Lernschwierigkeiten erkennen - verständnisvolles Lernen fördern

Ähnliche Dokumente
SINUS an Grundschulen Kloster Banz, 22. März 2012

Individualisierung durch Lernaufgaben

1. Doppelstunde: Zieht ein Magnet überall gleich stark an? Die Entdeckung der Pole als Orte der stärksten Anziehung

1. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

phänomenale Tools in NMM - Lernaufgaben

3. Doppelstunde: Wie reagieren Magneten aufeinander? Die Einführung der Polregel

1. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

Vorwort. Wir wünschen Ihnen und Ihren Klassen ein gutes Gelingen und viel Spaß mit unseren Materialien, Viktoria Kohler und Silvija Markic.

Forschertagebuch. Schmelzen. Forschername: zum Thema. PH Vorarlberg Seite 1 Schwarzmann Yvonne. Bildquelle: cc_schwarzmann

2. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

Projekt LICHT UND WÄRME

4. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

BLK Programm Sinus-Transfer Grundschule Frühjahrstagung Bayern Schloss Spindlhof Mai 2006

Lernumgebungen und substanzielle Aufgaben im Mathematikunterricht (Workshop)

Magnete in verschiedenen Formen

Die Stiftung aus der kleinen Forscher Netzwerk Landshut Stadt und Land

Schall Was ist das? Eine Einführung in die KiNT-Unterrichtsmaterialien. Ralph Schumacher

Schwimmen und Sinken. Eine Einführung in die KiNT-Unterrichtsmaterialien. Ralph Schumacher

Der Papierkochtopf Versuch zur Überprüfung der Wärmeleitfähigkeit von Wasser

Unterrichtsentwurf Physik

2. Unterrichtseinheit zum Thema Aggregatzustände: Aggregatzustände und ihre Übergänge Übertragung auf den Wasserkreislauf

Lernbiologische Axiome kooperativen Lernens: Lerninhalte werden behalten, wenn sie persönlich bedeutsam werden, wenn aktive Auseinandersetzung

Die Gesellschaft und die Schule der Zukunft. Kompetenzorientiertes Lernen mit kompetenten LehrerInnen

4. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

Vorwissen und Präkonzepte in den Naturwissenschaften erheben

29 SchülerInnen. der Grundstufe 1, 1b- und 2a-Klasse

Die Bedeutung von chemischen Experimenten aus didaktischer Sicht

Versuch 1: Kalt oder warm?

Gleiche Ladungen stoßen sich ab. Unterschiedliche Ladungen ziehen sich wie Magnete an.

Welche Eigenschaft ist wichtig beim Glacestängel? Lösungen

Forschertagebuch. Das Thermometer. von. PH Vorarlberg Seite 1 Dobler Verena. Bildquelle: cc_dobler_verena

Unterrichtsfeinplanung zum Thema Gesundheit

Selbstlerneinheit Elektrizitätslehre

Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

Physik im Sachunterricht? Schülervorstellungen und kumulatives Lernen.

mit Sinn Sinn des Lebens Mathe mit Sinn Mathe mit Sinn Wofür brauch ich das alles im Leben eigentlich? Stephan Hußmann

1. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Meine eigene Physik-Fibel - Grundbegriffe der Physik

ANSCHLUSSFÄHIGE AUFGABEN IM NATURWISSENSCHAFTLICHEN UNTERRICHT. Prof. Dr. Miriam Leuchter

Peter Rieger Universität Leipzig Fakultät für Physik und Geowissenschaften

Städtisches Gymnasium Herzogenrath

Der Energiebegriff in der Thermodynamik

Welche Eigenschaft ist wichtig beim Glacestängel?

Innere Differenzierung im Naturwissenschaftsunterricht. Dorothee Brovelli PH Luzern

Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

Betrachtung des Lehrplans für den Sachunterricht und des Kernlehrplans Naturwissenschaft 5/6. Bezug: Teilchenmodell

Herzlich Willkommen!

