Die spezielle Labordiagnostik

Ähnliche Dokumente
Pittfalls in der Autoimmundiagnostik. Initiiated and supported by

Natürliche Autoantikörper Pathologische Autoantikörper

Autoimmunerkrankungen, Autoimmundiagnostik, Autoantikörper. 12. Juni 2013, 15:00 Uhr

An die Teilnehmer des 31. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, Oktober 2010

Assays. Neue. Neue. Kombinationen. Möglichkeiten. Patente: EP , AU

An die Teilnehmer des 28. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, April 2009

Differentialdiagnostik von anti-nukleären Antikörpern (ANA) anhand von Kasuistiken

Leistungsverzeichnis LV_SBGR. Antikörper gegen Systemische Sklerose-assoziierte Antigene (Immunoblot)

Immunfluoreszenzmuster nicht organspezifischer Autoantikörper

Leistungsverzeichnis LV_ANABGR

Einschluss, Messzeitpunkte, Fragebögen, Diagnosen

An die Teilnehmer des 27. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, Oktober 2008

CytoBead Assays. CytoBead Automatisierung. Patente: EP , AU , CN , EP , TR ,

Anlage zur Akkreditierungsurkunde D-ML nach DIN EN ISO 15189:2014

Autoantikörper bei idiopathischen Myositiden Karsten Conrad

An die Teilnehmer des 21. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, November 2005

ANA-Diagnostik bei systemischen rheumatischen Erkrankungen

Autoantikörper. Inhaltsverzeichnis

Auto-Antikörper. Pathophysiologie. Labor. Referenzwerte. Klinik. Untersuchungsmaterial. Medizinisches Labor Bremen

KLIDES. Automatisches System zur Analyse zellbasierter Immunfluoreszenzteste

Vaskulitis: Von der Diagnose zur Prognose. Kai Prager Wendelsheim

ORGAN- UND GEWEBESPEZIFISCHE AUTOIMMUNE PROFILE

An die Teilnehmer des 39. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, Oktober 2014

Laborinformation. ANA - Diagnostik. Prof. Dr. med. H.-P. Seelig

An die Teilnehmer des 23. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, Oktober Sehr geehrte ÖQUASTA Teilnehmer!

Leistungsverzeichnis LV_MBGR. Dermatomyositis (hochspezifisch, 15 30%) Idiopathische Myositis 88 12%) Polymyositis Mi-2beta

Inhaltsverzeichnis: Anti-Phospholipid-Syndrom. Autoimmunerkrankungen und Rheumatologie. Schilddrüse. Vaskulitis. Gastroenterologie

An die Teilnehmer des 35. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, Oktober 2012

CCP - Autoantikörper

An die Teilnehmer des 30. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, Mai 2010

Rheuma welche Laborabklärungen sind sinnvoll?

4.1. Ergebnisse der Patienten Gruppe 1, Lupus erythematodes mit geringer systemischer Beteiligung

Seramun. Seraline ANA-12 IgG. s 20. Produkt- und Gebrauchsinformation. Diagnostica GmbH. Einführung. Spreenhagener Str Heidesee, GERMANY

Arbeitsgruppe "Autoimmundiagnostik" - Thema: systemischer Lupus erythematodes

Kollagenosen und Vaskulitiden. 24. September 2013, 19:00 Uhr

Das EliA System. nn Protokolle, QC- und Rohdaten leicht zugänglich nn Optionaler Anschluss an die Laborsoftware nn Detailliertes QC-Management

Mikroskopierkurs online inkl. Fallvorstellungen. Robert Tripmacher

Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II Genese, Diagnostik, Aussagekraft

Ratgeber Rheumatologie

Anlage zur Akkreditierungsurkunde D-ML nach DIN EN ISO 15189:2014

Rheumatologie aus der Praxis

Aktuelle Diagnostik & Therapie. Klinische Bedeutung von Autoantikörpern. Methodenkritik

Milenia QuickLine HIT. Labordiagnostischer HIT Ausschluss einfach und schnell

Lupus erythematodes Grundlagen und Diagnostik

An die Teilnehmer des 42. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, März 2016

Diagnose, Therapie und Monitoring von B-Zell-vermittelten Autoimmunerkrankungen

An die Teilnehmer des 43. Autoimmunologie-Rundversuches Innsbruck, November 2016

Wie sich die schleichende Autoimmunerkrankung kontrollieren lässt

Aktueller Stand der morphologischen Beurteilung immunogener Myopathien

Kurs Klinische Chemie und Hämatologie. Themenblock: Gastroenterologie, Nephrologie, Stoffwechsel

