CO 2 Speicherung in Deutschland: Eine Brückentechnologie als Klimalösung? Pao-Yu Oei, Johannes Herold and Andreas Tissen



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Resource Markets WP-RM-29 CO 2 Speicherung in Deutschland: Eine Brückentechnologie als Klimalösung? Pao-Yu Oei, Johannes Herold and Andreas Tissen 2011 German Institute for Economic Research Chair for Economic Policy University of Potsdam

CO 2 Speicherung in Deutschland Eine Brückentechnologie als Klimalösung? Modellansatz zur CO 2 Abscheidung, Transport und Speicherung (CCTS) Pao-Yu Oei 1, Johannes Herold 2, Andreas Tissen 3 Die Technologie der CO 2 -Abscheidung, -Transport und -Speicherung (CCTS) im Kraftwerks- und Industriesektor gilt auf globaler Ebene als wichtiger Bestandteil in einem Technologieportfolio zur CO 2 Reduktion. Jedoch zeigt sich anhand aufgeschobenen oder abgebrochenen Demonstrationsprojekten, dass die Kosten der Abscheidung, die benötigte Pipelineinfrastruktur sowie das knappe Speicherpotential in geologischen Formationen der Technologie enge Grenzen setzt. Zudem könnte der wachsende Widerstand der Bevölkerung gegen die CO 2 Speicherung zu einer weiteren Einschränkung des CO 2 -Vermeidungspotentials führen. In diesem Paper wird mit Hilfe des Modells CCTSMOD berechnet, welchen Beitrag die CCTS Technologie zur CO 2 Reduktion im Energie- und Industriesektor in Deutschland, unter verschiedenen Rahmenbedingungen leisten kann. Es zeigt sich, dass der Einsatz von CCTS ab CO 2 -Zertifikatspreisen von 50 /tco 2 für ausgewählte Industriesektoren und ab 75 /tco 2 für den Kraftwerkssektor die kostengünstigste CO 2 -Vermeidungsoption darstellen kann. Eine vollständige deutschlandweite CO 2 -Vermeidung durch CCTS ist mit exponentiell ansteigenden Kosten verbunden und erscheint insbesondere bei reiner Offshore-Speicherung unrealistisch. Aufgrund des beschränkten Speicherpotentials, fehlenden alternativen Vermeidungsoptionen und geringen Kosten der Abscheidung, ist daher eine vorwiegende Anwendung der Technologie im Stahl- und Zementsektor zu empfehlen. 1 Workgroup for Economic and Infrastructure Policy, Technische Universität Berlin, Germany, +49 30314 27500, pyo@wip.tu-berlin.de 2 Workgroup for Economic and Infrastructure Policy, Technische Universität Berlin, Germany, +49 30314 23252, jh@wip.tu-berlin.de 3 Workgroup for Economic and Infrastructure Policy, Technische Universität Berlin, Germany, +49 30314 27500, ati@wip.tu-berlin.de

1. Einleitung Der weltweite Kampf gegen den Klimawandel erfordert ein breites Portfolio an CO 2 -armen oder freien Technologien zur Energie- und Wärmebereitstellung. Die CCTS 1 Technologie,, die verstärkt in den Fokus wissenschaftlicher und politischer Aufmerksamkeit gerückt ist, umfasst die CO 2 Abscheidung, den CO 2_ Transport und dessen Einlagerung in unterirdischen Formationen. Mit Hilfe von CCTS ist es möglich, ca. 90 Prozent der CO 2 Emissionen eines fossil befeuerten Kraftwerkes aus dem Rauchgas abzuscheiden und somit den Einfluss als Klimagas in der Atmosphäre zu reduzieren. Die globale Bedeutung der CCTS Technologie wird unter anderem in einer Studie der Internationalen Energie Agentur (IEA, 2009) verdeutlicht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Halbierung der CO 2 -Emissionen bis zum Jahre 2050 im Verhältnis zu 2005 ohne CCTS global bis zu 71 Prozent höhere Kosten verursachen. Europa, und insbesondere Deutschland, haben sich an die Spitze der weltweiten CCTS Entwicklung gesetzt. Im Jahr 2010 hat die EU die Förderung von sechs Demonstrationsprojekten in Höhe von 2 insgesamt 1,05 Milliarden beschlossen. Weitere Fördergelder werden über die New Entrants Reserve bereitgestellt, um die Kommerzialisierung der CCTS Technologie voranzutreiben. Dem ist entgegen zu setzen, dass bis April 2011 im Kraftwerkssektor global lediglich acht Pilotprojekte mit einer Maximalleistung von 40 MW ans Netz gegangen sind. Gestiegene Kosten der Abscheidung, das Fehlen eines verlässlichen Rechtsrahmens oder der Widerstand der Bevölkerung und der Politik gegen die unterirdische Speicherung wie in Hürth (Schleswig-Holstein), bewirkten eine Stilllegung oder Aufschiebung der meisten Projekte (Herold et al., 2010a). Eine weitere vielversprechende Anwendung von CCTS besteht in energie- und CO 2 -intensiven Industrien, wie beispielsweise der Eisen- und Stahlherstellung, der Zementindustrie und Raffinerien. Insbesondere in den beiden ersten Sektoren entstehen CO 2 -Emissionen nicht nur durch den Einsatz fossiler Energieträger zur Strom- und Wärmebereitstellung. Vielmehr basiert der überwiegende Teil der CO 2 - Emissionen auf den zugrunde liegenden chemischen Prozessen der Eisen- bzw. Zementherstellung. Daher ist auch bei einem Wechsel zu regenerativen Energieträgern und der Steigerung der Prozesseffizienz nur noch eine teilweise Reduktion der CO 2 -Emissionen möglich. Diese wird vom Ökoinstitut (2011) für die Eisen- und Stahlproduktion auf ca. 35 Prozent geschätzt, und beträgt in der Zement- und Klinkerherstellung ca. 35 bzw. 20 Prozent. Zwar existieren technisch mögliche CO 2 -arme Substitute wie Magnesiumzement oder die elektrolytische Produktion von Eisen, große Mengen CO 2 freier Strom, inwiefern diese mittelfristig im großen Maßstab zur Verfügung stehen, wirtschaftlich tragbar sind und von der weltweiten Industrie akzeptiert werden, ist zum heutigen Zeitpunkt kaum abschätzbar. Somit steht als kurz- und mittelfristige CO 2 Vermeidungsoption in diesen Sektoren nur die CCTS Technologie zur Verfügung. Zugleich ist eine Anwendung in diesen Sektoren aufgrund der höherer CO 2 Konzentration im Rauchgas erwartungsgemäß zu deutlich niedrigeren Kosten als im Energiesektor möglich (Ökoinstitut, 2011 und Ho et al., 2010). Einer breiten Anwendung entgegen steht, vergleichbar dem Energiesektor, die hohe Komplexität und hohen Kosten der Bereitstellung einer CO 2 Pipelinetransportinfrastruktur sowie der Rückgang in den Abschätzungen des verfügbaren Speicherpotentiale (RECCS, 2010). Diese unterliegen durch lokale Widerstände der Bevölkerung noch einer zusätzlichen Einschränkung. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Beitrag die CCTS Technologie realistischerweise zu einer CO 2 -Emissionsreduktion der Industrie und der Energieversorgung leisten kann. Um dies für die genannten Unsicherheiten entlang der CCTS Wertschöpfungskette abschätzen zu können, wird in 1 CCTS = Carbon Capture, Transport ans Storage, zu Deutsch: CO 2 Abscheidung, Transport und Speicherung 2 Zurückgehaltene Zertifikate für den späteren Eintritt neuer Anlagen. Die Erlöse von 200 Millionen dieser Zertifikate könnten für die weitere Förderung von CCTS Demonstrationsprojekten genutzt werden.