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kinder experimentieren: Licht und Optik

Lernaufgaben Sachunterricht

Didak tische Handreichungen zum Thema: Wasser

Aufgabe 3: Erste-Hilfe-Massnahmen

Arbeitsplan Sachunterricht Klasse 1. Fächerübergreifende Aspekte Kunst: Das bin ich Deutsch: Erzählen zum Thema Familie und Zusammenleben

Unterrichtsmodul. UE 7: Wir schützen das Klima

Praxis Grundschule 1/2004 Lösungen

Sonne wärmt A Papier. 1 Metall. 4 Holz

Energie - dem Unsichtbaren mit Experimenten auf der Spur

Kompetenzorientierter Geographieunterricht

EF Q1 Q2 Seite 1

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Magnetismus - Kinder experimentieren. Das komplette Material finden Sie hier:

Individuelles Lernen fördern im Mathematikunterricht

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Herstellung eines Flaschenöffners. Das komplette Material finden Sie hier:

Erzbischöfliche Liebfrauenschule Köln. Schulinternes Curriculum Fach: Physik

Aufgabe 3: Wasser ist ein spezieller Stoff

L L. Titel. Gegenstand/ Schulstufe. Bezug zum Fachlehrplan. Bezug zu BiSt. Von der Praxis für die Praxis

3. Doppelstunde: Die Wirkung des Luftdrucks anhand verschiedener Versuche erfahren

Downloadmaterialien. Markus Meyer/Mariola Meyer/ Christian Jansen Unterrichten mit Lernlandkarten ISBN

Mein Forschertagebuch

Agenda. 2. Einfluss der Zielorientierung auf die Motivation. 3. Thematische Begründung als Motivation

Unterrichtsverlaufsplan

Schulcurriculum Chemie Klasse 9

Aufgabenbeispiele für Klassen der Flexiblen Grundschule

Sonne und Solarenergie

KINDER FORSCHEN LERNEN MIT STUFENGERECHTEN EXPERIMENTEN

Elektrizität in den Themenfeldern 6 und 9

2. Unterrichtseinheit zum Thema Schwimmen und Sinken: Das Schwimmen und Sinken von Vollkörpern untersuchen

Deutsche Kinderuni im Koffer Fakultät Mensch Aufbau des Auges. Johannes Kepler FAKULTÄT MENSCH AUFBAU DES AUGES. JOHANNES KEPLER

Kompetenzorientierte Aufgabenstellung im technischen und textilen Werkunterricht. FI RR Andrea Ladstätter, BEd

Einstiege: Laplace-Wahrscheinlichkeit

Was schwimmt, was sinkt?

UNTERRICHT MIT NEUEN MEDIEN. Karl Ulrich Templ Didaktik der Politischen Bildung

x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Inhaltsfelder Fachliche Kontexte Elementfamilien, Atombau und Metalle und Metallgewinnung

Themenzuordnung. Sachaufgaben (1) Seite 1 von 5

- + Worin ist also überall Energie gespeichert? Fällt dir noch mehr ein? Ergänze die Tabelle. In welche Energie kann man es umwandeln?

Herzlich Willkommen zum Workshop Natur & Technik spezifische Lernprozesse und -leistungen beobachten und einschätzen (Zyklus 3)

Experimentalaufgaben und Pseudo-Experimentalaufgaben online

Praktikumsplanung Primarstufe: NMG

Forschertagebuch Licht Schatten und Lichtablenkung. von

Kindliches Lernen beobachten und verstehen

1. Kurzbeschreibung. Ermitteln eines Unterrichtsthemas. Werkstatt - Themen - Kisten - Ordner SINUS an Grundschulen

Arbeitsblätter Sekundarstufe «Strom und Magnete»

Bildnerisches Gestalten

Angepasstheit ausgewählter Säugetiere an ihren Lebensraum Lernzirkel mit Egg Race und Hilfekärtchen

Die Welt der Elektrizität Elektronen auf ihrer Reise durch den Stromkreis (Der einfache Stromkreis)

Staatl. Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien Trier. Guter Unterricht - Eine komplexe Herausforderung

Konzept zu Planung einer Lernaufgabe für den Sachunterricht in der Grundschule

NACHHALTIGE UND HERAUSFORDERNDE LERNAUFGABEN FÜR SELBSTTÄTIGES LERNEN

Magnete unglaublich anziehend

VORSCHAU. Inhalt. zur Vollversion. Vorwort 4 Mein kleiner Arbeitspass 5-6. So kann Feuer sein

FORSCHEN MIT MAGNETEN EINSTIEGSKARTE

Mathematik für Berufsintegrationsklassen

Transkript:

Lernschwierigkeiten erkennen - verständnisvolles Lernen fördern Rita Wodzinski Universität Kassel wodzinski@physik.uni-kassel.de

Verständnisvolles Lernen Verstehen bedeutet, Erfahrungen vernetzen Verstandenes hilft, Erfahrungen zu strukturieren. Verstehen heißt Verbinden. (Wagenschein)

Lernschwierigkeiten SU bietet Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten besondere Möglichkeiten: Erfahrungen aus erster Hand schaffen gleiche Ausgangsbedingungen. Manuelle Tätigkeiten fördern die Konzentration. Experimente fesseln die Aufmerksamkeit. Naturwissenschaftliches Arbeiten ist oft kooperatives Arbeiten. Naturwissenschaftliche Aktivitäten erfordern unterschiedliche Kompetenzen.

