Flüchtlingsrat Thüringen e.v. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Thüringen Tagung Zwischen Flucht und neuer Heimat? Flüchtlingskinder als Herausforderung für die Thüringer Kommunen 18.11.2015, FH Erfurt Referentin: Antje-Christin Büchner / Flüchtlingsrat Thüringen e.v. Gliederung Einblick: Kinder und Jugendliche auf der Flucht Ankommen in Deutschland Exkurs: Alterseinschätzung Aktueller Stand in Thüringen und das Umverteilungsgesetz Herausforderungen (nicht nur) für die Jugendhilfe Flüchtlingsrat Thüringen e.v. Warsbergstraße 1 99092 Erfurt www.fluechtlingsrat-thr.de
Kinder und Jugendliche auf der Flucht umf in Zahlen 50% der Flüchtlinge weltweit sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (UNHCR: fast 60 Mio. Menschen in 2014) 2015 (Jan-Okt): 30,6% aller Asylsuchenden in BRD minderjährig (101.560 Kinder und Jugendliche) Achtung: Verzögerungen bei Asylantragstellungen und -bearbeitungen 2015: Prognose B-umF: 25.000-30.000 umf ION (vs. umf tatsächlich in HzE/ Hilfen für junge Volljährige) Haupt-Herkunftsländer umf: AFG, SYR ERIT, SOM, IRQ, KOS, BAMF-Schutzquote (Jan-Okt 2015) von umf bei Entscheidung während Mjk: 88,1%
Fluchtgründe/ Fluchtmotive von umf: Zum Beispiel: (Bürger-)Krieg/ Krisenregion mit bewaffneten Konflikten politisch verfolgte/ verschwundene / inhaftierte Eltern Gewaltvoller Verlust von Eltern/ Geschwistern / Verwandten Not, Angst vor Gefahr für Leib und Leben Gefahr der Zwangsrekrution ( Kindersoldaten ) Individuelle Verfolgung Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe Innereuropäische Fluchtgründe Perspektivsuchende = Flucht aus eigenem Antrieb oder veranlasst durch Familie Fluchtwege Gefährliche Fluchtwege Inhaftierungen Gewalt und Folter Ausbeutung Obdachlosigkeit
Vom Ankommen in Deutschland Lebensbedingungen der neu angekommenen umf Ankunft oft nach langer Odyssee Oft Notunterbringung/ Notunterkünfte med. Versorgung notwendig bürokratische Prozeduren undurchschaubar, hier besonders durch das neue Umverteilungsgesetz Kaum Beteiligung an sie betreffenden Verfahren Ggf. wird Alter nicht geglaubt Unbekannte Sprache, Werte und Normen, fremde Regeln Bedürfnis nach Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten mehrfaches ankommen und weiterverteilt werden Ggf. Abbrüche von Bindungen zu Familienangehörigen/ Freund*innen
besonders schutzbedürftige Gruppe : umf Zum Beispiel vor dem Hintergrund: Trennung/ Verlust von Eltern und Familienangehörigen Traumatisierende Erlebnisse/ Folgeerkrankungen Erstorientierung fällt schwer Nichtbeherrschen der Sprache als Belastung Aufenthaltsperspektive ist unsicher Ungewissheit und mangelnde Zukunftsperspektive Bedürfnis nach Tagesstruktur Mittellosigkeit/ Statusverlust (Leistungs-) Druck aus familiären Erwartungen Opfer von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit Und über allem: Minderjährigkeit/ sensible Entwicklungsphasen der Kindheit und Adoleszenz Aus Sicht der umf? Wünsche und Hoffnungen Sicherheit Ruhe Gesundheit Tragfähige Bindungen/ Beziehungen (Vertrauen!) Bleibeperspektive (asyl- und/oder aufenthaltsrechtlich) Familiennachzug/ Familienzusammenführung Intensive Sprachkurse Bildung Berufliche Perspektiven 18 Jahre und was dann? Übergänge gestalten/ 41 SGV VIII
Fragen? Exkurs: Alterseinschätzung
Alterseinschätzung, 42f SGB VIII Ausgangslage: keine bundeseinheitlichen Standards zur Alterseinschätzung Daher Regelungen zur verbindlichen Alterseinschätzung im 42f; aus der Gesetzesbegründung: Einsichtnahme in Ausweisdokumente oder qualifizierte Inaugenscheinnahme ohne Entkleidung zur Feststellung der Minderjährigkeit gefordert diese würdigt den Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst. ärztliche Untersuchung/ med. Methoden nur Nährungswerte (+- 2 Jahre) Alterseinschätzung Handlungsempfehlungen der BAGLJÄ und des B-umF Vier-Augen-Prinzip Qualifiziertes Personal Qualifizierte/r Dolmetscher*in Dokumentation (siehe Fragebogen BAGLJÄ) Bescheiderstellung und Aufklärung über weiteres Verfahren Zweifel an Altersangaben: Grundsatz: "Im Zweifel für die Minderjährigkeit" 1.1. oder 31.12.? Maximaler Minderjährigenschutz/ Schutzlücken vermeiden
