Behandlung zytostatikabedingter Paravasate Inhalt Definition Allgemein klinischer Verlauf Klassifikation von Zytostatika) Therapie der Paravasate ( Sofortmaßnahmen,Chirurgische Intervention,Wundbehandlung ) Nachsorge Juristische Aspekte 1
Definition Eine unbeabsichtigte oder fälschliche Anwendung einer Chemotherapie( Infusion oder Injektion ) in das Unterhautgewebe oder andere tiefere Gewebeschichten ( bei einem Paravasat kommt es zum Austritt des Zytostatikums aus der Vene in das umliegende Gewebe ) 0,1% 6 % bei Erwachsenen ( Barth;Kloke) bei Kindern bis zu 11 % ( de Witt ) Die Folgen hängen von der lokalen Wirkung des eingesetzten Arzneimittels ab. Ursachen: Fehler in der Anwendungstechnik ( Venenpunktionstechnik, ungeübtes Personal) Ungeeigneter Zugangsweg ( Unterarm Handrücken Ellenbeuge ) Hinweis am günstigsten großvolumige Venen in Unterarmmitte Zeitdruck Patient ist nicht ausreichend informiert über die Bedeutung von auftretenden Schmerzen Patientenbedingte Faktoren (bei wiederholten Chemotherapien entstandene schlechte Venenverhältnisse, altersbedingte schlechte Venenverhältnisse, Phlebitis, Verminderung des venösen Rückstroms bei Herz-Kreislauferkrankungen) 2
Allgemeiner klinischer Verlauf des Paravasats Das Ausmaß der lokalen Schädigung steht im direkten Zusammenhang mit dem Paravasatvolumen ( Menge/Dosis-> Gewebstoxizität ) Zeitlicher Verlauf ( Mader 2002): Sofort nach Paravasation: brennender, stechender Schmerz mit lokaler Schwellung plus Rötung( liegt hier schon eine feste Induration vor ist die Wahrscheinlichkeit einer Ulceration sehr hoch) Stunden später: Ödemphase mit zunehmenden Schmerzen u. lokaler Rötung ödematöseödematöse Stellen gehen in eine braune Induration über Tage später: anhaltende Schmerzen plus Rötung mit Induration Thrombosierung von Kapillaren mit Nekrobiose von Kollagen Innerhalb von Wochen: unterschiedlich ausgeprägte Schmerzen, Sklerosierungen,Hautatrophien,Ulcera entwickeln sich schleichend, dringen in tiefe Hautschichten ein und zeigen keine Tendenz zur Spontanheilung ( Anthrazykline) Innerhalb von Wochen u. Monaten: nach einem evtl. Stillstand der Ulceration kann es zu einer langsamen Abheilung ab dem 6. Monat kommen Hauttransplantationen werden häufig abgestoßen es kann zu Superinfektionen mit meist grampositiven Keimen kommen Klassifikation der Zytostatika: Typen der lokalen Schädigung Hinweis : der Umfang der lokalen Schädigung hängt in erster Linie von der Art des Zytostatikums ab ( Mader 2002,Schrijvers 2003 ) Nekrotisierende Substanzen : z.b.:cisplatin, Daunorubicin, Doxorubicin,Epirubicin,Mitomycin Paclitaxel Gewebsreizende Substanzen: z.b.: Carboplatin,Dacarbazin,Docetaxel, Etoposid,Gemcitabin,Ifosfamid,Oxaliplatin Topotecan Nicht-gewebsschädigendSubstanzen:z.B.:z.B.:Bleomycin, Cyclophosphamid,Folinsäure, MTX, Irinotecan,Rituximab 3