Lernschwierigkeiten Innenbedingt LRS, Motorik, Konzentration... sachbedingt Energie, Dichte, Kraft... lehrbedingt ungeeignete Medien, Frageverhalten, mangelnde Strukturierung, Klassenklima...

Lernen konstruktivistische Auffassung: Lernen ist ein aktiver Prozess der Wissenskonstruktion. Wissen kann nicht transportiert werden. Vorwissen und Vorerfahrungen bestimmen das Lernen. Ergebnis von Lernen ist nicht die Anhäufung von Wissen, sondern die Veränderung von Vorstellungen, Einstellungen und Werten

Zwei Hauptsätze Jede Schülerin/jeder Schüler macht sich ihr/sein eigenes Bild von allem, was im Unterricht präsentiert wird - was die Lehrkraft sagt oder an die Tafel schreibt, was bei einem Experiment zu beobachten ist, was auf einer Zeichnung zu sehen ist. Das Bemühen der Lehrkraft, alles fachlich richtig zu erklären, führt insbesondere am Beginn des Unterrichts über ein neues Thema häufig dazu, dass die Schülerinnen und Schüler etwas Falsches lernen.

Unterschiedliche Sichtweisen-Wärme Alltagssicht: Holz ist warm, Stein ist kalt. Physikersicht: Holz leitet die Wärme der Hand schlecht. Stein leitet die Wärme der Hand gut.

Unterschiedliche Sichtweisen-Strom Kindersicht: Aus beiden Polen einer Batterie strömt etwas zum Lämpchen. Physikersicht: Elektrizität strömt im Kreis und zwar mit gleicher Intensität überall.

Unterschiedliche Sichtweisen-Schatten Kindersicht: Schatten gehört zum Gegenstand Licht beleuchtet den Schatten. Physikersicht: Licht erzeugt den Schatten.

Wie verändert man Sichtweisen? Ungeeignete Vorstellungen erschüttern: Phänomene/Experimente zeigen, die Vorstellungen in Frage stellen, Geeignete Vorstellungen stützen: Phänomene/Experimente zeigen, die bestimmte Vorstellungen stützen, Erworbene Vorstellungen stabilisieren: Anwendungsbeispiele diskutieren, in denen sich die Vorstellungen als fruchtbar erweisen.

Beispiel Wärme Ausgangspunkt: Wolle wärmt Experiment: Welcher Eiswürfel schmilzt schneller? Ziel: Wolle wärmt nicht, sondern isoliert. Sie hält den Würfel kalt und den Kopf warm.

Auf dem Weg dahin... Temperatur im Schlafsack messen mit Kind mit Stofftier => Der Körper ist eine Wärmequelle. Temperatur in der Umgebung messen im Blumentopf unter dem Tisch im Schrank... => Die Temperatur im Raum ist überall gleich.

Das bedeutet... Wolle ist nicht wärmer als andere Dinge. Wolle hält warm, weil sie die Körperwärme festhält. Wolle hält warm und kalt, weil sie die Wärme nur schlecht durchlässt. Wichtig: Strukturieren der Erkenntnisse

Fördern erfordert den Blick auf die Lernprozesse Methoden zur Sammlung von Vorstellungen: Gespräche und offene Fragen Was denkst du ist ein Magnet? Hier liegen verschiedene Gegenstände. Hast du eine Idee, wie man herausfinden kann, was davon Magnete sind?

Fördern erfordert den Blick auf die Lernprozesse Methoden zur Sammlung von Vorstellungen: Gespräche und offene Fragen Zeichnungen, die ggf. beschriftet werden Was ist ein Spiegelbild? Zeichne deine Ideen auf und beschrifte deine Zeichnung!

Fördern erfordert den Blick auf die Lernprozesse Methoden zur Sammlung von Vorstellungen: Gespräche und offene Fragen Zeichnungen, die ggf. beschriftet werden Ideen aufschreiben Wofür benötigen wir Strom? Schreibe auf.

