Kanäle: Eigentum, Leitungsrecht und Widmung Dr. Till Elgeti Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht 21.02.2017 17. Göttinger Abwassertage
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Überblick Eigentum Leitungsrecht Widmung 4
Leitungen werden in Grundstücken verlegt Wesentlicher Bestandteil wg. fester Verbindung ( 94 BGB)? Verbindung zum vorübergehenden Zweck ( 95 BGB Scheinbestandteil) Eigentum an Leitung und Eigentum am Grundstück fällt nicht zwingend zusammen Nachträgliche Trennung von Grundstück und Leitung? Eigentum an Leitungen 5
Eigentum, 903 ff. BGB Eigentum und Besitz Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Besitz, 854 ff. BGB Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. 6
Überblick Eigentum Leitungsrecht Widmung 7
Leitungsrecht? Recht, eine Leitung durch ein Grundstück zu verlegen Eigenes Grundstück: kein Problem Fremdgrundstücke? Schuldrechtlicher Vertrag Grundstücksrecht (beschränkt persönliche Dienstbarkeit oder Grunddienstbarkeit) Gesetzliches Recht (Notweg nach 917 BGB, Nachbarrecht) Öffentliches Recht Baulast Duldung Kein Vertrag? Entfernung der Leitung nach 1004 Abs. 1 BGB 8
Vertrag mündlich und schriftlich möglich Vertragsinhalte Zur Verfügung stellen des Grundstücks Ggf. Entgelt Schwierigkeit bei mündlicher Vereinbarung Nachträgliche Vereinbarung möglich Kündigungsmöglichkeiten Folgekosten? Wirkung für wen? 9
Miete/ Pacht (entgeltlich): Bei Verkauf des Grundstücks geht der Vertrag auf den Käufer über Eingeschränkte Sicherung des Nutzungsrechts, insbes. kein Schutz bei Zwangsversteigerung Kündigungsmöglichkeit nach 30 Jahren Schuldrechtlicher Vertrag Leihe (unentgeltlich): Bei Verkauf des Grundstücks geht der Vertrag nicht auf den Käufer über Eingeschränkte Sicherung des Nutzungsrechts Unbegrenzte Dauer kann vereinbart werden, aber u.u. Kündigungsrecht des Eigentümers 10
Gestattungsvertrag und dingliche Absicherung Schuldrechtlicher Vertrag sollte stets auch dinglich gem. 1018 ff. BGB abgesichert werden Verträge binden nur die Vertragsparteien nicht auch deren Rechtsnachfolger 11
Grunddienstbarkeit 1018 ff. BGB Ein dienendes Grundstück steht einem herrschenden Grundstück zwecks Nutzung zur Verfügung Berechtigter ist der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks (wesentlicher Bestand des Eigentumsrechts) Muss den Eigentümer des herrschenden Grundstücks Vorteile bringen ( 1019 BGB) Grundstücksrecht Beschränkt persönliche Dienstbarkeit 1090 ff. BGB Einer juristischen oder natürlichen Person wird gestattet, ein Grundstück zu nutzen Wird für bestimmte Person bestellt, unabhängig davon, ob sie Grundstückseigentümerin ist oder nicht (höchstpersönlich). Inhaltliche Ausgestaltung entspricht im Wesentlichen den Normen über die Grunddienstbarkeiten 12
Behördliche Duldungsanordnung: 93 WHG Die zuständige Behörde kann Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Grundstücken und oberirdischen Gewässern verpflichten, das Durchleiten von Wasser und Abwasser sowie die Errichtung und Unterhaltung von Wasser und Abwasser sowie die Errichtung und Unterhaltung der dazu dienenden Anlagen zu dulden, soweit dies zur Entwässerung oder Bewässerung von Grundstücken, zur Wasserversorgung, zur Abwasserbeseitigung, zum Betrieb einer Stauanlage oder zum Schutz vor oder zum Ausgleich von Beeinträchtigungen des Natur- oder Wasserhaushalts durch Wassermangel erforderlich ist. ( ) 13
