Erwiderung des Bundes Naturschutz auf die Zwölf Eckpunkte der Bayerischen Staatsregierung zur Agrogentechnik aus der Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (2003) Daten + Fakten + Ziele - Zwölf Eckpunkte zur Grünen Gentechnik Landesfachgeschäftsstelle Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Tel. 0911/81 87 8-0 Fax 0911/86 95 68 lfg@bund-naturschutz.de www.bund-naturschutz.de Landesfachgeschäftsstelle Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Tel. 0911/81 87 8-0 Fax 0911/86 95 68 lfg@bund-naturschutz.de www.bund-naturschutz.de
Inhalt 1) Sicherheit von GVO 3 2) Agrogentechnik Hochtechnologie ist sie beherrschbar? 3 3) Kommerzialisierung der Agrogentechnik? 4 4) Wahlfreiheit noch gegeben? 4 5) Agrogentechnik und Entwicklungspolitik 5 6) Koexistenz ist sie realisierbar? 5 7) Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis nutzen 6 8) Rechtsaspekte der Agrogentechnik 6 9) Öffentlichkeitsarbeit bezüglich Agrogentechnik 7 10) Agrogentechnik und Förderungspolitik 7 11) Patentschutz Nutzen für wen? 8 12) Agrogentechnik und Standort Deutschland Frage 8 Impressum 9 2
Erwiderung des Bundes Naturschutz auf die Zwölf Eckpunkte der Bayerischen Staatsregierung zur Agrogentechnik Die Bayerische Staatsregierung vertritt auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik die folgenden Eckpunkte: ( Seite 4 Broschüre) Der Bund Naturschutz in Bayern e.v. ( BN) erwidert darauf: 1) Sicherheit von GVO Beim Umgang mit der Grünen Gentechnik hat die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberste Priorität. Die Grüne Gentechnik ist wie jede Technologie nicht frei von Risiken, das vorhandene rechtliche und materielle Instrumentarium erlaubt jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand einen sicheren Umgang mit GVO. Die Risiken der Grünen Gentechnik müssen hierbei gegen Risiken anderer Formen der Landbewirtschaftung und Lebensmittelerzeugung abgewogen werden, so dass insgesamt, auch angesichts der gewonnenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Gentechnik, erwogen werden könnte, das besondere Technologiefolgen unterstellende Gentechnikrecht in ein allgemeines Biostoffrecht zu überführen. Ob das vorhandene rechtliche und materielle Instrumentarium einen sicheren Umgang mit GVO im Freiland erlaubt, kann derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden, dafür ist der Erfahrungszeitraum von bestenfalls 10-15 Jahren viel zu kurz. Das Gentechnikrecht, das die Besonderheit der gentechnischen Veränderung von Organismen und die große Unsicherheit bezüglich ihrer Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu berücksichtigen sucht, darf deshalb keinesfalls in ein allgemeines Biostoffrecht überführt werden. 2) Agrogentechnik eine beherrschbare Hochtechnologie? Nach den bisher gesammelten Erfahrungen im Umgang mit der Grünen Gentechnik und im weltweiten Anbau von GVP sowie deren Verwendung als Lebens und Futtermittel ist davon auszugehen, dass die Grüne Gentechnik eine sichere und beherrschbare Hochtechnologie darstellt. 3
Dass die Grüne Gentechnik nicht beherrschbar und begrenzbar ist, zeigen die zahlreichen Beispiele der GVO-Verunreinigung von Produkten, Saatgut und Flächen von Landwirten, die selbst keine GVO einsetzen, sei es in den USA, Kanada, Mexiko oder in anderen Ländern (www.gmcontaminationregister.org, www.foeeurope.org). Über die Aussage, dass die Grüne Gentechnik eine sichere Hochtechnologie darstelle, gibt es erst recht keinen wissenschaftlichen Konsens. 3) Rasche Durchsetzung von GVO? Der kommerzielle Anbau von GVP muss rasch ermöglicht werden, um den Landwirten die Möglichkeit zu geben, die agronomischen Vorteile in der Produktion zu nutzen und die Umwelt zu entlasten. Das geltende Recht lässt die staatliche Anordnung von gentechnikfreien Zonen nicht zu. Sie wären auch im Hinblick auf den freien Warenverkehr und das Recht der Landwirte auf freie Berufsausübung nicht realisierbar. Wie weit die Landwirtschaft tatsächlich langfristig agronomische Vorteile aus dem Anbau transgener Pflanzen zieht oder dadurch gar die Umwelt entlastet, ist heftig umstritten. So führt der Anbau herbizidresistenter Pflanzen zu einem immer höheren Herbizideinsatz. Ein Blick nach Amerika zeigt zudem, dass die Landwirte