Rechtsfragen des Imitationsmarketing

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4 Ob 38/12k. B e s c h l u s s. gefasst:

Transkript:

Rechtsfragen des Imitationsmarketing RA Dr. Bernhard Tonninger Partner bei Tonninger, Schermaier, Maierhofer & Partner Rechtsanwälte RA Dr. Michael Horak, LL.M. Partner bei Salomonowitz Horak Rechtsanwälte Rechtsfragen des Imitationsmarketing Kann/darf Verkehrsgeltung Tatbestandselement von Imitationsmarketing sein und wenn ja, in welcher Form? Aufbau: I. Vermeidbare Herkunftstäuschung nach 1 UWG II. Tatbestand der RL-UGP III. Tatbestand des UWG IV. Judikatur des OGH V. Kritik VI. Lösungsvorschläge 1

I. Vermeidbare Herkunftstäuschung 4 Ob 2085/96p, Hier wohnt Die Nachahmung fremder Erzeugnisse, die keinen Sonderschutz genießen, ist grundsätzlich erlaubt. Wettbewerbsrechtlich verboten ist eine solche Nachahmung aber dann, wenn sie unter Begleitumständen erfolgt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt. 2

4 Ob 2085/96p, Hier wohnt Verwechslungsgefahr ist (nur) dann anzunehmen, wenn dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zukommt. Verkehrsgeltung des nachgeahmten Produktes ist nicht notwendig, sondern nur eine gewisse Verkehrsbekanntheit; das Produkt muss also bereits in Verkehr gesetzt und auf diese Weise dem Publikum bekannt geworden sein. 4 Ob 210/00m, Norwegerpullover Eine "vermeidbare Herkunftstäuschung" setzt voraus, dass eine bewusste Nachahmung vorliegt, die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre. Verwechslungsgefahr ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zukommt. (st Rsp: zuletzt OGH 4Ob110/10w, Musiktruch'n Musigtruchn) 3

Rufausbeutung: 4 Ob 257/00y, Die Blauen von D. Wärmedämmplatten: Farbe Blau als Ausstattung Fehlt bes. Tatbestandsmerkmal des 9 UWG, ist ein Rückgriff auf 1 UWG grundsätzlich möglich, [wenn Zeichenverletzung unlauter ist]. Wenn Verkehrsgeltung als Voraussetzung des kennzeichenrechtlichen Schutzes fehlt, ist bez 1 UWG Zurückhaltung geboten, weil 1 UWG nicht dazu dienen darf, die Grenzen des kraft Verkehrsgeltung gewährten kennzeichenrechtlichen Schutzes ohne weiteres zu unterlaufen. Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Schutz des 1 UWG kommt daher nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall zusätzliche Umstände hinzutreten, die die Annäherung an die fremde Kennzeichnung als eine unlautere Werbemaßnahme erscheinen lassen. II. Tatbestand der RL-UGP 4

Imitationsmarketing nach RL-UGP Verbot unlauterer Geschäftspraktiken gem Art 5 RL-UGP Definition unlauterer Geschäftspraktiken Definition von Gruppen besonders schutzwürdiger Verbraucher Hinweis auf irreführende Geschäftspraktiken nach AArt 6,7 RL-UGP Hinweis auf Schwarze Liste von per-se-verboten Tatbestand Imitationsmarketing Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP Per-se-Verbot irreführende Produktwerbung Nr 13 des Anhang I der RL-UGP Imitationsmarketing nach RL-UGP Tatbestand Imitationsmarketing: Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP: Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet: a) jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet; 5

Imitationsmarketing nach RL-UGP Per-se-Verbot irreführende Produktwerbung (Nr 13 des Anhang I der RL-UGP): Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten: 13. Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, in einer Weise, die den Verbraucher absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist. Per-se-Verbot irreführende Produktwerbung Schließt Begriff Werbung bloße Produktausstattungen aus? Definition is der RL Irreführende und Vergleichende Werbung: - jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern; EuGH C-112/99, Toshiba: Werbung is der RL wird weit definiert: Äußerung in einer beliebigen Form Damit sprechen gute Gründe dafür, dass auch besondere Produktausstattungen und Produktverpackungen als wohl unmittelbarste Form der Kommunikation Werbebotschaft sind; 6

III. Tatbestand des UWG Imitationsmarketing nach UWG Verkürzte, weitgehend wörtliche Umsetzung 2 Abs 3 Z 1 UWG: Eine Geschäftspraktik gilt ferner als irreführend, wenn sie geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte und das Folgende enthält: 1. jegliche Vermarktung eines Produkts einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem Produkt oder Unternehmenskennzeichen eines Mitbewerbers begründet; Nr 13 des Anhangs I der RL-UGP: wörtlich umgesetzt 7

