Übung im Privatrecht II Sommersemester 2015 Fall 11: Badewannen auf Abwegen Großhändler G handelt mit Sanitärzubehör. Leider kam es in der letzten Zeit zu einigen Vorfällen, bezüglich derer G nunmehr juristischen Rat sucht. Er berichtet, dass er Badewannen für den späteren Verkauf auf seinem (umzäunten) Betriebsgelände lagert. Von dort wurden vom Dieb D kürzlich 20 Badewannen entwendet. Deren weiteren Verbleib konnte G wie folgt ermitteln: Zehn Badewannen hat D an den Konkurrenten K des G zu einem günstigen (aber objektiv marktangemessenen) Preis veräußert. Anhaltspunkte dafür, dass D die Badewannen durch einen Diebstahl erlangt hatte, gab es für K nicht. Die anderen zehn Badewannen hat D an die Baufirma B veräußert. Diese hat die Badewannen bereits im Rahmen eines Hotelneubaus beim Hotelier H eingebaut. (Die Badewannen sind in dem auf dem Grundstück des H befindlichen Hotelneubaus fest installiert und jeweils mit Fliesen verkleidet worden.) Zehn weitere Badewannen hat G an den Zwischenhändler Z unter (verlängertem) Eigentumsvorbehalt veräußert. (Der Eigentumsvorbehalt war im schriftlichen Kaufvertrag vereinbart worden.) Dieser (Z) übereignete die Badewannen zur Sicherheit unter Abschluss eines in der Branche üblichen Sicherungsvertrags an seine Bank B. Als Z auch auf eine mit Rücktrittsandrohung verbundenen Mahnung des G die Kaufpreisraten nicht mehr zahlte, erklärte G den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt nun von B die Badewannen, die sich nach wie vor auf dessen Grundstück befinden, heraus. G möchte nun wissen, ob er die Badewannen von K, H und Z herausverlangen kann?
Lösungsskizze 1. Anspruch gegen K G könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe der Badewannen gem. 985 BGB haben. Eigentum des G an den Badewannen - chronologische Eigentumsprüfung => Suchen eines eigentumsrechtlichen Fixpunktes - ursprünglich war G Eigentümer der Badewannen - Verlust des Eigentums durch den Diebstahl ( 242 StGB)? - Dieb erlangt lediglich den unmittelbaren Besitz (vgl. 854 Abs. 1 BGB) - Eigentum bleibt unberührt => Eigentum bleibt bei G - Verlust des Eigentums an den Badewannen durch die Veräußerung von D an K? - der Begriff der Veräußerung umfasst das Grund- und das Verfügungsgeschäft (=den Kaufvertrag und die Übereignung) - Kaufvertrag als rein schuldrechtliches Rechtsgeschäft hat keine Auswirkungen auf die Eigentumslage (Abstraktionsprinzip!) - Eigentumsverlust nach 929 BGB durch Übereignung von D auf K? - rechtsgeschäftliche Einigung zwischen D und K (+) - Übergabe der Badewannen von D an K (+) - Verfügungsbefugnis des D (-) - D ist nicht Eigentümer => nicht verfügungsbefugt i.s.v. 929 BGB => keine wirksame Übereignung der Badewannen nach 929 BGB von D auf K - Eigentumsverlust nach 932, 929 BGB durch gutgläubigen Erwerb des K? - Vorliegen des objektiven Übereignungstatbestands (Einigung und Übergabe) nach 929 BGB (+) - Gutgläubigkeit des K bezüglich des Eigentums des D (+) - keine Gutgläubigkeit, wenn der Erwerber den Mangel des Eigentums des Verfügenden kennt oder grob fahrlässig nicht kennt ( 932 Abs. 2 BGB) - für Gutgläubigkeit spricht hier:
- das Fehlen positiver Kenntnis des K vom mangelnden Eigentum des D - nach 1006 Abs. 1 BGB der Besitz des D an den Badewanne - der marktangemessene Preis der Badewannen - dass laut Sachverhalt keine (weiteren) Anhaltspunkte für einen Diebstahl vorliegen => K ist gutgläubig in Bezug auf das Eigentum des D an den Badewannen - aber gem. 935 Abs. 1 BGB kein gutgläubiger Erwerb abhandengekommener Sachen - G ist (weiterhin) Eigentümer der Badewannen Besitz des K an den Badewannen (+) - K hat unmittelbaren Zugriff auf die Badewannen - hier wurden die Badewannen dem G als deren Eigentümer gestohlen => sind diesem abhandengekommen => 935 Abs. 1 BGB sperrt die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des K absolut => ist deren unmittelbarer Besitzer gem. 854 Abs. 1 BGB Kein Recht zum Besitz des K gegenüber G (+) - Kein Herausgabeanspruch, wenn der Besitzer gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist - hier kein unmittelbares Recht zum Besitz des K gegenüber G - Besitzrecht des K aus dem Kaufvertrag über die Badewannen berechtigt diesen nur zum Besitz gegenüber D - kein Bestehen einer Besitzkette von K über D zu G, da D nicht gegenüber G zum Besitz berechtigt war => K ist gegenüber G nicht zum Besitz der Badewannen berechtigt G hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe der Badewannen gem. 985 BGB.
