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Transkript:

Erster Teil. Einleitung Welche Preise darf ein marktbeherrschendes Telekommunikationsunternehmen von seinen Kunden verlangen? Muss ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen Konkurrenten Zugang zu seiner Infrastruktur gewähren, damit die Konkurrenten auf dieser Grundlage ihrerseits Telekommunikationsdienstleistungen für ihre Kunden erbringen können? Wie viel Geld darf das marktmächtige Unternehmen hierfür von seinen Wettbewerbern fordern? Auf diese und andere schwierige Fragen muss die Bundesnetzagentur eine Antwort finden, wenn sie die Marktregulierungsvorschriften des Telekommunikationsgesetzes (TKG) anwendet. Es liegt auf der Hand, dass solche Entscheidungen der Bundesnetzagentur weitreichende Folgen z.b. für Marktanteile, Gewinne und Investitionen der betroffenen Unternehmen haben. Daher ist nicht verwunderlich, dass Marktregulierungsentscheidungen häufig Gegenstand von Gerichtsverfahren sind. 1 Das Gerichtsverfahren wirft nun regelmäßig ein weiteres Problem auf, das zugleich die Kernfrage der vorliegenden Untersuchung sein wird: Mit welcher Intensität darf das Gericht die Marktregulierungsentscheidung der Bundesnetzagentur kontrollieren? Ist die Entscheidung der Bundesnetzagentur in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar oder hat die Behörde einen gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Entscheidungsspielraum? Auf welche Elemente der Regulierungsentscheidung erstreckt sich ggf. eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle? Nach welchen Grundsätzen hat das Gericht eine Regulierungsentscheidung zu prüfen, wenn die Kontrolldichte beschränkt ist? Für den Ausgang des Verfahrens sind die Antworten auf diese Fragen von großer Bedeutung. Wie intensiv das Gericht die Regulierungsentscheidung kontrollieren kann, bestimmt maßgeblich, wie effektiv der Rechtsschutz durch das Gericht im Einzelfall sein kann. Je breiter die Entscheidungsfreiräume der Verwaltung sind und je stärker die Kontrollbefugnis des Gerichts eingeschränkt ist, desto geringer sind die Aussichten des Rechtsschutzsuchenden, dass das Gericht die Entscheidung der Verwaltung aufheben kann. 1 So wurden beispielsweise im Jahre 2006 52 Hauptsacheverfahren und 23 Eilverfahren betreffend den Bereich Telekommunikation der Bundesnetzagentur bei Gericht anhängig gemacht. Schwerpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Rechtmäßigkeit von Marktregulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur nach 13 TKG; vgl. den Jahresbericht 2006 der Bundesnetzagentur, S. 107; www.bundesnetzagentur.de. 1

Doch für zentrale Normen des Marktregulierungsrechts ist die Frage der gerichtlichen Kontrolldichte umstritten und ungeklärt: Das Marktregulierungsrecht wirft beispielsweise an mehreren Stellen die Frage auf, nach welchen Maßstäben komplexe Ermessensentscheidungen wie die des 21 Abs. 2 und 1 TKG durch die Gerichte zu kontrollieren sind: Findet die für Ermessensentscheidungen geltende Ermessensfehlerlehre, die im Planungsrecht geltende Abwägungsfehlerlehre oder ein anderes Kontrollkonzept Anwendung? Auch im Bereich der Entgeltregulierung ist die Intensität der gerichtlichen Kontrolle umstritten. Viele Stimmen in der Literatur nehmen für den Bereich der Entgeltregulierung breite Entscheidungsspielräume der Bundesnetzagentur an, die gerichtlich nur beschränkt kontrolliert werden können, 2 während andere Autoren Entgeltregulierungsentscheidungen für gerichtlich vollständig kontrollierbar halten. 3 Auch die Gerichte kommen bei der Auslegung einzelner Normen im Bereich der Entgeltregulierung zu unterschiedlichen Ergebnissen. 4 Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die umstrittene Frage nach der Kontrolldichte der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen der Bundesnetzagentur im Bereich der Marktregulierung zu beantworten: Es soll untersucht werden, inwiefern die wesentlichen Befugnisnormen des TKG im Bereich der Zugangsund Entgeltregulierung Entscheidungsspielräume der Bundesnetzagentur eröffnen, die die Gerichte nur beschränkt kontrollieren können. Soweit Entscheidungsspielräume bestehen, wird erörtert, welche Auswirkungen dies auf den Kontrollmaßstab des Gerichts hat. Die Untersuchung der gerichtlichen Kontrolldichte beschränkt sich auf die ersten drei Abschnitte der Marktregulierung nach dem TKG. Es handelt sich um das Verfahren der Marktregulierung ( 9-15 TKG) die Zugangsregulierung ( 16-26 TKG) und die Entgeltregulierung ( 27-39 TKG). Diese drei Abschnitte enthalten die zentralen Befugnisnormen der Marktregulierung, bei denen Fragen der gerichtlichen Kontrolldichte besonders umstritten bzw. problematisch sind. Ferner kommen in den behandelten drei Abschnitten alle für 2 Siehe beispielsweise Breyer, CR 2002, 722, 726 f.; Gramlich in: Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, I Rz. 112; Spoerr in: Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz, 24 Rn. 54 ff.; Masing in: 66. Deutscher Juristentag, Gutachten, S. D 153 und 155 f. mit weiteren Nachweisen. 3 Großkopf/Rittgen, CR 1998, 86, 93; v. Danwitz, DVBl. 2003, 1405 ff., beide zum TKG alter Fassung, das aber den gleichen Begriff der Kosten der effizienten Leistungserstellung verwendet. 4 Beispielsweise verneinte OVG NRW, CR 2006, 101, 103 einen Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals gem. 3 Abs. 2 TEntgV, der 31 Abs. 2 S. 1 TKG entspricht; anders die Vorinstanz, VG Köln, MMR 2003, 814, 818 ff. Neuerdings bejaht das VG Köln wiederum eine Beurteilungsspielraum für die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals gem. 31 Abs. 2 und 4 TKG, vgl. VG Köln Beschluss vom 19.12.2005; Az. 1 L 1586/05 Rn. 16 ff., bislang in Zeitschriften unveröffentlicht, abrufbar über die Datenbank juris. 2

