Kongressbericht vom Internationalen Myelomworkshop in Paris (3. 6. Mai 2011) und vom 3rd Heidelberg Myeloma Workshop (7./ 8.



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Transkript:

Sektion Multiples Myelom Medizinische Klinik V Universitätsklinikum Heidelberg und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg Kongressbericht vom Internationalen Myelomworkshop in Paris (3. 6. Mai 2011) und vom 3rd Heidelberg Myeloma Workshop (7./ 8. Mai 2011) Vom 3. Mai bis 6. Mai 2011 fand in Paris der 13. Internationale Myelom Workshop statt. Ärzte und Wissenschaftler aus aller Welt erörterten Fortschritte im Verständnis der Biologie sowie die neuesten Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie des Multiplen Myeloms. Im Anschluss fand am 7./ 8. Mai 2011 der 3rd Heidelberg Myeloma Workshop statt. Teilnehmer und Referenten beider Veranstaltungen zogen aus den vorgestellten Ergebnissen eine positive Bilanz. Im Folgenden sind die Informationen zusammengefasst, die auf beiden Kongressen als besonders interessant erachtet wurden. Bildgebung (Dr. Jens Hillengaß) Im Vergleich zu bisherigen hämatologischen Konferenzen zeigte der diesjährige International Myeloma Workshop, dass das Interesse der Myelomforscher an der Bedeutung neuer Bildgebungsverfahren zur Anwendung bei Patienten mit monoklonalen Plasmazellerkrankungen zunimmt. Zum einen wurden Ganzkörper Bildgebungs Verfahren besprochen, zum anderen wurden auch Studien zu funktionellen Techniken vorgestellt, die nicht invasiv Informationen über das Verhalten der Erkrankungen liefern. Eine tschechische Gruppe um Dr. Scuola untersuchte den diagnostischen Nutzen der Ganzkörper MRT (GK MRT) bei Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) (28 Patienten), solitärem Plasmozytom (5 Patienten) und Multiplem Myelom (MM) (54 Patienten). Die Untersucher klassifizierten Patienten nach der Durie/ Salmon PLUS Klassifikation. Bei 64% der MGUS Patienten, die in ein Multiples Myelom übergingen, zeigten sich Veränderungen im GK MRT, die im konventionellen Röntgen Skelettstatus nicht nachweisbar waren. Bei 2 von 5 Plasmozytompatienten zeigten sich weitere Manifestationen der Erkrankung und somit eine systemische Erkrankung. Mit dieser Studie konnte erneut gezeigt werden, dass das GK MRT eine höhere Sensitivität für Veränderungen durch monoklonale Plasmazellerkrankungen zeigt, als der konventionelle Röntgen Skelettstatus.

Eine japanische Gruppe untersuchte die Bedeutung der Positronenemissionstomographie (PET) für Patienten mit Multiplem Myelom. Zunächst führten die Forscher eine Suche in der medizinischen Datenbank Medline durch und fanden 123 Studien zu diesem Thema. Darüber hinaus wurde die Anwendbarkeit der auf PET oder GK MRT basierenden Durie/ Salmon PLUS Klassifikation bei Myelompatienten untersucht. Es wurden 40 Patienten mit Myelom mittels PET CT analysiert. Die Sensitivität der Untersuchung lag bei 66,7% die Spezifität bei 100%. Bei 4 Patienten zeigten sich im PET CT Plasmazelltumoren außerhalb des Skelettsystems. Durch die Klassifikation im Durie/ Salmon PLUS System kam es bei 16,7% der Patienten zu einer Einordnung in ein höheres Stadium im Vergleich zur klassischen Stadieneinteilung. Unsere eigene Gruppe stellte eine Auswertung von 413 Patienten vor, die zeigte, wie die Anzahl fokaler Läsionen und der Grad einer diffusen Infiltration von Patienten mit MGUS und solitärem Plasmozytom über Patienten mit asymptomatischem zu Patienten mit symptomatischem Myelom zunimmt. Ein Vergleich mit klinischen Parametern zeigte eine positive Korrelation der Anzahl fokaler Läsionen im GK MRT mit dem monoklonalen Protein im Serum, der Plasmazell Konzentration im Knochenmark und dem Beta2 Mikroglobulin Wert im Serum. Dies zeigt den tatsächlichen Zusammenhang zwischen Befunden des Ganzkörper MRTs mit Parametern der Krankheitsaktivität und der Tumormasse. Die klassische PET CT wird mit einem sogenannten Radionuklid durchgeführt, welches auf Zucker basiert und sich daher vor allem dort ansammelt, wo erhöhter Stoffwechsel nachgewiesen werden kann, wie er bei bösartigen Erkrankungen auftritt. An den betreffenden Regionen kann dann bei der entsprechenden Untersuchung eine vorübergehend erhöhte Radioaktivität nachgewiesen werden. Eine weitere vorgestellte Studie untersuchte ein neueres nuklearmedizinisches Kontrastmittel: 18F FMT basiert auf einer Aminosäure und beinhaltet damit eine neue Möglichkeit, Tumorzellen zu markieren und damit nachweisbar zu machen. Da es sich bei der Darstellung mittels 18F FMT noch um ein sehr neues Verfahren handelt, konnten die Untersucher der Studie einen Effekt der Diagnostik zeigen, weisen aber darauf hin, dass weitere Studien benötigt werden, um den tatsächlichen Stellenwert dieses Verfahrens zu belegen. In einem vielbeachteten Vortrag am letzten Tag der Konferenz stellte Fr. Dr. Zamagni aus Bologna die Daten einer prospektiven Studie zum PET/ CT bei therapiepflichtigen Myelompatienten vor. 192 Patienten wurden in dieser Studie zu folgenden Zeitpunkten untersucht: Initial, nach Induktionstherapie, nach Hochdosischemotherapie und Stammzelltransplantation und im Verlauf einmal pro Jahr, sowie bei erneutem Auftreten der