Autoimmundermatosen. Bullöse Dermatosen. Kollagenosen

Immunserologie III. ELISA, Western-blot, Dot-blot

ANA-Diagnostik mittels indirekter Immunfluoreszenz

Autoantikörper in der Frühdiagnostik von Autoimmunerkrankungen

Automatisierte Bestimmung von Autoantikörpern mit indirekter Immunfluoreszenztechnik: Eine komparative Analyse zweier Automaten


Diagnostische Verfahren

Kasuistiken aus der Rheumatologie

SYSTEMISCHE AUTOIMMUNERKRANKUNGEN SLE

Täuschung und Manipulation mit Zahlen

PRODUKTKATALOG. Alle Produkte sind CE gekennzeichnet

Verbesserung des Tuberkulose-Screenings bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen vor Beginn einer Therapie mit TNFα-Blockern

Autoimmundiagnostik. Was bringt die Zukunft

Täuschung und Manipulation mit Zahlen Teil 1

Institut für Virologie, Infektiologie und Epidemiologie e.v.

Klinik und Diagnostik der PBC. Reinhild Klein Medizinische Klinik II Universität Tübingen

Vaskulitisregister Brandenburg

Juvenile Idiopathische Arthritis

Krankheitsassoziation, Antikörperprävalenz und Spezifität

Prävalenz bei ambulanten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie nach Erreger

Diagnose. 2.1 Symptome

Referenzbereiche numerischer Tests Immunologisches Labor - Medizinische Klinik - Freiburg Stand

Systemischer Lupus Erythematodes: Früherkennung und Labordiagnostik in der Praxis

Systemischer Lupus Erythematodes: Früherkennung und Labordiagnostik in der Praxis

Standardisierung der serologischen Immundiagnostik. Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven

Vasculitis im klinischen Alltag

Gesundheitsberichterstattung Berlin

Diagnostik von Epstein-Barr-Virusinfektionen: Serologie vs Virusgenomnachweis

M e d i z i n i s c h e L a b o r d i a g n o s t i k a A G

Definition. Entzündliche abakterielle Nierenerkrankungen mit Befall unterchiedlicher glomerulärer Strukturen

Blutgruppenserologie und Immunhämatologie

Die in den Mundspeicheldrüsen und im Pankreas gebildete Alpha- Amylase (α-amylase) ist ein Enzym der Kohlenhydratverdauung.

Chlamydia MIF IgG. Leistungsmerkmale. Produktnummer: IF1250G Rev. J. Nicht für den Vertrieb in den USA

Spotimmunoassay zum Nachweis von IgG Antikörpern bei Kollagenosen in humanem Serum

C-reaktives Protein. Ein Vortrag von Dr. med. Sebastian Streckbein München, Juni 2006

Chicago News: Aktuelles vom ACR 2011: B-Zell-Therapie bei Rheumatoider Arthritis Medizin nach Maß

Familiäres Mittelmeerfieber

Dissertation Zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.)

Verdacht auf Echinokokkose bei Zysten in Leber und Lunge, selten im Gehirn. Abnahmehinweise Die Inkubationszeit beträgt ca. 3-6 (-35) Tage.

FSME (Frühsommermeningoenzephalitis) West-Nil-Virus (WNV) West-Nil-Virus Foto: CNN

Anti-SS-A ORG Tests Immunometrischer Enzymimmunoassay zum quantitativen Nachweis von Autoantikörpern gegen SS-A. Gebrauchsanweisung

SCLERODERMA LIGA e.v.

Rationale Diagnostik ik von Autoimmunthyreopathien

Rheumatoide Arthritis (RA) - Differentialdiagnostik anhand von Kasuistiken

Transkript:

Was ist nötig, was ist überflüssig? H.-P. SEELIG Verschiedene autoimmune rheumatische Erkrankungen können schon im Kindesalter auftreten. Die diagnostischen Tests aber haben bei Kindern und Erwachsenen nicht immer die gleiche Aussagekraft. Auf welche krankheitsassoziierte Autoantikörper sollten Sie bei welcher Verdachtsdiagnose testen lassen, wenn Ihr Patient ein Kind ist? Eines schon vorab: einige wenige Eingangsuntersuchungen reichen meist aus. Die spezielle Labordiagnostik auto immuner rheumatischer Erkrankungen im Kindesalter (Tab. 1) betrifft vorwiegend den Nachweis krankheitsassoziierter Autoantikörper. Trotz der Vielzahl der hierbei vorkommenden Autoantikörper allein beim systemischen Lupus erythematodes sind es über 150 genügen für eine effiziente Diagnostik nur wenige Eingangsuntersuchungen. JIA: IgM-RF und Antikörper gegen Citrullylpeptide und Zellkerne Der bisher einzige, in die ACR (American College of Rheumatology)-Kriterien der rheumatoiden Arthritis der Erwachsenen aufgenommene serologische Krankheitsmarker ist der Rheumafaktor (IgM-RF), ein Autoantikörper gegen den Fc-Teil körpereigener Immunglobuline. Bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) treten Rheumafaktoren nur selten auf (< 5%). Die RF-positive JIA manifestiert sich vorwiegend bei Mädchen zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr als polyartikuläre und eher aggressive Verlaufsform. Ob der simultane Nachweis von IgA-Rheumafaktoren (IgA-RF) für die prognostische Wertung bezüglich vermehrter Komplikationen und damit intensiverer therapeutischer Maßnahmen von Vorteil ist, konnte statistisch noch nicht gesichert werden. a b c d Foto: H.-P. Seelig, Karlsruhe Abb. 1 a d: ANA-Fluoreszenzmuster (HEp- 2-Zellen): homogen, anti-ds-dna (a), ringförmig, anti-lamin (b), gesprenkelt, anti-u1-70k (U1-sn- RNP) (c), nukleolär, anti-pm-scl (d) 28

Autoantikörper bei juveniler idiopathischer Arthritis, juvenilen Kollagenosen, Antiphospholipid-Syndrom und systemischen Vaskulitiden ] Tabelle 1 Krankheitsbilder Inzidenz Uveitis Ubiquitäre Antikörper Krankheitsspezifische Markerantikörper Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) 10 x 10-5 ANA 40% RF < 5% Oligoarthritis 15 40% ANA bis 85% Polyarthritis RF-negative 5 10% ANA 30 40% Polyarthritis RF-positive selten ANA 30 40% RF CCP Psoriasis-Arthritis bis 20% Enthesitis assoziierte Arthritis bis 10% ANA bis 10% HLA-B27 Systemische Arthritis selten ANA bis 17% Undifferenzierte Arthritis Kollagenosen Systemischer Lupus erythematodes (SLE) 0,5 x 10-5 ANA 98% ds-dna Nukleosom. 60 Sm 5 30% Histone 50 80% SS-A/Ro 25 60% 20 30% U1-70K 13 32% Subakuter kutaner LE ANA 98% SS-A/Ro 90 Neonataler LE ANA 98% SS-A/Ro >95% >95% Sjögren-Syndrom 0,05 x 10-5 ANA 98% -- -- -- SS-A/Ro bis 96% bis 70% U1-70 K Mischkollagenose 0,1 x 10-5 ANA U1-70 K Dermatomyositis / Polymyositis 0,3 x 10-5 ANA bis 80% Jo-1 bis 35% SRP 4% trna-synthet. < 3% Mi-2 10 15% SS-A/Ro 45 70% Systemische Sklerose <0,05 x 10-5 ANA 98% Scl-70 bis 65% Zentromeren 60 80% RNA-Pol. bis 20% Fibrillarin Th/To Überlappungssyndrome ANA 98% PM-Scl 25-55% Ku < 5% Antiphospholipid-Syndrom selten ANA bis 95% Cardiolipin LA β2-gpi Vaskulitiden Morbus Wegener 0,1 x 10-5 ANA 30% C-ANCA PR3 Mikroskopische Polyangiitis 0,1 x 10-5 ANA 30% P-ANCA MPO Purpura Schönlein-Henoch 10 x 10-5 -- -- -- -- -- -- -- -- -- 30