diesem Artikel das Modell CCTSMOD vorgestellt. CCTSMOD ermöglicht es, quantitative und qualitative Aussagen bzgl. zukünftiger CCTS-Infrastrukturkonstellationen unter verschiedenen technischen und politischen Rahmenbedingungen darzustellen. Eine der ersten dynamischen Modellierungsansätze im Bereich CCTS stammt von McPherson et al. (2006) und Kobos et al. (2007). In ihrem Modell werden CO 2 -Senken über einen sogenannten String of Pearls miteinander verbunden, ähnlich den Backbone-Pipelines, welche im US-EOR 3 Sektor existieren (Herold et al., 2010a). Im nächsten Schritt werden die CO 2 -Quellen mit der nächstliegenden Senke verbunden. Da in diesen Modellen keine Skaleneffekten im Transport berücksichtigt werden, kommt es nicht zum Aufbau einer effizienten, kostenminimierenden Pipelineinfrastruktur. Middleton et al. (2009) bilden in ihrem mixed integer linear program (MILP) SimCCS Skaleneffekte durch verschiedenen Pipelinedurchmesser und unterschiedlichen Kostenkurven ab. Das Modell für den Bundesstaat Kalifornien mit 37 Quellen und 14 Senken basiert jedoch auf einer exogen vorgegebenen CO 2 -Vermeidungsmenge, für welche die für CO 2 -Transport und Speicherung anfallenden Kosten minimiert werden. Das im Jahr 2006 gestartete EU Projekt GeoCapacity, welches die Studien der vorherigen GESTCO und CASTOR EU Projekte fortführt, ermöglicht erste Einschätzungen für das gesamteuropäische CO 2 - Speicherpotential (GeoCapacity, 2009). Tzimas et al. (2010) analysiert eine optimale CCTS Infrastruktur für Europa. In seinem Modell führt die Bündelung von Emittenten auf wenige Knoten, für Deutschland sind dies zwei, zu erheblichen Ungenauigkeiten und einer signifikanten Unterschätzung der notwendigen Infrastrukturinvestitionen. Insgesamt gibt es für die CCTS-Infrastrukturmodellierung, im Vergleich zu anderen Sektoren, nur eine geringe Anzahl an unterschiedlichen Modellansätzen. Diese sind, im Gegensatz zu dem Modell CCTSMOD, welches in einer ersten Version in Mendelevitch et al. (2010) vorgestellt wurde, in ihrer Aussagekraft eingeschränkt. Sie sind meist geographisch und zeitlich beschränkt, arbeiten in hohem Umfang mit Knotenbündelung und exogen vorgegebenen Parametern oder berücksichtigen keine Skaleneffekte. 2. CCTSMOD Ein umfassendes CCTS-Infrastrukturmodell CCTSMOD ermöglicht es, für beliebig wähl- und skalierbare geografische Regionen, den Beitrag zur CO 2 - Emissionsminderung durch CCTS abzubilden. Dies geschieht durch eine regional hochaufgelöste Abbildung der gesamten CCTS Infrastruktur entlang der Wertschöpfungskette. Berücksichtigt werden Emissionen der Kraftwerke und der Industrie. Die Entscheidung der Anwendung der Abscheidung, des Transports und der Speicherung wird endogen in Abhängigkeit eines exogenen CO 2 Zertifikatepreispfades getroffen. Skaleneffekte im Transport stellen den Aufbau einer effizienten, kostenminimalen Transportinfrastruktur sicher. 2.1. Der Entscheidungsbaum Das skalierbare, mixed-integer-modell CCTSMOD simuliert eine mehrperiodische kostenminimale CCTS- Infrastrukturentwicklung. Die Inputdaten bilden variable und fixe Abscheide-, Transport- und Speicherkosten, ein CO 2 -Zertifikatpreispfad, CO 2 -Emissionsquellen des Energie- und Industriesektors in Europa über 0,1 Mt CO 2 pro Jahr sowie die Lage und das Volumen verfügbarer Speicherstätten. CO 2 - Senken und Quellen werden entsprechend ihren geographischen Position Knoten zugeordnet und können mit Hilfe von Pipelines miteinander verbunden werden. Hierbei findet nur eine räumliche, nicht kapazitative Aggregation von nah beieinander liegenden Quellen und Senken statt. Diese Knoten haben 3 EOR = Enhanced Oil Recovery