Erkrankung. Die Befunde des PET/ CT zeigten bei der Auswertung einen hohen prognostischen Wert der Anzahl fokaler Läsionen (mehr als 3 versus 3 oder weniger). Ebenfalls relevant war die Aktivität der einzelnen Läsionen. Ebenso bedeutsam war der Nachweis eines Verschwindens der fokalen Läsionen nach Therapie. Zwei Studien untersuchten den Nutzen der diffusions gewichteten Bildgebung (DWI), einem MRT Verfahren, welches Erhöhungen der lokalen Zellularität nachweist, die unter anderem mit der Ansammlung von bösartigen Plasmazellen bei Patienten mit Multiplem Myelom einhergehen. Eine italienische Arbeitsgruppe um Dr. Spina verglich bei 50 Patienten Ganzkörper DWI, Röntgen Skelettstatus und Wirbelsäulen MRT. Es zeigte sich eine Überlegenheit des Ganzkörper DWI gegenüber den beiden anderen Verfahren. Eine französische Arbeitsgruppe um Dr. Decaux untersuchte 63 Patienten mittels Ganzkörper DWI und konnte zeigen, dass sich das Verfahren für die Diagnostik von Myelompatienten eignet und dass symptomatisch MM Patienten identifiziert werden können. Eine Gruppe des National Cancer Institutes in Washington verglich verschiedene funktionelle Bildgebungsverfahren bei insgesamt jeweils 10 Patienten mit MGUS, asymptomatischem und symptomatischem MM. Als Verfahren wurden ein konventioneller Röntgenskelettstatus, verschiedene PET CT Verfahren sowie eine dynamische kontrast verstärkte MRT durchgeführt. Die Auswertung dieser Verfahren zeigte sowohl eine prognostische, als auch eine Bedeutung für die Abschätzung der Knochenerkrankung. In einer weiteren Studie wurden bei 43 Patienten in verschiedenen Stadien einer monoklonalen Plasmazellerkrankung ein konventioneller Röntgen Skelettstatus, ein GK MRT und eine GK Computertomographie (GK CT) durchgeführt. Beide neueren Verfahren zeigten eine höhere Sensitivität als der Röntgen Skelettstatus. In einzelnen Patienten zeigte sich bei kleinen Osteolysen eine Überlegenheit der CT gegenüber der MRT. Neue Substanzen (Dr. Marc Steffen Raab) Der International Myeloma Workshop stellt alle zwei Jahre auch immer ein Forum dar, um auf einem Meeting konzentriert alle neuen Substanzen in der Entwicklung zur Therapie des Multiplen Myeloms zu präsentieren und diskutieren. So standen auch diesmal wieder die vielversprechendsten Substanzen, die nun in die entscheidenden Phasen der klinischen Entwicklung gehen, im Mittelpunkt des Interesses. Zunächst fiel auf, dass nun die zweite Generation der erfolgreichen Proteasomeninhibitoren (bekannt durch Bortezomib) und der immunmodulatorischen Substanzen (bekannt durch Lenalidomid) in die Phase III Studien gehen, mit dem Ziel der Zulassung durch amerikanische