in erster Linie von den Agromultis und staatlichen Subventionen abhängig werden und Gefahr laufen, Märkte zu verlieren. Dass gentechnikfreie Regionen realisierbar sind, zeigen die Beispiele unserer Nachbarländer Österreich und Italien. Um ihre Einrichtung zu erleichtern, muss das geltende EU-Recht geändert werden, wie es von der Vereinigung der Regionen Europas gefordert wird. 4) Wahlfreiheit wirklich erwünscht? Landwirte und Verbraucher müssen die Wahlfreiheit haben zu entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel haben wollen oder nicht. Mit der baldigen Einführung umfassender Kennzeichnungsregelungen für derartige Produkte wird die für die Ausübung der Wahlfreiheit notwendige Information des Verbrauchers verbessert. 4
Die neuen Kennzeichnungsregeln haben die Möglichkeiten für die Verbraucher, ihre Wahlfreiheit auszuüben, sicherlich verbessert. Ein erhebliches Defizit besteht allerdings in der fehlenden Kennzeichnung tierischer Produkte. Der Bund Naturschutz fordert deshalb auch die Kennzeichnung von Milch, Fleisch, Eiern etc., die von Tieren stammen, die mit Gentech-Futter gefüttert wurden. Nur dann ist echte Wahlfreiheit gegeben. Die beste Wahl ist jedoch der Kauf von Ö- kolebensmitteln, da bei ihrer Produktion Gentechnik mit Sicherheit nicht eingesetzt wird. 5) Agrogentechnik und Entwicklungspolitik Die Chancen der Grünen Gentechnik für eine nachhaltige, dauerhaft umweltgerechte Wirtschaftsweise sowie zur Sicherstellung der Ernährung in der Dritten Welt müssen wahrgenommen werden. Eine nachhaltige, dauerhaft umweltgerechte Wirtschaftsweise muss gar nicht erst erfunden werden, denn im kontrolliert biologischen Anbau stehen bereits entsprechende, angepasste Anbausysteme bereit, die gerade auch unter Bedingungen der Dritten Welt die Ernährung sichern und die Gesundheit der Menschen sowie die Umwelt schützen können, ohne die Risiken der Gentechnik mit sich zu bringen. 6) Koexistenz ist sie realisierbar? Die Koexistenz von GVO-Anbau und konventioneller Landwirtschaft sowie Ö- kolandbau erfordert praktikable Schwellenwerte. Es gibt entsprechende betriebliche und pflanzenbauliche Maßnahmen, um solche Schwellenwerte einzuhalten. Die Koexistenz verlangt von den Beteiligten, alles Zumutbare zu unternehmen, um wirtschaftliche Einbußen zu minimieren. Am Begriff praktikable Schwellenwerte scheiden sich die Geister, denn nach Lesart der Bayerischen Staatsregierung bedeutet dies offenbar, dass GVO- Kontaminationen gang und gäbe würden und es eine wirklich gentechnikfreie Produktion nicht mehr geben soll. Landwirten und Verbrauchern bliebe nur die Wahl zwischen mehr oder weniger Gentechnik, damit bliebe aber die auch von der Politik viel beschworene Wahlfreiheit auf der Strecke. 5
7) Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis nutzen Politische und rechtliche Entscheidungen müssen sich am Stand der Wissenschaft und den in der Praxis gewonnenen Erfahrungen mit dem Anbau von GVP sowie der Verwendung der daraus gewonnenen Lebens- und Futtermittel orientieren. Die EU tut gut daran, aus den Erfahrungen in Amerika mit dem GVO-Anbau zu lernen und anders als die USA dem Vorsorgeprinzip größtes Gewicht zuzumessen. Gerade in den USA kommt es immer wieder zu Skandalen im Zusammenhang mit GVO: sei es der StarLink-Mais, der, obwohl nur als Tierfutter zugelassen, auch in Lebensmitteln auftauchte und zu teuren Rückrufaktionen führte, sei es die Kontamination anderer Felder mit Pharmamais oder wie vor kurzem berichtet, die Kontamination von Mais durch den nirgends zugelassenen insektenresistenten Bt10-Mais (www.gmcontaminationregister.org). 8) Rahmenbedingungen für Agrogentechnik In der Rechtsetzung ist darauf zu achten, dass nicht ohne zwingende Gründe über die EG-rechtlichen Anforderungen hinaus gehenden Verschärfungen erfolgen. Insgesamt sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Bayern, Deutschland und der EU ermöglichen, den Anschluss an die Weltspitze auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik zu gewinnen. Wie bereits dargestellt, birgt die Grüne Gentechnik eine Reihe von Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt und bringt die Landwirte in Abhängigkeit von einigen wenigen internationalen Agromultis. Weshalb es so dringlich sein soll, in der Anwendung einer derart risikoreichen Technologie an der Weltspitze zu stehen, ist nicht ersichtlich. Eine entsprechende Deregulierung ist demzufolge keineswegs angesagt. Offenbar sieht die Versicherungswirtschaft den dringenden Bedarf, hier an der Weltspitze zu stehen nicht, denn bislang gibt es kein Versicherungsunternehmen, das bereit wäre, die Risiken der Gentechnik zu versichern. 6
