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Bsw 22028/04 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V, Beschwerdesache Zaunegger gg. Deutschland, Urteil vom 3.12.2009, Bsw. 22028/04. Art. 8 EMRK, Art. 14 EMRK - Diskriminierung unverheirateter Väter beim Sorgerecht. Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen) Keine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK (einstimmig). Entschädigung nach Art. 41 EMRK: Die Feststellung einer Verletzung stellt eine ausreichende Entschädigung für immateriellen Schaden dar. 7.008,14 für Kosten und Auslagen (einstimmig). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Der Bf. ist Vater einer 1995 nichtehelich geborenen Tochter. Nach der im August 1998 erfolgten Trennung von der Mutter lebte seine Tochter bis Jänner 2001 bei ihm. Da die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung abgaben, erlangte die Mutter gemäß 1626a Abs. 2 BGB die alleinige Personensorge.(Anm.: Wenn die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, hat die Mutter nach 1626a Abs. 2 BGB die elterliche Sorge, sofern nicht die Eltern gemeinsame Sorgeerklärungen abgeben oder einander heiraten.) Nachdem das Kind zur Mutter gezogen war, gerieten die Eltern in Streit über den Kontakt des Bf. zu seiner Tochter. Im Juni 2001 schlossen sie eine Vereinbarung,

2 Bsw 22028/04 wonach das Kind zwei Tage pro Woche und jeweils die Hälfte der Ferien bei seinem Vater verbringen würde. Der Bf. beantragte die gerichtliche Übertragung der gemeinsamen Sorge, weil sich die Mutter weigerte, eine gemeinsame Sorgeerklärung abzugeben, obwohl sich die Eltern ansonsten gut verstanden und kooperativ waren. Das Amtsgericht Köln lehnte den Antrag am 18.6.2003 ab, da es keine rechtliche Grundlage für die Anordnung der gemeinsamen Sorge gab. Diese könne bei nichtehelich geborenen Kindern nur durch eine gemeinsame Erklärung, Heirat oder eine gerichtliche Übertragung nach 1672 Abs. 1 BGB begründet werden, wobei letztere die Zustimmung des anderen Elternteils voraussetze. Das Amtsgericht verwies auf eine Leitentscheidung des BVerfG, wonach 1626a BGB verfassungskonform sei.(anm.: BVerfG 29.1.2003, 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01.) Die dagegen erhobene Berufung des Bf. wurde am 2.10.2003 vom OLG Köln abgewiesen. Eine gemeinsame Sorge wäre nicht möglich, da keine entsprechende gemeinsame Erklärung abgegeben worden sei. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde des Bf. am 15.12.2003 ohne weitere Begründung nicht zur Entscheidung an. Rechtsausführungen: Rechtsausführungen: Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (hier: Recht auf Achtung des Familienlebens). Zur behaupteten Verletzung von Art. 14 ivm. Art. 8 EMRK: Der Bf. bringt vor, die Anwendung von 1626a Abs. 2 BGB begründe eine Diskriminierung unverheirateter

3 Bsw 22028/04 Väter aufgrund des Geschlechts und gegenüber geschiedenen Vätern. 1. Zur Anwendbarkeit von Art. 14 EMRK: Zwar setzt die Anwendung von Art. 14 EMRK nicht notwendigerweise die Verletzung einer der anderen materiellen Bestimmungen der Konvention voraus, doch besteht für sie kein Raum, wenn die umstrittenen Tatsachen nicht in den Anwendungsbereich einer dieser Bestimmungen fallen. Der GH muss daher prüfen, ob Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall anwendbar ist. Die Vaterschaft des Bf. stand von Anfang an fest. Er lebte mit der Mutter und der Tochter zusammen, bis diese dreieinhalb Jahre alt war. Nach der Trennung der Eltern lebte das Kind weitere zwei Jahre bei ihm. Seit es bei der Mutter lebt, übt der Bf. ein umfangreiches Umgangsrecht aus und sorgt dabei für die täglichen Bedürfnisse seiner Tochter. Die Entscheidungen, mit denen sein Antrag auf gemeinsame Sorge abgelehnt wurde, begründeten daher einen Eingriff in das Recht des Bf. auf Achtung seines Familienlebens. Da die Tatsachen somit in den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK fallen, ist Art. 14 EMRK anwendbar. 2. Zur Vereinbarkeit mit Art. 14 ivm. Art. 8 EMRK: Art. 14 EMRK gewährt Schutz vor einer unterschiedlichen Behandlung von Personen in vergleichbarer Lage, wenn keine sachliche und vernünftige Rechtfertigung vorliegt. Als Vater einer nichtehelich geborenen Tochter beschwert sich der Bf. erstens über eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zur Mutter, da er die gemeinsame Sorge nicht ohne ihre Einwilligung erlangen konnte. Zweitens

