Kristallographisches Praktikum I. Versuch T2: Thermogravimetrie

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Kristallographisches Praktikum I 25 Kristallographisches Praktikum I Versuch T2: Thermogravimetrie 1. Übersicht Mit Hilfe der Thermogravimetrie (TG) kann man sowohl die thermische Dissoziation 1 als auch chemische Reaktionen 2 beliebiger Phasen kontinuierlich verfolgen und aus den registrierten Massenänderungen Rückschlüsse auf die Zusammensetzung von Ausgangsmaterial, etwaigen Zwischenprodukten und den gasförmigen Zersetzungsprodukten ziehen. Thermogravimetrische Untersuchungen werden heute auf Thermowaagen durchgeführt, die die simultane Erfassung von TG, DTG (Differentialthermogravimetrie) und DTA (Differenzthermoanalyse) gestatten. Die Versuche können in unterschiedlichen Atmosphären bei Normaldruck oder im Vakuum durchgeführt werden. Die TG kann in zweifacher Hinsicht von Nutzen sein: a) als Analysenmethode; klassisches Anwendungsbeispiel ist das Abrösten von Erzen. Ein Sulfid wird in Sauerstoffatmosphäre in das Oxid überführt. Aus der Massendifferenz kann der Schwefelgehalt berechnet werden. Der Analysenfehler liegt im allgemeinen unter 1 %. b) als Synthesemethode; hier ist das klassische Anwendungsbeispiel die stufenweise Entwässerung von Hydraten. Wenn keine überlagerten Reaktionen auftreten, kann man den Versuch nach einer Stufe abbrechen und erhält das Zwischenprodukt in reiner Form. Auch 1 2 In einer Inertgasatmosphäre In einer reaktiven Gasatmosphäre

Versuch T2: Thermogravimetrie 26 andere anorganische Verbindungen mit einem ähnlichen thermischen Verhalten wie Hydrate können untersucht werden. Auf diese Weise wurden viele neue Verbindungen entdeckt. Die DTG liefert die Reaktionsrate und ist besonders vorteilhaft für die Auswertung komplizierter Reaktionsabläufe, d.h. bei eng benachbarten oder überlagerten Reaktionen. Für Stöchiometrie- Bestimmungen ist eine möglichst eindeutige Trennung der Reaktionsstufen eine wichtige Voraussetzung. Die DTA zeigt die Art der Reaktion, ob endo- oder exotherm, sowie Phasenumwandlungen an und kann zur Bestimmung der Reaktionsenthalpie herangezogen werden. 2. Flankierende Untersuchungen Es sollte nicht darauf verzichtet werden, zur Kontrolle der ermittelten Ergebnisse andere Analysenverfahren (siehe Tabelle 1) einzusetzen. Tabelle 1: Phasenuntersuchungen und Synthesemethoden Phasensynthese Phasenanalyse Methode Ergebnis Methode Ergebnis Erstarrung von Schmelzen, Sinter- und Temperpolykristalline Phasengemenge chemische Analysen, Röntgenfluoreszenzanalysen Stöchiometrie Verfahren Mikrosonde chemische Topographie chemischer Transport über die Gasphase räumliche Trennung der Gleichgewichtsphasen, häufig als Einkristalle (HT-) Mikroskopie (HT-) Röntgenbeugung optische Charakterisierung Phasengrenzen, Kristalldaten (Struktur) Thermogravimetrie intermediäre Phasen Thermogravimetrie Zersetzungsmecha- Pyrosynthese durch Differenzthermoanalyse 3. Anwendungsbeispiele nismen Bildungsmechanismen Differenzthermoanalyse Phasenumwandlungen Thermogravimetrie als Analysen- und Synthesemethode läßt sich immer dann vorteilhaft betreiben, wenn ein fester (s) oder flüssiger (l) Stoff A unter Wärmebehandlung definiert in einen festen oder flüssigen Stoff B und einen gasförmigen (g) Stoff C zerfällt:

Kristallographisches Praktikum I 27 A (s) B (s) + C (g), (vgl. Beispiele a), b), c) folgende Seiten) oder bei Reaktionen mit der Gasphase: A (s) + C (g) E (s) (vgl. Beispiele d), e) folgende Seiten) oder A (s) + C (g) E (s) B (s) + D (g) (vgl. Beispiele g), h) folgende Seiten) Ergebnis: a) Analyse der Stoffes A (er besteht aus x Teilen B und y Teilen C). Dies gilt auch für nichtstöchiometrische Verbindungen. Bei definierten Reaktionen ergeben sich sehr genaue Analysen. b) Synthese des Stoffes B. Es kann sich um einen bekannten oder neuen Stoff handeln. c) Ermittlung der Reaktionstemperatur bzw. des Reaktionsintervalls (Reaktionsbeginn bis Reaktionsende). d) Bestimmung der thermischen Stabilität des untersuchten Stoffes. Im folgenden sind Zersetzungsreaktionen aufgeführt. Hierbei wird das Ausgangsmaterial erhitzt und zerfällt dabei in einen festen und einen gasförmigen Bestandteil. Beispiele: a) CaCO 3 CaO + CO 2 T = 600 C (in Luft) b) 3 SbSI Sb 2 S 3 + SbI 3 T = 300 C (in N 2 -Atm.) c) MgSO 4 7 H 2 O (siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) Die Thermogravimetrie eignet sich auch zur Synthese von Zwischenprodukten, sogenannten

Versuch T2: Thermogravimetrie 28 intermediären Verbindungen. Die Reaktionsgleichung läßt sich wie folgt formulieren: A B + C (g) D + E (g) In obiger Reaktionsgleichung ist B die intermediäre Verbindung. Die gasförmige Verbindung E kann durchaus die Gleiche sein wie die hier mit C bezeichnete Verbindung (siehe auch Abb. 1). Abbildung 1: TG Analyse der thermischen Zersetzung von MgSO 4 7 H 2 O. Mit 1 ist die DTG- Kurve mit 2 die Thermogravimetriekurve bezeichnet. Im folgenden sind Reaktionen mit der Gasphase aufgeführt. Hierbei wird das Ausgangsmaterial in einer vorgegebenen Atmosphäre erhitzt. Beispiele: d) 2 Me + O 2 2 MeO e) 2 Bi + 1½ O 2 Bi 2 O 3 f) 2 Bi + 3 H 2 S Bi 2 S 3 + 3 H 2 g) ZnS + 2 O 2 ZnO + SO 3 h) Me (1-x) S + 2 O 2 (1-x)MeO + SO 2

Kristallographisches Praktikum I 29 4. Experimentelle Vorgehensweise Man nimmt zunächst eine Übersichtskurve auf und Bestimmung damit die Anfangs- und Endtemperatur, sowie die Temperaturen für mögliche Zwischenreaktionen. Um eine DTG-Kurve aufzunehmen, gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen: a) Die Temperatur wird kontinuierlich erhöht. Nach Erreichen der Gewichtskonstanz wird der Versuch abgebrochen. b) Das Ausgangsmaterial wird bei einer ausgewählten Reaktionstemperatur bis zur Gewichtskonstanz getempert. Beispiele: 27 BiSI Bi 19 S 27 I 3 + 8 BiI 3 9 Bi 2 S 3 + BiI 3 Ausgangssubstanz Zwischenprodukt Endprodukt Abbildung 2: Das obige Bild beschreibt die thermische Dissoziation der BiSX- Verbindungen in N 2 -Atmosphäre. Bei diesen TG-Kurven wurde für die Ordinate ein willkürlicher Maßstab gewählt. die Heizrate bei diesen Messungen betrug 2 C/min.

Versuch T2: Thermogravimetrie 30 In der nachfolgenden Tabelle 2 ist die thermische Stabilität von Wismut-Sulfid-Halogeniden aufgeführt. Tabelle 2: Thermische Stabilität von Bi x S y -Halogeniden in N 2 Verbindung Zersetzungstemperatur in [ C] BiSCl 350 BiSBr 400 BiSI 400 Bi 4 S 5 Cl 2 400 Bi 19 S 27 Cl 3 450 Bi 19 S 27 Cl 3 650 Bi 19 S 27 Cl 3 650 InBi 2 S 4 Cl 550 Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von TG zur Optimierung verfahrenstechnischer Prozesse. Im folgenden ist der Hochofenprozeß aufgeführt. 2 FeS 2 + 5½ O 2 Fe 2 O 3 + 4 SO 2 Fe 2 O 3 + 3 C + 1½ O 2 Fe 2 O 3 + 3 CO 2 Fe + 3 CO 2 5. Untersuchungen mit Wechsel der Gasatmosphäre Nachfolgend wird die thermischen Dissoziation und Oxidation von Antimon- und Wismut-Oxid- Halogeniden besprochen. Zersetzt man ein Antimon- oder Wismut-Oxid-Halogenid auf der Thermowaage in strömendem Stickstoff bei Normaldruck, so wird es unter Abspaltung von flüchtigem Antimon- bzw. Wismuttrihalogenid in das entsprechende Sesquioxid überführt, diesen Vorgang nennt man thermische Dissoziation. Der Abbau verläuft teilweise über Zwischenstufen, die durch die Entstehung halogenärmerer Verbindungen hervorgerufen werden. Als Ausgangssubstanz