einen Abstand von 0,5 Breiten- bzw. Längengraden; dies entspricht einem Abstand von ca. 55 km von Norden nach Süden und ca. 35 km von Osten nach Westen. Somit sind CO 2 -Quellen im Modell im Durchschnitt weniger als 12 km, jedoch maximal 27,5 km vom realen Standort entfernt. In Abbildung 1 wird der Entscheidungsbaum des CCTSMOD vereinfacht dargestellt. Es wird für jeden CO 2 -Emittenten auf Grundlage seiner jährlichen CO 2 -Emission, die kostengünstigste Vermeidungsoption gewählt. Die Auswahl besteht hierbei im Kauf von CO 2 -Zertifikaten, deren Preispfad exogen vorgegeben ist, oder in der Investition in die CCTS-Technologie. Dies führt zu einer Reduktion der zertifikatepflichtigen Emission um 90%. Eine beliebige Kombination aus diesen beiden Optionen ist möglich, jedoch wegen der nicht realisierten Skaleneffekte in der CCTS-Anwendung nicht kostenminimal. Betrachtet wird in Fünfjahresschritten der Zeitraum von 2010 bis 2050 4, wobei alle Kapazitätsinvestitionen erst mit einer Verzögerung von fünf Jahren nutzbar sind. Abbildung 1: Entscheidungsbaum des CCTSMOD CO 2 Emittent (Kraftwerk oder Industrieanlage) Pipeline-Infrastruktur Speicherungs-Infrastruktur Investitionskosten Abscheidungskosten Investitionskosten Transportkosten Investitions- und Speicherkosten Gegebene CO 2 Emissionen Kauf von CO 2 Zertifikaten 2.2. Modellformulierung Die Zielfunktion als Minimierung der diskontierten CO 2 -Vermeidungskosten über den Modellhorizont setzt sich aus drei verschiedenen Termen zusammen. Diese bilden die einzelnen Stufen entlang der CCTS Wertschöpfungskette, die CO 2 -Abscheidung, den Transport und die Speicherung ab. xpa, inv_ xpa, zpa, fija, inv _ fijda, planija, ysa, inv _ ysa ( year start) a 1 min h = a 1+ r [ c _ ccspa xpa + c _ inv _ xp inv _ xpa + certa zpa ] P ( ( ) ) + E c _ f f + c _ inv _ f inv _ f + c _ plan plan + ij ija d ijd ija i j d S [ c _ inv _ y inv _ y ] Sa Sa (1) Die Entscheidungsvariablen im Bereich der CO2-Abscheidung sind die Investitionen in die Abscheidetechnologie inv_xpa,, die in die Pipeline injizierte Menge CO2 xpa, vom Produzenten P, sowie die in die Atmosphäre abgegeben Menge CO2 zpa. Diese ist aufgrund der Abscheiderate von 90 Prozent strikt positiv. Kostenparameter sind die variablen Kosten der Abscheidung c_ccspa, die einmalig anfallenden Investitionskosten c_inv_x p und der aktuellen CO 2 -Zertifikatspreis cert a. Für den CO 2 -Transport stellt die Entscheidungsvariable f ija den CO 2 -Fluss vom Knoten i zu Knoten j im Jahr a dar. Inv_f ijda steht für die Investition auf der Strecke von i nach j, mit dem Durchmesser d im Jahr a. Plan ija ist eine Binärvariable für einmalig Erschließung einer Pipelinetrasse. Sie nimmt den Wert 1 an, sofern auf dieser Strecke nicht schon andere Pipelines bestehen. Die entsprechenden Kostenparameter 4 die Modellberechnungen laufen bis zum Jahre 2060, um Investitionen auch im Jahr 2050 abzubilden.

