Unternehmenskorruption eine Fallstudie Fallstricke und Verteidigungsmöglichkeiten bei Verdacht auf Bestechungstaten Robert Henrici Klaus Saffenreuther Laurenz Schmitt 15. November 2012
Agenda Fall 1: Fortwirkende Strafbarkeitsrisiken durch Bestechung in der Vergangenheit Fall 2: Rechtsnachfolge bei 30 OWiG und 73 StGB Fall 3: 160a StPO n.f. Schutz von Dokumenten vor Beschlagnahme beim Rechtsanwalt 1
Fall 1 2
Fall 1: Fortwirkende Strafbarkeitsrisiken durch Bestechung in der Vergangenheit Anlässlich einer internal investigation werden gewichtige Anhaltspunkte dafür entdeckt, dass im Zuge der Akquisition eines Werkvertrages Bestechungsgelder an Entscheider des Kunden gezahlt wurden. Die Bestechungsgelder wurden in der Kalkulation berücksichtigt, so dass der Kunde diese im Ergebnis selbst trägt. Das Unternehmen hat das Werk beim Kunden vollständig errichtet. Der Kunde kündigt eine fällige Zahlung für den 30.11.2012 an. Was haben Sie als Compliance Officer des Unternehmens, von dem aus bestochen wurde, zu beachten? 3
Potentielle, (vollendete) Bestechungsdelikte Straftatbestand 299 ff. StGB Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr 331 ff. StGB Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern 1 EUBestG und 1 IntBestG Bestechung und Bestechlichkeit von ausländischen Amtsträgern Rechtsfolgen (u.a.) Strafbarkeit von natürlichen Personen Empfindliches Bußgeld gegen das Unternehmen, vgl. 30, 130 OWiG (Bußgeld schöpft u.a. den aus den rechtswidrigen Taten erzielten wirtschaftlichen Vorteil ab, vgl. 17 Abs. 4 OWiG) Verfall, vgl. 73 ff. StGB, 29a OWiG Eintragung im Gewerbezentralregister, vgl. 149 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GewO 4
Sachverhaltsaufklärung! Zweck: Verhinderung neuer Straftaten Wichtige Fragen, die vor einem Zahlungseingang geklärt werden sollten: Kam es zur Bestechung von Amtsträgern? Wie hoch ist der kalkulierte Gewinn? Wie hoch ist der hypothetische Wettbewerbspreis? 5
Amtsträgerbestechung und Geldwäsche 261 StGB Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte (1) Wer einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet [oder nach Abs. 2: sich oder einem Dritten verschafft oder verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet], wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 1.Verbrechen, 2.Vergehen nach a) 332 Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, und 334, ( ). 6
Amtsträgerbestechung und Geldwäsche 261 StGB Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte Objektiver Tatbestand: > Katalogtat ist auch Bestechung eines ausländischen Amtsträgers gem. 334 StGB ivm. EU-BestG oder IntBestG. > u.a. Verwendung des aus der Katalogtat herrührenden Gegenstandes für sich oder einen Dritten. > Aus Bestechungstaten rührt bei im übrigen legalen Geschäften der in der Auftragskalkulation enthaltene Gewinn her. Subjektiver Tatbestand: > Vorsatz: Kenntnis der Herkunft des Gegenstandes aus Katalogtat oder > Leichtfertigkeit: Sich Aufdrängen der Herkunft des Gegenstandes aus Katalogtat 7
Amtsträgerbestechung und Geldwäsche Datum Position Betrag 15.11.2012 Auftragswert 100.000.000 Bestechungsgeld (1%) 1.000.000 Hypothetischer Wettbewerbspreis 98.000.000 Kalkulierter Gewinn (6%) 6.000.000 Geleistete Zahlungen 80.000.000 30.11.2012 Angekündigte Zahlung 1 12.500.000 10.12.2012 Angekündigte Zahlung 2 2 5.000.000 20.12.2012 Angekündigte Schlusszahlung 2.500.000 Strafbarkeitsschwelle für Geldwäsche = Summe der geleisteten Zahlungen ihv 94.000.000 8
Bestechung und Beihilfe zum Betrug Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall durch Unterlassen Der zivilrechtliche Anspruch des Werkunternehmers auf Vergütung seiner erbrachten Leistungen beschränkt sich auf den hypothetischen Wettbewerbspreis: OLG München, Urteil vom 19.02.2002, Az. 9 U 3318/01, NJW-RR 2002, 886. Vermögensschaden beim Kunden tritt bei Vertragsschluss ein. Die Beendigung des (Eingehungs-)Betrugs tritt erst durch den endgültigen Vermögensverlust aufgrund der täuschungsbedingten Erfüllung ein; bei Erfüllung durch mehrere täuschungsbedingte Verfügungen mit der letzten Verfügung. Beihilfe ist im Beendigungsstadium möglich. Garantenstellung des Compliance Officers: BGH, Urteil vom 17.07.2009, Az. 5 StR 394/08, NZG 2009, 1356 9
