FLEXORSEHNENVERLETZUNG In diesem Protokoll enthalten: Allgemeines Seite 1 Dynamische Nachbehandlung Seite 3 Early Active Motion Nachbehandlung Seite 6 ALLGEMEINES Bei Flexorsehnenverletzungen unterscheidet man 5 verschiedene Zonen in der Hand: Zone Verlauf Besonderheiten I II III Ab Insertion FDP im P3 bis Insertion FDS (= nur FDP!) FDS und FDP in derselben Sehnenscheide unter dem Pulleysystem Proximal des Pulleysystems bis zum Karpaltunnel, wo FDP Origo von den mm. lumbricalis ist. Unterscheide Sehnenverletzung und Avulsionsfraktur Größeres Risiko auf Adhesionen. Oft kombiniert mit neurovaskulärer Verletzung. Oft kombiniert mi neurovaskulärer Verletzung IV Karpaltunnel Größeres Adhesionsrisiko V Proximal des Karpaltunnels. Vermindertes Risiko auf Re- Rupturen und mobilitätsbehindernde Adhesionen. Die Art der Behandlung richtet sich nach Nähtechnik und anatomischen Gegebenheiten und sind nach Möglichkeit mit dem behandelnden Chirurgen abzustimmen. Phase I: Schutzphase (erste 4 Wochen postoperativ) Die Essenz in dieser Phase besteht daraus, dass die Sehne bewegt wird, ohne extra Spannung auf die Naht zu bringen. Zuviel Spannung kann durch Extension über mehrere Gelenke gleichzeitig kommen oder durch aktive Anspannung der Flexoren. Ziele: Schutz der genähten Sehne(n) Prävention van Adhesionen und bewahren der Sehnengleitaktivität Verhindern von Kontrakturen Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 1
Ödembekämpfung Wundkontrolle, Schienenkontrolle Phase II: Schutzphase (Woche 5-6 postoperativ) In dieser Phase ein maximaler Bewegungsexkurs angestrebt ohne Krafteinsatz. Der Schienenschutz wird zunehmend abgebaut. Phase III: unbelastend Üben (Woche 7-8 postoperativ) Von nun an wird im max. ROM geübt, weiters ohne Krafteinsatz, jedoch auch ohne Schutz einer Schiene. Aktivitäten mit dem verletzten Finger sind noch immer untersagt. Aktivitäten die von der gesamten Hand verrichtet werden, dürfen langsam begonnen werden. Phase IV: belasten (Woche 9-12 postoperativ) Kraftaufbau und so nötig ROM erweitern sind Ziel und Inhalt dieser Phase. Eventuell kommen Schienen zum Redressieren zum Einsatz. Es dauert 12 Wochen, bevor die Hand wieder vollständig belastet werden kann. Die Kraft liegt dann im Durchschnitt bei 50% im Vergleich zur gesunden Hand. Auch nach längerer Zeit kann noch ein Kraftdefizit von 25% messbar sein. In Berufen, bei denen die Handkraft besonders wichtig ist (Handwerker etc.) muss abgewogen werden, ob es sinnvoll ist, erst eine Handkraft von 75% zu erreichen, bevor der Beruf wieder wie gewohnt aufgenommen wird. Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 2
DYNAMISCHE NACHBEHANDLUNG Da bei einer dynamischen Nachbehandlung nur wenig Bewegung der operierten Sehne stattfindet und somit die Chance auf Adhesionen vergrößert ist, ist diese Art der Nachbehandlung immer sehr genau abzuwägen. So wird die dynamische Nachbehandlung hauptsächlich gebraucht, wenn ein erhöhtes Rupturrisiko besteht. Positive Indikationen wären zum Beispiel: 2-Strand Nähtechnik schlechtes Sehnenmaterial ungenügend Therapietreue allgemeine Kontraindikationen wie Diabetes Mellitus, Alkohol- / Drogenmissbrauch, Medikamentenkonsum etc. Tag 1 postoperativ Abnahme des Operationsgipses und erstellen der Schiene. Schiene: Handgelenk in ± 30 und MCPs in ± 60 Flexion (=zusammen 90 ). Bei begrenzter MCP-Flexion mehr Flexion im Handgelenk. Die Kleinertschiene wird nur in der Therapie abgenommen. Wundversorgung und Hautpflege von Hand / Unterarm finden während der Therapie statt. Messungen: AROM PIP-Extension Übungsprogramm: CAVE: Quadrigaphänomen an Patienten erklären. Vollständiges Strecken von PIP und DIP (MCPs in Flexion): stündlich 10x / 5 sek. Festhalten. Eventuell Spannung des Gummizugs mit der anderen Hand wegnehmen. Allgemeine ödembekämpfende Maßnahmen Instruktionen: Dem Patienten wird geraten die verletzte Hand nicht zu gebrauchen. Ob der Patient motiviert oder gebremste werden muss obliegt dem Therapeuten. ev. psychologische Betreuung veranlassen Tag 2-21 postoperativ Kontrolle: Schienenkontrolle Wundkontrolle ev. Narbenbehandlung Übungsprogramm fortführen ROM-Messungen PIP (Flexion + Extension) Übungen: wie bisher passive Flexion der Finger Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 3
isolierte passive Extension von PIP / DIP CAVE: bei angehender Flexionskontraktur müssen die Übungen intensiviert werden (z.b.: mehr als 5 Sek. Festhalten), Coban (in der Nacht mit weniger Spannung am Gummiband oder PIP in Extension fixieren), Schiene anpassen (Flexion MCPs erhöhen). Tag 21 postoperativ (± 3 Wochen) Testen der Kontinuität der Sehne: place-hold Messen der Composite Finger Flexion (CFF) sofern möglich Test in Dorsalflexion des Handgelenks (siehe Tenodeseeffekt) Lineal wird an der distal plamar crease (DPC) platziert. Verletzte Finger passiv in max. Flexion bringen und den Patienten fragen um die Position zu halten (Achtung: kein Krafteinsatz!) Gemessen wird der Abstand zw. DPC und Fingernagel (in mm) Resultat place-hold Fazit Weiterführende Behandlung Aktive, aber unvollständige Flexion. CFF = 10 30 mm Sichtbare PIP/DIP Flexion, aber deutlich Verminderung CFF >= 30 mm Keine sichtbare PIP / DIP Flexion Vollständige AROM in Flexion CFF <10 mm S e h n e n k o n t i n u i t ä t vorhanden S e h n e n k o n t i n u i t ä t vorhanden, jedoch ev. Adhesionen, die das Gleiten der Sehne vermindern S e h n e n k o n t i n u i t ä t zweifelhaft S e h n e n k o n t i n u i t ä t vorhanden, keine Adhesionen CAVE: Kann auf verminderte B i n d e g e w e b s b i l d u n g hinweisen. Die Sehnennaht kann ev. Schwächer sein! Protokoll weiterführen. ev. Handgelenksband + place-hold-übungen Protokoll weiterführen. Handgelenksband machen + place-hold-übungen. Wenn nach 3 Tagen keine Verbesserung eingetreten ist, ev. intensiver üben (schnelles Protokoll) Verweisen zum Chirurgen Langsameres Protokoll: noch 1-2 Wochen dynamisieren in der Schiene. Das Handgelenksband wird 2 Wochen getragen = darf nach 5 Wochen abgenommen werden. Tag 21-42 (3-5 Wochen) postoperativ Übungen: place-hold (ohne Krafteinsatz!) mit Handgelenk in ca. 30 Dorsalflexion: stündlich 10x; 5 Sek. festhalten Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 4