2. Anspruch gegen H G könnte gegen H einen Anspruch auf Herausgabe der Badewannen gem. 985 BGB haben. Eigentum des G an den Badewannen - chronologische Eigentumsprüfung => Suchen eines eigentumsrechtlichen Fixpunktes - ursprünglich war G Eigentümer der Badewannen - Verlust des Eigentums durch den Diebstahl ( 242 StGB)? - Dieb erlangt lediglich den unmittelbaren Besitz (vgl. 854 Abs. 1 BGB) - Eigentum bleibt unberührt => Eigentum bleibt bei G - Verlust des Eigentums an den Badewannen durch die Veräußerung von D an B? - der Begriff der Veräußerung umfasst das Grund- und das Verfügungsgeschäft (=den Kaufvertrag und die Übereignung) - Kaufvertrag als rein schuldrechtliches Rechtsgeschäft hat keine Auswirkungen auf die Eigentumslage (Abstraktionsprinzip!) - Eigentumsverlust nach 929 BGB durch Übereignung von D auf B? - rechtsgeschäftliche Einigung zwischen D und B (+) - Übergabe der Badewannen von D an B (+) - Verfügungsbefugnis des D (-) - D ist nicht Eigentümer => nicht verfügungsbefugt i.s.v. 929 BGB => keine wirksame Übereignung der Badewannen nach 929 BGB von D auf B - Eigentumsverlust nach 932, 929 BGB durch gutgläubigen Erwerb des B? - Vorliegen des objektiven Übereignungstatbestands (Einigung und Übergabe) nach 929 BGB (+) - Gutgläubigkeit des B bezüglich des Eigentums des D (+) - keine Gutgläubigkeit, wenn der Erwerber den Mangel des Eigentums des Verfügenden kennt oder grob fahrlässig nicht kennt ( 932 Abs. 2 BGB) - für Gutgläubigkeit spricht hier:
- das Fehlen positiver Kenntnis des K vom mangelnden Eigentum des B - nach 1006 Abs. 1 BGB der Besitz des D an den Badewanne - dass laut Sachverhalt keine (weiteren) Anhaltspunkte für einen Diebstahl vorliegen => B ist gutgläubig in Bezug auf das Eigentum des D an den Badewannen - aber gem. 935 Abs. 1 BGB kein gutgläubiger Erwerb abhandengekommener Sachen - hier wurden die Badewannen dem G als deren Eigentümer gestohlen => sind diesem abhandengekommen => 935 Abs. 1 BGB sperrt die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des K absolut => B hat das Eigentum an den Badewannen nicht gutgläubig erworben - Verlust des Eigentums des G an den Badewannen gem. 946 BGB durch deren Einbau in das Hotel des H? Hinweis: Eine möglicherweise im Einbau enthaltene konkludente rechtsgeschäftliche Übereignung der Badewannen von B an H würde abermals daran scheitern, dass B nicht deren Eigentümer ist und H aufgrund des Abhandenkommens der Badewannen bei G diese gem. 935 BGB nicht gutgläubig erwerben kann. - Badewannen sind bewegliche Sachen - werden gem. 94 Abs. 2 BGB wesentliche Bestandteile des Hotels (das selbst wesentlicher Bestandteil das Hotelgrundstücks ist [vgl. 94 Abs. 1 BGB]), wenn sie zur Herstellung in das Gebäude eingefügt worden sind - wesentliche Bestandteile sind solche, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsauffassung noch nicht fertiggestellt ist - erforderlich ist eine Verbindung in der Weise, dass von einer (rechtlichen) Einheit auszugehen ist - hier sind die Badewannen als notwendiges Bestandteil des Hotels fest eingebaut (verfließt) => sind wesentlicher Bestandteil des Hotels => das Eigentum geht kraft Gesetzes ( 946 BGB) auf den Grundstückseigentümer, den Hotelier H über - neuer Eigentümer der Badewannen ist H => G hat kein Eigentum an den Badewannen
