Einleitung. An das Amt der Steiermärkischen Landesregierung Abteilung 11 Hofgasse Graz. per Mail: cc:

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Art. 1 GG (1)Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Transkript:

Amt für Jugend und Familie Fachbereich Jugendwohlfahrt/Recht An das Amt der Steiermärkischen Landesregierung Abteilung 11 Hofgasse 12 8010 Graz per Mail: abteilung11@stmk.gv.at cc: ltd@stmk.gv.at Kaiserfeldgasse 25 8011 Graz Tel.: +43 316 872-3199 Fax: +43 316 872-3149 jugendamt@stadt.graz.at BearbeiterIn: Dr. Barbara Götz Tel.: +43 316 872-3117 barbara.goetz@stadt.graz.at UID: ATU36998709, DVR: 0051853 Parteienverkehr Mo. bis Fr. 8 bis 13 Uhr www.graz.at GZ: A6-002435/03-0349 Graz, 31.5.2013 Betreff: Ihre GZ: ABT11-L76-2/2003-227 StKJHG Begutachtung Stellungnahme des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Graz zum Gesetzesentwurf über die Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Steiermärkischen Kinder- und Jugendhilfegesetz StKJHG) Durch die Abteilung 11 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung wurde der Entwurf zum StKJHG zur Stellungnahme bis spätestens 5.6.2013 übermittelt. Das Amt für Jugend und Familie der Stadt Graz, das aufgrund der Geschäftseinteilung des Magistrats Graz für die Jugendwohlfahrt zuständig ist, gibt zum Entwurf des StKJHG folgende Stellungnahme ab: Einleitung Das neue Bundes- Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 (B-KJHG 2013) als Grundsatzgesetzgebung für das Steiermärkische Kinder- und Jugendhilfegesetz als Ausführungsgesetz wurde insbesondere mit der Intention erlassen, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und anderen Gefährdungen zu gewährleisten. 22 B-KJHG 2013 legt dar, dass unter Gefährdung des Kindeswohls die strafrechtlich relevanten Tatbestände der 83ff, 92, 206 und 207 StGB (Misshandeln, Quälen, Vernachlässigen und sexueller Missbrauch) sowie eine erhebliche Beeinträchtigung der Kinder und Jugendlichen verstanden werden. Begrüßenswert ist, dass als zentrale Neuerung der Kinderschutz und daraus ableitend die Standards zur Hilfeplanung und die Gefährdungsabklärung samt dem Vier-Augen-Prinzip im Gesetz Eingang gefunden haben. Diese genauen Vorgaben des Bundesgesetzes zu Gefährdungsabklärung und Hilfeplan wurden im Entwurf des StKJHG übernommen. So wird in den Erläuterungen zu 25 (Hilfeplan) angeführt, dass

ein Hilfeplan zu erstellen ist, falls die Gefährdungseinschätzung eine manifeste Beeinträchtigung des Kindeswohls oder aber ein unmittelbar konkretes Risiko dafür besteht. 1. Hilfeplan Erziehungshilfen 25 in der Fassung des Entwurfes des StKJHG ist zu kurz gefasst. Ausdrücklich sollte im Gesetz verankert werden, dass der Hilfeplan nicht nur auf der Grundlage eines Zusammenwirkens von mindestens zwei Fachkräfte zu erstellen ist, sondern dass dies erforderlichenfalls durch 2 SozialarbeiterInnen und im Falle der Gewährung der Vollen Erziehung im Zusammenwirken mit einem/r Psychologen/-in zu erfolgen hat, um die Qualität, die im derzeit geltenden StJWG festgeschrieben ist, auch im künftigen StKJHG gesetzlich zu verankern. Dies nicht gesetzlich zu verankern, ist aus Sicht der Stadt Graz ein qualitativer Rückschritt. 2. Präventivhilfen Unzureichend ist die beabsichtigte Regelung, dass ein Rechtsanspruch für Kinder und Jugendliche auf eine Hilfe im Rahmen der kostenlosen Unterstützung der Erziehung (gem. 26 ivm. 41 Abs. 3 des Entwurfs des StKJHG) bzw. der vollen Erziehung - für die von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten ein Kostenrückersatz zu leisten ist nur im Falle einer erheblichen, konkreten Kindeswohlgefährdung besteht. In der jüngsten Vergangenheit sind, wie in den Erläuterungen zum B-KJHG 2013 ausgeführt, gesellschaftliche Veränderungen eingetreten, die soziale Arbeit mit Familien vor geänderte Herausforderungen