Kristallographisches Praktikum I 31 für die Dissoziationsversuche wird man also die halogenreichste zur Verfügung stehende Verbindung einsetzen. Das Antimon-Oxid-Iodid Sb 3 O 4 I konnte einphasig dargestellt werden. Die stufenweise thermische Dissoziation zeigt Abbildung 3. Abbildung 3: Thermische Dissoziation von Sb 3 O 4 I in Stickstoffatmosphäre. Die TG-Kurve wurde mit einer Heizrate von 2 C/min aufgenommen. Bei genügend langsamer Aufheizgeschwindigkeit (ca. 1 K/min) können die Stufen getrennt und die Zwischenprodukte in reiner Form entnommen werden. Über nachfolgende Massendifferenzberechnungen wurde ihre Stöchiometrie ermittelt. Es ergaben sich folgende drei Zersetzungsmechanismen: Stufe 1: 11 Sb 3 O 4 I 4 Sb 8 O 11 I 2 + SbI 3 Stufe 2: 7 Sb 8 O 11 I 2 11 Sb 5 O 7 I + SbI 3 Stufe 3: 3 Sb 5 O 7 I 7 Sb 2 O 3 + SbI 3 Behandelt man anschließend die drei Oxid-Iodide in strömender Sauerstoffatmosphäre (Abbildung 4), so entweicht gasförmiges Jod und das zurückbleibende Antimon bzw. Antimonsesquioxid wird

Versuch T2: Thermogravimetrie 32 sofort zu dem unter diesen Bedingungen stabilsten Antimonoxid, dem Sb 2 O 4 oxydiert. Aus der registrierten Massendifferenz kann somit die Zusammensetzung der Ausgangssubstanz kontrolliert werden. Die drei Oxidationsreaktionen lauten: 2 Sb 3 O 4 I + 2 O 2 3 Sb 2 O 4 + I 2 Sb 8 O 11 I 2 + 2½ O 2 Sb2O4 + I 2 2 Sb 5 O 7 I + 3 O 2 5 Sb 2 O 4 + I 2 Die thermische Dissoziation von BiOI in Stickstoffatmosphäre (Abbildung 5) ist Gegenstand der ersten Übungsaufgabe. Die Zersetzung in Sauerstoffatmosphäre verläuft über drei Stufen, wobei die ersten beiden nicht trennbar überlagert sind, die dritte jedoch gut aufgelöst ist (Abbildung 6). Abbildung 4: Oxidation der Antimon-Oxid-Jodide zu Sb 2 O 4. Die TG-Kurve wurde in Sauerstoffatmosphäre mit einer Heizrate von 2 C/min aufgenommen.

Kristallographisches Praktikum I 33 Abbildung 5: Zersetzung von BiOI. Der Heizlauf erfolgte in Sauerstoffatmosphäre mit einer Heizrate von 1 C/min. Der Ordinatenmaßstab wurde willkürlich gewählt. Abbildung 6: Thermische Dissoziation von BiOI in Stickstoffatmosphäre. Die Abbildung ist ein verkleinertes Originalkurvenblatt. Die Meßbereiche der TG-Kurven lagen bei 100 bzw. 10 mg, die Heizrate betrug 1.5 C/min.

