KOLLOQUIUM ZUM IPR FS 2015

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Transkript:

KOLLOQUIUM ZUM IPR FS 2015 Prof. Dr. Joachim Frick, LL.M. / J.S.D. joachim.frick@bakermckenzie.com 14. April 2015: Frick 21. April 2015: Frick 28. April 2015: Schnyder 5. Mai 2015: Schnyder 12. Mai 2015: Frick 19. Mai 2015: Schnyder jeweils 18.15 ca. 19.30 Uhr

Fall 1 Ein Schweizer entdeckt auf einem Markt in Italien ein altes Bild und erwirbt es. Nach Rückkehr in die Schweiz erweist sich, dass das Bild gestohlen war. Der Schweizer hatte das nicht gewusst und nach italienischem Recht kann man gutgläubig eine gestohlene Sache zu Eigentum erwerben. Er fragt Sie als Anwalt, wie die Rechtslage ist, falls er auf Herausgabe belangt wird. Seite 2

Ein internationaler Sachverhalt liegt vor, da sich der Belegenheitsort und der Erwerbsort der beweglichen Sache in verschiedenen Ländern befinden Staatsvertrag: LugÜ Gerichtsstand: nach Art. 2 LugÜ sind Personen grundsätzlich vor den Gerichten ihres Wohnsitzstaates zu verklagen (im Gegensatz zu IPRG 98 keine spezielle Regelung für die Zuständigkeit von Klagen betreffend dinglichen Rechten an beweglichen Sachen im LugÜ, kein Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache); daher sind die Schweizer Gerichte am WS zuständig, würde jemand auf Herausgabe des Bildes klagen wollen. Seite 3

Anwendbares Recht: nach Art. 100 IPRG richtet sich der Erwerb beweglicher Sachen nach dem Recht des Staates, in welchem sich die Sache im Zeitpunkt des Vorgangs, aus welchem der Erwerb hergeleitet wird, liegt. Vorliegend muss also nach italienischem Recht beurteilt werden, ob der Geschäftsmann das Eigentum an dem Bild erworben hat. Nach italienischem Recht ist der gutgläubige Erwerb einer gestohlenen Sache möglich. späterer Ortswechsel ist irrelevant (Ausnahmen: Art. 101ff: res in transitu / gestreckte Tatbestände / EV: hier nicht anwendbar) Seite 4

Fall 2 Eine deutsche Bank will der schweizerischen Tochtergesellschaft eines deutschen Konzerns, mit Sitz in Zürich, ein Darlehen gewähren. Der General Counsel der Bank überlegt sich, wie er im Fall eines Verzugs vorgehen müsste. 1. Besteht ein Gerichtsstand in Zürich? 2. Welches materielle Recht ist anwendbar? 3. Was bräuchte es, damit ein Schiedsgericht zuständig ist? 4. Welches materielle Recht wäre anwendbar, wenn ein Schiedsgericht zuständig wäre? Seite 5

1. Internationaler Sachverhalt? Liegt vor, da Parteien in verschiedenen Staaten ihren Sitz haben 2. Zuständigkeit a. LugÜ wenn Zivil- und Handelssache, keine Ausnahme nach Art. 1 Abs. 2 LugÜ, beklagte Person WS in einen gebundenen Staat (Art. 2 Abs.1, erweitert v.a. nach Art. 22 und 23 LugÜ) Seite 6

b. Sonst IPRG: Wenn Ausnahmefall von Art. 1 Abs. 2 oder WS ausserhalb eines gebundenen Staates (Art. 4 Abs. 1, Art. 22/23 LugÜ): Art. 112-115 IPRG in casu: Gericht in Zürich aufgrund Art. 2 Abs. 1 LugÜ (schweizerische Gerichte) i.v.m. Art. 98 IPRG zuständig 3. Anwendbares Recht Grundsatz: Rechtswahl (Art. 116 IPRG) Falls nicht: Objektive Anknüpfung (Art. 117) Spezialfälle: Art. 118 122 Sonderanknüpfungen: Art. 123 126 Seite 7