Bestechung und Beihilfe zum Betrug Datum Position Betrag 15.11.2012 Auftragswert 100.000.000 Bestechungsgeld (1%) 1.000.000 Hypothetischer Wettbewerbspreis 98.000.000 Kalkulierter Gewinn (6%) 6.000.000 Geleistete Zahlungen 80.000.000 30.11.2012 Angekündigte Zahlung 1 12.500.000 10.12.2012 Angekündigte Zahlung 2 5.000.000 20.12.2012 Angekündigte Schlusszahlung 2.500.000 Strafbarkeitsschwelle für Beihilfe zum Betrug = Summe der geleisteten Zahlungen ihv 98.000.000 10
Fall 1 Abwandlung 11
Fall 1: Fortwirkende Strafbarkeitsrisiken durch Bestechung in der Vergangenheit Abwandlung: Der Werkvertrag sah eine Compliance-Klausel mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 10% des Auftragswertes für den Fall vor, dass der Werkunternehmer aus Anlass der Vergabe des Auftrags eine unzulässig den Wettbewerb beschränkende Absprache getroffen oder die Zahlung von Bestechungsgeldern vereinbart habe und eine andere Schadenshöhe nicht nachweisbar sei. Diese Ansprüche machten die Auftraggeber in Unkenntnis der vorangegangenen Absprachen nicht geltend. 12
Bestechung und Beihilfe zum Betrug Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall durch Unterlassen Vermögensschaden des Kunden? Strafbarkeitsschwelle für Beihilfe zum Betrug = Summe der geleisteten Zahlungen ihv 90.000.000? 13
Bestechung und Beihilfe zum Betrug Datum Position Betrag 15.11.2012 Auftragswert 100.000.000 Bestechungsgeld (1%) 1.000.000 Hypothetischer Wettbewerbspreis 98.000.000 Kalkulierter Gewinn (6%) 6.000.000 Geleistete Zahlungen 80.000.000 Auftragswert./. 10 % Vertragsstrafe 90.000.000 30.11.2012 Angekündigte Zahlung 1 12.500.000 10.12.2012 Angekündigte Zahlung 2 5.000.000 20.12.2012 Angekündigte Schlusszahlung 2.500.000 14
Bestechung und Beihilfe zum Betrug Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall durch Unterlassen Vermögensschaden des Kunden? Strafbarkeitsschwelle für Beihilfe zum Betrug = Summe der geleisteten Zahlungen ihv 90.000.000? Absicht der stoffgleichen Bereicherung? BGH: Es handelt sich nur um eine mittelbare Folge der auf das Erlangen des Auftrags gerichteten Tat. Daher fehlt es an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen dem (angestrebten) Vermögensvorteil und dem Schaden. Urteil vom 21.11.2000, Az. 1 StR 300/00, wistra 2001, 103 15
Fall 2 16
Fall 2: Rechtsnachfolge bei 30 OWiG und 73 StGB Mehrere Jahre nachdem ein Unternehmen einen nahezu gleich großen Konkurrenten übernommen hatte, werden im Rahmen einer Betriebsprüfung Anhaltspunkte dafür entdeckt, dass der übernommene Konkurrent kurz vor der Verschmelzung einen bedeutenden Auftrag durch die Zahlung von Bestechungsgelder an Beamte einer ausländischen Vergabestelle erlangt hatte. Die zuständige Staatsanwaltschaft erwägt nun, das Unternehmen in den Strafprozess gegen die damaligen Verantwortlichen einzubeziehen, um ein Bußgeld oder eine Gewinnabschöpfung in Millionenhöhe durchzusetzen. Wie kann sich das Unternehmen in einem solchen Fall verteidigen? 17
Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen Grundsätzlich gibt es in Deutschland kein Unternehmensstrafrecht. Strafbar machen können sich nur natürliche Personen. Der Gesetzgeber hat allerdings im Ordnungswidrigkeitenrecht, dort 30 OWiG, die Möglichkeit vorgesehen, unter bestimmten Umständen ein Unternehmen mit Bußgeldern zu belegen, wenn deren Leitungspersonen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen haben. Als anknüpfungsfähige Ordnungswidrigkeit kommt dabei auch eine Verletzung der Aufsichtspflicht im Unternehmen nach 130 OWiG in Betracht, wenn ein Mitarbeiter eine Tat begangen hat und es kein geeignetes Compliancesystem oder vergleichbare Kontroll- und Ordnungsmaßnahmen gab. 18
30 OWiG - Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (1) Hat jemand 1.als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2.als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes, 3.als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft, 4.als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung oder 5.als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden. (2) Die Geldbuße beträgt 1.im Falle einer vorsätzlichen Straftat bis zu einer Million Euro, 2.im Falle einer fahrlässigen Straftat bis zu fünfhunderttausend Euro. (3) 17 Abs. 4 und 18 gelten entsprechend. [ ] 19
