Geisteswissenschaft. Ralph Sattler

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Transkript:

Geisteswissenschaft Ralph Sattler Die Reform des Betreuungsrechts - Rolle rückwärts in der rechtlichen Vertretung behinderter Menschen und ihre Konsequenz für die Arbeit diakonischer Betreuungsvereine Diplomarbeit

Diakoniewissenschaftliches Institut der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg Studiengang Diakoniewissenschaft Diplomarbeit Die Reform des Betreuungsrechts Rolle rückwärts in der rechtlichen Vertretung behinderter Menschen und ihre Konsequenz für die Arbeit diakonischer Betreuungsvereine Vorgelegt von: Ralph Sattler im Juli 2004

1. Einleitung 2. Gesetzliche Vertretung behinderter Menschen damals, heute und morgen 2.1. Vormundschaft und Pflegschaft für Erwachsene - die Situation bis 1991 2.1.1. Übersicht: 2000 Jahre Vormundschaft 2.1.2. Das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht für Volljährige im Bürgerlichen Gesetzbuch 2.2. Das Betreuungsrecht die Jahrhundertreform und ihre Auswirkungen (1992 wahrscheinlich Ende 2004) 2.2.1. Voraussetzungen der Betreuerbestellung 2.2.2. Person des Betreuers 2.2.3. Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers 2.2.4. Verschiedene Rechtsfolgen der Betreuung: Gesetzliche Vertretung und Einwilligungsvorbehalt 2.2.5. Besondere Regelungen der Personensorge 2.2.6. Weitere Vorschriften im BGB und im FGG (Verfahrensrecht) 2.3. Das 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetz von 1999 erste Schritte zurück 2.4. Die Rolle rückwärts die geplante Reform des Betreuungsrechts (beabsichtigtes Inkrafttreten zum 1.1.2005) 2.4.1. Kritikpunkte im Einzelnen 2.4.1.1. Falsche Angaben zur Ausgangslage 2.4.1.2. Gesetzliche Vertretungsmacht für Angehörige/Stärkung der Vorsorgevollmacht 2.4.1.3. Pauschalierung der Betreuervergütung 2.4.1.4. Kostenersparnis durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz? 3. Gesetzliche Vertretung behinderter Menschen eine diakonische Aufgabe? 3.1. Grundlagen der Diakonie 3.1.1. Grundlagen im Alten Testament 3.1.2. Grundlagen im Neuen Testament 3.2. Spezieller Bezug zur Betreuungsthematik 3.2.1. Gottesebenbildlichkeit und Menschenwürde 3.2.1.1. Gleichheit sind auch behinderte Menschen gleich? 3.2.1.2. Betreuungsrecht und Menschenwürde 3.2.2. Recht verschaffen /Anspruch selbst verwirklichen 4. Historischer Abriss - Betreuungsarbeit bis heute 5. Fazit

