Wertigkeit der Magnetresonanztomographie in der Diagnostik von spinalen Metastasen bei Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter

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Transkript:

Aus dem Institut und der Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. K.-J. Lackner Wertigkeit der Magnetresonanztomographie in der Diagnostik von spinalen Metastasen bei Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Tim Christian Scharr aus Köln promoviert am 03. November 2010 1

Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter 1. Berichterstatter: Frau Professor Dr. med. G. Benz-Bohm 2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. K.-J. Lackner Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne die Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützung von folgenden Personen erhalten: Frau Professor Dr. med. Frau Dr. med. Herrn Priv.-Doz. Dr. med. Herrn Priv.-Doz. Dr. rer. med. Herrn Priv.-Doz. Dr. med. G. Benz-Bohm D. Schwamborn A. Goßmann M. Hellmich W. Stenzel Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder mittelbar noch unmittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Die Arbeit wurde von mir weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und ist auch noch nicht veröffentlicht. Köln, den 01.04.2010 2 Tim Christian Scharr

Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten wurden durch mich in Mitarbeit der oben genannten Personen erhoben. Der Auswertungsbogen wurde hierzu eigenhändig entworfen und konzipiert. Die magnetresonanztomographischen Untersuchungen wurden überwiegend vom Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln durchgeführt, seltener von Radiologischen Abteilungen auswärtiger Krankenhäuser oder von Radiologischen Praxen. Die Krankengeschichten wurden anhand der Patientenakten des Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln nachvollzogen, dokumentiert und ausgewertet. Der Datensatz wurde in das Statistikprogramm SPSS eingegeben und in Zusammenarbeit mit dem Institut für medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie der Universität zu Köln ausgewertet. 3

Danksagung Mein besonderer Dank gilt Frau Professor Dr. med. G. Benz-Bohm, ehemalige Leiterin des Funktionsbereiches Kinderradiologie des Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln, für die Überlassung des Themas, ihre aufmerksame und zuverlässige Beratung, und für die Möglichkeit, die Einrichtungen des Instituts für Kinderradiolgie der Universität zu Köln nutzen zu dürfen. Mein weiterer Dank gilt Frau Dr. med. D. Schwamborn, Oberärztin im Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln, für die Mitbetreuung des klinischen Teils der Dissertation. Herrn Priv.-Doz. Dr. med. A. Goßmann, ehemaliger leitender Oberarzt des Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln, Chefarzt der Radiologischen Klinik Merheim, Kliniken der Stadt Köln, danke ich für seine Mitarbeit in der Auswertung der Magnetresonanztomographien. Herrn Priv.-Doz. Dr. rer. medic. M. Hellmich, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institut für medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie der Universität zu Köln, danke ich für die Beratung und Unterstützung bei der statistischen Auswertung der Daten. Herrn Priv.-Doz. Dr. med. W. Stenzel, ehemaliger Oberarzt der Abteilung für Neuropathologie der Universität zu Köln, Oberarzt des Institut für Neuropathologie, Klinikum Virchow, Campus Charité Berlin, danke ich für die Beratung bezüglich der Tumorhistologien und -klassifikation. Frau B. Loosen und Frau M. Stein aus dem Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln, möchte ich ganz herzlich für ihre Unterstützung bei der Suche von Krankenakten danken. 4

Dies gilt ebenfalls allen medizinisch-technischen Radiologieassistentinnen der Funktionsbereiche Kinderradiologie und Magnetresonanztomographie des Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln, und den Krankenschwestern des Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln. 5

Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG... 9 2 LITERATURÜBERSICHT... 10 2.1 PRIMÄRE HIRNTUMOREN IM KINDES- UND JUGENDALTER... 10 2.1.1 Prävalenz, Inzidenz, Einteilung und Lokalisation... 10 2.1.2 Anamnese und klinische Symptome... 13 2.1.3 Therapie... 15 2.1.4 Spinale Metastasierung... 16 2.2 DIAGNOSTISCHE METHODEN ZUR DETEKTION SPINALER METASTASEN... 19 2.2.1 Lumbale Liquorpunktion... 19 2.2.2 CT - Myelographie... 20 2.2.3 MRT der spinalen Achse... 20 2.2.4 Vergleich der diagnostischen Methoden... 22 3 FRAGESTELLUNG... 23 4 MATERIAL UND METHODE... 24 4.1 PATIENTENKOLLEKTIV... 24 4.2 DATENERFASSUNG MITTELS DOKUMENTATIONSBOGEN... 24 4.2.1 Primärtumor: Histologie, Lokalisation, Therapie, Rezidiv... 24 4.2.2 Klinische Untersuchung und Verlauf... 24 4.2.3 Liquorzytologie... 25 4.2.4 MRT der spinalen Achse... 25 4.3 STATISTISCHE AUSWERTUNG... 28 4.4 VERGLEICH DER ERGEBNISSE... 28 4.5 ZWEITE AUSWERTUNG... 29 4.6 VERGLEICH DER PRIMÄREN ERGEBNISSE MIT DENEN DER 2. AUSWERTUNG... 29 5 ERGEBNISSE... 30 5.1 PATIENTENKOLLEKTIV, ALTER UND GESCHLECHT... 30 5.2 PRIMÄRE HIRNTUMOREN: HISTOLOGIE UND LOKALISATION... 30 5.3 DIAGNOSTIK SPINALER METASTASEN... 32 5.3.1 Klinische Symptome... 32 5.3.2 Zytologie... 32 5.3.3 MRT der spinalen Achse... 33 6

5.3.3.1 Technik und Qualität... 34 5.3.3.2 Befunde der spinalen MRT... 36 5.3.3.3 Lokalisation und Morphologie der Blutgefäße und Metastasen in der spinalen MRT... 37 5.3.3.4 Vergleich der klinischen Befunde, der Zytologie und der MRT- Befunde... 38 5.3.3.5 Aussagewert der MRT der spinalen Achse... 39 5.4 PRIMÄRE HIRNTUMOREN MIT SPINALER METASTASIERUNG... 41 5.4.1 Histologie und Lokalisation der spinal metastasierten Hirntumoren. 41 5.4.2 Zeitpunkt der spinalen Metastasierung... 42 5.4.3 Verlauf der Patienten mit spinaler Metastasierung im Vergleich zu den Patienten ohne spinale Metastasierung... 42 5.5 ERGEBNISSE DER 2. AUSWERTUNG... 43 5.6 ZUSAMMENSTELLUNG DER GESAMTERGEBNISSE... 45 5.7 BESONDERE KRANKHEITSVERLÄUFE... 48 6 DISKUSSION... 55 7 ZUSAMMENFASSUNG... 64 8 LITERATURVERZEICHNIS... 67 9 ANHANG... 72 9.1 DOKUMENTATIONSBOGEN... 72 7

Liste mit den im Text verwendeten Abkürzungen: ATRT Atypischer, teratoider / rhabdoider Tumor BWK Brustwirbelkörper BWS Brustwirbelsäule CT Computertomographie DD Differenzialdiagnose E Erstdiagnose Gd-DTPA Gadolinium Diäthylentriaminpentaazetat GPOH Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie HWK Halswirbelkörper HWS Halswirbelsäule J Jahr / Jahre Kap Kapitel KM kontrastmittelverstärkte Lj Lebensjahr LWK Lendenwirbelkörper LWS Lendenwirbelsäule M Monat / Monate MRT Magnetresonanztomographie neg negativ PNET Primitiv neuroektodermaler Tumor pos positiv sag Sagittal S Seite SM Spinale Metastasierung SWK Sakralwirbelkörper T Tag / Tage Tab Tabelle V.a Verdacht auf w Wichtung WHO World Health Organisation WS Wirbelsäule ZNS Zentralnervensystem 8