stellen, wie z.b. die anhaltend hohe Zahl an Auflösungen von Familienstrukturen durch Trennungen und Scheidungen, Eineltern- oder Patchworkfamilien, die steigende Erwerbsbeteiligung beider Elternteile bei gleichzeitiger Flexibilisierung von Arbeitszeiten, aber auch die zunehmende Zahl an Familien mit Migrationshintergrund. Deshalb wurde die Stärkung der Prävention im Vorfeld von Erziehungsproblemen als weiteres Ziel im B-KJHG 2013 angeführt und in den Erläuterungen dargelegt, dass in Krisensituationen dem Charakter der Krise entsprechende Unterstützungsangebote zu machen sind, die die Betroffenen dazu befähigen, die Situation zu bewältigen, um danach soweit wie möglich wieder selbst ihre Aufgaben und ihre Verantwortung innerhalb der Familie wahrzunehmen. Diese Krisensituationen, die eindeutig nicht dem Gefährdungsbereich zuzuordnen sind, da keine konkrete Gefährdung durch ein Tun oder Unterlassen der Erziehungsberechtigten feststellbar ist und somit nicht der Kinderschutz im Vordergrund steht, sehr wohl aber eine Jugendwohlfahrtsindikation gegeben ist, stellen den Schwerpunkt der Arbeit der Jugendwohlfahrt dar. Sie ergeben sich oft aus einer Überforderung der Eltern, da sich die Kinder und Jugendlichen in physischer, psychischer, sozialer oder emotionaler Hinsicht nicht altersadäquat entwickeln. Deshalb ist es notwendig, durch individuell passende Leistungen funktionierende familiäre Strukturen wiederherzustellen. Bei diesen Familien liegt keine Gefährdung vor, sehr wohl ist aber eine Jugendwohlfahrtsindikation gegeben, was anhand folgender Beispiele erläutert wird: Eltern/Obsorgeberechtigte können mit ihren minderjährigen Kindern nach eigener Einschätzung nicht mehr so umgehen, wie es ihren eigenen bzw. allgemein gültigen Vorstellungen entspricht und sehen sich selbst nicht weiter in der Lage, ein ihren Kindern ausreichend förderliches Umfeld zu schaffen. 2

Ein weiteres Beispiel ist: Es gelingt den Eltern/Obsorgeberechtigten verschuldet oder unverschuldet nicht, unter Nutzung der eigenen zur Verfügung stehenden Ressourcen ihrem Kind eine dem Lebensalter angemessene und ausreichende sowie ihrer lebensweltlichen und kulturellen Eingebundenheit entsprechende Förderung zukommen zu lassen. Diese Eltern wenden sich für Beratung, Unterstützung und Hilfe an das Jugendamt, weil sie zwar wie wir aus Erfahrung wissen das Beste für ihr Kind wollen, es aber aus eigener Kraft nicht immer schaffen, das Beste für ihr Kind zu erreichen. In diesen Fällen, in denen eine JWF-Indikation gegeben ist, will das Jugendamt weiterhin kostenfreie Präventivhilfen einsetzen: Es muss im Vorfeld alles getan werden, um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche aufgrund einer für Eltern schwierigen Situation zum JWF-Fall werden. In 18 Abs. 4 des StKJHG idf des Entwurfes wird zwar festgelegt, dass Präventivhilfen bedarfsgerecht, leicht erreichbar und wo dies zweckmäßig ist, auch aufsuchend anboten werden, jedoch werden diese Hilfen nach den Vorgaben des Entwurfes des StKJHG nicht kostenlos zur Verfügung gestellt. So sehen die 41 Abs. 1, 42 StKJHG idf des Entwurfs vor, dass lediglich Beratungsleistungen im Rahmen der Präventivhilfen unentgeltlich sind und für alle anderen Präventivhilfen die Kosten von den die Hilfeleistung in Anspruch nehmenden Personen selbst zu tragen sind und lediglich die Gewährung eines Kostenzuschusses möglich ist. Aus fachlicher aber auch aus budgetärer Sicht ist es strikt abzulehnen, dass Familien auf Grund ihrer finanziellen Situation nicht die Möglichkeit haben, schon im Vorfeld einer möglichen Kindeswohlgefährdung kostenlose Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit Nachdruck verweist die Stadt Graz zudem darauf, dass (aus Kostengründen) nicht geleistete Vorfeld-Hilfen in aller Regel in späteren Stadien zu äußerst kostenträchtigen Hilfen im