G hat gegen H keinen Anspruch auf Herausgabe der Badewannen gem. 985 BGB haben. 3. Anspruch gegen Z G könnte gegen Z einen Anspruch auf Herausgabe der Badewannen gem. 985 BGB haben. Eigentum des G an den Badewannen - chronologische Eigentumsprüfung => Suchen eines eigentumsrechtlichen Fixpunktes - ursprünglich war G Eigentümer der Badewannen - Verlust des Eigentums an den Badewannen durch die Veräußerung von G an Z? - der Begriff der Veräußerung umfasst das Grund- und das Verfügungsgeschäft (=den Kaufvertrag und die Übereignung) - Kaufvertrag als rein schuldrechtliches Rechtsgeschäft hat keine Auswirkungen auf die Eigentumslage (Abstraktionsprinzip!) - Eigentumsverlust nach 929 BGB durch Übereignung von G auf Z? - Übergabe der Badewannen von G an Z (+) - Z erlangt unmittelbaren Besitz an den Badewannen - Verfügungsbefugnis des G (+) - G ist bei der Verfügung der Eigentümer der Badewannen - rechtsgeschäftliche Einigung zwischen G und Z über den Übergang des Eigentums? - eine Einigung zwischen G und Z liegt grundsätzlich vor - die Einigung ist möglicherweise jedoch inhaltlich eingeschränkt - hier war im Kaufvertrag (=im schuldrechtlichen Grundgeschäft) eine sog. Eigentumsvorbehalt vereinbart
- diesbezüglich gilt die Auslegungsregel des 449 Abs. 1 BGB - danach ist im Zweifel die Übereignung nur bedingt (vgl. 158 Abs. 1 BGB) durch die vollständige Kaufpreiszahlung erfolgt => die erklärte Einigung sollte erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises ihre rechtsgeschäftliche Wirkung =den Übergang des Eigentums von G auf Z bewirken => da Z den Kaufpreis nicht vollständig zahlte, ist das Eigentum nicht nach 929 BGB auf ihn übergegangen - Verlust des Eigentums des G an den Badewannen durch die (Sicherungs-) Übereignung dieser von Z an B? - rechtsgeschäftliche Übereignung der Badewannen von Z auf B gem. 929, 930 BGB? - Z und B einigten sich rechtsgeschäftlich über den Eigentumsübergang - die Badewannen müssten übergeben worden sein - B erlangt keinen unmittelbaren Besitz => es mangelt an ein er Übergabe i.s.v. 929 BGB - aber gem. 930 BGB ist Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses als Übergabesurrogat möglich - ist vorliegend in Gestalt des Sicherungsvertrags zwischen B und Z gegeben - Verfügungsbefugnis des Z? - Z ist nicht Eigentümer => B ist mittelbare Besitzerin der Badewannen, was als Übergabesurrogat gem. 930 BGB genügt => nicht verfügungsbefugt - Verfügung eines Nichtberechtigten ist gem. 185 Abs. 1 BGB jedoch wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten (hier G) erfolgt - Einwilligung des G in Verfügungen des Z im ordentlichen Geschäftsverkehr folgt hier aus dem vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt - dieser umfasst jedoch nicht die Sicherungsübereignung der Eigentumsvorbehaltsware (Ergebnis einer
Auslegung der Abrede zwischen G und Z gem. 133, 157 BGB) => Z ist bezüglich einer Sicherungsübereignung an B nicht verfügungsbefugt => kein Übergang des Eigentums an den Badewannen nach 929, 930 BGB von Z auf B - gutgläubiger Erwerb der Badewannen durch B? - setzt gem. 933 BGB voraus, dass B unmittelbaren Besitz von Z als dem Veräußerer erlangt - B hat nur mittelbaren, jedoch nicht unmittelbaren Besitz erlangt => kein gutgläubiger Erwerb der B möglich - G ist (weiterhin) Eigentümer der Badewannen Besitz des Z an den Badewannen (+) - Z hat unmittelbaren Zugriff auf die Badewannen => ist deren unmittelbarer Besitzer gem. 854 Abs. 1 BGB Kein Recht zum Besitz des Z gegenüber G (+) - Kein Herausgabeanspruch, wenn der Besitzer gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist - hier kein unmittelbares Recht zum Besitz des Z gegenüber G - Besitzrecht des Z aus dem Kaufvertrag über die Badewannen endete mit dem berechtigten, wirksamen Rücktritt des G vom Vertrag => Z ist gegenüber G nicht zum Besitz der Badewannen berechtigt G hat gegen Z einen Anspruch auf Herausgabe der Badewannen gem. 985 BGB.