und europäische Behörden. Diese neue Generation wird in der Gruppe der Proteasomeninhibitoren angeführt durch Carfilzomib was sowohl allein eingesetzt als auch in Kombination mit Lenalidomid sehr vielversprechende Studienergebnisse zeigt und nun auch innerhalb von klinischen Studien in Deutschland zur Verfügung steht. Der besondere Unterschied zu Bortezomib scheint nach bisherigen Ergebnissen die nur sehr geringe Rate an Nervenschädigungen (Polyneuropathien) unter Carfilzomib zu sein. Die Gruppe der immunmodulatorischen Substanzen wird nun durch Pomalidomid angeführt, eine Substanz welche Wirkweisen ihrer beiden Schwestermoleküle Thalidomid und Lenalidomid in sich vereint. Auch diese Substanz scheint eine erfreuliche Wirksamkeit bereits als Einzelsubstanz zu erzielen, auch bei Patienten, die weder auf Bortezomib noch auf Lenalidomid mehr ansprechen. Eine entsprechende Studie für eben diese Patientengruppe ist nun auch in Deutschland aktiv. Einen neuen Trend in der Myelomtherapie setzen derzeit die monoklonalen Antikörper, die bereits in anderen malignen Erkrankungen im therapeutischen Arsenal fest verankert sind und in absehbarer Zeit auch die Standardtherapie des Multiplen Myeloms erweitern dürften. Hier führt derzeit der Anti CS1 Antikörper Elotuzumab das Feld an, für den nun Phase III Studien in Kombination mit Lenalidomid begonnen wurden. Weitere Antikörper, die in die klinischen Studien drängen, sind gegen den IL 6 Rezeptor, gegen DKK1, gegen BAFF oder gegen CD38 und CD138 gerichtet. Hierzu werden die ersten aussagekräftigen Ergebnisse in den nächsten beiden Jahren erwartet. In Kombinationen basierend auf den Standardmedikamenten Bortezomib und Lenalidomid befindet sich noch eine große Anzahl an spezifischen Therapeutika in klinischer Erprobung, wie die HDAC Inhibitoren (z.b. Vorinostat, Ponabinostat), mtor Inhibitoren (Temsirolimus, Evrolimus), Zellzyklusinhibitoren und viele mehr. Hier muss man die Ergebnisse der derzeit laufenden Studien abwarten, um den zukünftigen Stellenwert solcher Kombinationstherapien einschätzen zu können. Es ist jedoch zu erwarten, dass die in der Krebsforschung einmalige Zahl an in den letzten 10 Jahren neu zugelassenen Medikamenten gegen das Multiple Myelom sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird und sich die Therapieoptionen in den nächsten fünf Jahren bereits wieder erheblich erweitern werden. Molekulare Diagnostik (Dr. Anja Seckinger) Molekulare diagnostische Verfahren wie Genexpressionsanalysen (GEP), microrna Analysen oder Array basierte komparative genomische Hybridisierung (array CGH) kamen in den

