Die Föderalismusreform und die Auswirkungen auf die Umweltgesetzgebung

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Transkript:

Die Föderalismusreform und die Auswirkungen auf die Umweltgesetzgebung Nadja Salzborn Fachgebiet I 2.1 Rechtswissenschaftliche Umweltfragen

Überblick Föderalismus in Deutschland Hindergründe Föderalismusreform Geschichte Ziele Eckpunkte Bewertung Ausblick 1

Föderalismus in Deutschland - Hindergründe Bedeutung Lange geschichtliche Tradition Gedanke der Subsidiarität Machtbalance Vielfalt Wettbewerb der Länder 2

Föderalismus in Deutschland - Hindergründe Gesetzgebungszuständigkeit und Vollzug Gesetzgebung Art. 70 GG: Sache der Länder, soweit nicht der Bund die Kompetenz dazu hat: - Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes - Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes - Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes Faktisch überwiegend Sache des Bundes Vollzug Art. 83 GG: überwiegend Sache der Länder 3

Föderalismus in Deutschland - Hindergründe Probleme aus Umweltschutzsicht Handlungsfähigkeit des Bundesgesetzgebers wegen Verflechtung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern stark eingeschränkt (zustimmungsbedürftige Gesetze) Gefahr des Öko-Dumpings Schwierigkeiten bei der Umsetzung von EG-Recht Grenzüberschreitende Umweltprobleme Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung 4

Föderalismusreform Geschichte Okt. 03: Einsetzung der Föderalismuskommission: Sie bleibt ohne Ergebnis. Nov. 05 Koalitionsvertrag: Neuregelung der Kompetenzen und Finanzbeziehungen Juni 06: Bundestag beschließt Reformpaket. Juli 06: Bundesrat stimmt zu. 28. August 06: Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes 1.Sept. 06: Gesetz tritt in Kraft. 5

Föderalismusreform Ziele Verbesserung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern Deutlichere Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten Entflechtung der föderalen Beziehung Steigerung der Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung Stärkung der Europatauglichkeit 6

Föderalismusreform Eckpunkte I - Kompetenztitel Kein eigener Kompetenztitel Umwelt Für zahlreiche Umwelt- und Energiethemen keine speziellen Kompetenztitel (z.b. Erneuerbare Energien, Klimaschutz, Bodenschutz, Chemikaliensicherheit, Schutz vor nicht ionisierender Strahlung) Weite Teile des Umweltrechts müssen auch in Zukunft auf eine Kombination verschiedener Kompetenztitel oder auf andere Kompetenztitel gestützt werden (z.b. Recht der Wirtschaft). 7

Föderalismusreform Eckpunkte II Gesetzgebungskompetenz des Bundes Überblick über die Formen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach der Abschaffung der Rahmengesetzgebungskompetenz nunmehr Föderalismusreform: konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, z.b. (1) Naturschutz- ausschließliche und Gesetzgebungskompetenz Landschaftspflege, Wasserhaushalt, Raumordnung (2) konkurrierende Gesetzgebungskompetenz Einführung ohne Erforderlichkeitsklausel Abweichungsgesetzgebung und ohne der Länder Abweichungsgesetzgebung Abschaffung der Erforderlichkeitsklausel in bestimmten Fällen (3) konkurrierende Gesetzgebungskompetenz mit Erforderlichkeitsklausel und ohne Abweichungsgesetzgebung (4) konkurrierende Gesetzgebungskompetenz ohne Erforderlichkeitsklausel und mit Abweichungsgesetzgebung 8

Föderalismusreform Eckpunkte III - Abweichungsgesetzgebung Gilt für Materien der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz. Länder können von bundesrechtlichen Regelungen abweichen. Im Falle einer Kollision zwischen Bundes- und Landesrecht geht das später erlassene Gesetz vor. Abweichendes Bundesrecht tritt erst 6 Monate nach Verkündung in Kraft. Abweichungsfeste Bestandteile: - bei Naturschutz und Landschaftspflege: die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes und des Meeresnaturschutzes - beim Wasserhaushalt: stoff- und anlagenbezogene Regelungen. - keine bei der Raumordnung Moratorium bis 31.12.2009 9

Föderalismusreform Eckpunkte IV - Erforderlichkeitsklausel Gilt für Materien der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz. Bund hat Gesetzgebungskompetenz nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, Art. 72 Abs. 2 GG. Abschaffung der Erforderlichkeitsklausel für: - Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung - Materien der früheren Rahmengesetzgebung - Abfallwirtschaft 10

Föderalismusreform Eckpunkte V - Verfahrensrecht Länder regeln die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, wenn sie das Bundesgesetz als eigene Angelegenheit ausführen (Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG neu). Bund kann Regelungskompetenz an sich ziehen. Länder können von Bundesregelung abweichen. Abweichende Bundesreglungen treten in den betroffenen Ländern erst 6 Monate nach Verkündung in Kraft. Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG neu: - In Ausnahmefällen bei besonderem Bedürfnis Bundesregelung ohne Abweichung der Länder möglich - Zustimmung des Bundesrates erforderlich - Bedeutung für das Umweltverfahrensrecht? Moratorium bis 31.12.2008 11

Bewertung Verbesserung gegenüber jetziger Rechtslage: Übergang der Materien der Rahmengesetzgebungskompetenz in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz ermöglicht Vollregelung des Bundes. Abschaffung der Erforderlichkeitsklausel für bestimmte Materien ist zu begrüßen. Zentrale Umweltbereiche unterfallen weder der Erforderlichkeitsklausel noch unterliegen sie der Abweichungsgesetzgebung, z.b. Abfall und Luftreinhaltung. UGB ist jetzt möglich. 12

Bewertung Kritik: Keine speziellen Umweltkompetenztitel Wichtige Umweltthemen unterliegen weiterhin der (engen) Erforderlichkeitsklausel, z.b. Erneuerbare Energien ganz und Chemikalienrecht teilweise. Abweichungsgesetzgebung konterkariert Ziele des UGB, kann zudem zum Absinken des Schutzniveaus führen. Moratorium ist sehr knapp. Zuschnitt der abweichungsfesten Themenbereiche ist zu eng und nicht konsistent. 13

Bewertung aber: Blick nach vorn! Eröffnete Potentiale für vereinheitlichtes Umweltrecht in einem UGB nutzen. 14

Ausblick - Föderalismusreform II Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Bereits erste marginale Schritte in Föderalismusreform I, z.b.: - Verteilung finanzieller Lasten bei Verletzung europa- oder völkerrechtlicher Verpflichtungen (Art. 104a Abs. 6 GG neu) - Befugnis der Länder zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer (Art. 105 Abs. 2a GG neu) Weitere Schritte lt. Koalitionsvertrag geplant: - die Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und ihre aufgabenadäquate Finanzausstattung stärken - vor allem Regelungen zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen Umweltpolitische Relevanz nach den derzeitigen, wenig konkreten Vorschlägen gering. 15