15. LANDTAG VON BADEN-WÜRTTEMBERG 71. Sitzung Mittwoch, 19. Juni 2013, 10:00 Uhr TOP 2 Kein Fracking mit Chemie! Rede von Ulrich Müller MdL CDU-Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort.
Abg. Ulrich Müller CDU: Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Fracking hat den Landtag in den letzten zweieinhalb Jahren mehrfach beschäftigt. Es gab zwei Anträge der Kollegin Grünstein, einen aus der vergangenen Legislaturperiode und einen auch in dieser, einen Antrag der SPD und dazu eine Plenardebatte, einen Antrag des Kollegen Lehmann und einen Bericht der Landesregierung, in dem sie beschreibt, wie sie mit dem Landtagsbeschluss vom Sommer 2012 umgegangen ist. Bei diesen ganzen Etappen sind drei Dinge bemerkenswert: Erstens: Die Bewegung, die in die Diskussion gekommen ist und auch die Veränderung der verschiedenen Aspekte. Zweitens: Die Erkenntnisfortschritte, die es vor allem durch gutachtliche Äußerungen gegeben hat. Drittens: Speziell in diesem Haus der große Konsens, der in dieser Frage herrschte und herrscht sowohl was die Ausschusssitzungen anbelangt sowie auch die Plenarsitzungen. Es gab keine kontroverse Debatte, keine kontroverse Abstimmung; im Gegenteil. Ausgehend vom Trinkwasserspeicher Bodensee hinführend zu der generellen Frage, wie ist es mit Wassereinzugsgebieten, bis hin zu der ganz grundsätzlichen Frage, was tun eigentlich die Chemikalien im Untergrund, um Öl oder Gas zu fördern, haben wir das Thema taktiert. Es gibt Konsens in Land und Bund und über die künftige Notwendigkeit der Veränderung des Bergrechts im Blick auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Vetofunktion des Gewässerschutzes. Das alles hat gegipfelt in einem einstimmigen Beschluss dieses Hauses vom 28. Juni 2012. Das war praktisch genau vor einem Jahr. Es gab zwei Anträge. Der eine war von den Grünen und der SPD, der andere von der FDP/DVP. Beide Anträge sind einstimmig angenommen worden. Der Dollpunkt des Antrags der Regierungsfraktionen bestand darin, ein Moratorium zu verlangen, was den Einsatz von wassergefährdenden Stoffen beim Fracking anbelangt, bis abschließende Erkenntnisse dazu vorliegen. Das ist in diesem Haus einstimmig beschlossen worden. Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man sich natürlich schon fragen: Wieso diskutieren wir heute erneut über dieses Thema?
Die Antwort ist relativ simpel: Es soll auf den Tatbestand aufmerksam gemacht werden, dass wir auf Bundesebene keine vergleichbare Beschlusslage haben. Das ist zutreffend. Ich frage mich nur: Hat es vielleicht auch mit dem 22. September zu tun, dass diese Erkenntnis, die offenkundig ist, in einer Plenardebatte ausgesprochen werden muss? Für die CDU im Land und, wie ich gleich noch ausführen werde, auch für die CDU im Bund lässt sich feststellen, dass wir in dieser Frage außerordentlich engagiert waren und sind. Das gilt sowohl für die drei der Union angehörenden Bundestagsabgeordneten, die am Bodensee tätig sind, die Kollegen Jung, Riebsamen und Dr. Müller von der CSU. Sie haben die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in dieser Frage deutlich vorangebracht. Erst auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode um jetzt einmal genau den Punkt zu beschreiben, um den es geht kam es dann aufgrund einer fehlender Einigung mit der FDP nicht zu einer entsprechenden Gesetzesnovelle. Die FDP wollte zwar auch den Schutz den Bodensees und seines Einzugsgebiets, aber nicht den der übrigen Trinkwasserspeicher. Das ist eine nicht zustande gekommene Einigung, die uns aber aus zwei Gründen nicht so übermäßig schmerzt. Zunächst einmal: Wir können jetzt sagen, was wir eigentlich wollen, und das tun wir. Die Union wird in ihr Wahlprogramm, dessen Elemente bereits feststehen und von den Spitzen abgesegnet sind und das am nächsten Sonntag dann von den Vorständen beschlossen wird, eine Passage aufnehmen, die ich Ihnen einfach einmal vorlesen darf. Das bezieht sich jetzt auf die Bundesebene. Deswegen spreche ich von den beiden Ebenen. Wir wollen in unserem Wahlprogramm festhalten ich zitiere wörtlich : Im Hinblick auf eine Gewinnung von Gas durch das sogenannte Fracking ist für CDU und CSU klar, Gefahren für die Menschen und unser Trinkwasser müssen dabei ausgeschlossen werden, die Sicherheit hat für die Union absoluten Vorrang. Eine Gasgewinnung mittels gesundheitsgefährdender Chemikalien lehnen wir ab. Das ist eine ungemein klare Botschaft. Das heißt auf Deutsch: Kein Fracking mit Chemie, und zwar überall nicht, nicht nur im Umfeld des Bodensees oder anderen Trinkwasserspeichern nicht, sondern generell nicht. Das heißt zugleich: Solange keine chemiefreie Methode entwickelt ist es gibt Chancen dafür, dass sie entwickelt wird; diese Chancen, dass da technische Fortschritte erzielt werden, sollten auch gefördert