sind die variablen Transportkosten c_f, die Investitionskosten c_inv_f d und die Planungskosten c_plan ija. E ij ist eine Matrix welche angibt wie groß die geographische Entfernung zwischen den Punkten i und j ist und ob eine direkte Verbindung dieser möglich ist. Die letzte Stufe der CCTS Wertschöpfungskette bildet die CO 2 -Speicherung. Die zugrundeliegenden Entscheidungsvariablen sind die Menge an gespeichertem CO 2 y Sa im Speicher S, sowie die damit verbundenen Investitionskosten inv_y Sa. Alle eingeführten Variablen obliegen dem Nichtnegativitätsgebot, wie in den Nebenbedingungen (2) und (3) abgebildet: x, inv _ x, z, f, y, inv _ y 0 (2) Pa Pa Pa ija Sa Sa _ ijda inv f N (3) 0 Die Bilanzbedingung in der Gleichung (4) entspricht dem 1. Kirchhoffschen Gesetz. Demnach müssen alle in einen Knoten einfließenden CO 2 -Mengen f ija plus alle durch die Produzenten an diesem Knoten eingespeisten CO 2 -Mengen x Pa der Summe der ausfließenden CO 2 -Mengen f jia plus den an diesem Knoten gespeicherten CO 2 -Mengen y Sa entsprechen. fija f jia + ( match _ PPj xpa ) ( match _ SSj ysa ) = 0 (4) i i P S Die Binär-Parameter match_p Pj und match_s Sj ordnen die Produzenten P oder Speicherbetreiber S den entsprechenden Knoten j der geographischen Matrix zu. Die Nebenbedingung (5) stellt sicher, dass die beim Produzenten P anfallenden CO 2 Emissionen der Summe der abgeschieden Emissionen x Pa und der über Zertifikate gedeckten Emissionen z Pa entsprechen. x + z = CO (5) p, a pa 2 pa Die Gleichungen (6), (7) und (8) stellen sicher, dass die abgeschiedene CO 2 -Menge x Pa, die zu transportierende Menge f ija, sowie die einzuspeichernde CO 2 -Menge y Sa nicht die jeweils hierfür maximal vorhandenen Kapazitäten aus den Investitionen der Vorperioden überschreitet. Gleichung (7) ermöglicht die physikalische Nutzung der Pipelines in beide Richtungen, im Modell treten aber nur CO 2 - Flüsse in eine Richtung auf. x Pa b< a ( inv _ x ) (6) Pb ( cap _ d inv _ fijdb ) ( cap _ d i _ jidb ) (7) f + nv f ija d d b< a d b< a d ysa inv _ y Sb (8) b< a Mit Hilfe der Gleichung (9) wird sichergestellt, dass die Planungskosten mindestens eine Periode vor der Investition in eine Pipeline anfallen. max_pipe steht für die maximale Anzahl von Pipelines auf einer Strecke bevor weitere zusätzliche Planungskosten anfallen. ( inv _ fijda ) max _ pipe ( planijb ) (9) d b a

Gleichung (10) begrenzt die gespeicherte CO2 Menge in einem Reservoir auf die Maximalkapazität cap_stor S des entsprechenden Speichers über alle Perioden. ( ysa) cap _ stor S (10) a Das Modell wurde mit Hilfe des General Algebraic Modeling Systems (GAMS) und des Solvers CPLEX gelöst. 3. Daten 3.1. CO 2 Abscheidung Daten bezüglich der Anzahl und Größe der in CCTSMOD berücksichtigten Emittenten von CO 2 sind aus EEA (2011) entnommen. Die in CCTSMOD implementierte Datenbank (vgl. Abbildung 2) geht von einer stetigen Dekarbonisierung des deutschen Energiesektors aus. Kohlekraftwerke werden nach einer Laufzeit von 45 Jahren und Gaskraftwerke nach 30 Jahren stillgelegt. Bereits geplante Kraftwerksneubauten werden entsprechend ihrer voraussichtlichen Inbetriebnahme integriert (VGB, 2011 und Platts, 2011). Abbildung 2: CO 2 Quellen und Senken im CCTSMOD Eigene Darstellung Da die Anzahl von bisher geplanten Kraftwerksneubauten deutlich geringer ist, als die der voraussichtlich vom Netz gehenden alten Kraftwerke, ist somit eine konstante Reduzierung der

energiebedingten CO 2 Emissionen implementiert. Diese gehen von 351 im Jahr 2010 auf 184 MtCO 2 /a im Jahr 2050 zurück. In den berücksichtigten Industrien Eisen- und Stahlerzeugung, Zementproduktion sowie Raffinerien, findet kein Rückgang in der Produktionskapazität statt, sodass deren Emissionen konstante 95 MtCO 2 /a betragen. In Abbildung 2 werden die im Jahr 2010 bestehenden CO 2 -Quellen und -Senken entsprechend ihres genauen Standorts und Größe dargestellt. CO 2 -Abscheidekosten sind unterteilt in variable und fixe Kosten. Die variablen Kosten der CO 2 - Abscheidung für die einzelnen Emittenten variieren im Bereich zwischen 16 /tco 2 für Zement und Stahl und bis zu 47 /tco 2 für Gas im Jahr 2010. Die Kosten im Energiesektor verringern sich im Laufe der Zeit aufgrund von Lerneffekten sowohl in der Standardtechnologie als auch bei der CCTS-Technologie und sind in der Tabelle 1 genauer aufgeführt. Variable Kosten der CO 2 -Abscheidung in Kraftwerken werden als Produkt von Energieerzeugungsverlust und durchschnittlichen Stromgestehungskosten berechnet. Die variablen Kosten der CCTS-Anwendung in den industriellen Sektoren werden als konstant angenommen. Dies beruht auf der Annahme, dass in diesen Sektoren das Oxyfuelverfahren zur Anwendung kommen wird. Somit bilden die mit 70 /MWh el als konstant angenommenen Stromkosten der Sauerstoffabscheidung den überwiegenden Teil der Betriebskosten (vgl. Ökoinstitut, 2011). Tabelle 1 Variable Kosten bei der CCTS Anwendung Variable Kosten [ /tco 2 ] 2010 2020 2030 2040 2050 Steinkohle 31,97 31,56 31,19 30,85 30,55 Gas 46,80 45,92 45,10 44,35 43,65 Braunkohle 29,35 29,06 28,81 28,58 28,37 Zement 16,89 16,89 16,89 16,89 16,89 Stahl 16,39 16,39 16,39 16,39 16,39 Raffinerien 46,53 46,05 45,62 45,23 44,88 Quelle: Eigene Berechnung, basierend auf Tzimas (2009) und Ökoinstitut (2011) Tabelle 2: Einmalige Fixkosten bei der CCTS Anwendung Fixkosten [ /tco 2 ] 2010 2020 2030 2040 2050 Steinkohle 150 150 139 119 93 Gas 275 275 255 218 171 Braunkohle 116 116 107 92 72 Zement 135 135 125 107 84 Stahl 117 117 108 93 73 Raffinerien 210 210 195 167 131 Quelle: Eigene Berechnung, basierend auf Tzimas (2009) und Ökoinstitut (2011) Die einmalig anfallenden Fixkosten bei der CO 2 -Abscheidung variieren zwischen 116 /tco 2 für Braunkohle und bis zu 275 /tco 2 für Gas im Jahr 2010 und sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Hier