] Tabelle 2 Anti-CCP bei juveniler idiopathischer Arthritis Anzahl der Untersuchungen 109 140 122 66 71 230 45 68 59 45 72 Vorkommen bei JIA 2% 5% 2% 83% a) 14% 6% 4% 20% 10% 2% 60% b) bei RF positiver Polyarthritis 1 Patient 11% 25% 75% 73% 13% 37% 80% 1 Pat bei RF negativer Polyarthritis 6% 83% 4% bei RF- JIA bei Oligoarthritis 1 Patient 84% 9% 2% bei Enthesitis assoz. Arthritis 7% bei systemischer Arthritis 75% bei undifferenzierter Arthritis 20% 25% ja ja bei RF + JIA Diagnostische Relevanz* nein gering ja nein bei Polyarthritis Gelenkdestruktion verstärkt ja** ja** ja ja ja** ja Autoren 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Autoren: 1: Avcin et al. (2002); 2: Hromadnikova et al. (2002); 3: Kasapçopur et al. (2004); 4: Low et al. (2004); 5: van Rossum et al. (2003); 6: Ferucci et al. (2005); 7: Brunner et al. 2006); 8: Habib et al. (2008); 9: Kwok et al (2005); 10: Machado et al. (2005); 11: Syed et al. (2008). Tabelle 1: Antinukleäre Antikörper (ANA) werden bei allen Krankheitsbildern in unterschiedlicher Häufigkeit angetroffen. ANA und ANA-Subspezifitäten (anti-ds-dna, anti-sm) sind Bestandteil der ACR-Klassifikationskriterien von SLE, MCTD und Sjögren-Syndrom. ANA-positive Kinder mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis haben ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Uveitis. Spezifische, nicht gegen Zellkerne gerichtete Markerantikörper finden sich bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (RF, anti-ccp), Dermato-/Polymyositis (anti-jo-1, anti-srp), Antiphospholipid-Syndrom (Lupusantikoagulans, anti-cardiolipin, anti-β 2 - GPI) und systemischen Vaskulitiden (ANCA). RF: Rheumafaktor; Jo-1: Histidyl-tRNA-Synthetase (Jo = Initialen des Indexpatienten); CCP: cyclische Citrullylpeptide; acl: anti-cardiolipin; SRP: Signalerkennungspartikel; La: Lupusantikoagulans; MPO: Myeloperoxidase; PR3: Proteinase 3; β 2 -GPI: β 2 -Glycoprotein I; ANCA: anti-neutrophilen-zytoplasma-antikörper; U1-70K: 70 kda-protein der U1-snRNP- Partikel; Sm: Sm-Proteine (B B, D1 3, E, F, G) der U-snRNP-Partikel (Sm = Initialen des Indexpatienten); SS-A/Ro und : mit hy-rna (hy = human cytoplasma) komplexierte 60 kda-(ro60)-, 52 kda-(ro52)- und 48 kda-(la)-proteine (SS = Sjögren-Syndrom, Ro und La = Initialen von Indexpatienten); Scl-70: Topoisomerase I (Scl = Sklerodermie); Mi-2: 235 kda-kernprotein (Helikase), an der Remodelierung von DNA und Histonen beteiligt (Mi = Initialen des Indexpatienten); RNA-Pol.: RNA-Polymerase, Multiproteinkomplexe aus 8 14 Proteinen von 10 220 kda; PM/ Scl: Multiproteinkomplex aus 11 16 Proteinen von 20 110 kda in den Nukleoli, beteiligt an Reifung und Transport von Ribosomen; Th/To: Komponente der 7 2/MRP Ribonukleoproteine (Endoribonukleasen) im Nukleolus (Th, To = Initialen der Indexpatienten); Ku: heterodimeres 82,6 kda-protein, bindet an ds-dna in Doppelstrangbrüchen, Bindeglied für die DNA-abhängige Proteinkinase (Ku = Initialen des Indexpatienten). Tabelle 2: Die Angaben zur Prävalenz der Antikörper bei der JIA schwanken zwischen 2% und 88%. In der Mehrzahl der Publikationen findet sich die höchste Prävalenz bei Patienten mit RF-positiver Polyarthritis. a) Angaben beziehen sich auf in house -Untersuchungen mit wenig spezifischen linearen Citrullylpeptiden. Mit zwei kommerziellen Testkits (cyclische Citrullylpeptide) wurden die Antiköper in 75% (Kit A) bzw. 90% (Kit B) der RF-positiven Polyarthritis und bei 18% (Kita A) und 0% (Kit B) der RF-negativen Polyarthritis gefunden. b) Untersucht wurden die Isotypen der CCP-Antikörper. Es fanden sich in 17% IgG-, in 27% IgA- und in 26% IgM-Isotypen. Einschätzungen der Autoren zur diagnostischen Relevanz von anti-ccp sind mit (*), Hinweise auf verstärkte Gelenkdestruktionen bei anti-ccppositiven Patienten mit (**) gekennzeichnet. 31