Versuch T2: Thermogravimetrie 34 6. Überlagerte Reaktionen Ähnliches thermisches Verhalten wie die Antimon- bzw. Wismut-Oxid-Halogenide zeigen die Antimon- und Wismut-Sulfid-Halogenide. Während sich die Sulfid-Halgenide des Antimons, SbSBr und SbSI ohne erkennbare Anzeichen von Zwischenstufen, in Stickstoffatmosphäre direkt zu Sb 2 S 3 und SbBr 3 bzw. SbI 3 zersetzen, treten im Falle der Wismut-Sulfid-Halogenide solche Zwischenstufen auf (siehe Abb.2). Bei BiSI und BiSBr findet man die intermediäre Verbindung Bi 19 S 27 I 3 bzw. Bi 19 S 27 Br 3. Die Zersetzung des BiSCl liefert demgegenüber keine ausgeprägten Stufen, sondern eine Überlagerung von drei Reaktionen, die auch bei langsamen Aufheizgeschwindigkeiten nur schlecht aufgelöst sind. Trotzdem konnte die Verbindung, die für die Entstehung der ersten Stufe verantwortlich ist, dargestellt werden. BiSCl wurde isotherm bei 350 C getempert, bis keine Massenänderung mehr zu beobachten war; dem entstandenen Produkt konnte über Massendifferenzberechnung und unter der Annahme, daß BiCl 3 entweicht, die Formel Bi 4 S 5 Cl 2 zugeordnet werden. (Die zweite intermediäre Verbindung, Bi 19 S 27 Cl 3, wurde auf anderem Wege dargestellt.) 7. Anforderungen beim Kolloquium und Literatur Den Praktikanten sollten folgende Themenbereiche geläufig sein: - Definition des Begriffes Thermische Analyse - unter diese Definition fallende Analyseverfahren - Verständnis der Funktionsweise der Verfahren - Anwendungsbeispiele für die einzelnen Verfahren - Bestimmung der Reaktionstemperatur Duval, C. Inorganic Thermogravimetric Analysis Elsevier, Amsterdam 1963 Garn, P. D. Thermoanalytic Methods of Investigation Academic Press, New York 1965 Heide, K. Dynamische thermische Analysenmethoden VEB Grundstoffindustrie, Leipzig 1981 Hemminger, W. F.; Cammenga, H. K. Methoden der Thermischen Analyse Springer, Berlin 1989

Kristallographisches Praktikum I 35 Riesen, R.; Widmann, G. Thermoanalyse - Anwendungen, Begriffe, Methoden Hüthig, Heidelberg 1984 Wendlandt, W. W. Thermal Methods of Investigation Wiley, New York 1965 8. Übungsbeispiele Aufgabe 1: TG-Diagramm von BiOI (identisch mit Bi 2 O 3 BiI 3 ) in Stickstoffatmosphäre (Abbildung 7). Einwaage: 92.45 mg Molmassen: Bi 2 O 3 467.96 g/mol BiI 3 590.69 g/mol BiOI gibt beim Erhitzen auf der Thermowaage in Stickstoff-Atmosphäre in vier Stufen BiI 3 ab; das Endprodukt ist Bi 2 O 3. Die Zusammensetzung der drei intermediären Verbindungen kann über die registrierten Massenänderungen bestimmt werden. Die DTG-Kurve zeigt simultan die Zersetzungsgeschwindigkeit an.

Versuch T2: Thermogravimetrie 36

Kristallographisches Praktikum I 37 Abbildung 7: Versuchsprotokoll und Thermogramm der Zersetzung von BiOI.

Versuch T2: Thermogravimetrie 38 Aufgabe 2: Thermogravimetrische Untersuchung der Zersetzung von CuSO 4 5 H 2 O in Luft (Abbildung 8) a) Durchführung einer TG-Messung b) Interpretation der Zersetzung sowie Darstellung der einzelnen Zersetzungsschritte mit Angabe der jeweiligen Reaktionstemperatur b) Aus der im Thermogramm ersichtlichen Zersetzungsfolge und den damit verbundenen Massenänderungen läßt sich häufig das Atomgewicht (Molmasse) eines der beteiligten Elemente berechnen. Aus der Abbaustufe CuSO 4 CuO + SO 3 ist das Atomgewicht von Kupfer zu bestimmen. Es gilt: m m CuO M = M CuO SO3 SO 3 M = M + M CuO Cu O m CuO = m m CuSO 4 SO 3 Somit folgt für das Atomgewicht von Kupfer: M Cu = M SO3 m m CuSO4 CuO m CuO M O M: Molmasse m: aus dem Thermogramm ermittelte (und evtl. korrigierte) Massen

Kristallographisches Praktikum I 39

Versuch T2: Thermogravimetrie 40 Abbildung 8: Versuchsprotokoll und Thermogramm der Zersetzung von CuSO 4 5 H 2 O. Aufgabe 3:

Kristallographisches Praktikum I 41 Berechnung der Zusammensetzung einer nicht-stöchiometrischen Verbindung. Die Reaktionsgleichung lautet: Me (1-x) S + (2-½x) O 2 (1-x) MeO + SO 3 Einwaage: 50.000 mg Me (1-x) S M Me : 90.000 g/mol M S : 32.064 g/mol M O : 16.000 g/mol Massendifferenz: 18.000 mg Berechnen Sie x.