Geldbuße gegen Unternehmen nach 30 OWiG Straftat oder Ordnungswidrigkeit durch eine Leitungsperson u.a. Organe bzw. Organmitglieder, vertretungsberechtigte Gesellschafter von Personengesellschaften, Generalbevollmächtigte, Prokuristen und Handlungsbevollmächtige in leitender Stellung sowie sonstige verantwortlich handelnde Leitungspersonen, beispielsweise Aufsichtsratsmitglieder oder Compliance-Beauftragte Zurechnung: Verletzung von betriebsbezogenen Pflichten (einschließlich 130 OWiG), oder Bereicherung des Unternehmens Rechtsfolge: Bußgeld bis zu EUR 1 Mio. Zusätzlich: Gewinnabschöpfung nach 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 OWiG 20
17 OWiG - Höhe der Geldbuße (1) Die Geldbuße beträgt mindestens fünf Euro und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens eintausend Euro. (2) Droht das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Geldbuße an, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, so kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden. (3) Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt. (4) Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden. 21
Rspr. des BGH zur Rechtsnachfolge bei 30 OWiG Ausgangspunkt: Zwei Entscheidungen des Kartellsenats vom 10. August 2011 (Az.: KRB 55/10 Versicherungsfusion und KRB 2/10 Transportbeton) Aussage des BGH: Eine Geldbuße gemäß 30 OWiG kommt wegen des strafrechtlichen Analogieverbots gegenüber einem Rechtsnachfolger nur unter den folgenden Voraussetzungen in Betracht: a) Die juristische Person ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Organisation geworden, deren Organ die Bezugstat begangen hat. b) Zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung herrscht nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu Identität (sog. wirtschaftliche Identität). 22
Rspr. des BGH zur Rechtsnachfolge bei 30 OWiG An die erforderliche wirtschaftliche Identität stellt der BGH folgende Anforderungen: 1) Das Vermögen der ursprünglich haftenden juristischen Person ist weiterhin vom Vermögen des Rechtsnachfolgers getrennt. 2) Das Vermögen der ursprünglich haftenden juristischen Person wird in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt. 3) Das Vermögen der ursprünglich haftenden juristischen Person macht in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens aus. 23
Rspr. des BGH zur Rechtsnachfolge bei 30 OWiG Die praktische Möglichkeit für das Vorhandensein einer solchen wirtschaftlichen Identität sieht der BGH jedoch selbst als sehr gering an: An dieser Funktion, die Identität oder Nahezu-Identität der in die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit genommenen Verbände sicherzustellen, hat sich das Verständnis dessen zu orientieren, wann in diesem Sinne ein wesentlicher Teil des Gesamtvermögens vorliegt. Auch wenn eine Festlegung auf bestimmte Schwellenwerte oder Verhältniszahlen angesichts der Vielzahl und der Verschiedenartigkeit der möglicherweise relevanten Umstände ausscheidet, muss die Annahme einer wirtschaftlichen Identität danach auf Fälle beschränkt bleiben, in denen das Unternehmen unverändert oder doch nahezu unverändert von einem neuen Rechtsträger fortgeführt wird, dessen sonstige Vermögenswerte demgegenüber weitgehend in den Hintergrund treten. Nur dann kann in einem bußgeldrechtlichen Sinn davon gesprochen werden, dass aus der gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung wieder dieselbe juristische Person hervorgegangen ist. 24
Konsequenz für den Fall 2 Das Unternehmen kann (nach derzeitiger Rechtslage) nicht im Wege des 30 OWiG in die Verantwortung genommen werden. > Das relevante Fehlverhalten betraf Leitungspersonen des übernommenen Konkurrenten. > Aufgrund des Zusammenschlusses zweier nahezu gleich großer Unternehmen macht das ursprünglich haftende Vermögen des übernommenen Konkurrenten keinen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens des Unternehmens aus. 25