1 Einleitung Primäre Hirntumoren sind nach den Erkrankungen des Lympho- Hämatopoetischen-Systems die zweithäufigsten Krebserkrankungen im Kindesund Jugendalter. Eine leptomeningeale Metastasierung dieser primären Hirntumoren entlang der spinalen Achse ist prognostisch ungünstig. Das Risiko einer spinalen Metastasierung ist besonders bei Hirntumoren, deren histologische Differenzierung einem Malignitätsgrad III oder IV der WHO Klassifikation entspricht, wie z.b. dem Medulloblastom / PNET, sehr hoch [32]. Wird eine spinale Metastasierung diagnostiziert, wird bei dem betroffenen Patienten eine Änderung der Therapie erforderlich. Die Therapie erfolgt entsprechend der Tumorentität nach den jeweiligen Therapieprotokollen der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) [14, 15, 21, 22]. Die spinale Magnetresonanztomographie (MRT) und die lumbale Liquorzytologie sind heute die Verfahren der Wahl in der Diagnostik spinaler Metastasen. Die CT-Myelographie wird seit Einführung der MRT der spinalen Achse aufgrund der nachgewiesenen höheren Sensitivität und geringeren Invasivität nicht mehr durchgeführt [2, 3, 11, 13, 16, 18, 19, 28, 42]. Bisher gibt es nur eine Studie von Meyers et al. [34], in der konkrete Angaben zur Sensitivität und Spezifität der spinalen MRT sowie der lumbalen Liquorzytologie gemacht werden. Dabei wurden die spinalen MRT- Untersuchungen und die lumbalen Liquorzytologien mit dem klinischen Verlauf von 112 Patienten mit Medulloblastom WHO Grad IV verglichen. Die übrigen Studien, die zwischen der MRT der spinalen Achse und der lumbalen Liquorzytologie bei Kindern mit Hirntumoren verglichen haben, haben die Sensitivität und Spezifität beider Untersuchungsmethoden nicht geprüft [11, 18, 36]. 9

2 Literaturübersicht 2.1 Primäre Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter 2.1.1 Prävalenz, Inzidenz, Einteilung und Lokalisation Neoplasien des zentralen Nervensystems sind eine heterogene Gruppe von Tumorentitäten mit sehr unterschiedlicher Histogenese und biologischer Wertigkeit [17, 30, 32]. Sie sind mit ca. 20% die zweithäufigsten Neubildungen im Kindes- und Jugendalter nach Erkrankungen des Lympho-Hämatopoetischen-Systems, und damit die häufigsten soliden Tumoren [30, 37]. In Deutschland treten ca. 400 Neuerkrankungen im Jahr (J) auf. Die Inzidenz beträgt ca. 2-3 / 100.000 Kinder und Lebensjahr (Lj). Jungen sind in einem Verhältnis von 1.3 : 1 insgesamt häufiger betroffen als Mädchen, wobei es hier, je nach Tumorhistologie, Unterschiede gibt [17, 30, 37]. Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen Glioblastome und Meningeome sehr häufig sind, überwiegen bei Kindern und Jugendlichen embryonale Medulloblastome / PNET, Kleinhirnastrozytome, Kraniopharyngeome und Ependymome [17]. Die Klassifikation der primären Hirntumoren mit prozentualer Verteilung der Häufigkeit im Kindes- und Jugendalter nach Kühl und Korintherberg [30] ist Tabelle 1, S. 11, zu entnehmen. Die Tabelle wurde mit den entsprechenden WHO Graden der WHO-Klassifikation für Hirntumoren 2007 modifiziert [32]. 10

Tumorhistologien astrozytische Tumoren pilozytisches Astrozytom fibrilläres Astrozytom pleomorphes Xanthoastrozytom anaplastisches Astrozytom Glioblastoma multiforme Prozentuale Verteilung 30-35% WHO- Klassifikation I II II III IV oligodendrogliale Tumoren 0-1% II+III gemischte Gliome Oligoastrozytom anaplastisches Oligoastrozytom ependymale Tumoren Ependymom anaplastisches Ependymom II III 10-15% II III Tumoren des Plexus choroideus Plexus choroideus Papillom (CPP) atypisches CPP Plexus choroideus Karzinom (CPCA) neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumoren Gangliogliom anaplastisches Gangliogliom 2-3% I II III I-II III Tumoren des Pinealisparenchyms 2-3% II-IV embryonale Tumoren Medulloblastom primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) atypischer teratoider / rhabdoider Tumor (ATRT) 15-20% IV IV IV meningeale Tumoren 0-1% I-III primäre Lymphome des ZNS <1% - Keimzelltumoren Germinome 3-5% - - Tumoren der Sellaregion 8-10% - Tabelle 1: WHO-Klassifikation der primären Hirntumoren mit prozentualer Verteilung der Häufigkeit im Kindes- und Jugendalter nach Kühl und Korintherberg [30] modifiziert mit den entsprechenden WHO Graden der WHO-Klassifikation für Hirntumoren 2007 [32]. Mit einer histopathologischen Gradierung möchte man eine Aussage zur biologischen Wertigkeit der primären Hirntumoren machen. Nach der WHO- Klassifikation für Hirntumoren erfolgt dies mit einer Gradierungsskala, welche 4 Dignitätsgrade I, II, III und IV vorsieht [17, 32]. Dabei entspricht der Grad I 11

einem hochdifferenzierten, langsam wachsenden, prognostisch günstigen Tumor, während der Grad IV einem hochmalignen, rasch wachsenden Tumor von ungünstiger Prognose zugeordnet wird. Die Gesamtprognose eines Hirntumors hängt somit von seiner biologischen Wertigkeit entsprechend der WHO-Klassifikation, seiner Lokalisation und von weiteren individuellen Faktoren, wie z.b. genetischen Faktoren, dem Alter, dem Gesamtzustand und dem Vorhandensein zusätzlicher Erkrankungen der Patienten ab [17, 32]. Zudem besteht insbesondere bei glialen Tumoren die Möglichkeit einer Malignisierung in einen Tumor WHO Grad III oder IV [32]. Generell kann zwischen einem infra- und einem supratentoriellen Wachstum des Primärtumors unterschieden werden. Nach Gutjahr [17] liegen 60% der Hirntumoren im Kindesalter infratentoriell und 40% supratentoriell. Jacobi [23] nennt eine prozentuale Verteilung der Hirntumoren im Kindesalter gegliedert nach Lokalisation in den verschiedenen Abschnitten des ZNS wie folgt: Großhirnhemisphären 19% rostraler Hirnstamm 16% supraselläre Region 10% kaudaler Hirnstamm 15% Kleinhirn und IV. Ventrikel 37% Bei infratentoriellen Hirntumoren handelt es sich überwiegend um Medulloblastome, Kleinhirnastrozytome und Ependymome. Bei supratentoriell gelegenen Tumoren handelt es sich in der Mittellinie häufig um Astrozytome WHO Grad I und II, PNET, Kraniopharyngeome, Optikusgliome und Ependymome. In den Großhirnhemisphären handelt es sich oft um Astrozytome WHO Grad I-IV, Glioblastome und Ependymome [17]. Ein besonderer Altersgipfel besteht bei Hirntumoren insgesamt nicht, kann aber bei bestimmten histologischen Subtypen beobachtet werden. Zum Beispiel liegt der Altersgipfel bei Medulloblastomen und PNET der hinteren Schädelgrube im 4.-8. Lj. Jungen sind zudem 2-3mal häufiger betroffen als Mädchen [17]. Man geht davon aus, dass die meisten Hirntumoren im Kindesalter sporadisch entstehen, ohne dass exogene ätiologische Faktoren identifiziert werden können. Ursache hierfür sind genetische Mutationsereignisse und 12