Extension der Finger mit leicht flektiertem Handgelenk (ohne Wiederstand des Gummizuges): stündlich 10x; 5 Sek. festhalten Nach 6 Wochen sollte der Patient die Hand aktiv flach auf den Tisch legen können. Mobilitätsaufbau Handgelenk, Ellbogen und Schulter Frequenz und Intensität abhängig von Mobilität. Sofern Flexionskontraktur PIP: aggressiver Üben (Dauer und Intensität anpassen) + passiv Extension üben ev. Coban in der Nacht ev. Therapiefrequenz erhöhen Tag 42-84 (5-12 Wochen) postoperativ Messungen kontinuieren Übungen beibehalten + Tendon Gliding Exercises stündlich 10x; 5 Sek. festhalten 6 Wochen Funktionelles Training starten leichte Übungen mit Blockaden bei Flexionskontraktur ev. Neopren oder Schiene 7 Wochen ev. FDS isoliert üben 8 Wochen Putty leichte ADL Übungen Auto-, Fahrradfahren wird noch immer abgeraten 12 Wochen ev. Kraft messen Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 5
EARLY ACTIVE MOTION NACHBEHANDLUNG Die Zunahme von Ödemen und Gelenkssteifigkeit erhöhen auch den Widerstand den die Sehne in ihrer Umgebung erfährt und dadurch auch das Rupturrisiko. Allerdings rupturiert eine genähte Sehne bei ungehindertem Bewegen garantiert. So ist auch eine Ruptur bei 2-Strand Nähten bei aktiver Anspannung der Sehne vorprogrammiert, da diese Art der Naht nur ungefähr 2 kg Belastung aushält. Auch aktives Bewegen der Finger kommt auf eine durchschnittlichen Belastung von 2 kg (Strickland, 2000). 4-Strand Nähte können zum schwächsten Zeitpunkt ungefähr 3 kg Belastung tragen, jedoch wird auch hier angeraten um weit von der maximalen Belastbarkeit zu bleiben (Amadeo 2005). Tag 1 postoperativ Abnahme des Operationsgipses und erstellen der Schiene. Schiene: Handgelenk in ± 0 und MCPs in ± 60 Flexion. Messungen: AROM PIP-Extension Übungsprogramm: CAVE: Quadrigaphänomen an Patienten erklären. Passives Beugen des verletzten Fingers mit der anderen Hand, soweit möglich. Achtung der Patient darf keinen Schmerz erfahren! Übung wiederholen bis der Finger locker beweglich ist. Dann die selbe Übung mit den anderen Fingern wiederholen. Alle Finger gleichzeitig bis in die Schiene strecken. 10 Wiederholungen Alle Finger gleichzeitig beugen. 5 Wiederholungen. Der Patient soll hierbei so wenig Kraft wie möglich gebrauchen um die Finger zu beugen und soll keinen Schmerz empfinden. Es kann einige Wochen dauern, bis die Fingerbeugung vollkommen möglich ist. Allgemeine ödembekämpfende Maßnahmen Instruktionen: Dem Patienten wird geraten die verletzte Hand nicht zu gebrauchen. Ob der Patient motiviert oder gebremste werden muss obliegt dem Therapeuten. ev. psychologische Betreuung veranlassen Tag 2-35 postoperativ Kontrolle: Schienenkontrolle Wundkontrolle ev. Narbenbehandlung Übungsprogramm fortführen ROM-Messungen PIP (passive Flexion + Extension) Übungen: Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 6
wie bisher passive Flexion der Finger isolierte passive Extension von PIP / DIP Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 7
CAVE: bei angehender Flexionskontraktur müssen ev. folgende Maßnahmen in Betracht gezogen werden: intensiver üben (z.b.: mehr als 5 Sek. strecken) Coban (nachts) Schiene anpassen (mehr Flexion in MCPs) Tag 40 postoperativ (± 5 Wochen) Messungen: ROM Messung kontinuieren Übungen: TGE stündlich 10x, 5 Sek. festhalten 6 Wochen Funktionelles Training starten leichte Übungen mit Blockaden bei Flexionskontraktur ev. Neopren oder Schiene 7 Wochen ev. FDS isoliert üben 8 Wochen Putty leichte ADL Übungen Auto-, Fahrradfahren wird noch immer abgeraten 12 Wochen ev. Kraft messen Handtherapie Burgenland Florentina Van Ginneken 2015 8