ergeben sich aufgrund der höheren CO 2 -Konzentrationen innerhalb der industriellen Anwendungen weitere Kostenvorteile (Ökoinstitut, 2011). 3.2. CO 2 Transport Für Europa ist der CO 2 -Transport mit Hilfe von Pipelines die kostengünstigste und somit wahrscheinlichste Variante. Für die Berechnung der Investitions- und Betriebskosten werden Daten der IEA aus bestehenden CO 2 -Pipeline-Projekten, Berechnungen von Heddle et al. und TNO zu Kostenkurven des CO 2 -Transportes und Analogien aus den Gaspipelinebau verwendet (IEA, 2009; Heddle, 2003 und TNO, 2004). Bei den Kosten wird zwischen Planungs-, Betriebs- und Kapitalkosten unterschieden, welche wiederrum abhängig vom Pipelinedurchmesser bzw. dem Durchfluss sind. Die Betriebs- und Wartungskosten betragen 10.000 /km und transportierter Millionen Tonnen CO 2. Die Planungs- und linearen Investitionskosten liegen für Pipelinedurchmesser zwischen 0,05 und 0,8 m bei 0,54 bis 1,19 Mio. /km. Aufgrund der im Durchmesser exponentiell ansteigenden Transportkapazität bei einem linearen Anstieg der Investitionskosten werden im CCTSMOD Skaleneffekte des Transports abgebildet. 3.3. CO 2 Speicherung Das Modell berücksichtigt die zwei wahrscheinlichsten Möglichkeiten der Langzeitspeicherung von CO 2 : Erschöpfte Gasfelder und s 5 aline Aquifere an Land und unter dem Meeresboden. Ihre Positionen und geschätzten Speichervolumina wurden anhand des Speicherkatasters des BGR (2011) und der Auswertung durch Greenpeace (2011) sowie anhand der Daten des GeoCapacity Project (2009) und der RECCS (2010) Studie ins Modell übernommen. Aufgrund mangelnder Erfahrungen gibt es sehr große Spannen bei der Einschätzung des maximalen Speichervolumens von salinen Aquiferen. Daher wurde für jede Senke der Mittelwert der publizierten Spannweite angenommen. Aufgrund der hohen Kosten für die Erkundung und Erschließung eines Speichers wurden nur Speicher mit einer erwarteten mittleren Größe von mehr als 25 Mt CO 2 berücksichtigt. Das CO 2 -Speicherpotential in Gasfeldern ist auf Grund der langjährigen Erfahrung bei der Erdgasspeicherung deutlich besser einzuschätzen. Als wirtschaftlich nutzbar werden hierbei alle Felder mit einer Mindestkapazität von 10 Mt berücksichtigt. Somit ergeben sich Onshore 1,6 Gt in erschöpften Erdgasfeldern und 3,6 Gt in salinen Aquiferen. Offshore kommen weitere 1,2 Gt in salinen Aquiferen dazu (vgl. Tabelle 4). Tabelle 3: Kosten der CO 2 -Speicherung für eine gegebene Einspeiserate Art der Speicherstätte Erschöpftes Gasfeld Saline Aquifere Onshore Offshore Onshore Offshore Bohrtiefe (vertikal + horizontal) [m] 3 000 4 000 3 000 4 000 Max. Injektionsrate gemäß IEA [Mt CO 2 /Jahr] 1,25 1,25 1 1 Max. Injektionsrate gemäß Gerling 6 [Mt CO 2 /Jahr] 0,42 0,42 0,33 0,33 Kapitalkosten pro Bohrung [M ] 5,62 14,50 5,62 14,50 Betriebs-, Wartungs- und Monitoringkosten [%] 7 8 7 8 Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf Daten der IEA, 2005 5 Vattenfall (2011) gibt hierfür die Kosten mit ca. 40 Millionen an, 6 Solch optimistische Einspeiseraten wie von der IEA angenommen treffen nur auf sehr wenige Speicherorte zu. Die durchschnittliche für Europa zu erwartende Injektionsrate liegt bei ungefähr 0,33 Millionen Tonnen pro Jahr. (vgl. Gerling, 2010) In Anlehnung an diese Aussage wird für das CCTSMOD mit einer dreimal geringeren als von der IEA (2005) angegebenen Einspeiserate gerechnet.