Veränderungen in den für die normale Wachstumskontrolle und Differenzierung verantwortlichen Signalwegen. Es werden lediglich einige chemische und physikalische Umwelteinflüsse, aber auch neurotrope Viren, als Ursache diskutiert [30, 32, 37]. Dass eine frühere Radiotherapie die Entstehung eines späteren ZNS-Tumors begünstigen kann, ist unbestritten [17]. Das gleiche gilt für Operationen am Zentralen Nervensystem (Primärtumor) in Bezug auf eine (sekundäre) Metastasierung. So wird z.b. beim Ependymom eine postoperative Metastasierung häufiger beschrieben [44]. 2.1.2 Anamnese und klinische Symptome Die Anamnese und die klinischen Befunde können bei primären Hirntumoren sehr unterschiedlich sein. So variieren die Beschwerden und der Krankheitsverlauf stark in Abhängigkeit von der Histologie, Lage des Tumors und der Beteiligung extraparenchymaler Strukturen, der Wachstumsgeschwindigkeit und -richtung sowie einer eventuellen Beeinflussung des Liquorflusses [30]. Bei höher malignen Tumoren wie z. B. dem Medulloblastom oder intrapontinen Tumoren ist die Vorgeschichte meist kurz (Wochen bis einige Monate) [17]. Das klinische Bild der Patienten wird durch Hirndruckzeichen, die aufgrund des Tumorwachstums, eines peritumoralen Ödems und vor allem durch die Blockade des Liquorflusses entstehen, und spezifische Lokalsymptome geprägt. Typische Hirndruckzeichen sind Kopfschmerzen von drückendem Charakter, Übelkeit und Erbrechen (39.2-56%)*, vor allem morgendliches Nüchternerbrechen, Wesensveränderungen und Strabismus mit Doppelbildern durch druckbedingte Funktionsstörungen des III., IV. und V. Hirnnervens. Bei Säuglingen sind typische Hirndruckzeichen eine vorgewölbte Fontanelle und ein abnormes Kopfwachstum (64-82%)* bzw. eine Hydrozephalie (78.6-90%)* [10, 17, 30, 37*]. Der Nachweis einer Stauungspapille ist Hinweis auf einen gesteigerten intrakraniellen Druck. Lokale neurologische Symptome, die auf den Ursprung und die lokale oder metastatische Ausbreitung des Primärtumors hinweisen, sind: Ataxie und Nystagmus, Krampfanfälle, Hirnnervenlähmungen, motorische Paresen, Sehstörungen, sensorische und spezifische neuropsychologische Defizite, Sensibilitätsstörungen, Blasen- und 13

Mastdarmlähmung, endokrinologische Ausfälle, Abmagerungssyndrom, Wesensveränderung, Essstörungen oder zunehmende Adipositas und eine Schlaf-Wach-Umkehr [30]. Die folgenden 3 Tabellen geben einen Überblick über die allgemeinen Symptome und Untersuchungsbefunde bei Hirndruckerhöhung, sowie die fokale neurologische Symptomatik abhängig von der Lokalisation des Primärtumors. Allgemeinsymptome bei Hirndruckerhöhung Übelkeit Erbrechen (morgendliches Nüchtern-) Gewichtsstagnation Kopfschmerzen Schwindel Müdigkeit Leistungsminderung Konzentrationsschwäche psychische Veränderungen epileptische Anfälle (selten) Tabelle 2: Allgemeinsymptome bei Hirndruckerhöhung modifiziert nach G. Fleischhack und U. Bode [10]. Untersuchungsbefunde bei Hirndruckerhöhung Säuglinge und Kleinkinder Ältere Kinder beschl. Kopfwachstum dehiszente Schädelnähte gespannte Fontanelle Opisthotonus Kopfschiefhaltung Nackensteifigkeit Parinaud-Syndrom Papillenödem Störungen der Konvergenzund Lichtreaktionen Kopfschiefhaltung Doppelbilder (N. abducens) Papillenödem Atrophie N. opticus Parinaud-Syndrom Gesichtsfeldausfälle Störungen der Konvergenzund Lichtreaktionen Foster-Kennedy-Syndrom Tabelle 3: Untersuchungsbefunde bei Hirndruckerhöhung bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Kindern modifiziert nach G. Fleischhack und U. Bode [10]. 14

Tumorlokalisation Fokale neurologische Symptomatik Hemisphären Sprachstörungen Brachiofazial betonte Hemiparese sensible Ausfälle homonyme lat. Gesichtsfeldstörung Zwischenhirnbereich kontralaterale Tonus- und Sensibilitätsstörungen Gedächtnisverlust Verwirrung emotionale Labilität Sprechstörungen Hypothalamus dienzephales Syndrom (¾ J - 3½ J) Sella Hypophyseninsuffizienz Hirnstamm Bulbäres Syndrom kontralateral spastische Hemiparese Kleinhirn Ataxie Intentionstremor Nystagmus Dysdiadochokinese obstruktiver Hydrozephalus Spinale Achse Rückenschmerzen segmentale Schmerzen und Lähmungen Sensibilitätsstörungen Blasen- Mastdarmentleerungsstörung Tabelle 4: Symptome unter Berücksichtigung der Lokalisation der primären Hirntumoren modifiziert nach U. Schlegel et al. [39]. 2.1.3 Therapie Die Therapie der einzelnen Hirntumoren erfolgt in Deutschland nach den jeweiligen Studienprotokollen der GPOH [14, 15, 21, 22]. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer Operation, einer Chemotherapie und / oder einer Bestrahlung. Wie diese Therapieoptionen kombiniert oder auf einander aufgebaut werden, ist von der jeweiligen Histologie, der Lokalisation des Hirntumors und dem klinischen Zustand des Patienten abhängig [17, 30]. Mit einer Bestrahlung bei Kindern unter 3 J ist man - unabhängig von der Histologie - sehr zurückhaltend [17]. 15