9) Öffentlichkeitsarbeit Die in der Bevölkerung vorhandenen Vorbehalte und Ängste im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln müssen ernst genommen werden. Die Öffentlichkeitsarbeit auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik muss intensiviert werden, um dem Bürger eine objektive und umfassende Darstellung der vorliegenden Erkenntnisse zu vermitteln, z.b. im Rahmen des Verbraucherinformationssystems VIS im Internet und in der staatlichen Ernährungsberatung über Multiplikatoren. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Bayerische Staatsregierung die Bürger objektiv und umfassend informieren und nicht für Pro-Gentechnik-Kampagnen Steuermittel ausgeben würde. Aber möglicherweise ist ihr durchaus bewusst, dass Menschen, die objektiv und umfassend informiert sind, eine große Skepsis bezüglich der Versprechungen der Grünen Gentechnik zeigen und sie mehrheitlich ablehnen. 10) Agrogentechnik und Förderungspolitik Eine starke staatliche und private Forschung im Bereich der Grünen Gentechnik ist notwendig, um zu gewährleisten, dass der heimischen Landwirtschaft das Potenzial dieser Technologie nicht länger vorenthalten wird. Zur Zukunftssicherung der mittelständischen Pflanzenzüchtungs-Unternehmen werden diese von Freistaat aktiv unterstützt. Es müssen eigene Patente entwickelt werden, um zu verhindern, dass wenige multinationale Konzerne den Markt für GVP unter sich aufteilen. Aufgabe des Staates ist es nicht, eine risikoreiche Technologie zu entwickeln, sondern die Landwirtschaftsformen zu fördern, die seit langem gezeigt haben, wie eine nachhaltige und die Gesundheit und Umwelt schützende Produktion aussehen kann, bei gleichzeitigem Erhalt der bäuerlichen Betriebe. Auch von kleineren Pflanzenzüchtern und staatlichen Stellen angemeldete Patente sind Patente, die den Anspruch erheben, eine patentierte Pflanze sei geistiges Eigentum des Patentinhabers und damit in seiner ausschließlichen Verfügung. 7
11) Patentschutz Nutzen für wen? Die Biopatentrichtlinie stellt einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den ü- ber zehn Jahre lang diskutierten Standpunkten der Interessengruppen dar. Sie sollte so bald wie möglich weitgehend 1:1 in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Biopatentrichtlinie wurde inzwischen in deutsches Recht umgesetzt, ohne dass es wesentliche Änderungen im Bereich des Patentschutzes für Pflanzen gegeben hätte. Zu kritisieren ist insbesondere, dass weiterhin Gene, Organe und Organismen wie Pflanzen und Tiere quasi als Erfindung und damit als patentfähig bewertet werden und so der exklusiven Verfügung der Patentinhaber unterworfen werden. 12) Agrogentechnik und Standort Deutschland Frage Wohlstand und Arbeit können nur gesichert werden, wenn Deutschland als rohstoffarmes Land ein führender Wissenschafts- und Technologiestandort bleibt. Daher sind insbesondere die Anstrengungen in der Grünen Gentechnik zu verstärken, um im Wettbewerb um Innovationen und Spitzenforschung bestehen zu können. Deutschland wird auch in Zukunft ein führender Wissenschafts- und Technologiestandort bleiben, engagierte und wissbegierige Menschen werden ihr Teil dazu beitragen. Techniken aber, die ein hohes Risikopotential haben, müssen sehr kritisch betrachtet werden, denn Innovationen sind kein Selbstzweck. Vielmehr ist anhand von Kriterien wie Risiko, Rückholbarkeit, Alternativen, tatsächliche Notwendigkeit und soziokulturelle Auswirkungen zu entscheiden. Nicht alles was machbar ist, muss auch gemacht werden! 8
1 Impressum Herausgeber Bund Naturschutz in Bayern e.v. (BN) Landesfachgeschäftsstelle Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Autorin Dr. Martha Mertens Sprecherin des Arbeitskreis Gentechnik des Bundes Naturschutz in Bayern e.v. Textbearbeitung und Redaktion Marion Ruppaner, BN-Agrarreferentin Juni 2005 9