Die Investitionskosten stellen bei der CO 2 -Speicherung sehr hohe versunkene Kosten dar, welche den größten Teil an den Gesamtkosten der Speicherung ausmachen (siehe Tabelle 3). Dagegen summieren sich die variablen Kosten auf lediglich 7 bis 8 Prozent der Gesamtkosten (IEA, 2005). Aus diesem Grund sind Speicherkosten auf Gesamtkostenbasis in dem Modell implementiert. Sie berechnen sich für eine Speicheranlage abhängig von Bohrtiefe, oberirdischer Anlagen, CO 2 -Injektionsrate und Art der Speicherstätte. 4. Szenarien und Ergebnisse Die zukünftige Entwicklung und Anwendung der CCTS Technologie in Deutschland ist u. a. stark abhängig von der Entwicklung des CO 2 -Zertifikatepreises, dem wirtschaftlich nutzbaren Speicherpotential sowie seiner Verfügbarkeit aufgrund von politischer und öffentlicher Akzeptanz. Unterschiedliche Entwicklungen des CO 2 -Zertifikatepreises werden als linearer Preispfad abgebildet. Beginnend bei 15 /t CO 2 im Jahr 2010 steigt dieser in unterschiedlichen Szenarien auf 50, 75 und 100 /t im Jahre 2050. Für die nutzbare CO 2 -Speicherkapazität gehen die Schätzungen aufgrund von bislang noch ungenauen Daten und unterschiedlichen Berechnungsmethoden weit auseinander. Daher wird einerseits mit der für Deutschland mittleren Gesamtspeicherkapazität von 6,6 Gt CO 2 sowie mit der maximalen Kapazität von 11,2 Gt CO 2 gerechnet. Eine weitere Unsicherheit betrifft die politische und gesellschaftliche Akzeptanz der CO 2 -Speicherung, insbesondere was die Speicherung an Land betrifft. Daher wird in einigen Szenarien ausschließlich die Speicherung in küstennahen Aquiferen und Erdgasfeldern zugelassen, wie es beispielsweise in den Niederlanden beschlossen wurde (RCI, 2011). Hier reduziert sich das Speicherpotential auf 1,2 Gt CO 2. Eine Ausweitung der Offshore-Speicherkapazität auf weiter nördlich gelegene Speicherregionen vor Norwegen und Großbritannien wird in einer Erweiterung des Modells auf ganz Europa in einer zukünftigen Publikation betrachtet. In Tabelle 4 sind die Grundannahmen der einzelnen Szenarien zusammengefasst. Tabelle 4: Szenariobeschreibung Szenario CO 2 Preis in 2050 [ /tco 2] Speichermöglichkeit Gesamte Speicherkapazität [Gt CO 2] REF 75 On + Offshore 6,6 Gt REF high storage 75 On + Offshore 11,2 Gt Off 75 75 Offshore 1,2 Gt On 50 50 On + Offshore 6,6 Gt Off 50 50 Offshore 1,2 Gt On 100 100 On + Offshore 6,6 Gt Quelle: Eigene Darstellung 4.1. Szenario 1: Referenzszenario - Anstieg des CO 2 Preises auf 75 /t Das wirtschaftliche Potential der CCTS Technologie bei einem Anstieg des CO 2 -Zertifikatepreises auf 75 /t zeigt sich im Referenzszenario zu Beginn in der Industrie. Aufgrund der niedrigeren Investitionskosten und den deutlich niedrigeren variablen Kosten der CO 2 -Abscheidung, erfolgt die Vermeidung über CCTS ab CO 2 -Preisen von 40 /t in der Eisen- und Stahlproduktion sowie der Zementindustrie. Beide Sektoren vermeiden ab einem CO 2 -Zertifikatepreis von 65 /t bereits 68 Mt pro Jahr. Eine Erhöhung des Zertifikatepreis auf 75 /tco 2 führt nicht zu einer weiteren Anwendung in der Industrie (vgl. Absatz 4.2).

Ab einem CO 2 Preis von 55 /t beginnt die Anwendung der CCTS Technologie im Kraftwerkssektor, aus Kostengründen aber beschränkt auf Kohlekraftwerke. Insgesamt werden in diesem Szenario ab einem Zertifikatepreis von 70 /tco 2 die maximale jährliche Menge von 220 Millionen Tonnen CO 2 mit Hilfe der CCTS Technologie vermieden. Dies entspricht 79 Prozent der im Jahr 2050 anfallenden jährlichen Emissionen von 279 Millionen Tonnen. Die dafür benötigte CO 2 -Pipelineinfrastruktur erreicht eine Länge von 3800 km. Aufgrund der in diesem Szenario nur partiellen Anwendung der CCTS Technologie und der Annahme von einer Speicherkapazität an Land von 5,4 GtCO 2 werden fast ausschließlich Onshore-Senken verwendet. Dies begründet sich durch die deutlich höheren Kosten für Offshore-Pipelines und Offshore-Senken, sowie den längeren Transportentfernungen. Es zeigt sich jedoch bereits bei der partiellen Anwendung eine Knappheit des verfügbaren Speicherpotentials, welches im Jahr 2050 bereits zu 75 Prozent genutzt werden wird. Bei einer Erhöhung des Speicherpotentials auf die in den Daten des BGR maximal zu erwartende Kapazität von 11,2 Gt CO 2 wird dieses Knappheitsproblem erwartungsgemäß entschärft. Es kommt allerdings nur zu einer geringen Ausweitung in der Anwendung der CCTS Technologie. Auffällig ist das kürzere Pipeline-Netzwerk (3000 km), da aufgrund der größeren Senken eine geringere Anzahl angeschlossen wird. Somit zeigt sich, dass sowohl die Kapazität der Speicher, als auch die Kosten der Transportinfrastruktur und des Transports wichtige Determinanten bei der Anwendung der CCTS Technologie darstellen. Abbildung 3: CCTS Infrastruktur im Jahr 2050 für REF (links) und Offshore 75 (rechts) Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Ergebnissen des CCTSMOD Ein Szenario, welches lediglich Offshore-Senken zur Verfügung stellt, führt zu einer vollständigen Befüllung aller Speicher bis zum Jahr 2050. In diesem Szenario beginnt die Speicherung von CO 2 aus Industrieanlagen aber erst bei CO 2 -Preisen von 50 /t. Dies erklärt sich durch den Transport und die Speicherung zu bzw. in Offshore-Senken welche doppelt so hohe Kosten verursachen. Trotz des im Vergleich zur Onshore-Speicherung um 10 Jahre verzögerten Beginns der Speicherung kann die CCTS Technologie lediglich eine begrenzte Übergangslösung für die Industrie darstellen. Die Ergebnisse