2.1.4 Spinale Metastasierung Die Metastasierung entlang der spinalen Achse ist eine schwere Komplikation eines primären Hirntumors bei Kindern und Jugendlichen, und für den Krankheitsverlauf und die Prognose von entscheidender Bedeutung [4, 11, 13, 16, 18, 34, 36, 38, 40, 44]. In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit einer spinalen Metastasierung, abhängig vor allem von der Tumorhistologie und den Patientenzahlen. Bei Packer et al. [35] liegt die spinale Metastasierung in einer größeren, aber älteren Studie mit unterschiedlichen primären Hirntumoren im Kindesalter bei 19%. In weiteren Studien mit geringeren Patientenzahlen finden sich Angaben zwischen 21-69% [19, 26, 40]. Betrachtet man die einzelnen Tumorhistologien, so tritt eine spinale Metastasierung bei embryonalen Tumoren, wie dem Medulloblastom / PNET WHO Grad IV häufiger auf. In Studien mit höheren Patientenzahlen wird sie mit 32-51% [11, 34, 35] angegeben. In Studien mit geringeren Patientenzahlen finden sich Angaben zwischen 44-75% [26, 40, 41]. Gutjahr [17] gibt die spinale Metastasierung beim Medulloblastom WHO Grad IV mit 20% an. Nach Kühl und Korintherberg [30] besteht initial eine solide intrakranielle (M2) oder spinale Metastasierung (M3) bei 30% der Kinder mit Medulloblastom / PNET WHO Grad IV. Beim Ependymom WHO Grad III liegt die spinale Metastasierung in einer Studie mit höherer Patientenzahl bei 26% [35], in einer kleineren Studie bei 60% [40]. Seltener tritt die spinale Metastasierung beim Glioblastom WHO Grad IV und bei Tumoren der WHO Grade I und II, wie z.b. dem Astrozytom, auf [32]. So wird sie bei malignen Gliomen mit 18% angegeben [16], in einer größeren Studie von Gajjar et al. [12] beim Astrozytom mit ca. 5% bei Erstdiagnose. Bei Keimzelltumoren berichtet Chamberlain [3] von einer spinalen Metastasierung bei 8-23%. Einzelne Autoren beschreiben, dass eine spinale Metastasierung oft bereits bei der Erstdiagnose des Primärtumors besteht [8, 35]. Häufig tritt sie aber auch im weiteren Verlauf, gleichzeitig mit einem Rezidiv oder Progress des Primärtumors auf [3, 8, 34, 38, 44]. 16

Eine spinale Metastasierung ist klinisch oft so lange unauffällig, bis die Metastasen aufgrund ihrer Größe symptomatisch werden [8, 16, 19, 28, 44]. Zülch [47] geht davon aus, dass eine spinale Metastasierung bei routinemäßig durchgeführten Sektionen des Rückenmarks häufiger entdeckt würde als angenommen. Die Symptome einer spinalen Metastasierung sind abhängig von der Höhe der Metastasierung und dem Ort des Befalls, entweder im Rückenmark, den Meningen oder den einzelnen Rückenmarksnerven. Symptome sind in abnehmender Häufigkeit: Paresen der Extremitäten (Beine häufiger als Arme), Sensitivitätsverlust (Segment oder Dermatom), Schmerzen (Nacken, Rücken, radikulär), Blasen- oder Darmdysfunktionen, Störung der Reflexe und Gangataxie. Eine Nackensteifigkeit oder ein positives Lasègue-Zeichen bei meningealer Reizung treten meistens erst spät im Krankheitsverlauf auf [3]. Voraussetzung für eine spinale Metastasierung ist eine Verbindung des Primärtumors zu den inneren und / oder äußeren Liquorräumen, entlang welcher sich die malignen Zellen ausbreiten können [33, 36]. In der Regel entsteht diese Verbindung durch Wachstum des Primärtumors [9, 13]. Diese Art der Metastasierung ist die einzige, wohlbekannte Art der Metastasierung primärer Hirntumoren [47]. Ein weiterer wichtiger Faktor ist hierbei die Liquorzirkulation bei der Ausbreitung der Metastasen [24, 40]. Oft sind das untere Rückenmark und die Meningen, aufgrund der Schwerkraft, und Spinalnerven, wegen des langen Verlaufs im Rückenmark, betroffen [8]. Prädisponierend für eine spinale Metastasierung sind weiterhin eine infratentorielle Lage des Primärtumors und vorangegangene Operationen [9, 16, 38]. Die Art der Metastasierung kann morphologisch unterschiedlich sein: Es werden umschriebene, knötchenartige (nodulär) und diffuse, bandförmige (laminär) Metastasierungen beschrieben, wobei die noduläre häufiger als die laminäre ist und häufiger dorsal als ventral des Rückenmarks auftritt [38, 40]. Die Klassifikation der ZNS-Metastasierung beim Medulloblastom WHO Grad IV nach Chang et al. [5] wurde modifiziert und ist international akzeptiert (Tab. 5, S. 18) [14, 30]. 17

Grad Definition M0 M1 M2 M3 M4 kein Anhalt für Metastasen mikroskopischer Tumorzellnachweis im Liquor makroskopische Metastasen im zerebellaren und / oder zerebralen Subarachnoidalraum und / oder in den supratentoriellen Ventrikeln makroskopische Metastasen im spinalen Subarachnoidalraum Metastasen außerhalb des ZNS Tabelle 5: Modifizierte Klassifikation der ZNS-Metastasierung beim Medulloblastom WHO Grad IV nach Chang [14, 30]. Bei Hirntumoren mit hohem Risiko einer spinalen Metastasierung ist bereits initial eine kraniospinale Radiotherapie indiziert. Abzuwägen ist hier jedoch die Gefahr von Spätschäden durch die Bestrahlung besonders bei sehr jungen Kindern [17]. Bei einer Metastasierung entlang der spinalen Achse wird eine aggressivere Therapie mit Bestrahlung der Wirbelsäule (WS) und intensiverer Chemotherapie mit intrathekaler Zytostatikagabe erforderlich [3]. Kommt es trotz einer Bestrahlung und / oder Chemotherapie zu einer Metastasierung, ist diese nicht mehr dauerhaft behandelbar. Nach Deutsch [7] sinkt die 5-Jahres-Überlebensrate im Falle einer Metastasierung Stadium M1-M3 nach Chang bei Patienten mit Medulloblastom WHO Grad IV von ca. 79% auf 49%. In der abgeschlossenen HIT 91 Studie wird eine 5-Jahres-Überlebensrate bei einem Stadium M 2 / M 3 von 34% genannt [27, 30]. Andere Studien berichten, dass die durchschnittliche Überlebensrate bei einer spinalen Metastasierung nicht mehr als 6 Monate (M) beträgt [3, 35]. Hier ist jedoch z.b. in dem Review von Chamberlain [3] zu beachten, dass unterschiedliche onkologische Erkrankungen zusammengefasst wurden: akute Lymphatische Leukämie (ALL) und primäre Hirntumoren. 18