1. Einleitung Ich begann diese Arbeit zum Ende des Jahres 2003 zu einem guten Zeitpunkt, um sich einen Überblick über dieses fast abgelaufene Jahr zu verschaffen. Neben vielen anderen Dingen, die 2003 geprägt haben, interessierte mich an dieser Stelle insbesondere ein Schlagwort, das die Innenpolitik in besonderem Maße gekennzeichnet hat nämlich das der Reform, und zwar in mannigfaltigsten Ausführungen wie Reformstau, Gesundheitsreform, Reformdruck... Es war das Jahr, in dem die Bundesregierung die Reformen, von denen schon seit langem (nicht nur von ihr) gesprochen wurde, auch tatsächlich anpacken wollte und dies auch getan hat, indem sie in einer der letzten Wochen des Jahres einige Vorhaben wie z.b. die Gesundheitsreform durch den Bundestag gebracht hat. Es war dies der Beginn einer umfassenden Änderung der Strukturen des Staates, es geht um nicht weniger als den Umbau des Sozialstaats mit zu erwartenden tief greifenden gesellschaftlichen Folgen. Angesichts der großen, für alle Teile der Gesellschaft bedeutungsvollen Vorhaben ist es dabei nicht wirklich verwunderlich, dass ein Reformvorhaben in der öffentlichen Wahrnehmung völlig untergegangen ist die Reform des Betreuungsrechts. Dies mag daran liegen, dass es sich hierbei um ein vermeintlich nur eine Minderheit betreffendes Thema von geringerer Bedeutung handelt. Infolgedessen wird es fast ausschließlich von denen, die bereits in irgendeiner Weise Berührung damit haben oder sich professionell mit der Materie beschäftigen, wahrgenommen. Die tatsächliche Bedeutung des Betreuungsgesetzes steht jedoch im krassen Gegensatz zu seiner geringen Bekanntheit. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 1.7.1980 festgestellt, dass Rechtliche Betreuung Rechtsanspruch des schutzbedürftigen Einzelnen ist und zu den obersten Aufgaben der staatlichen Wohlfahrtspflege gehört. 1 Hiermit ist eine klare Aussage getroffen, dass die Gesellschaft eine wohlfahrtsstaatlichgesellschaftliche Verpflichtung zur Fürsorge für den schutzbedürftigen Schwachen hat. Diese wird in eben jenem Betreuungsgesetz umgesetzt, in dem sich die Vorgaben dafür finden, welche rechtlichen Kompetenzen der Staat seinem Bürger, der.auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. 2 zubilligt. Gemäß diesem Gesetz stellt er ihm einen Betreuer zur Seite, der die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen hat. Neben dem Aspekt des Grundrechtsschutzes für behinderte Menschen, der schon für sich alleine von so großer Bedeutung ist, dass die Betreuungsrechtsreform kein derartiges mediales Mauerblümchendasein führen dürfte, ist auch die Tatsache, dass es sich bereits um über eine Million Menschen handelt, die in der Bundesrepublik unter Betreuung stehen, 3 nicht dafür geeignet, die Thematik auszublenden. Diese Zahl mag auf die Gesamtheit der Bevölkerung gesehen immer noch marginal sein, zu berücksichtigen ist dabei aber, dass sie sich unter anderem aufgrund der demografischen Entwicklung, die zu einer Zunahme der Zahl alter Menschen führt, die ihre Angelegenheiten nicht mehr werden regeln können, weiter erhöhen wird. Dieses Gesetz also soll, weitgehend unbemerkt, auf Initiative der Bundesländer geändert werden. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf zur Novellierung des Betreuungsrechts am 19. Dezember 2003 beim Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf wurde und wird 1 BVerfGE 54, 251 2 1896 BGB, Abs. 1, Satz 1 3 Horst Deinert, auf: http://home.t-online.de/home/horst-deinert/zahlen.htm, 24.01.2004 1

im Jahr 2004 zwar noch mehrfach diskutiert, aber mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Änderungen in den wesentlichen Punkten verabschiedet werden. Den Grund für seine Änderung hat dieses Gesetz mit den bekannteren Reformen gemeinsam die Kosten sind den zuständigen Ministerien über den Kopf gewachsen. Dass bei einer Reform, deren Hauptantriebsfeder die Minimierung der Kosten ist, nicht unbedingt Verbesserungen für die Betroffenen herauskommen werden, wird man sich unschwer vorstellen können. In diesem Falle allerdings scheint es sogar so, als würden die Folgen dieser Reform für die behinderten Menschen fast einem Rückschritt in die Zeit des alten Vormundschaftsrechts gleichkommen. Dieses jedoch wurde gerade deswegen abgeschafft, weil es.unverhältnismäßige Rechtseingriffe, diskriminierende Begriffe, inhaltlich eine Vernachlässigung der Personensorge und weitere Mängel 4 aufwies. Diese Entwicklung möchte ich im Folgenden darstellen. Da sie natürlich auch nicht ohne Auswirkungen auf jene bleiben wird, die sich bisher als Betreuer darum bemüht haben, hilfebedürftigen Menschen, orientiert an deren Wohl und Wünschen, zur Seite zu stehen, will ich diese daran anschließend skizzieren. Die Befürchtungen, die vielerorts gehegt werden, gehen von einer massiven Umwälzung der so genannten Betreuungslandschaft mit der Aufgabe der Tätigkeit vieler freiberuflicher Betreuer und Betreuungsvereine aus. Ein Teil dieser Landschaft sind auch die Betreuungsvereine in diakonischer Trägerschaft. Diese sind, im Sinne des Satzes Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen (Gal 6, 2)..seit vielen Jahrzehnten als Sozialanwälte und gesetzliche Vertreter für Mitmenschen tätig, die durch unterschiedliche Erkrankungen und Behinderungen ihre Angelegenheiten nicht, oder nur teilweise, selbst erledigen können 5. Ob und wie diese Arbeit gerade auch in der Diakonie angesichts dieser Entwicklungen in Zukunft noch möglich sein wird, soll abschließend behandelt werden. Auf ihren Fortbestand ist auf jeden Fall zu hoffen, denn gerade in immer schwerer werdenden Zeiten bedeutet der Einsatz diakonischer Betreuungsvereine für alte, kranke und behinderte Menschen eine wertvolle Unterstützung zu gelingendem Leben, auf die sie dringend angewiesen sind. 4 Vgl. Bundestags - Drucksache (BT-Drucks.) 11/4528, S. 49 ff. 5 Vorwort zur 1. Auflage der Standards des Fachverbandes der Vereine für Betreuungen, Vormundschaften und Pflegschaften im DW der Ev. Kirche im Rheinland, auf http://www.fachverband-dwbtg.de/standards.htm, 24.01.2004 2