Alterseinschätzung BVerwG EZAR 600 Nr.6: Unter Heranziehung des Schutzgedankens des Art. 20 Abs.1 der UN- Kinderrechtskonvention ist bei der Ungewissheit über den Tag der Geburt das spätest mögliche Geburtsdatum innerhalb des bekannten Geburtsjahres zugrunde zu legen. Senat, Beschluss vom 29. September 2010 V ZB 233/10, NVwZ 2011, 320 Rn. 11: Bleiben Zweifel, ist zugunsten des Betroffenen von einer Minderjährigkeit auszugehen. Umverteilungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher) vom 28.10.2015
Das Umverteilungsgesetz Das Verfahren 1. Nach Kindeswohlprüfung Mitteilung von Jugendamt ( 42a) an die zuständige Landesstelle (z.b. in Bayern) 2. Landesstelle meldet umf dem BVA 3. BVA benennt aufnehmendes Bundesland (z.b. Thür.) nach Quote (Königsteiner Schlüssel) 4. Zuweisung an Thür. (Zuweisungs-) Jugendamt durch die zuständige Thür. Landesstelle Durchführung des Verteilungsverfahrens Sonderregelung: bis 31.12.2016 darf das Verteilungsverfahren bis max. 2 Monate dauern In Werktagen: 7 3 2 2 = 14 Werktage max. 1 Monat nach Beginn 42a max. 2 Monate Umverteilungsgesetz in Thüringen Umverteilung hat noch nicht begonnen, da in Thür. Ausnahmeregelung greift Aktueller Stand (10.11.2015): 813 umf in Thüringen jugendhilferechtlich erfasst (Vgl. bundesweit: 54.645) Prognose (2,72%): 1.470 umf für Thüringen = aufnehmendes Bundesland (ca. 650 Kinder und Jugendliche, Beginn: Dezember)
Umverteilungsgesetz Clearingeinrichtungen Thüringen 6 Zuweisungsjugendämter mit Clearingeinrichtungen (ca. 340 Plätze gesamt): Suhl (57 Plätze, bereits belegt) Erfurt (54 Plätze, bereits belegt) LK Nordhausen (max. 60 Plätze, Beginn: 15.11.2015) LK Unstrut-Hainich (max. 60 Plätze plus 2. Einrichtung für Kinder/ Mädchen mit max. 24 Plätzen, Beginn: 01.12.2015) Saale-Holzland-Kreis (max. 40 Plätze, Beginn: 15.12.2015) Wartburgkreis (max. 32 Plätze plus 2. Einrichtung (10 Plätze) geplant, Start: 01.01.2016) Umverteilungsgesetz in Thüringen Bis 31.10.2015: reguläre Inobhutnahme nach 42 SGB VIII/ örtliches Jugendamt zuständig (vorrangig: Suhl, Erfurt, SHK, Gera) ab 01.11.: vorläufige Inobhutnahme ( 42a) vor Ort; besonders in den Landesaufnahmestellen und an Verkehrsknotenpunkten; Unterbringung in Thüringer Clearingeinrichtungen (CE)? ab 01.12.: Umverteilung von umf (vorrangig aus Bayern) wird beginnen reguläre Inobhutnahme nach 42 SGB VIII in Thüringen: durch die Zuweisungsjugendämter? Oder alle Jugendämter? Unterbringung in Clearingeinrichtungen oder in JHE thüringenweit?
Umverteilungsgesetz in Thüringen Dringlichste Aufgabe: Strukturaufbau nicht nur Thüringen: bundesweit von 600 JÄ nur 90 in relevantem Maß umf aufgenommen Problem: keine Planungszahlen für den Aufbau von Strukturen thüringenweit - Kapazitäten in Clearingeinrichtungen und Jugendwohngruppen schaffen/ massiv ausbauen - Fachkräfte einstellen und qualifizieren - Für umf schnell dauerhafte Perspektiven schaffen - Sprachangebote und (Berufs-)Schulplätze schaffen - Sprachmittler*innen qualifizieren und einbinden Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit UND für Fragen
Kontaktdaten Antje-C. Büchner Flüchtlingsrat Thüringen e.v. Schwerpunkt: umf/ Kinderflüchtlinge Landeskoordinatorin Thüringen des B-umF e.v. Schillerstr. 44 99096 Erfurt Tel.: 0176-3467 4289 Email: umf@fluechtlingsrat-thr.de www.fluechtlingsrat-thr.de Email-Verteiler des Flüchtlingsrat Thüringen e.v. zu umf/begleiteten Flüchtlingskindern: Email an umf@fluechtlingsrat-thr.de