zeigen, dass eine sorgfältige Abwägung der Verwendung des knappen Potentials der Speicher erfolgen sollte. 4.2. Szenario 2: Anstieg des CO 2 Preises auf 50 /t Durch den geringeren Anstiegs des CO2 Preises auf 50 /tco2 erfolgt in diesem Szenario eine ausschließliche Beschränkung der CCTS Anwendung auf die Eisen- und Stahl- sowie Zementindustrie (vgl. Absatz 4.1). Der moderate CO2 Preis ermöglich die CCTS Anwendung überwiegend in Anlagen, welche durch eine Nähe zu geologischen Speicherformationen gekennzeichnet sind. Daher qualifizieren sich besonders die Anlagen in Mitteldeutschland und Nordrhein-Westfalen für die Anwendung der CCTS Technologie (vgl. Abbildung 4) Die benötigte Pipeline-Infrastruktur erreicht in diesem Szenario eine Länge von 1630 km. Eine Anwendung in der Industrie im Süden Deutschlands ist aufgrund der überproportional hohen Transportkosten in diesem Szenario nicht zu erwarten. Insgesamt zeigt sich, dass bei dem zugrundeliegenden CO 2 Preispfad ab dem Jahr 2045 bei einem Zertifikatepreis von 45 /t ca 61 Millionen Tonnen CO 2 mit Hilfe von CCTS vermieden werden. Dies entspricht 64 Prozent der hinterlegten Industrieemissionen. Die Technologie kann, bei einer ausreichend hohen und verfügbaren Speicherkapazität somit einen wichtigen Beitrag zum Erreichen von Klimazielen, insbesondere in der Industrie, leisten. Eine ausschließliche Speicherung von CO 2 in Offshore-Senken ergibt Ergebnisse vergleichbar dem Referenzszenario (vgl. Tabelle 5), mit einer CCTS Emissionsreduktion im industriellen Sektor von jährlich 29 Mt im Jahr 2050. Aufgrund der Konzentration der großen Emittenten in zwei regionalen Clustern (vgl. Abbildung 4) erreicht die benötigte Transportinfrastruktur nur eine Länge von 800 km. Es bilden sich zwei Hauptstränge, welche eine geringe Anzahl an Quellen aus der Eisen- und Stahlerzeugung mit Offshore-Senken verbinden Abbildung 4: CCTS Infrastruktur im Jahr 2050 für Onshore 50 (links) und Offshore 50 (rechts) Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Ergebnissen des CCTSMOD

