Bevorzugter Zitierstil Schmid, B. (2016) Bestellen oder Einkaufen gehen? Ein Entscheidungsexperiment, Verkehrsingenieurtag 2016, Zürich, März 2016.
Bestellen oder Einkaufen gehen? Ein Entscheidungsexperiment Basil Schmid IVT ETH Zurich Alumni Verkehrsingenieurtag 17 th of March 2016
Danksagung Kay W. Axhausen: Betreuung und Unterstützung Simon Schmutz: Datenaufbereitung und persönliche Beratung Milos Balac: Routenberechnung in MATSim Maxim Janzen: L A TEX Folienvorlage SNSF: Projektfinanzierung
Wie der Onlinehandel die Strassen verstopft Quelle: Tagesanzeiger, 23. Februar 2016 4
Online und konventionelles Einkaufsverhalten Einstellungen gegenüber Online-Shopping: Schweizer Studie zeigt signifikante Unterschiede in Alter, Geschlecht und Einkommen auf (Rudolph et al., 2004) Veränderung von Einkaufsgewohnheiten Intrinsischer Wert des Ladeneinkaufens als Aktivität Unsicherheit und Informationsasymmetrie Tradition, Ansichten und Erfahrung Rotem-Mindali und Salomon (2007): Tiefere Produktpreise als Hauptgrund für Online-Shopping Dijst, Farag und Schwanen (2008): Entscheidungsmodell inkl. Einstellungen zum Online vs. Ladeneinkauf Mokhtarian und Tang (2012): Multivariate Probitmodelle zur simultanen Wahl von verschiedenen Einkaufskanälen 5
Einkaufen in einer Post-Car World = Post-Car World (PCW): Erstes alternativen-spezifisches Hybrid Choice Modell in diesem Forschungsbereich Projektrahmen: Ausschluss privater Autos, gerechtfertigt durch zunehmend autofreie Politikmaßnahmen Wie sensibel reagieren die Leute auf Veränderungen in Attributen bezüglich der Entscheidung zwischen Ladeneinkäufen und Online-Shopping? Wie beeinflussen Einkommen und Einstellungen die Preissensibilität? Wie sind die Einstellungen verteilt, und wie hängen sie von den soziodemographischen Eigenschaften ab? 6
Einkaufen in einer Post-Car World Quelle: www.focus.de, 3. Dezember 2015 7
PCW: Eine mehrstufige Verkehrserhebung 8
Rücklaufquoten @ IVT, ETH Zürich Response Rate [%] 0 20 40 60 80 100 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 Response Burden Score [ ] Prior recruitment and incentive Exp. fit & 95 % CI Prior recruitment, no incentive Exp. fit No prior recruitment, no incentive Exp. fit PCW (Pre Test) PCW (Wave I) PCW (Wave II) Quelle: Axhausen, Schmid and Weis, 2015 9
Daten (220 Haushalte; 339 Personen) Variable Wert MZ2010 [%] PCW15 [%] Haushaltseinkommen Nicht berichtet 24.1 5.7 < 12 000 CHF 61.0 27.6 12 000 CHF 18.4 61.8 Wohnlage Stadtzentrum 38.9 50.0 Agglomeration 54.8 43.1 Ländlich 6.3 6.9 Haushaltstyp Einpersonenhaushalt 31.6 18.7 Paar ohne Kinder 33.0 25.2 Paar mit Kindern 26.6 48.0 Alleinerziehend 5.8 4.5 Wohngemeinschaft 3.1 3.7 Bildung Tief 21.0 14.7 Mittel 54.9 22.3 Hoch 24.1 63.0 ÖV Abos Keines 37.3 11.0 Halbtax 51.8 72.9 GA 10.9 16.1 10