4 Bsw 22028/04 beschwert er sich über eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu verheirateten oder geschiedenen Vätern, die nach einer Ehescheidung oder Trennung von der Mutter die gemeinsame Sorge behalten können. Die anwendbaren Vorschriften begründen eine unterschiedliche Behandlung zwischen Vätern von ehelichen und solchen von nichtehelichen Kindern. Väter ehelich geborener Kinder haben von Beginn an und sogar nach einer Ehescheidung einen Rechtsanspruch auf gemeinsame Sorge, die von einem Familiengericht nur eingeschränkt oder aufgehoben werden kann, wenn dies im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist. Hingegen wird die elterliche Sorge für ein nichtehelich geborenes Kind der Mutter eingeräumt, solange nicht beide Eltern übereinstimmend die gemeinsame Sorge beantragen. Nach 1666 und 1672 BGB kann das Familiengericht das Sorgerecht nur dann dem Vater übertragen, wenn entweder das Kindeswohl aufgrund einer Nachlässigkeit der Mutter gefährdet ist oder wenn diese einem Antrag des Vaters zustimmt. Sind diese Voraussetzungen wie im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so sieht das deutsche Recht keine gerichtliche Prüfung der Frage vor, ob die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge den Interessen des Kindes entsprechen würde. Die Ablehnung des Antrags des Bf. spiegelt die zugrundeliegende Gesetzgebung wider. Da keine andere Entscheidung möglich war, wurde von den Gerichten nicht erörtert, ob die Einräumung gemeinsamer Sorge das Kindeswohl im konkreten Fall beeinträchtigen würde oder vielmehr im besten Interesse des Kindes wäre. Der entscheidende Punkt ist, dass die Einräumung gemeinsamer Sorge gegen den Willen der Mutter eines nichtehelich

5 Bsw 22028/04 geborenen Kindes prima facie als nicht im Interesse des Kindes liegend angesehen wird. Sowohl das Amtsgericht als auch das OLG Köln bezogen sich auf das Leiturteil des BVerfG. Diesem zufolge verlange das Kindeswohl, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die für das Kind rechtsverbindlich handeln kann. Angesichts der Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse, in die nichteheliche Kinder hineingeboren würden, sei es grundsätzlich gerechtfertigt, der Mutter die alleinige Sorge einzuräumen. Es erfolgte somit eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Sorgerechts des Bf. in seiner Eigenschaft als Vater eines nichtehelich geborenen Kindes im Vergleich zur Mutter und im Vergleich zu verheirateten Vätern. Wie der GH bereits festgestellt hat, müssen sehr gewichtige Gründe vorliegen, damit eine auf dem Geschlecht oder der Ehelichkeit der Geburt beruhende unterschiedliche Behandlung als konventionskonform angesehen werden kann. Dasselbe gilt für eine unterschiedliche Behandlung des Vaters eines aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hervorgegangenen Kindes gegenüber dem Vater eines in einer ehelichen Lebensgemeinschaft geborenen Kindes. Die umstrittenen Entscheidungen beruhten auf 1626a BGB, der dem Schutz des Wohls nichtehelich geborener Kinder dient, indem er seinen rechtlichen Vertreter bestimmt und Streitigkeiten über die Ausübung der elterlichen Sorge auf Kosten des Kindes vermeidet. Die Entscheidungen verfolgten damit ein legitimes Ziel isv. Art. 14 EMRK. Der GH anerkennt, dass die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorgeerklärung einen Versuch des Gesetzgebers darstellt, Eltern nichtehelich geborener Kinder zu einem

6 Bsw 22028/04 gewissen Grad verheirateten Eltern gleichzustellen. Der GH ist sich auch bewusst, dass Unterschiede in den jeweiligen Lebensverhältnissen bestehen, in die Kinder nicht verheirateter Eltern hineingeboren werden. Diese reichen von Beziehungen, in denen die Identität des Vaters nicht feststeht oder er keine Verantwortung für das Kind übernehmen möchte, bis zu solchen, in denen der Vater voll an der Erziehung teilnimmt und das Kind in einer Umgebung aufwächst, die sich praktisch nicht von einer solchen unterscheidet, die auf einer elterlichen Ehe beruht. Angesichts dieser unterschiedlichen Lebensverhältnisse von Kindern, die nichtehelich geboren sind und für die keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben wurde, war es nach Ansicht des GH zum Schutz des Kindeswohls gerechtfertigt, die elterliche Sorge anfänglich der Mutter einzuräumen um sicherzustellen, dass die Tochter von Geburt an eine Person hat, die rechtsverbindlich für sie handeln kann. Der GH anerkennt weiters, dass es berechtigte Gründe geben kann, einem unverheirateten Vater die Teilnahme an der elterlichen Obsorge zu verwehren, etwa wenn Streitigkeiten oder ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern eine Beeinträchtigung des Kindeswohls befürchten lassen. Nichts weist jedoch darauf hin, dass eine solche Haltung ein allgemeines Merkmal der Beziehung zwischen unverheirateten Vätern und ihren Kindern ist. Diese Überlegungen gelten insbesondere nicht im Fall des Bf.: Seine Vaterschaft stand von Anbeginn an fest, er lebte mit der Mutter und seiner Tochter zusammen, bis diese dreieinhalb Jahre alt war, und nach der Trennung lebte das Kind weitere zwei Jahre bei ihm. Auch nachdem seine Tochter zur Mutter gezogen war, übte er ein umfassendes