4.3. Szenario 3: Anstieg des CO 2 Preises auf 100 /t Aufgrund des in diesem Szenario besonders schnell ansteigenden CO 2 Zertifikatepreis erfolgen bereits im Jahr 2020 Investitionen in CCTS in der Industrie und ab dem Jahr 2030 auch im Energiebereich. Dies führt zu einer vollständigen Anwendung der Technologie in den abgebildeten Industrien ab dem Jahr 2045, mit einer maximalen jährlichen CO 2 Speicherung von 92 Mt pro Jahr. Im Kraftwerkssektor wird die maximale Speichermenge mit 234 Millionen Tonnen bereits im Jahr 2040 erreicht. Aufgrund des Auslaufens alter Kraftwerkskapazitäten sinkt dieser Wert bis zum Jahr 2050 auf 183 Mt pro Jahr. Besonders deutlich zeigt sich in diesem Szenario das Knappheitsproblem der Speicher. Unter der Annahme bezüglich des maximalen Speicherpotentials von 6,6 Gt sind diese im Jahr 2050 vollständig gefüllt. 5. Schlussfolgerungen In diesem Paper wurde mit Hilfe des hierfür entwickelten Modells CCTSMOD analysiert, wie sich eine kostenminimale CO 2 -Abscheide, -Transport und -Speicherinfrastruktur in Deutschland entwickeln kann. Dabei wurde untersucht, welche Einflüsse der CO 2 -Zertifikatepreis, eine mögliche Ablehnung der Onshore-Speicherung sowie verschiedene Annahmen zum verfügbaren geologischen Speicherpotential auf den Einsatz der CCTS Technologie ausüben. Die Ergebnisse der CCTS-Infrastrukturmodellierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zeigen, dass die Technologie einen Beitrag zur CO 2 -Emissionsvermeidung leisten kann. Das wirtschaftlich günstigste Potential ergibt sich im Eisen- und Stahlsektor sowie in der Zementindustrie. Allerdings ist eine vollständige Anwendung der CCTS Technologie in diesen Sektoren nur bei sehr hohen CO 2 - Zertifikatepreisen zu erwarten, da Anlagen im Süden Deutschlands durch geringe Emissionsmengen und hohe Transportentfernungen zu möglichen Senken gekennzeichnet sind. Eine gleichzeitige Anwendung der Technologie im Industrie- und Kraftwerkssektor kann auch unter optimistischen Annahmen bezüglich des geologischen Speicherpotentials zu einem Knappheitsproblem führen. Daher kann die Technologie nur einen begrenzten Beitrag als Brückentechnologie zur CO 2 Reduktion leisten. Da in den betrachteten Industrien nach heutigem Kenntnisstand keine alternativen Vermeidungsoptionen verfügbar sind, empfehlen wir eine vorwiegende Anwendung von CCTS im industriellen Bereich. Tabelle 5: Übersicht über die Ergebnisse der Szenarien Szenario CO 2- Zertifikatepreis in 2050 [ /t] Anteil der Industrie am gespeicherten CO 2 [%] Pipelinelänge [km] Gespeicherte Emissionen in 2050 [Mt/a] Verbleibendes Speicherpotential in 2050 [Gt] CCTS Infrastrukturkosten [Milliarden ] REF 75 39 3800 220 1,5 von 6,6 38 REF high storage 75 38 3000 232 6,8 von 11,2 39,7 Off 75 75 100 2200 54 0 von 1,2 11,5 On 50 50 100 1050 61 5,3 von 6,6 8,8 Off 50 50 100 800 29 0,8 von 1,2 4,9 On 100 100 36 3900 248 0 von 6,6 55 Quelle: Eigene Berechnungen Allerdings kann der Kraftwerkssektor einen wichtigen Beitrag beim Aufbau der Pipeline- und Speicherinfrastruktur leisten. Hier profitieren insbesondere kleinere Anlagen von der Verfügbarkeit von

Backbone-Pipelines, welche Skaleneffekte im Transport ermöglichen. Aufgrund der anfänglich höheren Kosten und des Kapazitätsauslastungsrisikos ist aber kaum davon auszugehen, dass der private Sektor für einen effizienten Aufbau der Infrastruktur sorgt. Daher käme der Politik eine zentrale Rolle bei der Planung und Bereitstellung zu. Die Ergebnisse legen nahe, dass die CCTS-Technologie die ihr zugeschriebene Rolle als Brückentechnologie nur eingeschränkt erfüllen kann. Notwendige aber bei weitem nicht hinreichende Maßnahmen sind eine zügige Erkundung und Priorisierung unterirdischer Speicherpotentiale für CO 2, die frühzeitige Planung der benötigten Transportinfrastruktur und ihre Regulierung sowie langfristig verlässliche und ausreichend hohe CO 2 - Zertifikatepreise. 6. Literaturverzeichnis Herold, J. und von Hirschhausen, C. (2010a): Hohe Unsicherheiten bei der CO 2 Abscheide-, Transport-, und Speichertechnologie (CCTS) Eine Energiebrücke ins Nichts?, Wochenbericht des DIW Berlin, Deutschland, 77. Jahrgang, Nr. 36, S. 2-11. Herold, J., Rüster, S., and von Hirschhausen, C. (2010b): Carbon Capture, Transport, and Storage in Europe. CEPS Working Document. http://www.ceps.eu. [10] IEA (2005): Building the Cost Curves for CO 2 Storage: European Sector. IEA Greenhouse Gas R&D Programme. Ho, T.M., Allison, G.W., Wiley, D.E. (2010): Comparision of MEA capture cost for low CO2 emissions sources in Australia. International Journal of Greenhouse Gas Control. IEA (2009): CO 2 Capture and Storage A Key Carbon Abatement Option. Paris, France: International Energy Agency. EEA (2011): European Environmental Agency: The European Pollutant Release and Transfer Register. Copenhagen, Denmark. GeoCapacity (2009): Assessing European Capacity for Geological Storage of Carbon Dioxide The EU GeoCapacity Project. Energy Procedia, Volume 1, Issue 1, February 2009, Pages 2663-2670. Gerling J. P. (2010): CO 2 -Storage German and International Perspective, Präsentation beim Berlin Seminar on Energy and Climate, 3. Juni, 2010, am DIW Berlin. Heddle, G., Herzog, H. and Klett, M. (2003): The Economics of CO 2 Storage. Cambridge: MIT Laboratory for Energy and the Environment. Kazmierczak, T., Brandsma, R., Neele, F. and Hendriks, C. (2009): Algorithm to Create a CCS Low-cost Pipeline Network. Energy Procedia, Volume 1, Issue 1, February 2009, Pages 1617-1623. Kobos, P., Malczynski, L., Borns, D. and McPherson, B. (2007): The String of Pearls : The Integrated Assessment Cost and Source-Sink Model. 6th Annual Carbon Capture & Sequestration Conference, May 7-10 2007. Pittsburgh, USA: Sandia National Laboratories. McPherson, B., Allis, R., Biediger, B., Brown, J. and Cappa, G. (2006): Southwest Regional Partnership on Carbon Sequestration. Revised Semiannual Report. Socorro, New Mexico, USA: New Mexico Institute of Mining and Technology.

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