4. Schiedsgericht zuständig? Voraussetzungen: Art. 177: Schiedsfähigkeit der Streitsache Art. 178: Schiedsklausel Entscheidkompetenz: Art. 186: Kompetenzkompetenz des Schiedsgerichts Anwendbares Recht bei Sitz in der Schweiz: Rechtswahl (Art. 187 Abs. 1) Ausnahmsweise Billigkeit (Art. 187 Abs. 2) Recht des engsten Zusammenhangs (Art. 187 Abs. 1) Seite 8

Fall 3 Ein in München wohnender deutscher Arzt vermietet einem bislang ebenfalls in München wohnenden Kollegen seine Wohnung in Zürich. Die Parteien vereinbaren im Mietvertrag die Anwendung von deutschem Recht. Nach der Kündigung verlangt der deutsche Mieter Erstreckung des Mietverhältnisses nach Schweizer Recht. Kann er das? Seite 9

Internationaler Sachverhalt: Parteien haben Wohnsitz in München, Mietobjekt befindet sich in der Schweiz Staatsvertrag: LugÜ Gerichtsstand: LugÜ Art. 22 Ziff 1: ausschliesslicher Gerichtsstand am Belegenheitsort in der Schweiz (ausser Mietvertrag von weniger als 6 Monaten nach Absatz 2) Anwendbares Recht Rechtswahl auf deutsches Recht IPRG Art. 119 regelt Verträge betreffend Grundstücke, eine Rechtswahl ist gemäss Art. 119 Abs. 2 zulässig (Ausnahme: Konsumentenvertrag nach Art. 120) Seite 10

Mietvertrag als Konsumentenvertrag nach Art. 120 IPRG? Eher nicht, in casu würde wohl ohnehin kein genügender Binnenbezug vorliegen Hinweis: Verhältnis IPRG 119 zu 120 umstritten, Art. 119 eher lex specialis zu Art. 120 Anwendung von Schweizer Recht über IPRG 15? nein, Rechtswahl Anwendung Schweizer Recht über IPRG 17? Entscheidend ist Ergebnis in einem konkreten Fall Anwendung Schweizer Recht über IPRG 18? möglich, aber allgemein umstritten für sozialprotektive Bestimmungen Seite 11

Fall 4 Ein Schweizer Ehepaar heiratet an einem Strand auf Hawaii. Gleichzeitig schliessen sie, ebenfalls auf Hawaii, einen Ehevertrag ab; sie unterstellen den Ehevertrag schweizerischem Recht. Nach der Rückkehr in die Schweiz stellt sich das Paar folgende Fragen: 1. Ist die Ehe in der Schweiz überhaupt gültig? 2. Welchem Recht unterstehen allfällige Unterhaltsansprüche zwischen den Ehegatten? 3. Welchem Recht unterstehen die güterrechtlichen Verhältnisse? Seite 12

A. Internationaler Sachverhalt? Ja, Eheschliessung von Schweizern im Ausland B. Internationale Zuständigkeit LugÜ nicht anwendbar Art. 43 ff. IPRG Ungültigkeitsklage: Art. 45a Unterhaltsansprüche: Art. 46/47 Ehegüterrecht: Art. 51 C. Fragen/anwendbares Recht 1. Ehe ist gültig, sofern nach Recht der USA gültig geschlossen (Art. 45 Abs. 1) und keine Umgehung (Art. 45 Abs. 2). 2. Unterhaltspflichten unterstehen Recht des gemeinsamen Wohnsitzes (Art. 48 Abs. 1; Haager Übereinkommen gemäss Art. 49). Seite 13

3. Anwendbares Ehegüterrecht? Rechtswahl gemäss Ehevertrag ist gültig (Art. 52 Abs. 1), sofern Wohnsitz- oder Heimatrecht (Art. 52 Abs. 2) Ohne Rechtswahl: Recht des (letzten) gemeinsamen Wohnsitzes (Art. 54 IPRG) Wirkung von Wohnsitzwechsel? Art. 55 Seite 14

Fall 5 Ein Schweizer mit Wohnsitz in Zürich möchte in Konstanz ein Motorrad erwerben. Auf der Probefahrt in Konstanz kommt es zu einem Unfall, bei welchem er verletzt wird. Zu einem Kaufvertrag kommt es in der Folge nicht. Er verlangt vom Motorradhändler Ersatz von Spital- und Behandlungskosten. Welches Recht ist anwendbar? Seite 15