Gefährdungsbereich führen. Insofern schwächt der vorliegende Entwurf die Prävention, was dazu führen wird, dass die Jugendwohlfahrt mit einer Kostenlawine im Gefährdungsbereich konfrontiert sein wird. Wenn Präventivhilfen für Eltern kostenpflichtig sind, wird damit der Präventionsgedanke ad absurdum geführt: Eltern werden diese Hilfen aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch nehmen können, und damit ist eine Steigerung der Zahlen im Gefährdungsbereich absehbar. Zur Verdeutlichung der Argumentation: Nach einer Einschätzung, basierend auf den Erfahrungen der vergangenen 3 Jahre, werden in der Stadt Graz rund 90 % der Hilfen für Kinder, Jugendliche und deren erwachsene Bezugspersonen in einem Bereich eingesetzt, der nicht dem Gefährdungsbereich zuzuordnen ist. Zusammengefasst: Falls eine Jugendwohlfahrtsindikation gegeben ist, sind diese Präventivhilfen den Eltern kostenfrei zur Verfügung zu stellen im Unterschied zu Präventivhilfen für alle, unabhängig von der JWF-Indikation, die durchaus einen Kostenanteil der Eltern vorsehen (entsprechend der derzeitigen Regelung hinsichtlich Kostentragung Soziale Dienste ). Wird diese Vorgehensweise beibehalten, sind mehr Fälle im Gefährdungsbereich, eine längere Behandlung der Fälle und dadurch höhere Kosten zu befürchten. Das B-KJHG 2013 sieht in 16 Abs. 4 leg. cit. vor, dass für Soziale Dienste (diesen entsprechen die Präventivhilfen im StKJHG idf des Entwurfs) Entgelte erhoben werden können. Da es sich hierbei um eine sogenannte Kann-Bestimmung handelt, wird dem Ausführungsgesetzgeber Land Steiermark lediglich die Möglichkeit eingeräumt, Entgelte vorzusehen, eine Verpflichtung dazu gibt der Bundesgesetzgeber aber nicht vor. Aus Sicht der Stadt Graz ist abgeleitet vom Bundesgesetz die Möglichkeit der kostenfreien Präventivhilfen für alle, die diese brauchen, durch den Landesgesetzgeber zu schaffen. Das vorliegende Ergebnis der Evaluierung zum Pilotprojekt Sozialraumorientierung hat Folgendes ergeben: 3

In der Evaluierung, erstellt vom Institut via sozial, wurde festgestellt, dass durch die Wirkung von präventiven Maßnahmen wie etwa fallübergreifende und fallunspezifische Arbeit, schätzungsweise zwischen 100 und 500 ineffiziente Einzelfall-Hilfen pro Jahr vermieden werden können, was eine Kosteneinsparung durch diese präventiven Maßnahmen bestätigt. In Graz konnte damit die jährliche Ausgabensteigerung gestoppt und seit dem Jahr 2009 um 4,1 Mio. Euro reduziert werden - dies wurde in der Evaluierung des Finanzcontrollings festgestellt. Die relativ geringe Investition in fallunabhängige Arbeit, die Nutzung sozialräumlicher Ressourcen sowie die verbesserte Kooperation der Träger und die gesteigerte sozialarbeiterische Beratungsleistung tragen bei weitgehend gleichbleibender Zahl der erreichten Personen wesentlich und nachweislich zur Reduzierung von identifizierten, kostenträchtigen JWF-Fällen bei. Diese Hilfen werden im Rahmen des Pilotprojekts Sozialraumorientierung für die HilfeempfängerInnen kostenfrei angeboten. Dass diese Ergebnisse der Evaluierung im vorliegenden Entwurf keinen Niederschlag finden, ist völlig unverständlich und widerspricht allen ursprünglich getroffenen Vereinbarungen. 2.a Hilfeplan Präventivhilfen In den Erläuterungen zu 18 Abs. 4 StKJHG idf des Entwurfs wird darauf hingewiesen, dass bei Präventivhilfen im Rahmen der fallspezifischen Arbeit eine Einschätzung des Hilfebedarfs vorzunehmen ist und vom Kinder- und Jugendhilfeträger in Anlehnung an die Voraussetzungen des 25 (Hilfeplan) die Ziele, die durch den Einsatz der Präventivhilfen erreicht werden sollen, festzuhalten sind. Aus Sicht der Stadt Graz hat dies nicht nur in den Erläuterungen, sondern auch verstärkt im Gesetz selbst Niederschlag zu finden. Aus fachlicher Sicht haben für den Einsatz von ambulanten flexiblen Hilfen im Bereich der Präventivhilfen dieselben professionellen Standards (Ziele, Hilfeplan, Zusammenwirken von mindestens 2 Fachkräften) wie im Bereich Erziehungshilfen zu gelten. Aus Sicht der Stadt Graz ist im neuen Gesetz Elternarbeit zuzulassen und zu fördern. D. h. alle Hilfen (Präventiv- und Erziehungshilfen) sind zukünftig nicht wie bisher hauptsächlich auf die minderjährigen Kinder zu beschränken, sondern jegliche Hilfe ist auch für die erwachsenen obsorgeberechtigten Bezugspersonen zu ermöglichen. 