pfalz Förderung durch: In Kooperation mit :
Hintergrund: Mütterliche Gesundheit im Wochenbett 85% der Frauen haben in der ersten Woche p.p. gesundheitliche Beeinträchtigungen, 76% nach 8 Wochen. 83% der Frauen haben 8 Wochen p.p. Schmerzen, 33% nach 6 Monaten. 50-80% der Frauen erleben eine depressive Verstimmung (Baby-Blues), 10-15% eine postpartale Depression. 7% der Neugeborenen leben in psychosozial hoch belasteten Familien negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung und die Eltern-Kind-Interaktion (Weinstein 2001; Magee et al. 2009; Hebert et al. 1999; Minkauskiene 2004; Glazener et al. 1995; Declercq2002; Declercqet al. 2008; Yerby2003; Klier et al. 2001)
Studiendesign Prospektive quasi-experimentelle Kontrollstudie Schriftliche Befragung von Hebammen und Eltern t1: Betreuungsbeginn/8-14 Tage post partum t2: 6 Monate post partum Experimentalgruppe: 6 Monate Betreuung Kontrollgruppe: 8 Wochen Betreuung
Online Befragung oder schriftliche Befragung der Hebammen Schriftliche Befragung von Müttern und ihren Partnern Datenerhebung/Befragung Soziodemographische Daten Postnatale Depression (EPDS) Psychische Belastung (BSI) Elternstress (ESF) Elternkompetenz (PSOC) Somatische Gesundheit Eltern-Kind-Bindung (PBQ) Gesundheitsverhalten (MGV- 39) Hilfesuchverhalten (modifizierte Form des BHSS) Fragen zum Stillen
Teilnehmerinnen I 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 177 59 54 46 20 18 17 8 EG KG EG KG RLP BY Hebammen Familien
Mütter (n= 302) Teilnehmerinnen II Alter 28,65 (16-48) Sozioökonomische Charakteristika Schulabschluss Kein Abschluss: 1,2% Sonderschule: 0,8% Hauptschule: 32,2% Realschule: 38,0% (Fach-) Abitur: 27,8% Familienstand Ledig: 29,6% Verheiratet: 65,5% Geschieden: 4,1% Verwitwet: 0,7% Infester Partnerschaft lebend Monatl. Nettoeinkommen der Familie Mit Kindsvater: 95,8% Mit anderem Partner: 0,4% Ohne Partner: 3,8% 2434.09 Euro (350-6000)
Mütter (n= 302) Teilnehmerinnen III Parität 1,56 (1-8) Hebammenbetreuung i. d. Schwangerschaft Kontaktaufnahme i. d. SSW Geburtshilfliche Charakteristika 80,5% 14,75 (5-39) Vollendete SSW 38,78 (24-42) Entlassungstag/ Mutter 4,45 (1-26)
Geburtsmodus und -Ort % Geburtsmodus n= 301 % Geburtsort n= 302 80 70 66,8 100 90 95,4 60 50 80 70 60 40 50 30 40 20 10 6 13,6 13,6 30 20 0 Spontangeburt Vag.-op. Geburt Primäre Sectio Sek. Sectio 10 0 2 2,3 0,3 Klinik/stat. Klinik/amb. Hausgeburt Geburthaus
Stillen T1/T2 mit MM-Ersatznahrung 16,0 46,5 mit MM und MM- Ersatznahrung 11,4 21,8 mit MM und Tee/Wasser 3,4 8,9 T2 (n=114) T1 (n=263) ausschließlich Muttermilch (MM) 18,8 69,2 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0
Stillerleben T2
Fragen: Forschungsfragen HPS Wie sind die Bedarfe von Nicht-Risikofamilien jenseits der regulären Hebammenbetreuung (Inanspruchnahme)? Welche Effekte hat eine verlängerte Hebammenbetreuung auf die Gesundheit von Mutter und Kind? Wie bewerten Mütter die Hebammenbetreuung?
Vorläufige Ergebnisse Inanspruchnahme der Hebammenbetreuung Betreuungszufriedenheit der Mutter Psychische Gesundheit der Mutter Somatische Gesundheit der Mutter Zusammenhangsanalysen
Inanspruchnahme der Hebammenbetreuung (T2) Leistungen p.p. EG KG p Wochenbettbesuche 1.-10. Tag Wochenbettbesuche 11. Tag -Ende 8. Woche Wochenbettbesuche 9.Woche-Ende 6. Monat 3.84 (Range 1-10) 3.22 (1-8) n.s. 7,6 (1-14) 6 (4-8) P=.009 3.32 (0-9) 0.22(0-1) P<.001 Beratungen 1.-10. Tag p.p. 0.98 (0-7) 0.66 (0-4) n.s. Beratungen 11. Tag - Ende 8. Woche 1.92 (0-10) 0.66 (0-3) P=.022 Beratungen 9. Woche - Ende 6. Monat 1.85 (0-13) keine P<.001 Arztbesuche bis Ende 6. Monat 1.93 (1-8) 2 (1-4) n.s.