Internationale Zuständigkeit Sachliche Anwendbarkeit: Wiener Kaufrecht: Art. 2 lit. a IPRG 134? Haager Übereinkommen über das anwendbare Recht bei Strassenverkehrsunfällen nur ausservertraglich anwendbar LugÜ ist anwendbar, weil Zivil- und Handelssache Räumlich-persönliche Anwendbarkeit LugÜ findet sicher Anwendung, wenn beide Parteien in einem Vertragsstaat ihren Sitz haben (+) örtliche Zuständigkeiten LugÜ 2: Beide Parteien haben den Wohnsitz in einem Vertragsstaat: WS Beklagter LugÜ 5.1: cic vertragsautonom auszulegen LugÜ 5.3: unerlaubte Handlung: Deliktsort (LugÜ 15) LugÜ 15: Kein Konsumentenvertrag, wohl auch nicht lit. c (Eigeninitiative vs. Ausrichtung) mehrere Möglichkeiten denkbar, für die Anwendung des IPRGs (Lex fori) braucht es eine örtliche Zuständigkeit in der Schweiz Seite 16

Anwendbares Recht: IPRG, falls Schweizer Gerichtsstand - subjektive Anknüpfung 132 IPRG (-) - objektive Anknüpfung 133 IPRG (in dieser Reihenfolge): Zuerst kommt die akzessorische Anknüpfung zur Anwendung Art. 133 III IPRG, d.h. die Bestimmung des Deliktsstatus nach einem vorbestehenden Rechtsverhältnis: Evt. Vertragsverhandlungs-Verhältnis Lex communis: Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts (-) Deliktsort: lex loci delicti commissi, somit Deutsches Recht. Begehungs- oder Erfolgsort nach Praxis des EuGH relevant. Seite 17

Fall 6 Ein Ehepaar mit Wohnsitz in Hamburg hat ein gemeinsames Bankkonto bei einer Schweizer Bank in Zürich. Nach der Trennung zieht die Frau in die Schweiz. Der Mann behauptet, die Ehefrau hätte im Zug der Scheidung das Konto leergeräumt. Auf die Klage des Ehemannes in der Schweiz hin macht die Ehefrau die Verjährung nach Schweizer Recht geltend. Der Mann beruft sich auf Art. 134 Abs. 1 Ziff. 3 OR. Welche Verjährungsfristen gelten? Seite 18

Internationaler SV: (+) Deliktsort und Wohnsitz auseinanderfallend Internationale Zuständigkeit sachliche: (+) räumlich-persönliche: (+) örtliche: LugÜ 5.3 Deliktsrecht: wie im IPRG (Art. 129) Handlungsort oder Erfolgsort: Schweizerische Zuständigkeit. Bei reinen Vermögensschäden v.a. Handlungsort, aber auch Ort des geschädigten Vermögens (Schnyder Komm. zum LugÜ, N248 ff. zu Art. 5 Nr. 1-3) Anwendbares Recht IPRG 133 Abs. 3: bestehendes Rechtsverhältnis: Ehe? Deutsches Recht IPRG 133 Abs.1: keine lex communis Deutschland, weil nicht beide Parteien ihren Wohnsitz in Hamburg haben IPRG 133 II: Handlungsort Schweiz Schweizer Recht Verjährung wird nach der lex causae entschieden Falls deutsches Recht anwendbar: Art. 134 als Ordre Public? Seite 19 Kaum genügender Binnenbezug

Fall 7 Ein Schweizer Ehepaar mit Wohnsitz in Zürich erwirbt in Cannes eine Ferienwohnung. Der Ehemann wird Käufer, die Ehefrau unterzeichnet in Cannes gegenüber der finanzierenden französischen Bank eine Bürgschaft zu seinen Gunsten. Nachdem der Ehemann die Hypothekarzinsen nicht mehr bezahlt, will die französische Bank die Ehegattin aus der Bürgschaft belangen. Kann sie das? Seite 20