Fördern erfordert den Blick auf die Lernprozesse Methoden zur Sammlung von Vorstellungen: Gespräche und offene Fragen Zeichnungen, die ggf. beschriftet werden Ideen aufschreiben Sortieren von Gegenständen oder Bildmaterial Sammle Gegenstände, in denen du dein Gesicht sehen kannst, und Gegenstände, in denen du dein Gesicht nicht sehen kannst

Zeichnen als Medium des technischen Denkens verwandelt Vorstellungen in Bilder stellt Beziehungen dar schafft Distanz erlaubt das Mitdenken macht Vorstellungen bewusst deckt Vorstellungsmängel auf lenkt die Aufmerksamkeit.

Nachfragen lohnt sich! Bertolt Brecht: Herr Keuner und die Zeichnung seiner Nichte Herr Keuner sah sich die Zeichnung seiner kleinen Nichte an. Sie stellte ein Huhn dar, das über einen Hof flog. Warum hat dein Huhn eigentlich drei Beine? fragte Herr Keuner. Hühner können doch nicht fliegen, sagte die kleine Künstlerin, und darum brauchte ich ein drittes Bein zum Abstoßen. Ich bin froh, dass ich gefragt habe, sagte Herr Keuner.

Erhebung der Vorstellungen und dann? Wenn Erfahrung fehlt => Erfahrungsbasis vergrößern Falls Überprüfungen möglich sind: Vermutungen testen. Wenn Wörter unklar sind: passende und unpassende Beispiele suchen. Wenn Ideen lokal begrenzt sind: Verknüpfungen schaffen.

Wie bringt man Schüler im Denken weiter? zum Testen von Ideen anleiten (Ideen verknüpfen) alternative Ideen verfügbar machen kommunizieren und reflektieren

Nochmal Wärme Aufgabe: Wie hält man Suppe möglichst lange warm? Woran liegt das? Materialien sind gut, wenn sie sich warm anfühlen. Materialien sind gut, wenn sie sich kalt anfühlen. Diskussion, experimenteller Test und Klärung Weiterführung: Was hält Kaltes möglichst lange kalt?

Frageverhalten Eher offene statt geschlossene Fragen Wird das Auto schneller fahren, wenn man es weiter oben auf der Rampe startet? Was für einen Unterschied macht es, wenn man das Auto weiter oben auf der Rampe startet?

Frageverhalten Eher offene statt geschlossene Fragen Eher personenzentrierte als inhaltszentrierte Fragen Warum ist der Eiswürfel unter der Mütze langsamer geschmolzen als an der Luft? Was vermutest du, warum der Eiswürfel unter der Mütze langsamer geschmolzen ist?

Frageverhalten Eher offene statt geschlossene Fragen Eher personenzentrierte als inhaltszentrierte Fragen Warum-Fragen nicht zu offen stellen Was denkst du, warum sich Styropor wärmer anfühlt als Metall? Auf die Beobachtung: Warum ist das wohl so?

Frageverhalten Eher offene statt geschlossene Fragen Eher personenzentrierte als inhaltszentrierte Fragen es verdunstet? Warum-Fragen nicht zu offen stellen zu Vorhersagen auffordern Was passiert mit Wasser, wenn Was könnten wir tun, um ein nasses Handtuch trocken zu bekommen und warum meinst du könnte das funktionieren?

Kinder mit speziellem Förderungsbedarf klare Strukturierung konkretere Aufgabenstellungen Möglichkeiten zur eigenständigen Rekonstruktion differenzierter Unterricht

Verständnisvolles Lernen für alle selbstständiges Denken und entdeckendes Lernen fördern, ein aktives Lernens durch motivierende Fragestellungen und anregende Lernumgebungen mit Möglichkeiten zum Selber-Tun fördern, die Vorstellungen, die die Lernenden in Unterricht mitbringen, berücksichtigen, Inhalte in sinnvolle, anwendungsbezogene Zusammenhänge einbetten, die auch im Alltag wichtig und interessant sind,

Verständnisvolles Lernen für alle gemeinsame Denkprozesse in Kleingruppen und im Klassengespräch fördern, gemeinsame Diskussionen ermöglichen, die Aktivität der Lernenden durch anregendes und hilfreiches Lernmaterial unterstützen, ein angemessenes Maß an Mitbestimmung bei den Lerninhalten, Lernmethoden, Lernzielen ermöglichen, Reflexionsprozesse fördern.