Betreuungszufriedenheit der Mütter Qualität der Betreuung Ich fühle mich von der Hebamme sehr gut betreut Wie würden Sie die Beziehung zu Ihrer Hebamme einschätzen? Ich hätte mehr Hilfe und Unterstützung gebraucht. T1 (n=266) T2 (n=100) p 3,82 (SD 0,24) Range 2,5-4 3,96 (0,30) Range 1-4 5,57 (0,75) Range 1-6 3,82 (SD 0,21) Range 3-4 3,85 (0,60) Range 1-4 5,44 (0,89) Range 1-6 4,50 (0,78) Range 2-5 n.s P=.049 P=.033
Psychische Gesundheit der Mutter 9 * 8 7 6 5 4 T1 T2 3 2 1 0 EG (p<.001) KG (p=.059) * Signifikanter Unterschied P=.049
% Somatische Gesundheit der Mutter 60 50 * T1 (n=267) MW(SD) T2 (n=101) MW(SD) 40 30 * Allg. Gesundheit 1,84 (0,74) 1,80 (0,80) 20 T1 (n=267) T2 (n=101) Som. Beschwerden 1,49 (1,74) 1,34 (1,09) 10 0 Subj. Gesundheit * 1,65 (0,72) 2,04 (1,13) * Signifikanter Unterschied
Out-Come- Kriterium Psychische Gesundheit T2 Zusammenhangsanalyse T2 (n = 100) Prädiktor Beratungen 9. Woche - 6. Monat β=.411 Stress der Mutter T2 β=.338 Regression R 2 =.343 P=.001 Ausgeschlossen: Wochenbettbesuche (WBB) 11. Tag - Ende 8. Woche, Beratungen 11. Tag bis Ende 8. Woche, WBB 9. Woche - Ende 6. Monat, Rollenrestriktion T2, Bewertung des Modells als sinnvoll durch die Hebamme Somatische Gesundheit T2 Stress der Mutter T2 β=.289 R 2 =.289 P<.001 Ausgeschlossen: WBB 11. Tag - Ende 8. Woche, Beratungen 11. Tag bis Ende 8. Woche, WBB 9. Woche - Ende 6. Monat, Beratungen 9. Woche bis Ende 6. Monat, Rollenrestriktion T2, Bewertung des Modells als sinnvoll durch die Hebamme Subj. Gesundheitseinschätzung T2 Beratungen 11. Tag bis 8. Woche β=.524 Rollenrestriktion T2 β=.340 R 2 =.391 P<.001 Ausgeschlossen: WBB 11. Tag - Ende 8. Woche, WBB 9. Woche - Ende 6. Monat, Beratungen 9. Woche bis Ende 6. Monat, Stress der Mutter T2, Bewertung des Modells als sinnvoll durch die Hebamme
Zusammenfassung Auch 6 Monate nach der Geburt leidet ein großer Teil der Mütter unter somatischen Beschwerden. 9% der Frauen haben abklärungsbedürftige depressive Befindlichkeitsstörungen. Das Stressempfinden der Mutter zu T2 ist ein Prädiktor für ihre psychische und somatische Gesundheit zu T2. Die erlebte Rollenrestriktion der Mutter zu T2 steht im Zusammenhang zu ihrer subjektiven Gesundheitseinschätzung. Beratungen der Hebamme nach dem 10. Wochenbetttag stehen in Zusammenhang zur psychischen Gesundheit der Mutter und ihrer subjektiven Gesundheitseinschätzung zu T2. Die Inanspruchnahme der Betreuung könnte ein Hinweis auf eine bedürfnisorientierte Versorgung durch Hebammen sein. Die Zufriedenheit der Frauen mit der Hebammenbetreuung ist sehr gut.
Fazit Auch nach Ende der 8. Woche p.p. haben Mütter Betreuungsbedarf, der über die Beratung zum Stillen und zur Ernährung des Kindes hinaus geht. Dabei ist die psychische Belastung ein wesentlicher Prädiktor für die Gesundheit der Mutter Eine verlängerte Wochenbettbetreuung durch Hebammen stellt ein niedrig-schwelligesversorgungsangebot dar, das insbesondere mit der subjektiven Gesundheitseinschätzung der Mutter und ihrer psychischen Gesundheit assoziiert ist. Deshalb wird erwartet, dass die erweiterte Wochenbettbetreuungdurch Hebammen auch nach Ablauf des späten Wochenbettes einen Beitrag zur Prävention im Kontext der mütterlichen Gesundheit leisten kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: mgriesho@uni-osnabrueck.de