Unterschiede RL-UGP./.UWG Eine Geschäftspraktik gilt als irreführend, wenn RL-UGP:..sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist UWG: sie geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte: Begriff Marktteilnehmer : Erfassung von Sachverhalten im B2B-Bereich Marktteilnehmer muss jedenfalls Durchschnittsverbraucher nach der Rsp des EuGH umfassen: Nach ErwGr 18 der RL-UGP ist dieser angemessen gut unterrichtet, angemessen aufmerksam und kritisch. Unterschiede RL-UGP./.UWG Welche Kennzeichen sind geschützt? Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP: Produkte Warenzeichen (trade mark / marque) Warennamen (trade name / nom commercial) andere Kennzeichen (distinguishing mark / signe distinctif) 2 Abs 3 Z 1 UWG: Produkte Unternehmenskennzeichen Unternehmenskennzeichen müssen is der RL-UGP interpretiert werden und damit Warenzeichen, Warennamen und andere Kennzeichen umfassen. 8

Verwechslungsgefahr Eingrenzung der beteiligten Verkehrskreise: Sicht des Durchschnittsverbrauchers: durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig situationsadäquater Aufmerksamkeitsgrad Gesamtbeurteilung anhand folgender Kriterien (bewegliches System): Ähnlichkeit der Waren / Dienstleistungen Ähnlichkeit der Zeichen: Schutz nur für Zeichen mit selbständiger kennzeichnender Bedeutung Bekanntheitsgrad der älteren Marke auf dem Markt: erhöht Verwechslungsgefahr, wichtig bei schwachen Marken Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn genügt: wirtschaftliche oder organisatorische Verbindung zwischen Unternehmen Dieselben Kriterien sind auch bei 2 Abs 3 Z 1 UWG anzuwenden (17 Ob 26/11i, Gulliver s Reisen III) Formelle Aspekte Aktivlegitimation: Sanktionen von RL-UGP unberührt alle Mitbewerber ( 14 UWG) MarkenR / 1 UWG: nur Rechteinhaber Verwirkung: als allg. Rechtsinstitut nicht in Österr. anerkannt 58 MSchG, 9 Abs 5 UWG Nicht: 2 UWG 9

IV. Judikatur des OGH Wiederkehrende Fragen: Muss ein Produkt / Unternehmenskennzeichen im Verkehr bekannt sein, damit der Tatbestand des Imitationsmarketings erfüllt ist? Welcher Bekanntheitsgrad ist erforderlich? 17 Ob 7/09t, Das blaue Wunder Verkehrsgeltung ist - anders als nach 9 Abs 3 UWG - kein Tatbestandselement des 2 Abs 3 Z 1 UWG. Der Tatbestand nach 2 Abs 3 Z 1 UWG (Imitationsmarketing) ist erfüllt, wenn eine Produktverpackung, die geeignet ist, beim Verbraucher eine Herkunftsvorstellung auszulösen (also wettbewerbliche Eigenart besitzt), herkunftstäuschend nachgeahmt wird. 10

17 Ob 14/10y, relaxx.at OGH führt in relaxx.at erstmals aus, dass es Stimmen dafür gibt, dass Produktausstattung nur dann ein Unternehmenskennzeichen sein kann, wenn sie im Verkehr bekannt ist. Setzt man voraus, dass Durchschnittsverbrauchers die angeblich nachgeahmte Aufmachung kennt und als Hinweis auf ein bestimmtes (anderes) Unternehmen versteht, wäre Verkehrsgeltung der Ausstattung erforderlich. Der OGH lässt diese Frage in der Folge in dieser E jedoch ausdrücklich offen. 17 Ob 10/11m, Jungle Man Kernaussage: Irreführung setzt voraus, dass die Marken tatsächlich benutzt werden und zumindest eine gewisse Verkehrsbekanntheit erlangt haben, weil sonst eine Irreführung der angesprochenen Kunden durch Verwendung eines gleichartigen Zeichens ausscheidet. 11

17 Ob 26/11i, Gulliver s Reisen III Verwendet für: Veranstaltung von Reisen 17 Ob 26/11i, Gulliver s Reisen III Verwechslungsgefahr aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen: Könnte er aufgrund der Aufmachung annehmen, dass Produkt aus bestimmtem anderem Unternehmen stammt? Verkehrsgeltung ist erforderlich: 9 Abs 3 UWG darf nicht unterlaufen werden Eigenständige Bedeutung von 2 Abs 3 Z 1 UWG liegt in erweiterter Klagelegitimation 12