2. Gesetzliche Vertretung behinderter Menschen damals, heute und morgen 2.1. Vormundschaft und Pflegschaft für Erwachsene - die Situation bis 1991 Das Hauptanliegen dieser Arbeit besteht ja darin, die Veränderungen im Betreuungsrecht und ihre Folgen darzustellen. Was also interessiert dann noch das Recht der Pflegschaft und Vormundschaft für Volljährige, ein Rechtsinstitut, das es in dieser Form seit über zehn Jahren, nachdem es vom Betreuungsrecht ersetzt wurde, nicht mehr gibt? Obwohl es somit ein für die heutige Situation irrelevantes Gesetz ist, muss es hier in seinen Grundzügen dargestellt werden denn ohne Kenntnis dessen ist zum einen nicht zu verstehen, welche Bedeutung der Reform von 1992 zukommt, zum anderen ist die in der Einleitung erwähnte These, die jetzt anstehende Reform eben diesen Betreuungsrechts stelle einen Rückschritt zum alten Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht dar, nicht belegbar. Die Auseinandersetzung mit behinderten Menschen nicht nur auf praktischer, sondern auch auf rechtlicher Ebene reicht allerdings schon sehr viel weiter zurück. 2.1.1. Übersicht: 2000 Jahre Vormundschaft 6 Bereits das römische Recht (Zwölftafelgesetz) kennt die Vormundschaft in Form der Cura furiosi und der Cura prodigi. Erstere bezeichnet die Sorge für die Verrückten. Sie trat bei Beginn der Krankheit ohne formalen Akt in Kraft und erlosch bei deren Ende von selbst wieder. Der Kranke galt als handlungs- und deliktsunfähig, in lichten Zwischenräumen jedoch ruhte die Vormundschaft, so dass der Betroffene Rechtsgeschäfte tätigen konnte. Die Cura prodigi dagegen, die Sorge für die Verschwender, setzte ein formales Verfahren voraus und hatte stark rechtsbeschränkenden Charakter. Die Verfügung über sein Vermögen war dem Betroffenen nicht mehr möglich. Bei den Germanen bezeichnete die Munt begrifflich leitet sich daraus Vormundschaft ab den Schutz und die Fürsorge für die Hausgemeinschaft und die Sippe. Wer sich nicht verteidigen konnte, hatte Anspruch auf Schutz durch ein Mitglied der Sippe oder, sofern er keiner Sippe angehörte, durch den König. Im Mittelalter entwickelte sich daraus das Verständnis der Vormundschaft als Staatsamt und öffentliche Aufgabe. In der Reichspolizeiverordnung von 1548 wird dann erstmals, als Höhepunkt dieser Entwicklung, der polizeistaatliche Charakter der Vormundschaft hervorgehoben. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 sieht die Vormundschaft für Blödsinnige, Rasende, Wahnsinnige, Taube, Stumme und Verschwender vor. Es war sehr restriktiv angelegt. Die gerichtliche Entscheidung über die Bestellung eines Vormundes, der als Beauftragter des Staates handelte, hatte konstitutive Wirkung auf die Geschäftsfähigkeit. Handlungsfähigkeit in Phasen, in denen es dem Betroffenen besser ging (wie bei der Cura furiosi ) gab es hier nicht. Der Vormund wurde vom Gericht überwacht. Im Code Civil von 1803 sind zwar Vormundschaft und Geschäftsfähigkeit genauso aneinandergeknüpft wie im Preußischen Landrecht, jedoch ist die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes, wie sie durch die Geschäftsunfähigkeit begründet wird, von einer 6 Vgl. Holzhauer, Gutachten B zum 57. Dt. Juristentag 1988, S. B 12 ff. 3