Ebenfalls unklar ist, ob die für die rheumatoide Arthritis des Erwachsenen sehr spezifischen (bis 99%) und sensitiven (bis 87%) Antikörper gegen citrullylierte Peptide (anti-ccp) auch als Diagnose- und Prognoseparameter bei der JIA verwendbar sind (Tab. 2). Citrullylpeptide entstehen bei der Deiminierung von Argininresten durch Ca 2+ - abhängige Peptidylarginindeiminasen (PAD), deren Isoenzyme sich reichlich in Makrophagen (PAD-2) und Granulozyten (PAD-4) finden. Diese Enzyme können intrazelluläre (Histone, Vimentin) und extrazelluläre (Fibrinogen, Fibronektin) Proteine in der entzündeten Synovialis citrullylieren und immunogene Citrullylpeptide generieren. Die Angaben über das Vorkommen und die prognostische Bedeutung dieser vorwiegend bei der RF-positiven JIA auftretenden Antikörper sind bisher noch uneinheitlich. Sicher indiziert ist bei der JIA die Untersuchung auf antinukleäre Antikörper (ANA), um das Risiko einer Iridozyklitis oder Uveitis abschätzen zu können, die bei ANA-positiven Kindern deutlich häufiger als bei ANA-negativen Kindern vorkommen (s. Tab. 1). Eine chronische Uveitis, die bei bis zu 40% der oligoarthritischen Formen der JIA auftritt, kann, wenn sie subklinisch und unerkannt verläuft, schwere Sehstörungen verursachen. ANA finden sich bei 85% der Kinder mit Uveitis und oligoarthritischer Verlaufsform. Es wird empfohlen, ANA-positive Kinder regelmäßig ophthalmologisch zu überwachen. Da bei der JIA im Gegensatz zu den juvenilen Kollagenosen (s. unten) die Zielantigene der antinukleären Antikörper meistens nicht bekannt sind und da die für die Diagnostik juveniler Kollagenosen relevanten Markerantikörper (s. Tab. 1) bei der JIA nur sehr selten auftreten, sind weiterführende Antikörperuntersuchungen bei der JIA nicht indiziert. Es genügt, den Titer der antinukleären Antikörper anzugeben. Autoantikörper bei juvenilen Kollagenosen Die Kollagenosen umfassen eine heterogene Gruppe chronischer Multisystemerkrankungen, zu denen der systemische Lupus erythematodes (SLE), die progressive systemische Sklerose, die Dermato- /Polymyositis, die Mischkollagenose (MCTD) und das Sjögren-Syndrom zählen. Ihre Inzidenz ist bei Kindern wesentlich niedriger als bei Erwachsenen. Die häufigste juvenile Kollagenose, die meist jenseits des achten Lebensjahres auftritt, ist der SLE. Wesentlich seltener finden sich die Dermato-/Polymyositis, die systemische Sklerose, MCTD und das Sjögren-Syndrom (s. Tab. 1). Der relevante Screening-Test für die Diagnostik von Kollagenosen ist der Nachweis der antinukleären Antikörper, die bei über 95% der Patienten auftreten (s. Tab. 1). Aufgrund ihrer hohen Prävalenz wurden sie in die ACR-Klassifikationskriterien des SLE, des MCTD und des Sjögren-Syndroms aufgenommen. Allgemeines zu antinukleären Antikörpern Unter dem Sammelbegriff antinukleäre Antikörper werden alle Antikörper zusammengefasst, deren Zielantigene in Zellkernen liegen. Im engeren Sinne versteht man darunter Antikörper, die im indirekten Immunfluoreszenztest (ANA- IIFT) an humanen Kulturzellen (HEp- 2-Zellen) eine