Experimentelle Rahmenbedingungen Einheitliche Entscheidungssituationen: Rundfahrt für den Einkauf im Laden Keine sozialen Motive: Einkauf des Produkts als einziger Zweck Einkaufszwecke: Lebensmittel oder längerfristige Güter (Multimedia, HiFi und elektronische Haushaltsgeräte) Qualität der Güter zwischen Ladeneinkauf und Online-Shopping identisch Ladeneinkauf entweder mit ÖV, Carsharing oder Carpooling Pivot-Ansatz: Referenzwerte basieren auf durchschnittlichen Ausgaben, Einkaufsdauern und zurückgelegten Distanzen 11
Experimentelles Design: Attribute und Levels Attribute Online Laden Levels/relative Veränderung Einkaufskosten O 10%, 5%, 0% Einkaufskosten L 5%, 0%, +5% Einkaufsdauer O 20%, 10%, +5% Einkaufsdauer L 10%, 0%, +10% Lieferkosten und Zoll 0, 5, 10, 15 CHF Reisekosten 20%, +10%, +40% Lieferzeit Lebensmittel < 1 Tag / 1-2 Tage / > 2 Tage Lieferzeit elektr. Güter 2-4 Tage / 4-7 Tage / > 1 Woche Reisezeit 30%, 0%, +30% Größe/Gewicht Klein / mittel / groß des Einkaufs Effizientes Design; 3 Blöcke mit je 8 Entscheidungssituationen Teilnehmer wurden dem Lebensmittel (38 %) oder dem elektronische Geräte (62 %) Experiment zuteilt 12
Beispiele von Entscheidungssituationen 13
Einstellungen zum Online-Shopping Verschiedene Indikatoren zur Messung von... Einstellungen gegenüber Online-Shopping und Internetnutzung Risiken und Kreditkartenbetrug Vor- und Nachteile von Online-Shopping Explorative Faktorenanalyse zur... Reduktion der Datendimensionalität zu den elementaren Eigenschaften Vermeidung von Kollinearität und Messfehlern Schätzung unkorrelierter Factorscores mit µ 0 und σ 1 als ersten Schritt zur Entwicklung des Hybrid Choice Modells 14
Einstellungen zum Online-Shopping Item (1: Trifft nicht zu bis 4: Trifft genau zu ) Faktorladung sh1: Ich bestelle oft Produkte im Internet +0.68 sh2: Online-Shopping ist mit Risiken verbunden 0.49 sh3: Die Weitergabe meiner Kreditkartennummer ist 0.66 einer der Gründe, weshalb ich kein Online-Shopping betreibe sh4: Das Internet ist mehr ein Fluch als ein Segen 0.54 sh5: Der Nachteil beim Online-Shopping ist, dass ich 0.30 die Produkte nicht physisch begutachten kann sh6: Online-Shopping erleichtert mir das Vergleichen +0.53 von Preisen und verschiedenen Produkten sh7: Das Risiko, ein falsches Produkt zugeliefert zu 0.60 bekommen, ist einer der Hauptgründe, weshalb ich kein Online-Shopping betreibe 15
Einstellungen und Soziodemographie 16
Korrelogramm: Die Fakten (N = 339) Choice: ONL Male 0.5 0.4 Age Swiss Car avail. Income 0.3 0.2 0.1 High educ. Rural area RP shop. trips Onl. shop. act. Pro onl. shop. 0 0.1 0.2 0.3 Choice: ONL Male Age Swiss Car avail. Income High educ. Rural area RP shop. trips Onl. shop. act. Pro onl. shop. 0.4 0.5 17
Modellierung: Hybrid Choice Ansatz 18
Strukturgleichungen Nutzenfunktion für Einkaufskanal i mit Entscheidungsattributen X in und der latenten Variable LV n : ( ) inc λinc U On = β CO + β On X On + β sc,o sc O + inc µ LV (LV n LV n)+ µ sc,lv sc On (LV n LV n) + ɛ On (1) ( ) inc λinc U Ln = β L X Ln + β sc,l sc L + inc (2) µ sc,lv sc Ln (LV n LV n) + ɛ Ln Latente Variablengleichung mit soziodemographischen Eigenschaften X n : LV n = LV n + κ X X n + ω LVn (3) 19