2.2 Diagnostische Methoden zur Detektion spinaler Metastasen 2.2.1 Lumbale Liquorpunktion Die Untersuchung des lumbal gewonnenen Liquors auf maligne Zellen gehört zur Diagnostik einer spinalen Metastasierung bei primären Hirntumoren [3, 38]. Besonders beim Medulloblastom / PNET WHO Grad IV, Ependymom WHO Grad II und III, sowie den Keimzelltumoren ist eine Untersuchung des Liquors auf Tumorzellen entsprechend den Studienprotokollen erforderlich [14, 22, 30]. Bei benignen primären Hirntumoren (WHO Grad I oder II) ist diese nur in Ausnahmefällen indiziert [21]. Die Aussagekraft der Liquorzytologie wird jedoch unterschiedlich bewertet. Bei der Durchführung nur einer Liquorzytologie sollen bis zu 50% der Patienten mit einer spinalen Metastasierung übersehen werden [28]. Einige Patienten bleiben im Verlauf auch bei wiederholten Untersuchungen, trotz klinisch oder kernspintomographisch nachgewiesener Metastasierung, liquorzytologisch negativ [6, 19, 24]. Das Ergebnis bzw. die Aussagekraft der Liquorzytologie hängt von mehreren Faktoren ab: Wichtig ist, dass der Liquor aufgrund einer möglichen intrakraniellen Metastasierung lumbal entnommen wird, nicht aus der Zisterna magna oder aus einem Shunt, und sofort Zytozentrifugenpräparate angefertigt werden [13, 18]. Intraoperativ gewonnener Liquor führt häufig zu falsch positiven Ergebnissen und ist deshalb zur Abklärung einer spinalen Metastasierung nicht geeignet [18]. Die Menge des untersuchten Punktats scheint keinen Einfluss auf das Ergebnis zu haben [11]. Bei präoperativen Punktionen besteht bei erhöhtem intrakraniellen Druck die Gefahr der Einklemmung [18]. Sie wird deshalb routinemäßig postoperativ durchgeführt. Um falsch positive Befunde zu vermeiden, sollte die Liquorpunktion jedoch nicht direkt in Folge, sondern erst ca. 2 Wochen nach Operation des Primärtumors durchgeführt werden [11, 13, 18, 33, 34, 38]. Eindeutige Tumorzellhaufen in der lumbalen Liquorzytologie sind nahezu beweisend für spinale Metastasen [38]. 19

Meyers et al. [34] geben eine Sensitivität von 60% für Zytologien des innerhalb von 14 Tagen (T) zur spinalen MRT-Untersuchung lumbal gewonnen Liquors an, bei wiederholten Untersuchungen von bis zu 78%. 2.2.2 CT - Myelographie Die CT-Myelographie galt zusammen mit der lumbalen Liquorzytologie als das Verfahren der Wahl in der Diagnostik spinaler Metastasen [2, 28]. Mit der Möglichkeit der spinalen MRT wurde die CT-Myelographie aufgrund der Studienergebnisse, die bei der MRT eine höhere Sensitivität nachgewiesen haben, nach und nach ersetzt [2, 3, 11, 13, 14, 18, 19, 28, 34, 42]. So berichten z.b. Kramer et al. [28] in einer Studie mit 17 Kindern mit unterschiedlichen primären Hirntumoren, dass die spinale MRT bei 65% der Patienten positiv war und die CT-Myelographie nur bei 47% der Patienten. Heinz et al. [19] bescheinigen der MRT auch eine höhere Spezifität als der CT-Myelographie, konkrete Angaben werden aber nicht gemacht. Zudem ist die CT-Myelographie invasiv: Bei erhöhtem Hirndruck besteht die Möglichkeit einer Einklemmung des Hirnstammes, vor allem bei präoperativer Punktion. Dazu kommt die nicht unerhebliche Strahlenexposition des Rückenmarks [14, 25, 28, 31]. Daher ist die CT-Myelographie heute bei Kindern obsolet und wird nur noch in Ausnahmefällen bei Erwachsenen durchgeführt. 2.2.3 MRT der spinalen Achse In der Literatur ist bezüglich der spinalen MRT bisher Folgendes erarbeitet worden: Die MRT bietet die Möglichkeit der multiplanaren Darstellung der Morphologie und der Gewebedifferenzierung [14, 31]. Nebenwirkungen sind bei Kontrastmittelgaben selten [2]. Die MRT wird in einigen Studien neben der lumbalen Liquorzytologie als das Verfahren der Wahl in der Diagnostik spinaler Metastasen genannt, genaue Angaben zur Sensitivität und Spezifität werden aber nicht gemacht [11, 20, 33]. Lediglich in einer Studie von Meyers et al. [34] mit 112 Patienten (102 Kinder und 10 Erwachsene) mit Medulloblastom WHO Grad IV wurden für die spinale 20

MRT die Sensitivität mit 83%, die Spezifität mit 97% sowie der positive und negative Vorhersagewert mit 89% bzw. 79% bestimmt. Die spinale MRT-Untersuchung sollte entweder vor oder frühestens 2 Wochen nach einer Operation durchgeführt werden, um falsch positive Befunde zu vermeiden [29, 34, 46]. Zur Durchführung einer MRT-Untersuchung ist in der Regel eine Sedierung der Patienten bis zum Schulalter notwendig [2, 18]. Die MRT der spinalen Achse besitzt eine hohe Ortsauflösung und ist dadurch in der Lage kleinste Strukturen abzugrenzen [18, 42]. Dies führt aber zu einer gewissen Übersensitivität der Methode und kleinste laminäre oder noduläre Anreicherungen können diagnostisch vieldeutig sein. So können z.b. kontrastmittelanreichernde Blutgefäße entlang des Rückenmarks fälschlicherweise für Metastasen gehalten werden. Diese Befunde müssen dann unter Berücksichtigung ihres anatomischen Verlaufs und ihrer Lage beurteilt werden [18, 43, 44]. Besonders postoperativ ist eine Differenzierung zwischen Blutresiduen, Narben, Artefakten und Metastasen schwierig [18, 38]. Hilfreich ist hier die Durchführung nativer und kontrastmittelverstärkter MRT- Untersuchungen, sowie Untersuchungen in unterschiedlichen Wichtungen und Ebenen [18]. So empfehlen Tortori-Donati et al. [44] bei nicht eindeutigen Befunden axiale Schichten zur weiteren Abklärung durchzuführen. Bei der Dosierung des Kontrastmittels wird in der Regel eine Standarddosis von 0.1 mmol / kg Körpergewicht verwendet. Studien zur Erhöhung der Normaldosis mit einer doppelten double dose und dreifachen triple dose Dosis bei der Untersuchung kindlicher, spinaler Achsen kamen zu dem Ergebnis, dass eine höhere Dosis lediglich zu mehr falsch positiven Ergebnissen führt, die Sensitivität jedoch nicht verbessert [43]. Die von Harrison et al. [18] angewandte (von Schering empfohlene) Dosierung von 0.4 mmol / kg Körpergewicht, ist nicht durch Studien belegt. So sind der Wissensstand und die Erfahrung des Radiologen bei der Durchführung und der Befundung der MRT-Untersuchungen von entscheidender Bedeutung [38]. 21