Allgemeine Sofortmaßnahmen bei Paravasaten Diskonnektion ( Unterbrechung ) der Infusion/Spritze vom i.v. Zugang Sofort die Infusion/ Injektion stoppen i.v. Zugang noch belassen Absaugen des Paravasats durch liegenden i.v. Zugang Entfernen des i.v. Zugangs unter Aspiration Großes Paravasat oder Blasen von allen Seiten aspirieren ( 1ml Spritzen, Kanüle 26G und bei jeder Aspiration eine neue Nadel ) Das Paravasatgebiet markieren Ruhigstellung, bzw. Hochlagerung der Extremität Ggf. Anwendung von Wärme oder Kälte ( immer trocken ) abhängig vom Zytostatikum z.b.vinca Alkaloide : Vinblastin,Vincristin,Vinorelbin Wärme Ggf.lokale Gabe eines Antidots z.b.dmso ( Dimethylsufoxid ) bei Cisplatin alle 8 Stunden für 8 Tage Dokumentation des Paravasats, auch den Verlauf dokumentieren Bei gewebsnekrotisierenden Zytostatika innerhalb von 72 h einen Chirurgen konsultieren Regelmäßige Nachkontrollen, Gefahr einer protahierten ( verzögerten ) Nekrose Weitere Hinweise Trockene Kühlung: Es erfolgt eine Vasokonstriktion mit resultierender Diffusionsverlangsamung verminderter Abtransport des Paravasats man möchte damit eine örtliche Begrenzung erzielen ( kann aber auch durch die längere Verweildauer vor Ort negativ sein ) Eine verstärkende Wirkung kann durch Applikation mit DMSO erzielt werden, wobei immer ein zeitliches Intervall einzuhalten ist und die Lösung muss an der Luft trocknen DMSO kann freie Radikale einfangen, die Hautpermeabilität steigern, welches eine schnellere systemische Aufnahme des Paravasats ermöglicht Nach Paravasation trockene Kühlung keine Eiswürfel ( Mazerationsgefahr ) Keinen Druck auf das Paravasat ausüben Initial mindestens 1 Stunde kühlen 4
Weitere Hinweise Trockene Wärme: Es kommt zu einer Vasodilutation mit einer Erhöhung des Abtransports des Zytostatikums Verminderung der lokalen Konzentration Keine Anwendung von trockener Wärme und DMSO Trockene Wärme 4 x täglich über 20 Minuten VORSICHT: keine feuchte Wärme (Mazeration) Kein Druck auf Paravasat ausüben Antidota Dimethylsulfoxid :wirkt topisch,antiinflammatorisch,lokal anästhetisch vasodilatorisch sowie kollagenauflösend fängt durch gesteigerte steigert Hautpermeabilität freie anthrazyklininduzierte Radikale ein Dexrazoxane : Savene* Kardioprotektivum ( Radikalfänger ) muss innerhalb von 5 h angewendet werden 1000mg/m2 + dito nach 24 h + dito nach 36 h Kosten für Behandlung ca 12.000,00 Hyaluronidase: : bewirkt Strukturauflösung von Binde- und Stützgewebe erleichtert den Flüssigkeitsaustausch zwischen Gewebe und Gefäßsystem Hinweis die betroffene Region wird großzügig umspritzt ist sehr schmerzhaft für den Patienten aber der Nutzen überwiegt 5
Natriumbicarbonat: ph-werterhöhung mit resultierender chemischer Zersetzung des Zytostatikums/ Cave: eigenes Nekrosepotential die handelsübliche 8,4 %ige Lösung muss 1:4 verdünnt werden in jedem Fall eine Nachbehandlung mit DMSO um entstandene gewebsschädigende Radikale abzufangen Natriumthiosulfat: bewirkt durch nukleophile Reaktion eine chemische Inaktivierung aggressiver Alkylatien ( Radikalfänger? ) Steroide : antiinflammatorische Wirkung ( kontroverse Diskussion, da Paravasate selten von einer entzündlichen Reaktion begleitet sind) Chirurgische Intervention Ist notwendig bei Einem schweren Paravasat mit Beteiligung von Sehnen und Nerven Kein Abheilen der Nekrose unter maximaler konservativer Therapie Feuchte Nekrosen mit Gefahr der Superinfektion Drohendes Kompartementsyndrom 6