vergangenen Jahren vor allem im Rahmen von klinischen Studien zum Einsatz und waren insbesondere wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Risikostratifikation sowie eine klinische Anwendung im Sinne einer risikoadaptierten und personalisierten Therapie gewinnen diese Verfahren allerdings, insbesondere die Genexpressionsanalyse, zunehmend an Bedeutung. Vielversprechende Genexpressions basierte Risiko Scores werden jedoch außerhalb von retrospektiven Studien bislang kaum in der klinischen Routine eingesetzt, was überwiegend auf das Fehlen adäquater Befundungsinstrumente und eine fehlende Validierung zurückzuführen ist. Zudem macht es die Vielzahl prognostischer Faktoren schwierig, im klinischen Alltag eine zusammenfassende Einschätzung abzugeben. Mit dem Genexpressions Report (GEP R) wurde nun erstmals eine nicht kommerzielle, adaptierbare Softwareoberfläche entwickelt, welche basierend auf den Daten der Genexpressionsanalyse die molekularen Klassifikationen, Risikostratifikationen sowie die Erfassung von möglichen therapeutischen Zielgenen in einen Befund integriert. Zusätzlich wird eine Identitäts sowie Qualitätskontrolle durchgeführt und der Befund anschließend als pdf Dokument ausgegeben. Um die Anwendung in der klinischen Praxis zu erleichtern, werden validierte klinische und genexpressionsbasierte Risikofaktoren in einem überlegenen Metascore (HM Metascore) zusammengefasst, der es dem Arzt erlaubt, eine prognostische Abschätzung abzugeben. Mittels des HM Metascores können Patienten mit Multiplem Myelom in drei sich bezüglich des ereignisfreien und Gesamtüberlebens signifikant unterscheidende Gruppen mit 13, 72 bzw. 15 % und einem 6 Jahres Überleben von 85, 65 bzw. 20 % aufgeteilt werden. Mittels des GEP R wird es somit erstmals möglich, Risikostratifikationen, Erfassung von Zielstrukturen und den HM Metascore prospektiv in den klinischen Alltag einzuführen. Neben oben genannten Methoden dürfte zukünftig die Gesamt Genomsequenzierung (WGS) weiter zum Verständnis der Pathogenese des Multiplen Myeloms sowie zur Identifizierung neuer therapeutischer Angriffspunkte beitragen und die Aussicht auf eine individualisierte Therapie auf Basis des molekularen Profils vorantreiben. Phase III Studien: Primärtherapie ohne Transplantation (PD Dr. Kai Neben) Prof. Palumbo aus Italien stellte die Ergebnisse einer Phase III Studie vor, in der der Stellenwert von Lenalidomid (Revlimid) in Kombination mit einer Chemotherapie bestehend aus Melphalan und Prednison (MP) geprüft wurde. Es wurden 459 Patienten eingeschlossen, die ein symptomatisches Multiples Myelom hatten und über 65 Jahre alt waren. Die Studie war dreiarmig aufgebaut:

a) Arm A: 9 Zyklen MP + Lenalidomid gefolgt von einer Lenalidomid Erhaltungstherapie bis zum Progress b) Arm B: 9 Zyklen MP + Lenalidomid ohne Erhaltungstherapie c) Arm C: 9 Zyklen MP Das progressionsfreie Überleben war im Studienarm A signifikant besser als in den anderen beiden Armen (medianes progressionsfreies Überleben: 31 versus 14 versus 13 Monate). Diese Studie zeigt, dass insbesondere die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse beim Multiplen Myelom führt, während die Kombinationstherapie mit Lenalidomid / Melphalan / Prednison ohne Erhaltungstherapie nur geringfügig besser ist als eine alleinige Therapie mit Melphalan / Prednison. Allerdings wurde im Behandlungsarm A eine erhöhte Rate an Zweittumoren beobachtet (vor allem hämatologische Neoplasien), was momentan Gegenstand von weiteren Untersuchungen ist. Bereits in der VISTA Studie erhielten ältere Patienten (Alter >65 Jahre) eine Primärtherapie mit Melphalan / Prednison (MP) oder MP in Kombination mit Bortezomib. Die Ansprechrate war in der VMP Gruppe gut doppelt so hoch wie in der MP Gruppe (71% versus 35%). Ebenso ließ sich für die VMP Gruppe eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von 24 Monaten nachweisen (gegenüber 16,6 Monaten in der MP Gruppe). Aktuell wurde in einer weiteren Studie aus Italien untersucht, ob sich die Ergebnisse der VISTA Studie noch weiter verbessern lassen. Der VMP Arm aus der VISTA Studie wurde mit einem experimentellen Arm verglichen, in dem man zusätzlich zur VMP Therapie noch Thalidomid (VMPT) verabreicht hat, außerdem erhielten die Patienten nach Beendigung der VMPT Therapie noch eine Erhaltungstherapie mit Bortezomib und Thalidomid: a) Arm A: 9 Zyklen VMP ohne Erhaltungstherapie b) Arm B: 9 Zyklen VMPT + Erhaltungstherapie mit Bortezomib / Thalidomid Durch die Hinzunahme von Thalidomid und die Gabe einer Erhaltungstherapie konnte das Progressions Risiko um 41% reduziert werden (medianes progressionsfreies Überleben: 37,2 versus 27,4 Monate). Zusammenfassend zeigen die hier genannten Studien, dass sich die Therapieergebnisse beim Multiplen Myelom ständig verbessern. Besonders das Thema Erhaltungstherapie nach Primärtherapie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Trotzdem sei darauf hingewiesen, dass momentan (Stand Juli 2011) weder Lenalidomid (Revlimid) noch Bortezomib (Velcade) für diese Indikation zugelassen sind.

