DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: 13168 letzte Aktualisierung: 12.09.2005 BGB 26, 28, 32, 48 Liquidation eines Vereins durch den Vorstand; Vertretungsbefugnis der Liquidatoren I. Sachverhalt Ein eingetragener Verein hat durch Beschluss der Mitgliederversammlung die Auflösung des Vereins beschlossen, hierbei aber keinen Beschluss zu den Liquidatoren und ihrer Vertretungsbefugnis gefasst. In der Satzung des Vereins heißt es u. a.: Die Liquidation des Vereins erfolgt durch den Vorstand. Ferner enthält die Satzung eine Regelung, dass der Verein durch den Vorsitzenden und ein weiteres Vorstandsmitglied gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird. Der Verein hat acht Vorstandsmitglieder. Die Vereinsregisteranmeldung, die vom Vorsitzenden und einem weiteren Vorstandsmitglied unterzeichnet wurde, meldet neben der Auflösung des Vereins die Vertretungsregelung an, dass der Vorsitzende und ein weiteres Vorstandsmitglied den Verein vertreten. Dies wurde vom Gericht beanstandet; die Vertretungsregelung für den Vorstand gelte nicht für Liquidatoren; es seien vielmehr alle Vorstandsmitglieder gemeinsam vertretungsbefugt. II. Fragen 1. Gilt eine Satzungsbestimmung für die Vertretungsbefugnis des Vorstands auch für die Liquidatoren? 2. Kann eine Satzungsbestimmung, wonach die Liquidation durch den Vorstand erfolgt, als Verweis auf eine entsprechende für die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren verstanden werden? 3. Hilfsweise: Wie sähe die gesetzliche Vertretungsregelung für Liquidatoren aus gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis oder mehrheitliche Vertretung? Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: dnoti@dnoti.de Internet: http://www.dnoti.de /13168.doc
Seite 2 III. Zur Rechtslage 1. Zur Rechtsstellung und Bestimmung der Liquidatoren Der aufgelöste und zu liquidierende Verein bedarf eines Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans, welches die Abwicklung durchführt. Hierfür ist nicht der Vorstand des (vormals) werbenden Vereins zuständig, sondern die Liquidatoren. Deren Bestimmung, rechtliche Stellung und Beschlussfassung regelt 48 BGB. Grundsätzlich sind die Vorstandsmitglieder geborene Liquidatoren, 48 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie bleiben als Liquidatoren ohne einen weiteren Bestellungsakt im Amt. Das organschaftliche Vorstandsverhältnis ändert sich in ein organschaftliches Liquidatorenverhältnis (Bamberger/Roth/Schwarz, BGB, 2003, 48 Rn. 2). Anstelle der Vorstandsmitglieder können auch andere Personen, insbesondere vereinsfremde Dritte bestellt werden, 48 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB. Zulässig ist auch eine gemischte Zusammensetzung, z. B. Vorstandsvorsitzender und vereinsfremder Dritter (Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 3862; Bamberger/Roth/Schwarz, 48 Rn. 2). Die Satzung kann die Personen bereits bestimmen oder die Bestellungskompetenz einem Dritten übertragen (Bamberger/Roth/Schwarz, 48 Rn. 2; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, 48 Rn. 2), anders als im Recht der GmbH (vgl. RGZ 145, 99, 104). 2. Vertretungsmacht der Liquidatoren Im vorliegenden Fall werden die Vorstandsmitglieder der Regelung des 48 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend Liquidatoren. Nach 48 Abs. 2 BGB haben die Liquidatoren die rechtliche Stellung des Vorstands, soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt. Dies spricht auf den ersten Blick dafür, dass für den Vorstand geltende Bestimmungen, also auch solche über die Beschlussfassung und Vertretung in der Satzung, für die Liquidatoren ohne weiteres weiter gelten. Allerdings bestimmt 48 Abs. 3 BGB, dass dann, wenn mehrere Liquidatoren vorhanden sind, für ihre Beschlüsse