2.2.4 Vergleich der diagnostischen Methoden Die MRT der spinalen Achse und die lumbale Liquorzytologie werden heute zur Diagnostik spinaler Metastasen durchgeführt [2, 3, 11, 13, 36, 38, 44]. Nicht mehr durchgeführt wird die CT-Myelographie bei Kindern (Kap. 2.2.2, S. 20). Die Liquorpunktion sollte möglichst zeitnah zur spinalen MRT-Untersuchung erfolgen, damit ein besserer Vergleich möglich ist [11, 19]. Zum Vergleich beider Methoden finden sich in der Literatur nur wenige konkrete und sehr unterschiedliche Angaben: Pang et al. [36] nennen in ihrer Studie mit 78 Kindern mit unterschiedlichen Hirntumoren eine hohe Übereinstimmung beider Methoden. Es wurden 127 spinale MRT-Untersuchungen und zeitgleich durchgeführte Liquorzytologien verglichen. Insgesamt stimmten 115 der 127 Untersuchungen in ihren Ergebnissen überein. In einer Studie von Meyers et al. [34] mit 112 Patienten mit Medulloblastom WHO Grad IV war bei nur 23 von 36 Patienten (64%) mit spinaler Metastasierung in der MRT die relevante lumbale Liquorzytologie positiv, bei 6 der restlichen 13 Patienten erst im weiteren Verlauf. Zusammenfassend bescheinigen sie der spinalen MRT vor allem bei der frühen Diagnosestellung einer spinalen Metastasierung eine höhere Sensitivität als der Liquorzytologie. Bei wiederholten Liquoruntersuchungen sei die Sensitivität beider Methoden jedoch gleich. Harrison et al. [18] geben in ihrer Studie bei 7 Kindern mit Medulloblastom WHO Grad IV eine Übereinstimmung beider Methoden von 100% an. Die Untersuchungen waren jedoch nicht zeitgleich durchgeführt worden, sondern hatten einen durchschnittlichen Abstand von 65 T zueinander. Fouladi et al. [11] berichten anhand von 106 Kindern mit Medulloblastom / PNET WHO Grad IV, dass 14-18% der spinalen Metastasen übersehen würden, wenn nur eines der beiden Verfahren angewandt würde. Aus diesem Grund empfehlen sie stets beide Verfahren durchzuführen, wie auch Scheurlen und Kühl [38] und Meyers et al. [34]. Andere Autoren sehen dagegen eine geringere Bedeutung der lumbalen Liquorzytologie im Vergleich zur spinalen MRT [16, 19, 28, 36, 44]. So sind z.b. Kramer et al. [28] und Heinz et al. [19] der Meinung, dass bei eindeutig positivem MRT-Befund eine Untersuchung des lumbalen Liquors nicht erforderlich sei. 22

3 Fragestellung Ziel dieser Untersuchung war es, die Wertigkeit der MRT in der Diagnostik spinaler Metastasen bei Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter im Vergleich zur Zytologie des lumbal gewonnenen Liquors und dem klinischen Befund zu evaluieren. Hierzu wurde folgenden Fragen nachgegangen: Wie häufig und zu welchem Zeitpunkt ist eine spinale Metastasierung aufgetreten? Ist die Metastasierung von der Histologie und / oder Lokalisation des Hirntumors abhängig? Ist es deshalb unter Umständen erforderlich, auch bei primär negativem Befund und beschwerdefreiem Verlauf routinemäßig MRT-Kontrollen der spinalen Achse durchzuführen? Wie häufig wurde eine spinale Metastasierung in der MRT aufgrund ihrer klinischen Symptomatik entdeckt? Wie sind die Sensitivität und die Spezifität der spinalen MRT? Hat sie damit eine höhere diagnostische Wertigkeit als die lumbale Liquorzytologie? Ist die spinale MRT als Goldstandard anzusehen? 23

4 Material und Methode 4.1 Patientenkollektiv In diese Studie wurden alle Patienten des Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln, mit primärem Hirntumor aufgenommen, sofern sie zwischen Januar 1995 und Dezember 2000 erkrankt waren und eine auswertbare MRT-Untersuchung der spinalen Achse zur Detektion spinaler Metastasen durchgeführt worden war. Da der Verlauf wenigstens für 6 M erfasst werden sollte, wurden die MRT- Untersuchungen der spinalen Achse, der klinische Verlauf und die relevanten lumbalen Liquorzytologien bis Juli 2001 ausgewertet (1. Auswertung). Patienten mit primär spinalen oder hämato-onkologischen Erkrankungen wurden ausgeschlossen. 4.2 Datenerfassung mittels Dokumentationsbogen Die Datenerfassung erfolgte anhand des im Anhang wiedergegebenen Dokumentationsbogens. Dieser erfasst die Patientendaten und Angaben zum Hirntumor im 1. Teil, im 2. Teil die Daten zur Detektion spinaler Metastasen mittels Liquorzytologie und spinaler MRT. Verlaufskontrollen wurden sowohl für den Hirntumor als auch für die spinale Metastasierung in dem angegebenen Zeitraum dokumentiert. 4.2.1 Primärtumor: Histologie, Lokalisation, Therapie, Rezidiv Im Dokumentationsbogen wurden die genaue Histologie des Primärtumors, seine Lokalisation und der Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie das Therapieprotokoll, nach dem der Patient behandelt wurde, erfasst. Kam es zu einem Progress oder einem Rezidiv des Primärtumors, wurden ebenfalls die Histologie, Lokalisation und Therapie dokumentiert. 4.2.2 Klinische Untersuchung und Verlauf Die klinische Untersuchung, der klinische Verlauf und die erfolgte Therapie der einzelnen Patienten, und damit die klinische Einschätzung, wurden anhand der 24

entsprechenden Patientenakten im 1. Teil des Dokumentationsbogens erfasst. Dabei wurde auch dokumentiert, ob Beschwerden die Indikation zur Untersuchung der spinalen Achse waren. Die körperliche Untersuchung wurde von erfahrenen Kinderonkologen sowie einem Neuropädiater durchgeführt. 4.2.3 Liquorzytologie Liquorentnahmen wurden in Abhängigkeit von der Histologie, entsprechend den Therapieprotokollen vor allem bei Primärtumoren der WHO Grade III und IV sowie Keimzelltumoren, dem Ergebnis der spinalen MRT und dem klinischen Befund durchgeführt. Der jeweilige Entnahmezeitpunkt und die Entnahmestelle (lumbal oder ventrikulär / Shunt) wurden dokumentiert. Es wurde jedoch nur lumbal gewonnener Liquor, der innerhalb von 14 T vor oder nach einer spinalen MRT-Untersuchung entnommen wurde, zum Vergleich herangezogen. Zudem musste die lumbale Liquorpunktion vor oder mindestens 14 T nach der Operation des Primärtumors durchgeführt worden sein, um falsch positive Befunde zu vermeiden (s. S. 19). Intraoperativ entnommener Liquor wurde somit nicht berücksichtigt. Alle Liquorbefunde wurden im hämato-onkologischen Labor des Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln und im Referenzlabor der Universitätsklinik Würzburg untersucht. Hierzu erhielt das Labor ca. 3 ml Liquor. Routinemäßig wurden 2 Zytozentrifugenpräparate angefertigt, welche nach 15 Minuten Trocknen in einem Färbeautomaten nach Giemsa gefärbt wurden. Um einen Zerfall der Tumorzellen zu vermeiden, erfolgte die Anfertigung der Präparate unmittelbar nach Entnahme des Liquors. Nur übereinstimmende Befunde beider Labore wurden zum Vergleich mit der spinalen MRT herangezogen. 4.2.4 MRT der spinalen Achse Der überwiegende Anteil der MRT-Untersuchungen wurde im Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln, mit einem der beiden Magnetresonanztomographen (Gyroscan NT 1.0 Tesla + ACS NT 1.5 25