Internationaler SV: (+) Internationale Zuständigkeit LugÜ Sachliche: es handelt sich um eine Zivil- oder Handelssache (+) räumlich-persönliche: Alle Parteien haben ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat (+) örtliche: die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 LugÜ. LugÜ regelt nur die internationale Zuständigkeit, die örtliche Zuständigkeit innerhalb der Schweiz ergibt sich aus dem IPRG. Vorliegend ist IPRG 112 ff. massgebend. In Frage kommt auch der Gerichtsstand am Erfüllungsort (Art. 5 Abs. 1 LugÜ) Anwendbares Recht Nach IPRG 116 Abs. 1 untersteht der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht, wobei sich eine solche Rechtswahl ausdrücklich oder aus den Umständen ergeben kann. Eine ausdrückliche Wahl haben die Parteien nicht getroffen. Seite 21

Als Anhaltspunkt für die konkludente Rechtswahl erscheint der enge Konnex, den das Sicherungsversprechen zu einem Hauptvertrag aufweist, der v.a. zu Frankreich Berührungspunkte hat. Trotzdem sind die Punkte wahrscheinlich zu schwach, um eine konkludente Rechtswahl anzunehmen. Vor allem Art. 117 Abs. 3 lit. e IPRG deutet an, dass Sicherungsverträge nicht akzessorisch an den Hauptvertrag, sondern selbstständig anzuknüpfen sind. Beim Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt (Art. 117 Abs. 1 IPRG). Seite 22

Vermutung: Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (IPRG 117 Abs. 2) IPRG 117 Abs. 2 lit e: Leistung des Garanten/Bürgen. Die Frau wohnt in Zürich, so dass CH Recht anwendbar ist. (BGE: 128 III 295) Formstatut beachten: IPRG 124 Abs. 1 IPRG. Form am Abschlussort oder nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht. Beachte: Ausnahme in IPRG 124 Abs. 3: Schutz einer schwächeren Partei. Sachliche Beurteilung nach CH Recht Typus: Bürgschaft/ Garantie? Gemäss Sachverhalt nach Schweizer Recht Bürgschaft Form: Nichtigkeit wegen zwingenden Formvorschriften (OR 11 i.v.m. OR 493)? Vorausgesetzt sind der Höchstbetrag, öffentliche Beurkundung und Zustimmung der Ehefrau. Seite 23

Wenn die Bürgschaft nach dem französischen Recht gültig wäre, stellt sich die Frage ob die Gültigkeit des Vertrages gesondert an französisches Recht angeknüpft werden kann? BGE 117 II 490: Angabe des Höchstbetrages sei einerseits eine Formvorschrift, aber auch materielle Voraussetzung der Gültigkeit einer Bürgschaft, so dass nach der geltenden Rechtsprechung die Bürgschaft ungültig wäre. Man kann entgegen dem BGE die Angabe des Höchstbetrags als reine Formvorschrift qualifizieren, dann wäre mittels Sonderanknüpfung der Form an französisches Recht die Bürgschaft gültig, auch wenn kein Höchstbetrag genannt. Je nach vertretener Meinung kann die Frau belangt werden. Seite 24

Fall 8 Ein Schweizer Verwaltungsrat schliesst mit einer deutschen D&O-Versicherung eine Haftpflichtversicherungspolice ab. Diese enthält eine Gerichtsstands- und Rechtswahlklausel zugunsten deutscher Gerichte bzw. deutschen Rechts. Sind die Klauseln gültig? Seite 25

Internationaler Sachverhalt: Vertragspartner haben Wohnsitz in verschiedenen Staaten Staatsvertrag: LugÜ Gemäss Art. 9 LugÜ kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich im Wohnsitzstaat des Versicherers oder vor den Gerichten am Ort seines Wohnsitzes klagen. Vorbehalten bleiben nach Art. 13, LugÜ gültige Gerichtsstandsklauseln Anwendbares Recht: nur bei einer Klage in der Schweiz richtet sich die Frage des anwendbaren Rechts nach dem Schweizer IPRG Rechtswahl auf deutsches Recht (IPRG 116 Abs. 1) Seite 26

Die Qualifikation eines Versicherungsvertrags als Konsumentenvertrag i.s.v. IPRG 120 ist von der konkreten Vertragsgestaltung abhängig (entscheidendes Merkmal ist der übliche Bedarf oder Verbrauch, das BGer hat im Entscheid 5C.222/2005 den dort zu beurteilenden Lebensversicherungsvertrag nicht als Konsumentenvertrag qualifiziert) Für einen Konsumentenvertrag braucht es weiter einen qualifizierten Binnenbezug; dieser ist gegeben, wenn der Versicherer die Bestellung im Wohnsitzstaat des Versicherten entgegengenommen hat (Schweiz) Wird ein Konsumentenvertrag angenommen so ist die Rechtswahl unzulässig (IPRG 120 Abs. 2) Seite 27