17 Ob 22/11a, wetter.tv Schutzumfang der generischen Domain www.wetter.at war fraglich Bestätigung Gulliver s Reisen III: Verwechslungsgefahr kann nur entstehen, wenn der Mitbewerber für sein Unternehmenskennzeichen oder die Ausstattung seines Produkts Verkehrsgeltung erlangt hat, denn nur dann kann der Durchschnittsverbraucher das Zeichen oder die Ausstattung als Hinweis auf ein anderes (bestimmtes) Unternehmen sehen. V. Kritik an der Judikatur Sechs Thesen wider ein Tatbestandselement Verkehrsgeltung 13

These 1: Europarecht hat Vorrang RL-UGP bezweckt Vollharmonisierung MS dürfen Tatbestände der RL-UGP in deren Anwendungsbereich (B2C) weder einschränken noch erweitern Verkehrsgeltung ist österr. Rechtsbegriff, in der RL-UGP / Marken-RL / GMV nicht vorgesehen Nur EuGH darf ungeschriebene Tatbestandsmerkmale ergänzen, Rückgriff auf 9 Abs 3 ist verfehlt These 2: Für EuGH ist Unterscheidungskraft relevant Welche Kennzeichen sind geschützt? Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP: Produkte Warenzeichen (trade mark / marque) Warennamen (trade name / nom commercial) andere Kennzeichen (distinguishing mark / signe distinctif) 2 Abs 3 Z 1 UWG: Produkte Unternehmenskennzeichen 14

These 2: Für EuGH ist Unterscheidungskraft relevant OGH verweist auf EuGH, C-112/99, Toshiba zu Unterscheidungszeichen isd RL 84/450: Auch der EuGH nimmt das Vorliegen eines Unterscheidungszeichens isd [RL 84/450] an, wenn es vom Verkehr als von einem best Unternehmen stammend identifiziert wird. Es liegt daher unabhängig von 9 Abs 3 UWG nahe, auch den Kennzeichenbegriff in 2 Abs 3 Z 1 UWG ids zu verstehen. OGH 17 Ob 14/10y, relaxx.at und 17 Ob 26/11i, Gulliver s Reisen III These 2: Für EuGH ist Unterscheidungskraft relevant Verweis auf EuGH C-112/99, Toshiba, ist verfehlt: Toshiba betrifft Rufausbeutung von OEM-Nummern Verwechslungsgefahr Unterscheidungskraft/guter Ruf von OEM-Nummern nicht selbstverständlich zitierte EuGH-Judikatur (C-112/99, Toshiba; C-342/97, Lloyd Schuhfabrik) behandelt nur (erhöhte) Unterscheidungskraft, nicht Verkehrsgeltung 15

These 2: Für EuGH ist Unterscheidungskraft relevant C-342/97, Lloyd Schuhfabrik Sind die Marken Lloyd und Loint s verwechselbar ähnlich? Genügt ein Bekanntheitsgrad von 10% bzw 36% für erhöhte Kennzeichnungskraft? Ist dann Verwechslungsgefahr gegeben? Um die Kennzeichnungskraft einer Marke zu bestimmen und folglich zu beurteilen, ob sie eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitzt, ist die Eignung der Marke zu prüfen, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Es sind alle Faktoren zu berücksichtigen Kann nicht allg bestimmt werden, zb nicht durch bestimmte Prozentsätze These 3: Verkehrsgeltung nur bei fehlender Unterscheidungskraft erforderlich Keine Legaldefinition der Verkehrsgeltung eindeutiger Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen 4 Abs 2 MSchG: durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft Überwindung fehlender originärer Unterscheidungskraft muss bei allen beteiligten Verkehrskreisen in ganz Österreich vorliegen Deutschland: Verkehrsdurchsetzung 16

These 3: Verkehrsgeltung nur bei fehlender Unterscheidungskraft erforderlich Beispiele: NEWS für Nachrichtenmagazin SHOPPING CITY für Einkaufszentrum Registrierung nur mit Nachweis erworbener Unterscheidungskraft These 3: Verkehrsgeltung nur bei fehlender Unterscheidungskraft erforderlich 9 Abs 3 UWG Voraussetzung für Schutz von Ausstattung nur in einem Teil der beteiligten Verkehrskreise Historische Bedeutung (UWG 1923)? 17

These 3: Verkehrsgeltung nur bei fehlender Unterscheidungskraft erforderlich Historisch (UWG 1923): Unterscheidungskraft wurde Ausstattung generell abgesprochen Registriert werden konnten nur Wort- und Bildmarken Heute anderes Markenverständnis, auch Ausstattung ist markenfähig 18

These 3: Verkehrsgeltung nur bei fehlender Unterscheidungskraft erforderlich Verkehrsgeltung = erworbene Unterscheidungskraft Wie können originär unterscheidungskräftige Zeichen Verkehrsgeltung erlangen? These 3: Verkehrsgeltung nur bei fehlender Unterscheidungskraft erforderlich GAMEWARE 17 Ob 28/11h wetter.at 17 Ob 22/11a 19