2.b Präzisierung der Hilfen Aus Sicht der Stadt Graz sind in 18 ivm 41 u. 42 StKJHG die Präventivhilfen zu präzisieren. Daher wird Folgendes vorgeschlagen: 1. Für vordefinierte Präventivhilfen (vergleiche bisherige Kostenzuschüsse zu Sozialen Diensten), mit denen die Eigenverantwortung der Familien gestärkt wird (wie z.b. psychologische Behandlung, Psychotherapie, mobile Frühförderung, Familienhilfe), können auf Antrag der Erziehungsberechtigten Kostenzuschüsse gewährt werden. 2. Beratungsleistungen im Rahmen der Präventivhilfen sind unentgeltlich. 3. Für den Einsatz von ambulanten und/oder mobilen flexiblen Präventivhilfen für Minderjährige und deren erwachsene Bezugspersonen sowie stationäre Präventivhilfen für Minderjährige gelten dieselben Standards (Zielerarbeitung, Hilfeplanung, Zusammenwirken von mindestens 2 Fachkräften) wie bei den Erziehungshilfen. Die ambulanten, flexiblen Präventivhilfen sind kostenlos, bei den stationären wird bei Übernahme der Pflege und Erziehung ein Kostenrückersatz berechnet. 4

3. Sozialpädagogische Einrichtungen In 31 StKJHG idf des Entwurfes erfolgt im Abs. 2 eine demonstrative Aufzählung der vorgesehenen sozialpädagogischen Einrichtungen. Dies lässt einen fachlichen Spielraum offen, was aus Sicht der Stadt Graz begrüßenswert ist. Hinsichtlich der Rechtssicherheit wird jedoch vorgeschlagen, teilstationäre Einrichtungen in die Aufzählung aufzunehmen, um in weiterer Folge eine flexible Arbeitsweise zu ermöglichen. Die Bewilligung von sozialpädagogischen Einrichtungen basiert grundsätzlich auf einem Konzept, und somit muss bei jeder Konzeptänderung eine Neubewilligung erfolgen. Das führt dazu, dass im Bereich der vollen Erziehung wenig Flexibilität gegeben ist. Die Stadt Graz schlägt daher vor, die Möglichkeit zu schaffen, sozialpädagogische Einrichtungen nur auf Basis eines groben Rahmenkonzeptes zu bewilligen. Ein solches Rahmenkonzept sollte nur wenige Eckpunkte, wie z.b. die erforderliche Qualifikation der MitarbeiterInnen, die Mindestanzahl der MitarbeiterInnen, die maximale Anzahl der stationär betreuten Minderjährigen, die maximale Anzahl der ambulant betreuten Minderjährigen und das Alter der betreuten Minderjährigen (ambulant und stationär) vorgeben. Um die Arbeit flexibel zu gestalten, ist auf zu viele und folglich starre Regelungen zu verzichten. Die Finanzierung derartiger Einrichtungen über eigene Einrichtungsbudgets ist sinnvoll und unterstützt die flexible Arbeit. 4. Pflegepersonen Hinsichtlich 32 ff des Entwurfes zum StKJHG wird vorgeschlagen, dass im Gesetz aufgenommen wird, dass besondere Formen von Pflegeverhältnissen auch über Regionalkonzepte vom Kinder- und Jugendhilfeträger bewilligt werden können. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass in den Erläuterungen zu 5 StJKJHG idf des Entwurfs im Zusammenhang mit der Aufzählung der behördlichen Aufgaben im zweiten Absatz folgender Satz zu finden ist: Ebenso hat die Entscheidung über die Gewährung von Pflegekindergeld sowie über einen Sonderbedarf gemäß 33 Abs. 5 mit Bescheid zu erfolgen. Es gibt jedoch im Entwurf keinen 33 Abs. 5 StKJHG idf des Entwurfs, es müsste daher auf 33 Abs. 1 und 3 StKJHG idf des Entwurfs verwiesen werden. 