Nach IPRG 120 Abs. 1 untersteht der Vertrag dann dem Recht des Staates, in welchem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat Anwendung Schweizer Recht Wird der Versicherungsvertrag nicht als Konsumentenvertrag qualifiziert, so ist die Rechtswahl zulässig (IPRG 116 Abs. 1) Anwendung Deutsches Recht Vorbehalt: Öffentlich-rechtlicher Charakter von Aufklärungspflichten Rechtswahl greift nicht Seite 28

Fall 9 Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz gründete in Liechtenstein eine Liechtensteinische Stiftung zum Zweck der Finanzierung des Unterhaltes seiner Tochter. Jahre später geht er in Konkurs. Seine Gläubiger wollen auf das Vermögen der Liechtensteinischen Stiftung Zugriff nehmen. Können sie das tun? Seite 29

Internationaler Sachverhalt: Konkursmasse in verschiedenen Ländern Staatsvertrag: keine Anwendung LugÜ auf Konkurse Gerichtstand: Konkurs in der Schweiz, also Gerichtsstand in der Schweiz Für Konkursverfahren in der Schweiz sehen die Art. 166 ff. IPRG keine besonderen Regelungen vor, dieses richtet sich ausschliesslich nach dem SchKG. Nach diesem wird aufgrund des Universalitätsprinzips sämtliches im In- und auch im Ausland belegenes Vermögen des Schuldners in das Verfahren einbezogen. Ob Vermögenswerte im Ausland aber tatsächlich einbezogen werden können, beurteilt sich nach dem IPR des betreffenden Landes, in casu also nach dem Recht Liechtensteins. Seite 30

Exkurs: Wird in der Schweiz ein ausländisches Konkursdekret anerkannt, so zieht dies für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich. Im Nachgang zu einem ausländischen Hauptverfahren erfolgt dann in der Schweiz ein sogenanntes Sekundärverfahren Liechtensteinische Stiftung wird in der Schweiz grundsätzlich anerkannt, auch Familienstiftung (Inkorporationstheorie) Verbot von Familienfideikommissen gemäss Art. 335 Abs. 2 ZGB ist keine Loi d application immédiate (BGE 135 III 614) Seite 31

Fall 10 Ein deutsches Pharmaunternehmen klagt in Zürich gegen einen Schweizerisches Importeur wegen unlauteren Wettbewerbs infolge sogenannter Parallelimporte. Der Importeur beruft sich auf die einjährige Verjährung von Art. 60 OR, die deutsche Klägerin auf die längere Verjährungsfrist gemäss BGB. Welche Verjährungsfrist gilt? Seite 32

Internationaler SV: (+) Internationale Zuständigkeit sachliche: (+) Handels- und Zivilssache räumlich-persönliche: (+) Beide Parteien haben ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat örtliche: LugÜ 2; LugÜ 5.3: Unter 5.3 LugÜ fällt der Bereich des klassischen Haftpflichtrechts im weitesten Sinne, aber auch etwa Ansprüche aus Produkthaftung, UWG und Kartellrecht. Beachte: Handlungsort / Erfolgsort Anwendbares Recht IPRG 136/137: Ansprüche aus UWG unterstehen dem Recht des Staates, auf dessen Markt der Geschädigte von der Behinderung unmittelbar betroffen ist (Auswirkungsprinzip). Beachte: Mehrfachauswirkung möglich. In casu: Deutschland Seite 33

Einschränkung in IPRG 137 Abs. 2. Die Einschränkung betrifft nur die einem Kläger zusprechbaren Leistungen (SE, Genugtung, Gewinnherausgabe), nicht aber die Haftungsvoraussetzungen (Widerrechtlichkeit, Verschulden, Kausalzusammenhang, Verjährung), welche ausschließlich dem berufenen Recht unterstehen. Verjährung: nach dem schweizerischen Verständnis nach lex causae Auswirkung in Deutschland, so dass die längere Verjährung gemäss BGB massgebend ist. Seite 34