Fall-Back-Option: 73 StGB? Aufgrund der restriktiven Rspr. des BGH zu 30 OWiG greifen die Ermittlungsbehörden verstärkt auf den strafrechtlichen Verfall nach 73 StGB zurück. Mit dem strafrechtlichen Verfall kann das erlangte Etwas aus einer rechtswidrigen Tat beim Täter oder Teilnehmer abgeschöpft werden. 73 Abs. 3 StGB eröffnet dabei den Zugriff auf das betroffene Unternehmen als Drittem, wenn es etwas durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gibt es eine entsprechende Verfallsvorschrift in 29a OWiG. 26
73 StGB - Voraussetzungen des Verfalls (1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Verfall an. Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. (2) Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen. Sie kann sich auch auf die Gegenstände erstrecken, die der Täter oder Teilnehmer durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder auf Grund eines erlangten Rechts erworben hat. (3) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn. [ ] 27
Übertragung der Rspr. zu 30 OWiG auf 73 StGB? Pro: > Urteil des BGH vom 21. August 2002 (Az.: 1 StR 115/02) > Der BGH führte hier aus, dass einem Verfall bei einem bloßen Rechtsformwechsel keine Einwände entgegenstünden, da bei einem Rechtsformwechsel die wirtschaftliche Kontinuität bzw. Identität fortbestehe. > BGH erkennt damit möglicherweise das Erfordernis der wirtschaftlichen Identität zwischen früherer und jetziger Unternehmensmasse auch beim Verfall nach 73 Abs. 3 StGB an. 28
Übertragung der Rspr. zu 30 OWiG auf 73 StGB? Contra: > Das Urteil zum Verfall ist fast zehn Jahre vor den Urteilen zu 30 OWiG ergangen. Es ist daher unklar, ob der BGH das Kriterium der wirtschaftlichen Identität auch bei Rechtsnachfolgekonstellationen im Bereich des Verfalls anwenden würde. > BGH begründet Rspr. zu 30 OWiG mit Analogieverbot. Fraglich ist aber, ob der Verfall dem Analogieverbot unterliegt. 29
Novellierung des 30 OWiG Am 18. Oktober 2012 hat der Bundestag im Rahmen der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eine Ergänzung des 30 OWiG vorgenommen. Hintergrund dabei war ausdrücklich die restriktive Rspr. des BGH zur Anwendbarkeit von 30 OWiG bei Rechtsnachfolgekonstellationen, die in der kartell- und strafrechtlichen Praxis zu Problemen führte. Die Problematik beim Verfall hat der Gesetzgeber anscheinend nicht gesehen. Inhalt der Neufassung: Einführung einer Haftung des Rechtsnachfolgers. Die Geldbuße darf in diesen Fällen jedoch den Wert des übernommenen Vermögens sowie die Höhe der gegenüber dem Rechtsvorgänger angemessenen Geldbuße nicht übersteigen. Erhöhung des Bußgeldrahmen bei Vorsatztaten von 1 Million Euro auf bis zu 10 Millionen Euro und bei fahrlässigen Taten auf bis zu 5 Millionen. Möglichkeit der frühzeitigen Verhängung eines dinglichen Arrests zur Vermeidung von Vermögensverschiebungen. 30
30 OWiG (n.f.) [ ] (2) Die Geldbuße beträgt 1. im Falle einer vorsätzlichen Straftat bis zu zehn Millionen Euro, 2. im Falle einer fahrlässigen Straftat bis zu fünf Millionen Euro. Im Falle einer Ordnungswidrigkeit bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. Verweist das Gesetz auf diese Vorschrift, so verzehnfacht sich das Höchstmaß der Geldbuße nach Satz 2 für die im Gesetz bezeichneten Tatbestände. Satz 2 gilt auch im Falle einer Tat, die gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist, wenn das für die Ordnungswidrigkeit angedrohte Höchstmaß der Geldbuße das Höchstmaß nach Satz 1 übersteigt. (2a) Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung ( 123 Absatz 1 des Umwandlungsgesetzes) kann die Geldbuße nach den Absätzen 1 und 2 gegen den oder die Rechtsnachfolger festgesetzt werden. Die Geldbuße darf in diesen Fällen den Wert des übernommenen Vermögens sowie die Höhe der gegenüber dem Rechtsvorgänger angemessenen Geldbuße nicht übersteigen. Im Bußgeldverfahren tritt der Rechtsnachfolger oder treten die Rechtsnachfolger in die Verfahrensstellung ein, in der sich der Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtsnachfolge befunden hat. [ ] (6) Bei Erlass eines Bußgeldbescheids ist zur Sicherung der Geldbuße 111d Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Urteils der Bußgeldbescheid tritt. 31
Fall 3 32