Zellkernfluoreszenz hervorrufen. Sie richten sich gegen Strukturelemente der Kerne, gegen Bausteine des Chromatins, gegen Komponenten der intranukleären Maschinerie der Generkennung, der DNA-Replikation und -Transkription sowie der RNA-Verarbeitung. Je nach Antigenspezifität, zum Beispiel Doppelstrang-DNA (ds-dna) oder Sm, rufen diese Antikörper charakteristische Fluoreszenzmuster (homogen, gesprenkelt, etc.) hervor (Abb. 1 a d), die richtungsweisend für weiterführende Untersuchungen sein können. Die Ergebnisse des ANA-Screenings und die daraus abzuleitenden Folgeuntersuchungen sind kritisch und stets im Kontext mit der klinischen Symptomatik zu bewerten. Problematisch sind die geringe Spezifität der Tests, die fehlerbelastete quantitative Bestimmung der Antikörperkonzentration (Titer), die oft unklare und uneinheitliche Definition der Zielantigene und die meist fehlende Korrelation mit der Krankheitsaktivität. Diagnostische Spezifität des ANA-IIFT Da ANA auch bei nicht rheumatischen Erkrankungen (z.b. nach Infektionen), gehäuft bei Gesunden in fortgeschrittenem Lebensalter und manchen Angaben zufolge auch bei bis zu 7% der gesunden Kinder vorkommen, sinkt ihre diagnostische Spezifität für Kollagenosen ab dem frühen Kindesalter von etwa 93 99% (entspricht 1 7% falsch positiver Testergebnisse) kontinuierlich auf unter 85% (Männer) und 75% (Frauen) bei über 60-Jährigen. Die diagnostische Wertigkeit des Tests, das heißt der positive prädiktive Wert, der die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der bei positivem Testergebnis eine Kollagenose vorliegt, ist eine Funktion der Spezifität, Sensitivität und Krankheitsprävalenz (Bayes Theorem, Thomas Bayes 1702 1761). Bei einer Sensitivität von 98% (positiver ANA-IIFT bei 98% der SLE-Patienten) und einer Spezifität von 95% (falsch positive Testergebnisse bei 5% der Untersuchten) beträgt bei einer Krankheitsprävalenz des juvenilen SLE von 0,01% der positive prädiktive Wert (PW pos ) 0,19%, das heißt unter 526 Kindern mit positivem ANA-IIFT befindet sich nur eines mit systemischem Lupus erythematodes. Ein solcher Test ist wertlos für die Voraussage der Erkrankung. Der unter den gleichen Voraussetzungen berechnete hohe negative prädiktive Wert (PW neg ) von 99,99% besagt aber, dass bei negativem Testausfall ein SLE ziemlich sicher ausgeschlossen werden kann. Für die klinische Diagnostik sind allerdings Berechnungen, die sich auf die Prävalenz der Erkrankung in der Gesamtbevölkerung (0,01%) beziehen, wenig hilfreich. Da der PW pos mit der Prävalenz der Erkrankung steigt, interessiert vielmehr die Prävalenz der Krankheit in der zu untersuchenden Gruppe. Folgt man den Angaben, die Prävalenz des SLE in der Praxis der pädiatrischen Rheumatologie liege zwischen 1 4%, ergibt sich für eine Prävalenz von 1% ein PW pos von 16,5%, das heißt unter sechs Kindern mit positivem ANA-IIFT befindet sich ein SLE-Patient. Bei einer Prävalenz von 4% liegt der PW pos bei 44,9%, das heißt unter zwei Kindern mit positivem ANA- IIFT ist ein SLE-Patient. Ist die Prävalenz 32

