Martin Kuhnigk - Die Justiz des Landes
Köln (Stadtbezirk mit ca. 1 Mio. Einwohnern) Betreuung von 500-600 jugendlichen und heranwachsenden Probanden (20 % der insgesamt in Köln betreuten 2500-3000 Probanden) Fallbelastung Bewährungshelfer: 75-85 2
Ausgangssituation 2005 extrem steigende Fallzahlen zunehmend komplexere Problemkonstellationen anhaltende Diskussion über steigende Jugendkriminalität und zunehmende Jugendgewalt in den Medien Intensivtäter - Programme als Reaktion der Politik, Forderungen nach Boot Camps 3
Anstoß engagierte Bewährungshelfer/-innen Interesse der Jugendgerichte, einzelne Probanden enger anzubinden und intensiver betreuen zu lassen Unterstützung durch Dezernenten des LG Köln, Herrn Dr. Czaja 4
AIB (2006) 20 AIB-Plätze in der Kölner Dienststelle 1 Bewährungshelferin und 3 Bewährungshelfer 5 AIB-Fälle (6 Monate intensiv) 25-35 Standard -Fälle Mehrbelastung wird von der Kollegenschaft getragen 5
Engmaschige Betreuung und Kontrolle als Ziel angemessene Reaktion auf Fehlentwicklung einzelner junger Probanden neue Alternative zur Haft schaffen Bewährung gegenüber jungen Probanden aufwerten Verbesserung eigener Arbeitsbedingungen 6
Zielgruppe Jugendliche und heranwachsende Probanden (Verurteilung nach JGG) erhöhter Betreuungsbedarf nicht ausschließlich Intensivtäter 7
Psychosozialer Hintergrund (Straftaten als Symptome tieferliegender Ursachen) belasteter familiärer Hintergrund überforderte oder ganz abwesende Eltern Suchtprobleme der Eltern frühe Gewalterfahrungen Migrationsproblematik etc. 8
Rechtlicher Rahmen Strafaussetzung ( 21 JGG) Strafrestaussetzung ( 88 JGG) Schuldfeststellung ( 27 JGG) Vorbewährung ( 61 JGG) 9
Rechtlicher Rahmen Teilnahme an der AIB wird verpflichtend in den Bewährungsbeschluss aufgenommen nachträgliche Anordnung unter laufender Bewährung möglich 10
Belegung Belegung freier AIB-Plätze erfolgt durch das Jugendgericht, jedoch ausschließlich nach vorheriger Rücksprache mit dem AIB-Team keine Warteliste, um verbindlich engmaschige Betreuung gewährleisten zu können 11
Belegung (Fallbeispiel) Kontaktaufnahme im Vorfeld der Hauptverhandlung Teilnahme und Abholung in der Hauptverhandlung 12
AIB-Probanden lange Zeit ohne erzieherischen Einfluss kaum Grenzen erfahren äußerst erfahren im Umgang mit Sozialarbeitern oft jahrelanger täglicher Cannabiskonsum fehlende Tagesstruktur schwer zugänglich ( coole Fassade) 13
Erstgespräch (formal) akuter Hilfebedarf hat Vorrang (Wohnen, Leistungsbezug) Erläuterung gerichtlicher Entscheidung Auflagen, Rahmenbedingungen der AIB Anamnese, Situationsanalyse, Zielabsprache 14
Signal an AIB-Probanden Angebot bestmöglicher Unterstützung bei Mitarbeit Ankündigung sofortiger Mitteilung an das Gericht bei Manövern, Passivität oder Auflagenverstößen Du bist es wert, wir wollen dich nicht verlieren! 15
Intensive Betreuung nahezu tägliche Kontakte in der Anfangsphase aufsuchende Sozialarbeit (Begleitung (Ämtergänge etc., Hausbesuche) erhöhte Erreichbarkeit (Diensthandy) 16
Intensive Betreuung ständige Auseinandersetzung (loben, nachsetzen, ermahnen) Nähe - Nachholbedürfnis vieler Probanden Distanz Professionalität sicherstellen 17
Bewährungshelfer in der AIB Interesse an erzieherischer Auseinandersetzung Bereitschaft zur erhöhten Kontaktfrequenz Fähigkeit zur Annahme des Probanden Authentizität 18
Netzwerk (Hilfe-System) freie Träger (Soziales Training, AAT etc.) Bildungsberatungsstellen, U25-Team (Jobcenter) Schulen / Träger beruflicher Maßnahmen Jugendamt, ggf. Einzelfallhelfer Sucht- und Drogenhilfesystem Psychotherapeuten Familie / Bezugspersonen 19
Netzwerk Zusammenarbeit mit dem Intensivtäter-Kommissariat (KK 57) der Kölner Polizei Personenorientierte Berichte Informationen bei neuen polizeilichen Vorgängen 20
Netzwerkarbeit (Arbeit an der Realität ) Rückmeldungen aus dem Netzwerk, z.b. der Schule oder der Polizei über neue polizeiliche Vorgänge unmittelbare Konfrontation des Probanden altersgemäße schnelle Reaktion des Gerichts (zeitnahe Anhörung) 21
Positiver Verlauf (nach 6 Monaten) Proband hat sich bestenfalls für eine Neuausrichtung entschieden, keine neuen Anzeigen Wohnsituation geklärt, Tagesstruktur vorhanden kann Hilfsangebote aktiv nutzen ist absprachefähig Weiterbetreuung als Standard-Fall ist möglich 22
Negativer Verlauf Verweigerungshaltung, Proband manövriert und verweigert Auseinandersetzung Auflagenverstöße Anhörung / Ungehorsamsarrest 23
Negativer Verlauf Neue Straftaten und fehlende Bereitschaft, Hilfsangebote anzunehmen Widerrufverfahren, ggf. Sicherungshaftbefehl Eine Verlängerung soll nur in Ausnahmefällen erfolgen (z.b. wenn ein Berufungsverfahren anhängig ist). 24
Positive Effekte der AIB Respekt vor der Strafaussetzung unter den Probanden in der AIB wächst wieder nochmals deutlich verbesserte Kommunikation mit Kölner Jugendrichtern (E-Mail / Mobilfunk) Netzwerkarbeit hat sich insgesamt verbessert (Qualitätszirkel, Stammtisch Netzwerkarbeit vor Ort ). 25
Rückmeldungen beteiligte Fachleute äußern sich seit Beginn positiv Probanden fühlen sich nach anfänglicher Skepsis ernstgenommen und nehmen die intensive Hilfe an Evaluation durch das Max-Planck-Institut (MPI) 26
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