Tesla) der Firma Philips, Niederlande, mit einer WS - Synergy Oberflächenspule durchgeführt. Die restlichen Untersuchungen standen uns als Originale oder Kopien Radiologischer Abteilungen auswärtiger Krankenhäuser, bzw. niedergelassener Radiologen zur Verfügung, so dass alle in dem angegebenen Zeitraum durchgeführten, spinalen MRT-Untersuchungen zur Beurteilung zur Verfügung standen. Im Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln, wurde Gd-DTPA, Magnevist, der Firma Schering, Berlin, als Kontrastmittel in einer Dosierung von 0,1 mmol / kg Körpergewicht verwendet, welches jeweils kurz vor Anfertigung der Sequenz intravenös als Bolus verabreicht wurde. Indikationen zur Durchführung einer MRT-Untersuchung der spinalen Achse waren: das primäre Staging bzw. ein Restaging bei einem Rezidiv oder einem Progress des Primärtumors Verlaufskontrollen unter und nach Therapie bei positivem Befund eine klinische Symptomatik Es wurde dokumentiert, ob die MRT-Untersuchung in einer Sedierung oder Narkose des Patienten erfolgen musste. Da diese Angaben jedoch auf den entsprechenden Anforderungsscheinen aufgrund von unpräzisen Angaben nicht immer komplett nachzuvollziehen waren, war die Dokumentation zum Teil erschwert. Die technischen Daten umfassten die Angaben: Liegen Eigen- oder Fremduntersuchungen (Kopien) vor? Wurde die WS vollständig (evtl. getrennt) oder nur partiell dargestellt? Welche Spule wurde verwendet? Handelt es sich um eine definierte Standard-Untersuchung (siehe unten)? Welche Sequenzen? Welche Schichtebenen? Welche Schichtdicken? Wie ist die Qualität der Untersuchungen (sehr gut bis noch auswertbar bzw. nicht mehr auswertbar)? Welche Ursachen waren bei einem Qualitätsmangel zu erkennen? 26

Folgender Standard wurde für die spinale MRT definiert: eine sagittale native T1w-Sequenz und eine sagittale, kontrastmittelverstärkte (KM) T1w-Sequenz in einer Schichtdicke von 3-4 mm bei auffälligem Befund zusätzlich eine axiale T1w-KM-Sequenz der Region in einer Schichtdicke von 3-5 mm. Untersuchungen, die diesen Standard nicht erfüllten, aber als beurteilbar bewertet werden konnten, wurden dennoch in unsere Studie eingeschlossen. Lagen T2w-Sequenzen oder protonengewichtete Untersuchungen vor, wurden diese ebenfalls ausgewertet. Standen beide Sequenzen zur Verfügung, wurde nur die T2w-Sequenz befundet. Alle spinalen MRT-Untersuchungen wurden jeweils gleichzeitig von 2 radiologischen Fachärzten im Konsens befundet. Die Radiologen waren jedoch in Unkenntnis des jeweiligen Patienten, dessen Diagnose und klinischem Verlauf. Hierzu war die Reihenfolge in der die Untersuchungen den Radiologen vorgelegt wurden, rein willkürlich, um ein eventuelles Wiedererkennen zu vermeiden. Bei jeder einzelnen Untersuchung musste ein eindeutiger Befund (Metastase oder Normalbefund bzw. Blutgefäß) erhoben werden. Die Differenzialdiagnose (DD): Blutgefäß / Metastase, wie sie im klinischen Alltag oft angegeben wird, durfte nicht gestellt werden, um die Wertigkeit der Methode bestimmen zu können. Die beiden Radiologen gingen bei der Auswertung nach folgendem Schema vor (siehe auch Dokumentationsbogen im Anhang unter Kap. 9.1, S. 80-82): 1. Gibt es in den MRT-Untersuchungen Auffälligkeiten, ist es in den KM- Sequenzen zu einer Anreicherung gekommen? 2. Wie ist die Morphologie der Kontrastmittelanreicherungen? Hierbei wurde zwischen nodulären und laminären Anreicherungen unterschieden. 3. Wo sind diese Anreicherungen lokalisiert? Ventral und / oder dorsal des Rückenmarks, oder intramedullär? 4. Wie ist die Anzahl (1-10, >10) und die Größe (in mm bei nodulären) bzw. Länge (Wirbelkörper bei laminären) der Anreicherungen? 27

5. Wie groß ist die Diagnosesicherheit? Wäre im klinischen Alltag die DD: Blutgefäße / Metastasen gestellt worden? 4.3 Statistische Auswertung Die statistische Auswertung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie (IMSIE) der Universität zu Köln. Ziel war es, die Sensitivität und Spezifität (inklusive 95%-Konfidenzintervall) für die spinale MRT bezüglich der Referenzdiagnostik (Zytologie und /oder klinischer Verlauf) zu bestimmen. Hierzu wurden von jedem Patienten die Ergebnisse von maximal 2 spinalen MRT-Untersuchungen in die statistische Auswertung (mittels Vierfeldertafel) aufgenommen - falls vorhanden, eine bezüglich der Referenz positive bzw. falsch negative und eine bezüglich der Referenz negative bzw. falsch positive. Es wurde jeweils die zeitlich erste positive bzw. falsch negative und die letzte negative bzw. falsch positive Untersuchung berücksichtigt. Nach Möglichkeit wurden MRT-Untersuchungen mit vorhandener Liquorzytologie ausgewählt. Die Anzahl der MRT-Untersuchungen, die pro Patienten in die statistische Auswertung eingehen, wurde dadurch zur Vermeidung einer Verzerrung bei zum Teil sehr unterschiedlich häufig durchgeführten MRT-Untersuchungen (n=1-12) auf 2 Untersuchungen beschränkt (jeweils maximal eine für Sensitivität, Spezifität sowie pro Vorhersagewert). Die Auswertung erfolgte mit Hilfe des SPSS Programms sowie CIA 2.1.1, Trevor Bryant, 2000, University of Southampton, UK (Konfidenzintervalle für Sensitivität, Spezifität und die Vorhersagewerte). 4.4 Vergleich der Ergebnisse Erst bei dem Vergleich der Ergebnisse wurden die Radiologen und die Kinderonkologin in Kenntnis der richtigen Reihenfolge der spinalen MRT- Untersuchungen, der Zytologie, der Histologie, der Therapie und des bisherigen klinischen Verlaufs der Patienten gesetzt. 28

Gemeinsam wurde jede einzelne spinale MRT-Untersuchung mit der jeweiligen Liquorzytologie, falls diese vorhanden war, und dem klinischen Verlauf verglichen. Die spinalen MRT-Befunde wurden als richtig positiv definiert, wenn auch die Liquorzytologie und / oder der klinische Verlauf für eine Metastasierung sprachen. Die spinalen MRT-Befunde wurden als falsch positiv definiert, wenn die Liquorzytologie und / oder der klinische Verlauf gegen eine Metastasierung sprachen. Die spinalen MRT-Befunde wurden als richtig negativ definiert, wenn auch die Liquorzytologie und / oder der klinische Verlauf gegen eine spinale Metastasierung sprachen. Die spinalen MRT-Befunde wurden als falsch negativ definiert, wenn die Liquorzytologie und / oder der klinische Verlauf für eine spinale Metastasierung sprachen. 4.5 Zweite Auswertung Anhand der Krankenakten wurden der weitere klinische Verlauf, die Befunde der spinalen und zerebralen MRT sowie der lumbalen Liquorzytologien von 7 / 2001 bis Ende 2006 zusammengestellt. Diese Zusammenstellung entsprach der 2. Auswertung. Im Gegensatz zur 1. Auswertung wurden die zwischenzeitlich durchgeführten spinalen MRT-Untersuchungen nicht erneut von den beiden Radiologen befundet. Die Kontrolluntersuchungen wurden überwiegend im Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderonkologie und hämatologie, der Universität zu Köln durchgeführt, die MRT-Untersuchungen im Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln. Erfolgten sie auswärts, wurden die weiterbehandelnden Ärzte oder, wie bei einer Patientin, die betroffene Familie konsultiert. 4.6 Vergleich der primären Ergebnisse mit denen der 2. Auswertung Die Ergebnisse der 2. Auswertung wurden mit den primären Ergebnissen verglichen, um die Wertigkeit der spinalen MRT erneut zu evaluieren. 29