Fall 3: 160a StPO n.f. Schutz von Dokumenten vor Beschlagnahme beim Rechtsanwalt Ein Unternehmen beauftragt seine Rechtsanwälte mit der Durchführung einer internal investigation, um mögliche Pflichtverletzungen von Vorständen des Unternehmens zu prüfen. Im Zuge der Untersuchung erstellen die Anwälte Befragungsprotokolle, vorläufige Rechtsgutachten und Zwischenberichte. Diese Unterlagen werden teils in den Räumlichkeiten des Unternehmens selbst, teils von den Anwälten in der Kanzlei verwahrt. Die Staatsanwaltschaft bekundet im Zuge ihrer Ermittlungen ihr Interesse an diesen Unterlagen. Hat das Unternehmen die Beschlagnahme der Dokumente durch die Staatsanwaltschaft zu befürchten? 33
160a StPO a.f. 53 StPO (1) Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 genannte Person richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. [ ] (2) Soweit durch die Ermittlungsmaßnahme eine in 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b [ ] genannte Person betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen; [ ] (1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt 1. Geistliche [ ]; 2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; 3. Rechtsanwälte [ ] über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; [ ] 4. Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung [ ] 34
160a StPO a.f.: Anwalt ist gut, Strafverteidiger ist besser (1) Alte Rechtslage: Differenzierung zwischen dem Strafverteidiger eines Beschuldigten: absolutes Beweiserhebungs- und Verwendungsverbot ( 160a Abs. 1 a.f. i.v.m. 53 Abs. 1, S. 1 Nr. 2 StPO) und dem Rechtsbeistand, der beispielsweise im Rahmen einer internen Untersuchung für ein Unternehmen tätig wird: relatives Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot ( 160a Abs. 2 a.f. i.v.m. 53 Abs. 1, S. 1 Nr. 3 StPO) 35
160a StPO a.f.: Anwalt ist gut, Strafverteidiger ist besser (2) LG Hamburg, Beschluss v. 15.10.2010 (Az.: 608 Qs 18/10): Die im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit erstellten Dateien und Dokumente, die Ergebnisse einer von dem Rechtsanwalt im Auftrag eines Unternehmens durchgeführten internen Untersuchung enthalten, unterliegen keinem Beschlagnahmeverbot ( 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO). 36
Novellierung des 160a StPO zum 1. Februar 2011 160a StPO a.f. 160a StPO n.f. (1) Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 genannte Person richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. [ ] (1) Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 4 genannte Person, einen Rechtsanwalt, eine nach 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. [ ] 37
160a StPO n.f.: Ende des Zwei-Klassen-Rechts (1) Neue Rechtslage: Aufhebung der als sachlich verfehlt erkannten Differenzierung Im Hinblick auf den Schutz vor Ermittlungsmaßnahmen werden (alle anderen) Rechtsanwälte den Strafverteidigern gleichgestellt. Damit gilt auch für den im Zusammenhang mit internen Untersuchungen beauftragten Rechtsanwalt das absolute Beweiserhebungs- und verwendungsverbot des 160a Abs. 1 StPO n.f. Das Verhältnis zwischen 160a Abs. 1 StPO n.f. und 97 StPO ist aufgrund gesetzgeberischer Unschärfen nicht frei von Unsicherheiten. 38
160a StPO n.f.: Ende des Zwei-Klassen-Rechts (2) LG Mannheim, Beschluss v. 03.07.2012 (Az.: 24 Qs 1/12): Anwaltliche Arbeitsergebnisse aus internen Untersuchungen sind gemäß 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO bzw. 160 Abs. 1 StPO n.f. beschlagnahmefrei, soweit sie sich im Gewahrsam der mandatierten Rechtsanwälte befinden. Die Beschlagnahme der sich im Gewahrsam des Unternehmens selbst befindlichen Unterlagen ist hingegen rechtmäßig; es greift 97 Abs. 2 S. 1 StPO. 39
Ihre Ansprechpartner Robert Henrici Partner Linklaters LLP Mainzer Landstraße 16 60325 Frankfurt am Main Tel.: (49 69) 710 03 472 Fax: (49 69) 710 03 333 robert.henrici@linklaters.com Klaus Saffenreuther Partner Linklaters LLP Mainzer Landstraße 16 60325 Frankfurt Main Tel.: (49 69) 710 03 203 Fax: (49 69) 710 03 333 klaus.saffenreuther@linklaters.com Laurenz Schmitt Partner Linklaters LLP Prinzregentenplatz 10 81675 München Tel.: (49 89) 418 08 205 Fax: (49 89) 418 08 89205 laurenz.schmitt@linklaters.com 40
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