das Marktregulierungsrecht typischen Probleme im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolldichte vor. Zum einen gibt es komplexe Ermessensentscheidungen mit zahlreichen gesetzlichen Vorgaben für die Ermessensausübung, wie im Falle des 21 TKG; zum anderen enthalten die ersten drei Abschnitte alle für das Marktregulierungsrecht charakteristischen unbestimmten Rechtsbegriffe, für die umstritten ist, ob der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es handelt sich um Begriffe wie Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit beträchtlicher Marktmacht (vgl. 21 Abs. 1 TKG), missbräuchliches Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung (vgl. 28 Abs. 1 TKG), Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (vgl. 31 Abs. 1 TKG), angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals (vgl. 31 Abs. 2 und 4 TKG) oder prognostische Entscheidungen wie die Einschätzung, ob die nachträgliche Entgeltregulierung nach 38 TKG zur Erreichung der Regulierungsziele nach 2 Abs. 2 TKG ausreicht (vgl. 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TKG). Das Marktregulierungsrecht des TKG wirft insofern Fragestellungen auf, die aus anderen Bereichen des Verwaltungsrechts bekannt sind. Die Frage nach der gerichtlichen Kontrolldichte ist eine ewige Streitfrage des Verwaltungsrechts 5 und zugleich eine Besonderheit des öffentlichen Rechts. Sie betrifft die Funktionenteilung zwischen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit, die das Verwaltungshandeln überprüft. Für Zivil- und Strafgerichte stellt sich die Frage der Kontrolldichte soweit sie nicht Verwaltungshandeln kontrollieren typischerweise nicht: Zivil- und Strafgerichte haben eine uneingeschränkte Rechtsanwendungszuständigkeit, weil ihrem Judiz regelmäßig keine dem objektiven Allgemeininteresse verpflichtete Entscheidung eines gesetzlich eingerichteten Hoheitsträgers vorausgeht. 6 Auch der Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist nur von Bedeutung, wenn das Handeln der Verwaltung durch Gerichte kontrolliert wird. Eine wesentliche Aufgabe des allgemeinen Verwaltungsrechts und der rechtswissenschaftlichen Dogmatik insgesamt 7 ist es, für größere Regelungsbereiche Vergleichbarkeiten, Zusammenhänge und Entwicklungslinien aufzuzeigen. Das allgemeine Verwaltungsrecht ermöglicht so, neue Rechtsfragen unter Rückgriff auf das entwickelte System nachvollziehbar zu entscheiden. 8 In einem ersten Schritt wird daher der gegenwärtige Stand der verwaltungsrechtlichen Dogmatik in Bezug auf Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Entscheidungsspielräumen der Verwaltung herausgearbeitet (hierzu im 2. Teil der Darstellung). Ziel der Untersuchung ist zum einen, ein Prüfungsprogramm zu entwickeln, mit dessen 5 Siehe Ibler, Rechtspflegender Rechtsschutz, S. 1 sowie Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 3. 6 Vgl. Ossenbühl, in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10 Rn. 7. 7 Zu Bedeutung und den verschiedenen Funktionen der Dogmatik: Rüthers, Rechtstheorie Rn. 321 ff. 8 Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1. Kap. Rn. 1 und 3 ff. 3

Hilfe die Normen des TKG auf das Vorliegen von Entscheidungsspielräumen untersucht werden können; zum anderen soll der gerichtliche Kontrollmaßstab für behördliche Entscheidungsspielräume näher beschrieben werden. Auf dieser Grundlage sollen die wichtigsten Befugnisnormen der Bundesnetzagentur im Bereich der Zugangs- und Entgeltregulierung ( 9-39 TKG) untersucht werden (hierzu im 3. Teil). Für jede untersuchte Norm ist zu klären, ob und inwieweit sie der Verwaltung einen Entscheidungsspielraum verleiht und gegebenenfalls nach welchen Grundsätzen dieser Entscheidungsspielraum durch die Gerichte kontrolliert werden kann. Die Ergebnisse der Untersuchung werden schließlich im 4. Teil der Darstellung zusammengefasst. 4