5 Ergebnisse 5.1 Patientenkollektiv, Alter und Geschlecht Nach den definierten Voraussetzungen konnten insgesamt 55 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit primären Hirntumoren in unsere Auswertung aufgenommen werden. Von den 55 Patienten waren 31 männlich und 24 weiblich. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei Erstdiagnose bei 8 5 / 12 J, der Median bei 7 11 / 12 J. Der jüngste Patient war bei Erstdiagnose ein M, der älteste knapp 20 J alt. Mit insgesamt 30 Patienten war die Gruppe der Schulkinder bei beiden Geschlechtern am häufigsten betroffen, gefolgt von den Kleinkindern und Vorschulkindern mit insgesamt 17 Patienten (Tab. 6). Altersgruppen n=55 n=31 n=24 Neugeborene und Säuglinge (Geburt -12 M) 1 0 1 Kleinkinder und Vorschulkinder (2.-6. Lj) 17 9 8 Schulkinder (7.-16. Lj) 30 18 12 Jugendliche (17.-18. Lj) 4 2 2 junge Erwachsene (>18. Lj) 3 2 1 Tabelle 6: Patientenkollektiv, n=55: Verteilung nach Altersgruppen und Geschlecht bei Erstdiagnose. Lj= Lebensjahr, M= Monate. 5.2 Primäre Hirntumoren: Histologie und Lokalisation Die 55 Patienten waren an 13 unterschiedlichen primären Hirntumoren erkrankt. 37 der 55 Patienten waren an einem Hirntumor WHO Grad III oder IV erkrankt, 11 an einem Hirntumor WHO Grad I oder II und 7 an einem Keimzelltumor. Das Medulloblastom WHO Grad IV war mit 24 Erkrankungen am häufigsten, 23mal infratentoriell sowie einmal infra-/ supratentoriell gelegen. Mit 7 Erkrankungen stand der Keimzelltumor an zweithäufigster Stelle, gefolgt vom 30

pilozytischen Astrozytom WHO Grad I und dem anaplastischen Ependymom WHO Grad III mit jeweils 4 Erkrankungen. Die 55 Hirntumoren lagen bei Erstdiagnose 36mal infratentoriell, 16mal supratentoriell und 3mal infra-/ supratentoriell. 28 der 36 infratentoriell gelegenen Hirntumoren hatten einen WHO Grad III oder IV, 8 einen WHO Grad I oder II. 6 der 16 supratentoriell gelegenen Hirntumoren hatten einen WHO Grad III oder IV, 3 einen WHO Grad I oder II, 7 waren Keimzelltumoren. Die 3 infra- und supratentoriell gelegenen Hirntumoren hatten alle einen WHO Grad IV (Tab. 7). Die infratentoriell gelegenen Hirntumoren wuchsen in abnehmender Häufigkeit im Kleinhirn (n=22), im 4. Ventrikel (n=7), im Hirnstamm und Kleinhirn (n=4) und im Hirnstamm (n=3). Die supratentoriell gelegenen Hirntumoren wuchsen in den Hemisphären (n=5), der Pinealisregion (n=5), den Stammganglien (n=3), der Hypophyse (n=1), dem Hypophysenstiel (n=1) und suprasellär (n=1). Tumorhistologie WHO n=55 infrat. suprat. infrat.-/ suprat. pilozytisches Astrozytom I 4 2 2 Gangliogliom I 1 1 Astrozytom II 3 3 pleomorphes Xantho-Astrozytom II 1 1 Ependymom II 2 2 anaplastisches Astrozytom III 3 3 anaplastisches Meningeom III 1 1 anaplastisches Ependymom III 3 3 Glioblastom IV 3 1 1 1 Medulloblastom IV 24 23 1 PNET IV 2 1 1 ATRT IV 1 1 Keimzelltumoren - 7 7 Tabelle 7: Primäre Hirntumoren: Histologie mit WHO Grad, Häufigkeit sowie infra- und supratentorielle Lage bei Erstdiagnose. PNET= Primitiv neuroektodermaler Tumor, ATRT= Atypischer teratoider / rhabdoider Tumor. 31

5.3 Diagnostik spinaler Metastasen 5.3.1 Klinische Symptome Da eine spinale Metastasierung häufig bei Diagnosestellung, einem Progress oder einem Rezidiv des Primärtumors auftrat, wurde eine spinale Symptomatik oft von der zentralen Symptomatik überlagert und war deshalb schwer abzugrenzen. In unserer Auswertung wurden insgesamt 5 spinale MRT- Untersuchungen bei 5 Patienten aufgrund von Beschwerden, die auf eine spinale Metastasierung hinwiesen, durchgeführt. Diese erfolgten zusätzlich zu den normalen spinalen Staginguntersuchungen sowie den Verlaufskontrollen während und nach Therapie. 2 der 5 Patienten klagten über Rückenschmerzen, 3 hatten unterschiedliche Beschwerden. Die Krankheitsverläufe der betroffenen Patienten sind in Kapitel 5.7, S. 48-50, aufgeführt. 5.3.2 Zytologie Es lagen insgesamt 77 lumbale Liquorzytologien von 38 Patienten vor, davon entsprachen 35 von 27 Patienten dem vorgegebenen Zeitfenster von +/- 14 T bezogen auf die spinale MRT-Untersuchung. Diese 35 Liquorzytologien konnten mit 35 der 156 spinalen MRT-Untersuchungen verglichen werden. Eine der 35 MRT-Untersuchungen war unvollständig, es war nur die LWS abgebildet. 10 der 35 Lumbalpunktionen wurden im Mittel 7,5 T vor der spinalen MRT- Untersuchung durchgeführt (Median 7 T, Minimum ein T, Maximum 13 T). 25 der 35 Lumbalpunktionen wurden im Mittel 4 T nach der spinalen MRT- Untersuchung durchgeführt (Median 3,5 T, Minimum nach der MRT am selben T, Maximum 13 T). Die lumbalen Liquorzytologien wurden entweder positiv, negativ oder als Verdacht auf maligne Zellen befundet. Dieser Verdacht wurde entsprechend der Bewertung im klinischen Alltag negativ bewertet. Insgesamt waren 2 der 35 Zytologien positiv. Drei wurden als Verdacht auf maligne Zellen befundet und damit negativ bewertet. Eine dieser 5 Zytologien wurde 14 T vor der Operation entnommen, 4 mindestens 14 T danach. Die restlichen 30 Zytologien waren negativ. Der klinische Verlauf des Patienten, bei dem 2 positive relevante Liquorbefunde vorlagen, ist in Kapitel 5.7, S. 51-52, aufgeführt. 32