Messgleichungen Messgleichung der latenten Variable über die 7 Items zu den Einstellungen I sh : I shn = I sh + τ LVIsh LV n + ɛ Ishn (4) Entscheidung der Person n für Einkaufskanal i falls maximaler Nutzen U i : falls U O,n > U L,n : Entscheidung i,n = { Online-Shopping sonst Laden (5) β j, µ j, λ inc, LV n, κ j, σ ωlv, I sh, τ sh und σ Ish Parameter (total 42) sind die zu schätzenden 20
Schätzung Wahrscheinlichkeit, dass Person n Alternative i auswählt, ist die gemeinsame Wahrscheinlichkeit der Entscheidungsbeobachtung und der 7 Indikatoren I shn für gegebene Eigenschaften X i,n : Likelihood = ω LVn P(ent i,n X i,n, ω LV n ) 7 f shn (I shn, ω LV n )φ(ω LV )dω LV n (6) sh=1 ω LV N(0, σ ωlv ) (7) P(ent i,n X i,n, ω LV n ) = exp(u(x i,n)) 2 exp(u(x j j,n )) ( ) f shn (I shn, ω LV n ) = 1 Ishn I sh τ φ Ish LVn σ Ish σ Ish (8) (9) Maximum Likelihood Schätzung mit PythonBiogeme Version 2.4 auf Euler (HPCC, 2 Kerne, Laufzeit 36 min., 101 Iterationen) 21
Deskriptive Statistiken und (Non-)Traders Marktanteile (2698 Beobachtungen; 339 Personen): Lebensmittel = 65 % Laden und 35 % Online Elektr. Geräte = 39 % Laden und 61 % Online Non-Traders: Teilnehmer, die in allen 8 Entscheidungen immer dieselbe Alternative ausgewählt haben Fast 80 % der Teilnehmer sind Traders, 83 % für elektr. Güter und 68 % für Lebensmittel (p difference < 0.01) Non-Traders: Hauptsächlich bei Lebensmitteln; fast 30 % der Teilnehmer haben immer den Laden gewählt 22
Resultate: Entscheidungsmodell Variable Base model Factor model Hybrid model Einkaufskosten 0.021 0.024 0.022 Einkommenselastizität 0.041 0.033 0.059 Factorscore x Einkaufskosten 0.007 LV x Einkaufskosten 0.019 Reisezeit (L) 0.022 0.024 0.025 Reisekosten (L) 0.036 0.035 0.036 Lieferzeit (O) 0.560 0.600 0.614 Lieferkosten (O) 0.091 0.098 0.099 Lieferzeit x elektr. Güter (O) 0.466 0.494 0.504 Lieferkosten x elektr. Güter (O) 0.055 0.054 0.053 ASC (O) 2.080 2.120 2.370 Elektr. Güter (O) 0.152 0.047 0.065 Größe/Gewicht (O) 1.120 1.200 1.220 Factorscore 0.466 LV 1.210 Anzahl geschätzte Parameter 11 13 42 McFadden ρ 2 0.20 0.25 0.70 p < 0.01, p < 0.05, p < 0.1 23
Resultate: Latentes Variablenmodell Variable LV n Schweizer Männlich Autoverfügbarkeit Hohe Bildung Einkommen Ländlich Alter Alter 2 p < 0.01, p < 0.05, p < 0.1 Abh. Variable: LV n 3.05 0.11 0.25 0.06 0.11 0.08 0.11 0.01 0.02 Ausländische Männer mit Auto, guter Ausbildung und hohem Einkommen in zentraler Wohnlage haben die positiveren Einstellungen gegenüber Online-Shopping Maximale Pro-Online-Shopping Einstellungen mit 31 Jahren 24
Zeitwerte für Einkaufsweg/Lieferung Verhältnisse der Koeffizienten Base model Factor model Hybrid model VTTS Einkaufsweg [CHF/h] 37.3 (62.9) 42.0 (60.0) 41.0 (68.2) VODT Lebensmittel [CHF/Tag] 6.1 (26.7) 6.2 (25.0) 6.2 (27.9) VODT elektr. Güter [CHF/Tag] 2.6 (4.5) 2.4 (4.4) 2.4 (5.0) VTTS [CHF/h]: Erath, 2006 52.90-128.85 N = 110 VTTS [US$/h]: Hsiao, 2009 5.30 N = 300 VODT [US$/Tag]: Hsiao, 2009 0.44-0.76 N = 300 VTTS [CHF/h]: VSS Norm, 2009 12.32-20.72 N = 649 VTTS [CHF/h]: Fröhlich et al., 2014 5.90-9.10 N = 282 Zeitwerte von 40 CHF/h, ca. 50 % höher wenn der Einkaufskostenkoeffizient als Basis genommen wird Vergleich mit anderen Schweizer Studien: VTTS variieren extrem stark Hsiao, 2009: Ähnliche Studie in Taiwan für die Beschaffung von Büchern 25