werden, solange wird es Fracking in Deutschland nach unserer Vorstellung nicht geben. Abgesehen davon: Wenn dieses Problem gelöst ist, werden natürlich im Übrigen auch noch aufwendige Prüfverfahren zu durchlaufen sein. Deshalb: Mit der Vorlage am 23. September dieses Jahres auf verschärfter Basis und mit einer gestärkten Union. Zweitens: Meine Damen und Herren, es ist keine Gefahr in Verzug, sowohl weil gar keine Anträge vorliegen in Deutschland hat es bisher nur in Hessen einen einzigen Antrag gegeben; er ist dann übrigens abgelehnt worden, als auch deswegen, weil wir schon heute ein gültiges Instrumentarium haben, dass dafür sorgt, dass nichts übers Knie gebrochen wird, als auch schließlich auf den Umfang der Vorkommen in Deutschland. Sie sind nun auch wieder nicht so groß, als dass sie den ganzen Ärger lohnen würden. Das war jedenfalls die Aussage eines ausländischen Geowissenschaftlers auf einer Tagung, an der ich neulich teilgenommen habe. Er würde für Deutschland nicht empfehlen, sich in diese Diskussion zu stürzen. Generell, meine Damen und Herren, lässt sich sagen, dass die wissenschaftlichen Studien der letzten Monate ich hatte es gerade schon gesagt zwar ein skeptisches, aber durchaus differenziertes Bild zeichnen. Gemessen daran geht unsere Position, die Kein Fracking mit Chemie lautet, über diesen wissenschaftlichen Erkenntnisstand noch hinaus. Ich will es unter dem Gesichtspunkt der politischen Kontinuität einmal so sagen: Wir haben in den Boden- und Gewässerschutz nicht jahrelang Millionen von Euro gesteckt, um uns anschließend die Erfolge dieser unserer Umweltpolitik durch irgendwelche Risiken kaputtmachen zu lassen. Nicht mit uns! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass sich dieses Thema nur bedingt dafür eignet, nach dem Motto Hier sind die Guten, und hier sind die Bösen zu verfahren. Selbst wenn man jetzt künstlich Gegensätze konstruiert, ist es nicht so, wie es vielleicht dargestellt wird und wie es drei Monate vor der Bundestagswahl gern gesehen wird. Übrigens hat sich der Energiekommissar Oettinger auch zu den Themen Trinkwasserschutz und Bodenseeschutz geäußert und hat ganz klar gesagt, dass beides natürlich gewährleistet sein muss. Aber ich muss Oettinger nicht verteidigen, ich verweise auf das, was die Union im Bundestagswahlkampf selbst beschlossen hat. Das geht bemerkenswerterweise über das hinaus, was im vergangenen Jahr hier einstimmig
beschlossen worden ist. Da hieß es nämlich nur: Moratorium, solange nicht Erkenntnisse vorliegen. Die Position der Union lautet mittlerweile: überhaupt keine Chemie Erkenntnisse hin, Erkenntnisse her. Der Erkenntnisprozess ist für uns in dieser Frage abgeschlossen. Das muss man einmal sehen. Insofern können wir uns da ohne Weiteres blicken lassen. Weil Sie, Herr Minister Untersteller, auf wissenschaftliche Untersuchungen verwiesen haben und dabei meinten, den Kollegen Glück ein bisschen in den Senkel stellen zu müssen, will ich doch darauf hinweisen: Es gibt auch andere wissenschaftliche Untersuchungen. Ich habe z. B. eine da: Stellungnahme zu den geowissenschaftlichen Aussagen des UBA-Gutachtens, der Studie NRW und der Risikostudie des Exxon Mobil- Info-Dialogprozesses zum Thema Fracking erarbeitet für den Bund/Länder-Ausschuss Bodenforschung durch die Staatlichen Geologischen Dienste der Deutschen Bundesländer da ist Baden-Württemberg vermutlich auch dabei gewesen und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die hier eine ziemlich differenzierte Position einnehmen. Wie gesagt: Jetzt machen wir einmal keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern sehen die Dinge so differenziert, wie sie sind. Im Übrigen bin ich dankbar für die Zwischenfrage des Kollegen Lusche. Sie hat nämlich offenbart, dass wir uns im Endergebnis überhaupt nicht unterscheiden: wenn Risiken, dann nein, wenn keine Risiken, dann geht es ganz einfach.