7 Bsw 22028/04 Umgangsrecht aus und sorgte für die täglichen Bedürfnisse des Kindes. Dennoch war es ihm von Beginn an kraft Gesetzes verwehrt, gerichtlich prüfen zu lassen, ob die Einräumung gemeinsamer elterlicher Sorge den Interessen des Kindes dienen würde, und eine mögliche willkürliche Weigerung der Mutter, der gemeinsamen Sorge zuzustimmen, durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzen zu lassen. Der GH ist nicht überzeugt vom Argument der belangten Regierung und des BVerfG, wonach der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, dass eine Mutter, wenn sie mit dem Vater zusammenlebt, nur ausnahmsweise und nur dann die Einwilligung in die gemeinsame Sorge verweigert, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe hat, die auf der Wahrung des Kindeswohls beruhen. In diesem Zusammenhang nimmt der GH die Maßnahmen zur Kenntnis, die von der Regierung entsprechend der Anordnung des BVerfG zur Beobachtung der tatsächlichen Entwicklung getroffen wurden. Diese Studien haben noch keine eindeutigen Ergebnisse geliefert. Sie deuten jedoch darauf hin, dass die Motive von Müttern für die Verweigerung der gemeinsamen Sorge nicht notwendigerweise auf Überlegungen hinsichtlich des Kindeswohls beruhen. Der GH teilt daher nicht die Annahme, dass eine gemeinsame Sorge gegen den Willen der Mutter prima facie dem Kindeswohl widerspricht. Während der weite Ermessensspielraum der Behörden, insbesondere bei Sorgerechtsangelegenheiten, nicht außer Acht gelassen werden darf, ist auch der sich entwickelnde europäische Kontext in diesem Bereich und die wachsende Zahl unverheirateter Eltern zu berücksichtigen. Obwohl kein Konsens darüber besteht, ob Väter nichtehelich geborener Kinder ein Recht haben, die gemeinsame Sorge selbst gegen den Willen der Mutter zu beantragen, scheint

8 Bsw 22028/04 man in einer Mehrzahl der Konventionsstaaten davon auszugehen, dass Entscheidungen über das Sorgerecht auf dem Kindeswohl beruhen müssen und dass im Fall eines Konflikts zwischen den Eltern die Übertragung des Sorgerechts von den Gerichten geprüft werden soll. Das Argument der Regierung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die gerichtliche Anordnung der gemeinsamen Sorge Konflikte zwischen den Eltern verursacht und daher dem Kindeswohl widerspricht, vermag nicht zu überzeugen. Zwar bergen Sorgerechtsverfahren stets die Gefahr einer Verunsicherung eines jungen Kindes, doch sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Prüfung des Sorgerechts und eine Beilegung von Konflikten zwischen getrennten Eltern in Fällen vor, in denen diese bei der Geburt verheiratet waren, danach geheiratet oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. In einem solchen Fall behalten die Eltern die gemeinsame Sorge, bis das Gericht auf Antrag einem Elternteil im Interesse des Kindeswohls die alleinige Sorge überträgt. Die Regierung brachte keine ausreichenden Gründe vor, warum die vorliegende Situation eine gerichtliche Überprüfung weniger gestatten würde als jene Fälle und warum der Bf., der als Vater anerkannt war und diese Rolle ausübte, in dieser Hinsicht anders behandelt werden soll als ein Vater, der ursprünglich elterliche Sorge innehatte und sich danach von der Mutter trennte oder geschieden wurde. Es bestand daher keine vernünftige Verhältnismäßigkeit zwischen dem generellen Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung der anfänglichen Übertragung der alleinigen Sorge auf die Mutter und dem verfolgten Ziel, nämlich dem Schutz des Wohls eines

9 Bsw 22028/04 nichtehelich geborenen Kindes. Daher liegt eine Verletzung von Art. 14 ivm. Art. 8 EMRK vor (6:1 Stimmen; Sondervotum von Richter Schmitt). Eine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK alleine ist nicht erforderlich (einstimmig). Entschädigung nach Art. 41 EMRK: Die Feststellung einer Verletzung stellt eine ausreichende Entschädigung für immateriellen Schaden dar. 7.008,14 für Kosten und Auslagen (einstimmig). Vom GH zitierte Judikatur: Hoffmann/A v. 23.6.1993, A/255-C, NL 1993/4, 27; EuGRZ 1996, 648; ÖJZ 1993, 853. Elsholz/D v. 13.7.2000, NL 2000, 143; EuGRZ 2001, 595; ÖJZ 2002, 71. Sommerfeld/D v. 8.7.2003 (GK), NL 2003, 196; EuGRZ 2004, 711. Görgülü/D v. 26.2.2004, NL 2004, 32; EuGRZ 2004, 700. Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 3.12.2009, Bsw. 22028/04, entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2009, 348) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf- Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/09_6/zaunegger. pdf

10 Bsw 22028/04 Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.