Behördliche Duldungsanordnung: 93 WHG Bis zum 01.03.2010 landesrechtlich geregelt Anordnung durch Wasserbehörde gegenüber Grundstückseigentümer Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Vorrang: 93 WHG greift erst ein, wenn der Versuch einer einvernehmlichen Einigung fruchtlos geblieben ist. Maßnahmen sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Nur bei Unzumutbarkeit besteht gem. 95 WHG ein Entschädigungsanspruch Alternative zur privatrechtlichen Einigung und Enteignung 14
Praxisbeispiel OVG Magdeburg, B. v. 27.08.2014, 2 L 11/13 Kläger ist Eigentümers eines Grundstückes, auf dem 1996 eine Abwasserleitung verlegt wurde. Die Verlegung der Abwasserleitungen erfolgte in rechtswidriger Weise, ohne Zustimmung des Voreigentümers Nachträglich (2009) erließ die Beklagte eine Duldungsverfügung gem. 93 WHG 15
Ausschnitt Google Maps 16 16
Praxisbeispiel OVG Magdeburg, B. v. 27.08.2014, 2 L 11/13 Nachträgliche Legalisierung möglich Vorhandene Leitung ist nicht zu berücksichtigen Wirtschaftlich sinnlos, die Anlage zunächst zu entfernen und dann wieder neu zu errichten, wenn die Duldungsverfügung erteilt worden ist Vergleich Neuverlegung in der Trasse und Alternativen 17
Praxisbeispiel OVG Magdeburg, B. v. 27.08.2014, 2 L 11/13 Wesentliche Gesichtspunkte hier: Schwierige Baugrundverhältnisse bei Verlegung am Bach (Geländetiefpunkt, Nähe zum Gewässer, Grundverhältnisse Grundwasser) Alternative unterirdische Verlegung am Gewässer nicht möglich, aber zwingend gerade Kostenvergleich durch Berechnung Ingenieurbüro (139.144,32 zu 42.553,20 ) Ziel- und Startgrube außerhalb des Grundstücks Querung des Grundstücks, aber kleine Fläche (260 m² zu 5.737 m²) Überbauung möglich 18
Überblick Eigentum Leitungsrecht Widmung 19
Widmung Widmung für zur Einbeziehung einer Anlage in die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung Eigentum? nicht erforderlich Ausdrücklich möglich Konkludent (= indirekt durch Handlung) möglich Warum? Gebühren können nur bei Einleitung in die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung erhoben werden! 20
Anforderung an die Widmung OVG Münster, B. v. 30.09.2016, 15 A 2112/15 Ob ein Kanal Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, hängt davon ab, ob er zum entwässerungsrechtlichen Zweck technisch geeignet ist und ob er durch Widmung entsprechend bestimmt ist. Die Widmung ist nicht formgebunden. Sie kann auch konkludent erfolgen. Es muss dazu lediglich der nach außen wahrnehmbare Wille der Gemeinde erkennbar sein, die fragliche Anlage als Teil der gemeindlichen Entwässerungsanlage in Anspruch nehmen zu wollen. 21
Anforderung an die Widmung OVG Münster, B. v. 30.09.2016, 15 A 2112/15 Widmung im Gerichtsverfahren möglich Eigentum nicht erforderlich, Zustimmung ist nicht erforderlich rechtmäßige Verlegung nicht erforderlich Rechtmäßigkeit der Widmung nicht für Gebührenfähigkeit erforderlich, nur Wirksamkeit 22
Widmung durch Gebührenforderung? OVG Lüneburg, B. v. 18.8.2015, 9 LA 1/14 Grundstückseigentümer leitet Niederschlagswasser von seinem Grundstück in Entwässerungsleitung unter öffentlichem Fußweg in Bach ein Entwässerungsanlage von Grundstückseigentümer bis Bach eigenhändig errichtet Stadt verlangt Gebühren wegen Nutzung einer öffentlichen Abwasseranlage Grundstückseigentümer klagt 23
