Thema: Beschulung in einer intensivpädagogischen Einrichtung für Mädchen in der teilgeschlossenen Jugendhilfeeinrichtung die Distel in Deckenpfronn Bettina Feigenspan, Außenstellenleiterin der Albert-Schweitzer-Schule Stuttgart Sebastian Lustnauer, Einrichtungsleiter die Distel Deckenpfronn 1
Themen Vorstellung der Jugendhilfeeinrichtung Die Distel in Deckenpfronn Vorstellung der schulischen Arbeit in der Außenstelle Distel der Albert-Schweitzer-Schule, Stuttgart - Schulischer Rahmen - Konzept - Zusammenarbeit mit der Einrichtung Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit Schule Einrichtung Exemplarische Darstellung am Beispiel der Schülerin Beate - Ihre Vorgeschichte - Ihre schulische Laufbahn während des Aufenthalts in der Distel Fragen und Diskussion 2
Die Jugendhilfeeinrichtung die Distel in Deckenpfronn 12 Plätze für Mädchen zwischen 13 und 17 Jahren Träger: Verein für Jugendhilfe im Landkreis Böblingen Betrieb seit Oktober 2005 Bisher 83 betreute Mädchen - 60 zeitweise mit Freiheitsentziehender Hilfe Schule für Erziehungshilfe im Haus: Aussenstelle der Albert- Schweitzer-Schule in Stuttgart Träger: Stiftung Jugendhilfe aktiv Stuttgart kein Time-out-Raum Aufnahme auch im offenen Rahmen möglich Aufenthaltsdauer individuell, allgemein ca. 1 Jahr 3
Intensiv-Pädagogik Das Profil Individuelle, störungsspezifische Hilfe Individuelle Geschlossenheit Elternorientierung Integrierte interne Beschulung Kooperation mit der KJP Calw-Hirsau Einhaltung der Qualitätsstandards; externe Kontrolle 4
Missverständnisse 5
Störungsbilder oder: was muss gelernt werden Störungen des Sozialverhaltens Regeln einhalten können, Empathie entwickeln, Respekt vor Erwachsenen entwickeln Bindungsstörung Vertrauen entwickeln, Enttäuschungen ertragen, Beziehungskonflikten standhalten Posttraumatische Belastungsstörung Sicheren Ort finden, Erfahrungen ordnen Impulskontrollstörung Emotionale Erregung beruhigen Emotionale Störungen Lebens- und Selbstzufriedenheit entwickeln 6
Wie verstehen wir individuelle Geschlossenheit Die Distel versteht sich nicht als dauerhaft geschlossene Einrichtung, es bestehen jedoch Barrieren, um ein unerlaubtes Entfernen zu erschweren. Ziel ist es nicht, das Weglaufen aus der Einrichtung mit allen Mitteln zu verhindern! Ob, wohin, mit wem, ab wann, wie lange, wie oft ein Mädchen das Haus verlassen kann, wird individuell in Form eines Stufenplans von der Einrichtungsleitung in Rücksprache mit Jugendamt und Eltern entschieden. Das Ziel: so schnell wie möglich offene Türen 7
Einschränkungen der Bewegungsfreiheit Die Bewegungsfreiheit im Haus und nach draussen ist eingeschränkt und unterliegt den von den Erwachsenen vorgegebenen Regeln. Diese Ausgangsregeln sind für die Mädchen transparent und verlässlich. Vom ersten Tag an verlassen die Mädchen regelmäßig das Gelände (Spaziergang, Einkaufen, Ausflüge usw.) Die zeitweise geschlossene Tür und die z.t. geschlossenen Fenster sind dabei nur ein Ausdruck der Entschiedenheit der Erwachsenen ( Wir möchten, dass Du bei uns bleibst! ) und kein unüberwindliches Hindernis. Ausgangsregeln und geschlossene Tür erfordern obwohl von den Erwachsenen vorgegeben letztlich das mindestens passive Einverständnis der Mädchen. 8