Transplantation ( Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt) Die Hochdosistherapie mit Melphalan gefolgt von der Transplantation autologer (patienteneigener), peripherer Blutstammzellen wurde auch auf dem Paris Meeting als Therapie der Wahl für Patienten bis zum 65. (70.) Lebensjahr dargestellt. Das Erreichen einer Tumormassenreduktion von mehr als 90 % oder eine komplette Remission (keine Krankheitszeichen (nachgewiesen) mit Standardverfahren im Blut, Urin und Knochenmark) nach Hochdosistherapie korrelieren bei der Myelomerkrankung mit einer sehr guten Prognose. Deshalb werden Patienten mit einer über 90%igen Tumormassenreduktion in den meisten Transplantationsvorgehensweisen nur einmal transplantiert. Ist die Tumormassenreduktion nach der ersten Hochdosistherapie ungenügend (zumindest kleiner 90%), so wird eine Tandem Transplantation (= 2malige Hochdosistherapie) empfohlen. Neue Substanzen sind in diese Hochdosistherapie Protokolle eingeführt. Die zusätzliche Behandlung mit Bortezomib, Thalidomid oder Lenalidomid vor Hochdosistherapie führt zu einer Verbesserung des Remissionsstatus vor und nach Hochdosistherapie. Die französische IMF Gruppe, die holländisch deutsche Studie HOVON54/GMMG HD4 und die italienische GIMEMA Studiengruppe zeigten, dass das bessere Therapieansprechen mit einer Verlängerung der Zeit bis zu einem Rückfall der Erkrankung korreliert. Diese vermutete, jedoch jetzt in 2 Studien präsentierte Verlängerung des Zeitraumes bis zum Rezidiv nach Hochdosistherapie zeigt, dass die neuen Substanzen auch zu einer Prognoseverbesserung bei der Hochdosistherapie beitragen. Die neuen Substanzen, insbesondere Lenalidomid, werden auch zur Erhaltungstherapie oder Konsolidierung empfohlen. Die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach Hochdosistherapie führt zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens. Inwieweit die Kombination von neuen Substanzen mit der Hochdosistherapie zu einer molekularbiologischen Remission und zu einer Langzeitremission (> 10 Jahre) führt, ist nicht abschließend dargestellt. Hierzu wurden Studienergebnisse präsentiert, welche eine sequenzielle Kombination von neuen Medikamenten und Hochdosistherapie prüfen. Die GMMG HOVON Studiengruppe präsentierte die finalen Daten zur Therapie mit Bortezomib vor und nach Hochdosistherapie. Es zeigte sich, dass das Ansprechen vor und nach Hochdosistherapie durch die Inkludierung von Bortezomib hochsignifikant gesteigert wird. Das Gesamtüberleben der mit Bortezomib behandelten Patienten konnte verbessert werden. Insbesondere Patienten mit ungünstigem genetischem Risikoprofil und

eingeschränkter Nierenfunktion zum Zeitpunkt des Therapiebeginns profitierten von der Bortezomibhaltigen Therapie. Zur allogenen Transplantation (Stammzellen von Geschwistern und von Fremdspendern) wurden erneut widersprüchliche Ergebnisse präsentiert und diskutiert. Die Ergebnisse aus dem großen amerikanischen Transplantationszentrum in Seattle waren unbefriedigend. Die holländische HOVON Studiengruppe zeigte, dass Revlimid nach allogener Transplantation vielfältige Nebenwirkungen induziert. Ergebnisse von der europäischen Knochenmarktransplantations Gruppe zeigten eine Verbesserung des Überlebens durch die allogene Transplantation. Diese Ergebnisse sind noch sehr vorläufig und es muss die Toxizität der allogenen Transplantation berücksichtigt werden. Zusammenfassend folgt aus den Präsentationen zur allogenen Transplantation, dass diese Therapieform in Studien weiter zu prüfen ist. Eine Therapie mit dieser intensiven Behandlung im fortgeschrittenen Stadium (z. B. mehr als zwei Rezidive) scheint weniger Erfolg zu versprechen.