Widmung durch Gebührenforderung? OVG Lüneburg, B. v. 18.8.2015, 9 LA 1/14 Rechtmäßig, da Entwässerungseinrichtung Teil einer öffentlichen Abwasseranlage Zugehörigkeit hängt von technischen Eignung und Widmung zur (öffentlichen) Entwässerung ab Widmung? Nicht formgebunden, auch konkludent möglich Eigentum? wesentliches Bestandteil des Grundstücks? offengelassen Kann aus Verlangen einer Abwassergebühr abgeleitet werden (OVG NRW) Jedenfalls, wenn in Satzung Umfang der zentralen öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlagen eindeutig geregelt 24
Widmung durch Gebührenforderung? OVG Weimar, U. v. 10.12.2015, 4 KO 350/13, bestätigt BVerwG, B. v. 10.11.2016, 9 B 14/16 Regenwasserkanal errichtet durch VEB errichtet mit Zustimmung des damaligen VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung, mündet in Bach Instandsetzung / Erneuerung in 2002 durch Eigentümer Heranziehung zu Entwässerungsgebühren 2010 Hier nicht der Entwässerungseinrichtung zuzuordnen Keine Einbindung in das übrige System Kein Anschluss- und Benutzungszwang ausgeübt konkludente Widmung durch Bescheid ist nicht möglich 25
Praxisfälle Leitung ist marode Instandsetzung erforderlich Leitung im kommunalen Bestandsplan aufgeführt (Kennzeichnung) oder Leitung wurde mit/ohne Hilfe der Kommune verlegt Leitung wird gemeinsam genutzt z.b.: OVG Schleswig, U. v. 22.07.2016, 2 LB 5/16, BGB-Gemeinschaft als Adressat für gemeinsame Anlage, keine Anlage des Abwasserbeseitigungspflichtigen z.b.: OVG Münster, B. v. 07.01.2016, 15 B 1370/15, Sanierungsverfügung für Anschlusseigentümer wg. Eigentum Schadensverursachung Kommune irrelevant 26
Rechtswidrigkeit / Entwidmung Entscheidung der Gemeinde/ des Abwasserbeseitigungspflichtigen Aufhebung wg. Rechtswidrigkeit OVG Münster, B. 13.05.2011, 15 A 2825/10 Rechtswidrige Widmungen sind nicht nichtig (= Gebührenfähigkeit bleibt) Anfechtbarkeit besteht, aber nur durch einen in seinen Rechten Betroffenen (keine Betroffenheit wg. Gebührenpflicht) 27
Anforderungen an Entwidmung VG Cottbus, B. v. 22.12.2016, 4 L 715/15 Änderungssatzung Spremberger Wasser- und Abwasserzweckverband vom 23.09.2015, verkündet am 10.10.2015 Die bisherige öffentliche zentrale Schmutzwasseranlage des SWAZ im Bereich des Gebietes des OT der Gemeinde wird mit Wirkung zum 11.10.2015 entwidmet. Die Entsorgung des anfallenden Schmutzwassers im Bereich des OT der Gemeinde erfolgt ab diesem Zeitpunkt dezentral und nach Maßgabe der dafür erlassenen Satzungen des SWAZ. Hintergrund: marode Kläranlage im Ort Klägerin ist Eigentümerin mehrerer mehrgeschossiger Häuser mit über 400 Wohnungen (ca. 600 Bewohner) 28
Anforderungen an Entwidmung Ausschnitt: GDI-BE/BB 29
Anforderungen an Entwidmung VG Cottbus, B. v. 22.12.2016, 4 L 715/15 Vorverfahren Widerruf des Anschlussrechts war schon gescheitert Weites Organisationsermessen von Gemeinde/Zweckverband (Finanzierung, technische Realisierbarkeit, Zumutbarkeit für den Bürger) Auch zentrale oder dezentrale Entwässerung Grenze: Einrichtungszweck und Verhältnismäßigkeit, Entscheidung darf nicht zu rechtswidrigen Zuständen führen Im Verfahren offen gelassen, ob hier zulässig Konkret: weniger als 24 h Zeit gesicherte Entsorgung aber Voraussetzung für bauliche Nutzung = Übergangsregel zwingend 30
Kanäle: Eigentum, Leitungsrecht und Widmung Dr. Till Elgeti 02381 / 92 122-425 02381 / 92 122-7023 elgeti@wolter-hoppenberg.de