der Erkrankung in der Klientel schlecht abschätzbar, sollte man sich vor allem auf den hohen PW neg (> 99%) verlassen. Der ANA-Test dient daher eher dem Ausschluss denn der Bestätigung einer Kollagenose. Fehler bei Titerangaben Für die weitere Beurteilung eines positiven ANA-IIFT ist die Höhe des Antikörpertiters und die Isotypie der Antikörper (IgG, IgA, IgM) von Bedeutung. Die mit den Kollagenosen assoziierten ANA gehören in der Regel dem Isotyp IgG an, die Antikörpertiter sind in der Regel deutlich höher als 1:320 bis 1:640. Je höher der ANA-Titer, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch diagnostisch relevante, krankheitsspezifische Antikörper vorhanden sind. Entsprechende Untersuchungen sind ab Titerstufen von 1:160 zu empfehlen, falls entsprechende klinische Verdachtsmomente bestehen. Bei niedrigeren Titern sind weiterführende Untersuchungen, wie zum Beispiel die Bestimmung der Antikörper gegen extrahierbare nukleäre Antigene (ENA), nicht indiziert und schon gar nicht bei negativem ANA-Screening. Im letzteren Falle lassen sich mit antigenspezifischen Assays in aller Regel keine diagnostisch relevanten Antiköper nachweisen. Solche zusätzlichen Untersuchungen verursachen nur erhebliche und unnötige Kosten. Kritisch zu bewerten sind die Resultate der Titerbestimmungen beim ANA-IIFT. Da die Ergebnisse der visuellen (mikroskopischen) Auswertung des ANA-IIFT starken subjektiven Einflüssen unterliegen, können sie von Labor zu Labor beträchtlich divergieren. Wie Ringversuche zeigten, können in Extremfällen bei der gleichen Probe Resultate von negativ bis positiv mit Titern von bis zu 1:20.000 erhalten werden. Da die in verschiedenen Laboratorien erhobenen Ergebnisse oft schlecht vergleichbar sind, empfiehlt es sich, Verlaufskontrollen im gleichen Labor durchführen zu lassen. Wegen dieser bereits Jahrzehnte lang bestehenden Mängel wird verstärkt versucht, den ANA-IIFT durch automatisierbare und weniger subjektive Globaltests (z.b. ELISA) zu ersetzen. Als Zielantigene werden bei diesen Assays verschiedene Zellkernextrakte sowie native und/oder rekombinante Proteine eingesetzt. Die Antigenvielfalt des natürlichen Zellkerns können solche Systeme allerdings nicht abbilden. Problematisch sind solche Assays, wenn Seren untersucht werden, die Antikörper gegen noch unbekannte Zellkernantigene enthalten, wie es zum Beispiel bei Patienten mit JIA der Fall ist (falsch negative Resultate). Auch das Hauptziel des ANA- IIFT, eine Kollagenose auszuschließen, wird bei Untersuchungen mit einem begrenzten Antigenspektrum verfehlt. Uneinheitliche Zielantigene Für die Kollagenosen ist es differenzialdiagnostisch von Bedeutung, die Antigenspezifität der im ANA-IIFT nachgewiesenen Antikörper zu bestimmen. Für Kollagenosen diagnostisch relevant sind Antikörperspezifitäten wie zum Beispiel ds-dna, Nukleosomen oder Ribonukleoproteine (s. Tab. 1). Die bei diesen antigenspezifischen Tests (ELISA, Westernblot) eingesetzten Zielantigene können von Testkit zu Testkit erheblich differieren. So ist es nicht unerheblich, ob zum Beispiel für den Nachweis der für den SLE spezifischen Antikörper gegen das Sm-Antigen ein mehr oder weniger gereinig tes Antigen aus einem Zellkernextrakt, ein rekombinantes Protein oder ein synthetisches und möglicherweise noch modifiziertes Peptidfragment als Ziel antigen eingesetzt wird und welches oder welche der sieben möglichen humanen Sm-Proteine für den Test verwendet werden. Da einige Sm-Proteine (B B, D1, D3) Homologien zu Epstein-Barr-Virus (EBV)-Proteinen besitzen, besteht die Möglichkeit, dass wegen der hohen Durchseuchung der Bevölkerung mit EBV Kreuzreaktionen auftreten und somit falsch positive Antikörperbefunde erhalten werden. In dieser Hinsicht besteht noch ein erheblicher Standardisierungsbedarf. Die Resultate aus verschiedenen Laboratorien können erheblich divergieren, wenn in den Testkits für verschiedene Moleküle die gleiche Antigenbezeichnung verwendet wird. Vergleichbare Probleme bestehen bei der Bestimmung der Antikörper gegen ds-dna, dem wichtigsten Markerantikörper bei SLE und einem der wenigen, 33