Einschränkungen der Kontaktmöglichkeiten Die Kontaktmöglichkeiten sind sowohl hinsichtlich der Kontaktpersonen, der Kontakthäufigkeit und des Kontaktmediums beschränkt bzw. von den Erwachsenen vorgegeben. Telefonate sind 4x/Woche möglich, aber zeitlich begrenzt; Besuchskontakte sind ebenfalls zeitlich begrenzt möglich; Internet-Kontakte sind ab Ausgangsstufe 3 möglich; Handys sind im Haus nicht erlaubt Diese Regelungen gelten unabhängig davon, ob eine GU- Genehmigung besteht. 9
Stundenplan Klasse 7/8 ab September 2010 Schuljahr 2010/11 10
Herausforderungen für die Kooperation zwischen Schule und Einrichtung Pädagogische Haltung Aufnahmeentscheidung Beschulbarkeit Zuständigkeit für Problemlösung Abgestimmte Förderziele und einheitliches Vorgehen Synchronisierung der Hilfeverläufe 11
Falldarstellung Beate Von der grenzenlosen Watte-Realität zur Unterscheidung von Ich und Du 12
Bisheriger Lebenslauf/1 Geb. 1995; Mutter *1967; Vater*1967; Stiefvater *1973 Einziges Kind ihrer Eltern; Heirat 1995, Trennung 1997, Scheidung 1999 Halbgeschwister: *2004 (aus 2.Ehe des Vaters), *2004 (aus 2. Ehe der Mutter) 1998 Kindergarten; häufige Betreuung durch die Großeltern 1999 erste Hinweise von Beate über Sex. Missbrauch durch Großvater, dennoch weiter Betreuung durch die Großeltern (Großvater hatte auch die Mutter und deren Schwestern und später die Schwester von Beate missbraucht) 13
Bisheriger Lebenslauf/2 2002 Einschulung; ab 2.Klasse Schwierigkeiten 2004 Heirat von Mutter und Stiefvater, Geburt der Schwester 2006 Wechsel auf Realschule; wegen häufiger Fehlzeiten und schlechter Leistungen Wechsel auf HS Ergotherapie; Diagnosen: ADHS; emotionale Störung; Teilleistungsstörung LRS 2008 wegen Umzug Wechsel der Hauptschule 2009 stat. Behandlung der KJP: Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen Juni 2009 Stat. Jugendhilfe wegen fehlender Regelakzeptanz, unregelmäßigem Schulbesuch, Entweichen und Delinquenz. Hier weiterhin häufige Abgängigkeit 14
Ziele Beruhigung der Lebenssituation durch Struktur, Vorhersehbarkeit, Begrenzungen und Akzeptanz Aufhalten der Spirale der Problementwicklung, Verhinderung von Selbstgefährdungen Heranführen an regelmäßigen Schulbesuch und Verbesserung der Schulfähigkeit Diagnostik: in welchem Rahmen kann Beate in den nächsten Jahren betreut und beschult werden? Welche psychotherapeutische Behandlung (Trauma, Impulskontrolle) ist möglich Verbesserung der Kooperations- und Steuerungsfähigkeit, Frustrationstoleranz und der Toleranz gegenüber Begrenzungen und Anforderungen Klärung der Erziehungshaltung der Mutter Einführung und Einüben von inter- und intrapersonellen Grenzen 15
Betreuungsdauer 15 Monate Ergebnisse Kontaktabbruch zu den Großeltern und Beginn einen offenen Auseinandersetzung der Mutter mit ihren Missbrauchserfahrungen Deutlich abgegrenztere Haltung der Mutter und Verbesserung der Beziehung zum Stiefvater Stabile Realitätswahrnehmung (Raum, Zeit, Phantasie, interpersonell) Angemesseneres Sozialverhalten Gute Schulfähigkeit; externe Schulerprobung Beate kehrte zurück in die Familie Beschulung in einer Regelschule 16
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 17