5. Globalbudget Hinsichtlich der Kostentragung wurde im Entwurf des StKJHG erfreulicherweise die Möglichkeit eines Globalbudgets geschaffen. Entschieden abzulehnen ist jedoch, wie in 40 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfes vorgegeben, dass die Rechnungsabschlussdaten des zweitvorangegangenen Jahres als Rechnungsgröße herangezogen werden. Dies würde dazu führen, dass diejenige Bezirkshauptmannschaft belohnt wird, die das Budget eines Jahres bewusst überschreitet (z.b. durch zunehmende Einordnung im Gefährdungsbereich statt im Präventivbereich, um Eltern Kosten zu ersparen) und infolge der Überschreitung auf Basis des Rechnungsabschlusses - einen höheren Budgetrahmen zur Verfügung gestellt bekommt. 5

Mit dieser gesetzlichen Vorgabe ist somit keinesfalls ein Einsparungspotential zu erwarten ganz im Gegenteil: Dies wird dazu führen, dass spätestens am Jahresende noch teure Maßnahmen beschlossen werden, um den Rechnungsabschluss in die Höhe zu treiben. Der Vorschlag der Stadt Graz basierend auf den praktischen Erfahrungen der vergangenen drei Jahre lautet wie folgt: Die Einhaltung des vorgegebenen Budgets ist zu belohnen und ein budgetäres Anreizsystem im Falle der Unterschreitung des vorgegebenen Budgetrahmens zu verankern, um Investitionen in der Region z.b. Personalentwicklung und Gemeinwesenarbeit zu ermöglichen. Dass all diese Maßnahmen zielführend sind, hat fachlich und budgetär die Evaluation belegt. Die jährliche Vorgabe des zur Verfügung stehenden Globalbudgets wird aus Sicht der Stadt Graz strikt abgelehnt. Das Globalbudget muss für einen längeren Zeitraum (zumindest 3 Jahre) festgelegt werden. Vorstellbar ist die Erstellung auf Basis einer fachlichen Schätzung, in welche die Erfahrungen der vergangenen Jahre und die auf Lebensqualitätsindikatoren und anderen relevanten Indikatoren (z.b. Bevölkerungsentwicklung) fußende Prognose der künftigen Jahre einfließen, um die fachlich inhaltliche Arbeit sinnvoll zu unterstützen. Im Falle einer Budgetüberschreitung ist jedenfalls neu zu verhandeln, weil JWF-Arbeit jedenfalls aufgrund des Rechtsanspruchs gewährleistet sein muss, auch wenn das Budget bereits aufgebraucht ist. Weiter wird angemerkt, dass 43 Abs 1 StKJHG idf des Entwurfes fälschlicher Weise auf 41 Abs. 3 anstatt richtiger Weise auf 41 Abs. 2 verweist. Zusammenfassung Zusammengefasst wird aufgelistet, welche Punkte im zukünftigen StKJHG jedenfalls gesetzlich verankert werden müssen, um eine qualitätsvolle, flexible und kostensparende Arbeit in der Jugendwohlfahrt gewährleisten zu können: Alle präventiven Hilfen, die im Rahmen des Hilfeplanverfahrens beschlossen werden, müssen unentgeltlich sein. Es muss auch bei Präventivhilfen einen Hilfeplan geben. Kinder, Jugendliche und Eltern / Erziehungsberechtigte werden durch unentgeltliche Hilfen unterstützt. Um qualitätsvoll und gleichzeitig kostenschonend arbeiten zu können, ist ein mehrjähriges Globalbudget mit Anreizsystem für die Einhaltung des vorgegebenen Budgets notwendig. Dies gilt auch für die Einrichtungsbudgets der sozialpädagogischen Einrichtungen. Gefordert wird die gesetzliche Verankerung des fachlichen Standards bei Erziehungshilfen: Zusammenwirken von 2 SozialarbeiterInnen und im Falle der Gewährung der Vollen Erziehung im Zusammenwirken mit einem/r Psychologen/-in. Gefordert wird die gesetzliche Verankerung des fachlichen Standards bei Präventivhilfen, wenn eine Jugendwohlfahrtsindikation gegeben ist: Zusammenwirken von mindestens 2 Fachkräften. Gefertigt aufgrund der Dringlichkeitsverfügung des Herrn Bürgermeisters Mag. Siegfried Nagl vom 4.6.2013. 6

Für die Stadt Graz: Die Abteilungsvorständin: Frau Mag. a Ingrid Krammer elektronisch gefertigt Signiert von Zertifikat Datum/Zeit Hinweis Krammer Ingrid CN=Krammer Ingrid,OU=Amt für Jugend und Familie,O=Stadt Graz,L=Graz,ST=Styria,C=AT 2013-06-04T11:59:55+02:00 Dieses Dokument wurde digital signiert und kann unter: http://egov2.graz.gv.at/pdf-as verifiziert werden. 7