dessen Konzentration mit der Krankheitsaktivität korreliert. Die Prävalenz beträgt beim aktiven SLE mit Nierenbeteiligung ungefähr 90%, beim aktiven SLE ohne Nierenbeteiligung zwischen 50% und 70%, beim inaktiven SLE liegt sie unter 40%, das heißt nicht nachzuweisende ds-dna-antikörper schließen einen SLE nicht aus. Hochavide ds-dna- Antikörper der Immunglobulinklasse IgG bei noch asymptomatischen Personen gelten als besonderer Risikofaktor für die Entwicklung des SLE. Für die Bestimmung der anti-ds-dna stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Der Farr-Assay, ein in nur noch wenigen Laboratorien durchgeführter Radioimmunoassay, misst spezifisch hochaffine Antikörper. Ebenfalls sehr spezifisch, aber wenig sensitiv ist der Immunfluoreszenztest mit Crithidia luciliae, einem Flagellaten, dessen Kinetoplast reine zirkuläre Doppelstrang-DNA enthält. Die heute meist verwendeten ELISAs liefern oft falsch positive Ergebnisse auch bei anderen Erkrankungen (Sjögren-Syndrom, Sklerodermie, rheumatoide und juvenile idiopathische Arthritis, Myasthenia gravis, autoimmune Hepatitis, arzneimittelinduzierte LE-ähnliche Syndrome, verschiedene Infektionskrankheiten, gelegentlich auch bei Gesunden). Wegen der bei den diversen Enzymimmunoassays verwendeten heterogenen DNA-Präparationen (Kalbsthymus- DNA, Bakterien-DNA, Phagen-DNA, synthetischer DNA etc.), der unterschiedlichen Chemie von Festphasen und von DNA-Bindungsreagenzien und der so gut wie nicht kontrollierbaren individuellen Expression der festphasengebundenen DNA-Epitope, muss man davon ausgehen, dass mit verschiedenen Testkits unterschiedliche Spezifitäten von DNA- Antikörpern gemessen werden, was zu der Varianz der aus verschiedenen Laboratorien erhaltenen Testergebnisse führt. Für den Kliniker ist das nicht mehr nachvollziehbar. Antikörper bei fehlender klinischer Symptomatik Schwierig zu interpretieren und zu vermitteln sind positive Antikörperbefunde bei fehlender klinischer Symptomatik. Groß ist die Verunsicherung dann, wenn es sich auch noch um hochtitrige ANA mit ungewöhnlichen Antigenspezifitäten handelt und krankheitsspezifische Markerantikörper fehlen. Dass antinukleäre Antikörper bereits viele (>12) Jahre vor dem Ausbruch eines SLE auftreten können, ist heute bewiesen. Diese Eigenschaft darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein positiver Test bei klinisch unauffälligen Personen bisher wenig darüber aussagt, ob sich tatsächlich später eine Kollagenose manifestiert. Findet sich bei einem ANA-positiven Kind kein klinischer Hinweis auf eine pädiatrischrheumatologische Erkrankung (oder eine andere Autoimmunerkrankung, wie zum Beispiel eine autoimmune Hepatitis), macht es wenig Sinn, die ANA-Bestimmung ständig zu wiederholen. Antikörper gegen zytoplasmatische Antigene und Serumfaktoren Bei der juvenilen Dermato-/Polymyositis, dem Antiphospholipid-Syndrom (APS) und bei systemischen Vaskulitiden lassen sich zwar ebenfalls antinukleäre Antikörper nachweisen (s. Tab. 1), sie sind aber abgesehen von den gegen Mi-2 gerichteten Antikörpern bei der Dermatomyositis nicht für diese Krankheiten spezifisch. Juvenile Dermato-/Polymyositis: Bei Patienten mit dieser Erkrankung finden sich Antikörper gegen zytoplasmatische trna-synthetasen, wie zum Beispiel gegen die Histidyl-tRNA-(Jo-1) oder Alanyl-tRNA-(PL12)-Synthetase sowie gegen verschiedene Proteinkomponenten des Signalerkennungspartikels. Diese sogenannten myositisspezifischen Antikörper sind bei Kindern zwar seltener als bei Erwachsenen, besitzen dort aber die gleiche diagnostische Relevanz und kennzeichnen ähnliche Krankheitsverläufe (Lungenbeteiligung, schwere therapie refraktäre akute oder subakute Myositis). Antiphospholipid-Syndrom: Antikörper gegen Phospholipide (anti-cardiolipin), β 2 -Glykoprotein I und Lupusantikoagulans sind Marker des bei Erwachsenen oft mit einem SLE assoziierten Antiphospholipid-Syndroms (früher als sekundäres APS bezeichnet). Es geht mit hämostaseologischen Störungen (Thrombophilie mit venösen und arteriellen Thrombosen) und bei Erwachsenen mit rezidivierenden Aborten, Fehl- und Frühgeburten einher. Nicht selten werden auch bei Kindern Antikörper gegen Phospholipide angetroffen, als deren Auslöser kindliche Infektionen diskutiert werden. Die Antikörperkonzentrationen sind meist jedoch niedrig oder im Grenzwertbereich. Das Antiphospholipid-Syndrom kommt aber bei Kindern glücklicherweise nur sehr selten vor. Vaskulitiden: Im Gegensatz zu häufigen Vaskulitiden im Kindesalter, die bereits anhand ihres klinischen Bildes zu diagnostizieren sind, wie Purpura Schönlein-Henoch, Kawasaki-Syndrom und Takayasu-Arteriitis, sind Autoantikörper - assoziierte systemische Vaskulitiden, wie die Wegenersche Granulomatose und die mikroskopische Polyangiitis, im Kindesalter sehr selten. Serologische Krankheitsmarker sind die gegen zytoplasmatische Antigene humaner neutrophiler Granulozyten gerichteten Antikörper (ANCA). Die als C-ANCA (anti-neutrophil cytoplasmic antibodies with [C-] cytoplasmatic fluorescence) bezeichneten Antikörper sind krankheitsspezifische Marker der Wegenerschen Granulomatose. Ihr Zielantigen ist die in den azurophilen Granula gelegene Proteinase 3 (PR3; PR3-ANCA). Eine zweite Kategorie von Granulozytenantikörpern, die sich von den C-ANCA durch ein perinukleäres Fluoreszenzmuster unterscheidet, tritt bei Patienten mit nekrotisierenden Glomerulonephritiden und mikroskopischen Polyangiitiden auf. Diese Antikörper wurden P-ANCA (ANCA mit perinukleärem [P-] Fluoreszenzmuster) genannt. P-ANCA sind gegen die Myeloperoxidase (MPO; MPO-ANCA) gerichtet. Beim Kawasaki-Syndrom können zwar auch Antikörper gegen neutrophile Granulozyten (ANCA) auftreten, sie besitzen jedoch eine andere Antigenspezifität und sind nicht für das Kawasaki-Syndrom spezifisch. Prof. Dr. med. Hans-Peter Seelig Medizinisches Versorgungszentrum Labor Prof. Seelig Kriegsstraße 99 76133 Karlsruhe 34