Wundbehandlung bei schwerem Paravasat mit Beteiligung von Sehnen und Nerven Wenn saubere gut durchblutete Wunde vorhanden Hinweis: immer darauf achten, dass die freiliegenden Sehnen feucht gehalten werden Wundversorgung : geeignete Materialien: Hydrokolloide Hydrogele Schäume Kollagen Folienverbände Spühlflüssigkeit: Ringerlösung Cave: steriles Arbeiten ist Vorraussetzung Wundphasen Exsudative/ Inflammatorische Phase Reinigungsphase Proliferative Phase/ Granulationsphase Reparative Phase / Epithelisierungsphase 7
Exsudative/ Inflammatorische Phase/Reinigungsphase Ausdruck der körpereigenen, aktiven Wundreinigung ist die Entstehung des Wundödems daraus resultiert eine starke Exsudatbildung, die die Wundsäuberung durch Ausschwemmung von u.a. Zelltrümmern, Fremdkörpern und Bakterien unterstützt. In dieser Phase muss der Wundverband sehr saugfähig sein um eine schnelle Aufnahme der Exsudate zu gewährleisten, er muss die Wunde feucht halten, sollte nicht häufiger als einmal täglich gewechselt werden, damit im Exsudat enthaltene heilungsfördernde Stoffe (Interferone, Wachstumsfaktoren ) zur Wirkung kommen können 8
Infizierte,( Feuchte ) nekrotische Wunde Chirurgisches Depridement - Mittel der 1. Wahl - Wundauflagen: Alginate Hydrogele Silberhaltige Auflagen Spühllösung: Lavasept, Octenisept Nachsorge Abhängig vom Nekrosepotential des Zytostatikums Nach der Akutbehandlung sollte das Paravasat am 1. Tag alle 4 Stunden kontrolliert werden (Mader 2002 ) Empfehlung weiterer Kontrollintervalle : täglich wöchentlich Cave: bei Paravasaten mit Anthrazyklinen (Doxorubicin,Epirubicin,Mitoxantron,Daunorubicin,Idarubicin ) zum Teil sehr späte Manifestierung treten subkutan ohne initiales Erythem auf 9
Nachsorge Ist durchzuführen bis zur Rückbildung folgender Symptome : Progression von Erythemen Schmerzintensität Vorliegen von Ulcerationen/ Nekrosen Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention Funktionsverlust ( Physiotherapie ) ( Mader 2002) Juristische Aspekte Paravasation gewebsunverträglicher Zytostatika gehört zu den seltenen NW einer Zytostatikatherapie Wichtig : ist die Aufklärung mündlich oder schriftlich unter Anwesenheit von Zeugen Jeder Einzelfall ist zu prüfen ( es muss nicht immer ein Kunstfehler des Arztes sein ) korrekte und ausführliche Dokumentation 10
Paravasate Set Einmalspritzen 1ml, 2ml, 5ml, 10 ml Einmalkanülen 18 G, 26 G Sterile Handschuhe Sterile Kompressen, Kegeltupfer NaCl 0,9% Glukose 5 % ( Bei Oxaliplatin-Paravasat ) Aqua dest Kälte-/Wärmepack Dimethylsulfoxid (DMSO ) 99% Hyaluronidase 1500IE ( Lagerung bei 2-8 Grad!! ) Lidocain 1% Anleitung : Vorgehen bei Paravasaten Dokumentationsbögen für Paravasate Paravasat Tiefe der Laesion - Grad 4 subkutan mit Beteiligung von Sehnen seit 04.02.98 - Einsatz Sofra-Tüll ohne befriedigendes Ergebnis ab 23.02.98 - Beginn Feuchte Wundbehandlung mit NOBAALGIN (Reinigungsphase); Nach 8 tägiger Feuchtwundbehandlung saubere Wundränder und Sehnen 11
Beginnende Granulation 04.02.98-14. Behandlungstag Sichtbare Granulation von den Rändern her, rückläufige Entzündung VW: alle 2-3 Tage Nobakoll + Gel in Abhängigkeit von der Resorptionsquote; 4.05.98-12. Behandlungswoche Abschluss der Epithelisierung 12
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Und ein schönes Wochenende 13