Punkt(Kreuz)Elastizitäten Punkt(Kreuz)Elastizitäten (hybrid model) Online Laden Einkaufskosten 2.48 (2.60) 2.74 (2.62) Reisezeit 0.31 (0.30) Reisekosten 0.10 (0.09) Lieferzeit, Lebensmittel 1.20 (1.25) Lieferzeit, elektr. Geräte 0.21 (1.14) Lieferkosten, Lebensmittel 0.37 (0.38) Lieferkosten, elektr. Geräte 0.17 (0.18) Größe/Gewicht 1.15 ( 1.20) = relativ große Einkaufskostenelastizität (mean = 240 CHF), unabhängig vom Einkaufszweck (keine sign. Interaktion) = ceteris paribus, eine 1% Erhöhung der Einkaufskosten führt zu einem 2.5 Prozentpunkte tieferen Marktanteil, für Pro-Online- Shoppers (z.b. LV n = 0.5) 3.6 Prozentpunkte 26
Vorhersage der latenten Variable Density [%] 0 5 10 15.5 0.5 1 Prediction of Pro Online Shopping LV Coef. relative to shop. costs 1 2 3 4 5 6 7.5 0.5 1 Prediction of Pro Online Shopping LV Travel cost / shopping cost Delivery cost groceris / shopping cost Delivery cost durables / shopping cost Positive Einstellungen gegenüber Online-Shopping: LV n N(0.16, 0.20) Sensitivität gegenüber Attributen relativ zu den Einkaufskosten nimmt ab für Pro-Online-Shoppers = preissensitives trade-off Verhalten da beide Einkaufskanäle (stärker) in Betracht gezogen werden 27
Validierung mit RP Daten # Online Shop. Act. per Day 0.1.2.3 # Shopping Trips per Day 0.2.4.6.8 Mon. Tue. Wed. Thu. Fri. Sat. Sun. Day of Reporting Period Pre Test Wave I Wave II Mon. Tue. Wed. Thu. Fri. Sat. Sun. Day of Reporting Period Pre Test Wave I Wave II Revealed preference Daten vom Wege- und Onlinetagebuch (N = 339 Teilnehmer, 2709 Personentage) Ladeneinkäufe werden öfters Samstags getätigt, während die Online-Shopping Aktivitäten über die Wochentage abnehmen 28
Validierung mit RP Daten Variable # Einkaufswege pro Tag # Onl. Shop. pro Tag Const. 1.143 2.360 Wochentag 0.000 0.086 Samstag 0.532 0.004 Sonntag 1.469 0.282 LV n 0.388 1.242 SE( LVn) (0.25) (0.44) σ ɛ 0.623 1.049 Prob. > χ 2 0.00 0.00 p < 0.01, p < 0.05, p < 0.1 Random-effects Poisson Regressionen: Starke interpersonelle Abhängigkeit der Fehlerterme Erwarteter Effekt von LV n auf die Anzahl Online-Shopping Aktivitäten Schwach negativer Effekt von LV n auf die Anzahl Ladeneinkäufe = Substitutionseffekt? 29
Fazit 30
Fazit Hybrid Choice Modell: Enorme Effizienzsteigerung und tieferes Verständnis der Entscheidungsmechanismen Interessante Einsichten in die Verteilung der latenten Variable basierend auf soziodemographischen Eigenschaften VTTS und VOT: Großes Potential von Online-Shopping gegeben die relativ hohen Zeitwerte für Einkaufswege Positive Online-Shopping Einstellungen führen zu einer sign. höheren Einkaufskostensensitivität, Kausalität jedoch unklar 1 CHF 1 CHF: Lieferkosten werden als unangenehmer empfunden als Reise- und Einkaufskosten = Online Händler sollten die Lieferkosten im Preis kaschieren 31
Fragen? Projektwebseite: http://postcarworld.epfl.ch/ 32