These 4: Auch österr. Recht schützt unregistrierte Kennzeichen ohne Verkehrsgeltung gegen Verwechslungsgefahr 9 Abs 1 UWG, 32 MSchG: Name Firma besondere Bezeichnung (insb. Domain Names) Art 8 PVÜ: ausländische Firmen, in Österr. benutzt Om 12/92: keine Verkehrsbekanntheit erforderlich These 5: Einheitliche Beurteilung von Verwechslungsgefahr Verwechslungsgefahr isd RL-UGP Verwechslungsgefahr isd Marken-RL / GMV? OGH: konkrete Irreführung (17 Ob 6/11y, alcominternational.at) RL-UGP (engl./fr.): which creates confusion likelihood of confusion 20

These 5: Einheitliche Beurteilung von Verwechslungsgefahr Verwechslungsgefahr nach Marken-RL/GMV: (C-251/95, Sabèl/Puma; C-39/97, Canon) Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls: Eingrenzung der beteiligten Verkehrskreise Ähnlichkeit der Waren/DL Ähnlichkeit der Zeichen Bekanntheitsgrad der älteren Marke auf dem Markt These 5: Einheitliche Beurteilung von Verwechslungsgefahr Auch im Markenrecht ist Verwechslungsgefahr aus Sicht der relevanten Verkehrskreise unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen Auch Verbot irreführende Werbung schützt immer vor Irreführungsgefahr, nicht nur tatsächlicher Irreführung 2 Abs 3 Z 1 UWG schützt Kennzeichen vor Verwechslung Kernfunktion des Markenrechts Einheitlicher Beurteilungsmaßstab der Verwechslungsgefahr im Kennzeichenrecht 21

These 6: Wettbewerbliche Relevanz als Korrektiv 2 Abs 1 Z 3 UWG: Eignung, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Unterschied zu Markenrecht / 9 UWG Nur unter besonderen Umständen möglich, insb. bei bekannten Marken Verkehrsgeltung ( erworbene Unterscheidungskraft ) kein Kriterium VI. Lösungsvorschläge 22

Mögliche Rechtfertigung der höchstgerichtlichen Rsp Verkehrsgeltung ist ausschließlich auf Grundlage von (Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP) zu beurteilen! 2 Abs 3 Z 1 UWG Ansatzpunkte zu deren Bestimmung aus Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP: Durchschnittsverbraucher und/oder Relevanz Argument: Was jemand nicht kennt, über das kann er auch nicht in die Irre geführt werden. Durchschnittsverbraucher Richtlinientext: Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte Notwendigkeit, diesen einen Durchschnittsverbraucher zu bestimmen? 23

Durchschnittsverbraucher OGH wählt den Weg über den Durchschnittsverbraucher: Frage: Was kennt der angemessen gut unterrichtete, angemessen aufmerksame und kritische Durchschnittsverbraucher? OGH 17 Ob 14/10y, relaxx.at: Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen; es ist zu fragen, ob er im konkreten Fall aufgrund der Aufmachung annehmen könnte, dass ein Produkt aus einem bestimmten anderen Unternehmen stammt. Das setzt wohl voraus, dass der Durchschnittsverbraucher (maw ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kreise) die angeblich nachgeahmte Aufmachung kennt und als Hinweis auf ein bestimmtes (anderes) Unternehmen versteht. Beispiel: Produktausstattung, welche 20-40% der angesprochenen Verkehrskreise kennen: Anderes Ergebnis wenn: der Durchschnittsverbraucher (erfordert wohl formal zumindest 50%?) oder ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kreise Relevanz Geschäftspraktik muss im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände zumindest geeignet sein, einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Frage: Kann eine Geschäftspraktik, die der Durchschnittsverbraucher nicht kennt, geeignet sein, ihn zu einer anderen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen? Letztlich ist, Verwechslungsgefahr vorausgesetzt, auch bezüglich der Relevanz die Kenntnis des Durchschnittsverbrauchers vom imitierten Produkt/Unternehmenskennzeichen Voraussetzung. 24

Vorlage an EuGH? Notwendig, da Art 6 Abs 2 lit a RL-UGP offensichtlich unklar Vorschlag für Fragen: Schützt Art 6 Abs 2 lit a alle Zeichen mit originärer/erworbener Unterscheidungskraft oder nur solche mit einer gewissen Bekanntheit? Falls Bekanntheit erforderlich ist, wie ist diese zu beurteilen? Ist Verwechslungsgefahr gleich zu beurteilen wie nach der Marken-RL/GMV? 25