Übereinstimmung aller erforderlich ist, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. Eine gesonderte Bestimmung für die Beschlussfassung der Liquidatoren im Innenverhältnis ist vorliegend in der Satzung nicht vorgesehen, so dass es insofern bei der Einstimmigkeitsregelung des 48 Abs. 3 BGB bleibt. Fraglich und streitig ist aber, ob eine solche Beschlussfassungsregelung wie beim Vorstand (vgl. statt aller Bamberger/Roth/Schwarz, 26 BGB Rn. 16, 28 BGB Rn. 6) nur für das Innenverhältnis oder aber auch für das Außenverhältnis gilt, so dass der Verein stets durch alle Liquidatoren gemeinschaftlich vertreten werden muss. Nach einer Ansicht gelten die Satzungsbestimmungen über den Vorstand fort und damit auch die Regelung über eine evtl. Einzel- oder Kollektivvertretung (Reichert, Rn. 3844, 3857). Hierfür spricht, wie bereits erwähnt, 48 Abs. 2 BGB sowie die Auffassung, die dann, wenn die Vorstandsmitglieder Liquidatoren werden, von einer Konti-
Seite 3 nuität des Amtes ausgeht (Reichert, Rn. 3857). Derselben Auffassung sind Sauter/Schweyer/Waldner (Der eingetragene Verein, 17. Aufl. 2001, Rn. 411) und Stöber (Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004, Rn. 834). Zur Begründung wird insbesondere von Stöber (Rn. 834) herangezogen, dass 48 Abs. 3 BGB nur die Abweichung von der Regelung trifft, dass ein mehrgliedriger Vorstand durch Mehrheitsbeschluss entscheidet. Teilweise wird bei dieser Auffassung noch dahin differenziert, ob es sich um geborene Liquidatoren handelt. Nach Auffassung von Reichert (Rn. 3857) wirkt die bisherige Vertretungsordnung nur für Vorstandsmitglieder weiter, die unter Wahrung der Kontinuität ihres Amtes Liquidatoren werden; für neu bestellte Liquidatoren gilt Gesamtvertretung (Rn. 3857). Allerdings soll wenn auch ohne Begründung nach Reichert (Rn. 3857) die satzungsmäßige Vertretungsordnung dann nicht mehr eingreifen können, wenn ähnlich wie hier nur ein oder zwei Mitglieder des (im Beispielsfall von Reichert) drei- oder fünfköpfigen Vertretungsvorstandes zu Liquidatoren bestimmt werden. Die wohl h. M. im Schrifttum geht allerdings davon aus, dass zwar 48 Abs. 3 BGB nur dispositiver Natur ist wie 28 Abs. 1 BGB gelte die Vorschrift nicht nur für das Innen-, sondern auch für das Außenverhältnis, so dass mangels abweichender Regelung in der Satzung (oder Beschluss der Mitgliederversammlung, hierzu siehe sogleich unter 3.) Liquidatoren grundsätzlich Gesamtvertretungsmacht haben. Eine bestehende satzungsmäßige Vertretungsregelung für den Vorstand geht insoweit nicht auf die Liquidatoren über, auch nicht auf die Vorstandsmitglieder als geborene Liquidatoren (MünchKomm-Reuter, BGB, 4. Aufl. 2001, 48 Rn. 4; Bamberger/Roth/Schwarz, 48 BGB Rn. 4; Staudinger/Weick, BGB, 13. Bearb. 1995, 48 Rn. 5; AnwK- BGB/Eckardt, 2004, 48 BGB Rn. 10; Burhoff, Vereinsrecht, 5. Aufl. 2002, Rn. 376; Schwarz, Rpfleger 2003, 1, 6). In der Rechtsprechung hat sich das OLG Hamburg der Auffassung der h. M. angeschlossen (OLG-Report 1998, 109, 110 f.; vgl. auch den Beschluss des BayObLG v. 24.10.1996, Rpfleger 1997, 170 = GmbHR 1997, 176 = MittBayNot 1997, 49, wonach die einem Geschäftsführer einer GmbH aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung durch Gesellschafterbeschluss erteilte stete Einzelvertretungsbefugnis grundsätzlich nicht für den (geborenen) Liquidator gelte). Die h. M. begründet ihre Auffassung damit, dass wenigstens beim Verein im Liquidationsstadium typischerweise das Flexibilitätsbedürfnis gegenüber dem Interesse an Sachgerechtigkeit der Entscheidungen zurücktritt und ein anderes i. S. des 48 Abs. 3 BGB nicht schon dann bestimmt sei, wenn die Liquidation durch den Vorstand erfolge; auch der Vorstand werde mit der Liquidation zum Liquidator, für den nicht mehr 28 Abs. 1 BGB (einschließlich satzungsmäßiger Abweichungen), sondern ausschließlich 48 Abs. 3 BGB gelte (MünchKomm-Reuter, 49 BGB Rn. 4). Die Vorstandsmitglieder des Vereins setzten zwar als geborene Liquidatoren ihre Organstellung fort, jedoch erfahre die Organstellung eine bedeutsame inhaltliche Änderung (OLG Hamburg OLG-Report 1998, 109, 111). Das organschaftliche Vorstandsverhältnis ändere sich eben in ein organschaftliches Liquidatorenverhältnis (Bamberger/Roth/Schwarz, 48 Rn. 2). Die Begründung etwa von Reichert (Rn. 3857),
Seite 4 für die Vorstandsmitglieder als Liquidatoren bestehe eine Kontinuität des Amtes, kann daher für die h. M. ebenso wenig tragend sein wie diejenige von Stöber (Rn. 834), wonach die Liquidatoren nach 48 Abs. 2 BGB die rechtliche Stellung des Vorstands hätten. Denn diese haben sie nur, soweit sich nach Halbsatz 2 der vorgenannten Vorschrift nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass eine Satzungsbestimmung für die Vertretungsbefugnis des Vorstands nach h. M. nicht ipso iure auch für die Liquidatoren gilt, selbst wenn diese personenidentisch mit den Vorstandsmitgliedern des werbenden Vereins sein sollten. Ob eine Satzungsbestimmung, wonach die Liquidation durch den Vorstand erfolgt, als Verweis auf eine entsprechende Regelung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes auch für die Liquidatoren verstanden werden kann, wird nach unseren Recherchen weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum erörtert. U. E. ist, folgt man der h. M., eine solche dann erforderliche Auslegung der Satzung eher fern liegend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dann gerade eine Trennung zwischen der von der h. M. postulierten Vertretungsmacht des Vorstandes einerseits und der Liquidatoren andererseits (mögen dies auch die ehemaligen Vorstandsmitglieder sein) erfolgen soll. Andernfalls würde die Auffassung der h. M. in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle praktisch gegenstandslos. 3. Abweichende Bestimmung der Vertretungsregelung durch bloße Beschlussfassung Wenn 48 Abs. 3 BGB bestimmt, dass Einstimmigkeit nur dann erforderlich ist, sofern nicht ein anderes bestimmt ist, gilt dies nach allgemeiner Auffassung auch für das Außenverhältnis. Die Gesamtvertretungsbefugnis der Liquidatoren ist also nicht zwingend. Die Aktivvertretung der Liquidatoren kann in der Satzung deshalb abweichend geregelt werden (Bamberger/Roth/Schwarz, 48 Rn. 4; Staudinger/Weick, 48 Rn. 5). Diese Abweichung wäre nach 76 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 BGB in das Vereinsregister einzutragen. Streitig ist, ob eine solche abweichende Regelung nur in der Satzung selbst enthalten sein kann oder aber ein Beschluss der Mitgliederversammlung ausreichend ist. Die h. M. lässt Letzteres zu (etwa anlässlich der Bestellung der Liquidatoren) (Soergel/Hadding, 48 Rn. 6; Bamberger/Roth/Schwarz, 48 Rn. 4; Staudinger/Weick, 48 Rn. 5; Sauter/Schweyer/Waldner, Rn. 411; Burhoff, Rn. 376; a. A. MünchKomm- Reuter, 49 Rn. 4). Freilich wäre die abweichende Regelung der Beschlussfassung sowie die personelle Vertretungsmacht der Liquidatoren im Vereinsregister auch in diesem Falle einzutragen ( 76 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 BGB). 4. Ergebnis Im vorliegenden Fall gilt die Satzungsbestimmung für die Vertretungsbefugnis des Vorstandes nach h. M. nicht auch für die Liquidatoren, so dass nach dem Gesetz Gesamtvertretungsmacht besteht (und auch kein abweichender Beschluss der Mitgliederver-
Seite 5 sammlung, etwa im Rahmen der Bestellung der Liquidatoren, erfolgt ist). Eine Satzungsbestimmung, wonach die Liquidation durch den Vorstand erfolgt, wird u. E. auch nicht als Verweis auf eine entsprechende Vertretungsbefugnis der Liquidatoren verstanden werden können.