Alternde Gesellschaft: Herausforderungen und Lösungsansätze für die Altersvorsorge Athenaeum Club Zürich, 19. März 2014 Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik und Sozialversicherungen Schweizerischer Arbeitgeberverband,
Agenda 1. Megatrend demografischer Wandel und die Auswirkungen auf die schweizerische Altersvorsorge 2. SAV-Masterplan Reform Altersvorsorge 3. Altersvorsorge 2020 die Vernehmlassungsvorlage 4. Reform der Altersvorsorge: Ausweg aus der Sackgasse dank Portionierung und Priorisierung 5. Länger arbeiten und wo bleiben die Jobs? 2 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
1. Megatrend demografischer Wandel und die Auswirkungen auf die schweizerische Altersvorsorge 3 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Demografischer Wandel als weltweiter Megatrend 3 Treiber (EU 2012) life expectancy fertility rates migration Weltbevölkerung: 7 Mia. 2012, 8-10 Mia. 2050; Anteil über 60: 800 Mio. 2012, 2 Mia. 2060 (Quelle: Unstat); CH: + 61% bis 2050 2050: kein EU-Land mehr unter Top 15 bezüglich Bevölkerung; ausser USA keine heutige Industrienation mehr; mit Abstand am bevölkerungsreichsten: China und Indien massive Auswirkungen insbesondere auf Gesundheitswesen, Arbeitsmärkte und Sozialwerke 4 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Der demographische Wandel als Herausforderung des Sozialstaates Schweiz 2010 2030 Männer 100 90 Frauen 2050 80 70 60 50 40 30 20 10 0 60 40 20 20 40 60 Personen x 1 000 Quelle: BSV 5 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Der demografische Wandel in der Schweiz Lebenserwartung im Alter 65: 1948: 12 Jahre Männer / 14 Jahre Frauen; 2013: 19,2 Jahre Männer, 22,2 Jahre Frauen Anteil über 65-jährige an Gesamtbevölkerung: 2010: 17,2%; 2030: 24%; 2050: 27,4% Fertilitätsrate 2005: 1,4; 2015: gegen 1,5 (stabil bis leicht steigend dank Migration) monatlich ausbezahlte AHV-Hauptrenten 2006: 1,75 Mio.; 2011: 2,03 Mio. 6 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Die grosse demografische Herausforderung der umlagefinanzierten AHV 1 Rentner/in 6.5 Erwerbstätige 1 Rentner/in 3.7 Erwerbstätige 1 Rentner/in 2.1 Erwerbstätige 1948 2007 2035 Quelle: BSV 7 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Umlageergebnis der AHV in Mio. Franken Umlageergebnis: Einnahmen ohne Kapitalerträge minus Ausgaben, in Millionen Franken, geglättete Werte, justiert auf Abrechnung 2011 Quelle: BSV / 13.4.2012 8 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Finanzierungslücke der AHV bis 2030 Für ein 2030 ausgeglichenes Umlageergebnis sind zusätzliche Einnahmen oder Einsparungen zwischen CHF 5.6 und 11.7 Mrd. notwendig. Dies bedeutet: Einnahmenseitig: 1.1 bis 3.0 Lohn-% bzw. 1.4 bis 3.7 MwSt-%. Ausgabenseitig: 2.0 bis 4.4 Jahre höheres Rentenalter (3.2 Jahre gemäss mittlerem Szenario). Quelle: BSV 9 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Entwicklung der Kapitalrenditen Quelle: BSV / Mediendokumentation 21.11.2012 10 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
2. SAV - Masterplan Reform Altersvorsorge 11 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Grundsätzliche Handlungsoptionen zur Bewältigung der demografischen Herausforderung in der Altersvorsorge Senkung Leistungsniveau Verlängerung Erwerbszeit Zusatzfinanzierung Kombination dieser Massnahmen 12 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
SAV-Masterplan Reform Altersvorsorge (1) Allgemeines Prinzipien der Sicherheit, Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit, Einfachheit, Transparenz und Zielorientierung Bestätigung des heutigen Leistungsziels (Verfassungsauftrag) Koordination von AHV und BV ohne Vermischung der Säulen Nachhaltige Sicherung mit Blick auf die Herausforderungen der Demografie und der Kapitalmärke Kein Leistungsausbau 13 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
SAV-Masterplan Reform Altersvorsorge (2) Erste Säule Basisversicherung für Altersvorsorge unter Einbezug der EL Geschlechtsneutrales AHV-Referenzrentenalter, angepasst an die Lebenserwartung Schleifende Anpassung, z.b. jahrgangsabhängig in Monatsschritten Einbau von Flexibilisierungen: «Rentenfenster» mit Referenzrentenalter (62-70 Jahre) Anreize für die Weiterarbeit nach Erreichen des Regel-Rentenalters Aufnahme einer Stabilisierungsregel für die AHV 14 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
SAV-Masterplan Reform Altersvorsorge (3) Zweite Säule Rasche Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes Kombination von Kompensationsmassnahmen - Verstärkung der Altersgutschriften (nicht linear) - Früherer Beginn des Sparprozesses Rentenalter-Erhöhung als zwingender Bestandteil (in Koordination mit der AHV) 15 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
3. Altersvorsorge 2020 die Vernehmlassungsvorlage des Bundesrats 16 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Überblick: Inhalt der Vernehmlassungsvorlage (1) Bundesrat hat Vernehmlassung zur Reform der Altersvorsorge 2020 am 20. November 2013 mit Frist 31. März 2014 eröffnet 1 Mantelerlass: Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge mit indirekter Anpassung div. Gesetze 1 Beschluss zur Änderung der Bundesverfassung (MwSt + 2%) Rechtliche und faktische Kopplung: Erhöhung der MwSt tritt nur in Kraft, wenn sowohl das Referenzrentenalter vereinheitlicht wird (65/65) als auch die Renten für «kinderlose» Witwen gestrichen werden «alles oder nichts»: Volk kann nur ja oder nein zu allem sagen Gesamtpaket mit 16 (!) materiellen Teilpaketen Inkraftsetzung 2020 17 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Überblick: Inhalt der Vernehmlassungsvorlage (2) Flexibilisierung des Altersrücktritts koordiniert für 1. und 2. Säule mit versicherungsmathematischem Rentenbezug zwischen 62 und 70 Jahren und Referenzrentenalter 65/65 Zusatzfinanzierung AHV: +2% Mehrwertsteuer Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent; Kompensationsmassnahmen für «Übergangsgeneration» und generell zur Erhaltung des Leistungsniveaus diverse Massnahmen (Senkung der Hinterlassenenleistungen, AHV-Beitragserhöhung für Selbständigerwerbende, Neugestaltung Koordinationsabzug, Senkung Eintrittsschwelle, Teilentflechtung Finanzierung Bund-AHV, legal quote, Verbesserung Transparenz Versicherer usw.) 18 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Würdigung der Vernehmlassungsvorlage Gesamtschau als Chance, tragfähige Kompromisse zu erarbeiten Gesamtpaket (1 Botschaft, mit 1 Vorlage «alles oder nichts»!) als Risiko, das «Fuder zu überladen» und letztlich komplett zu scheitern (das Projekt des BR hat zudem erhebliche «finanzielle Schlagseite» einnahmenseitig und wird infolge Betonierung des Rentenalters 65/65 auf 20 Jahre hinaus für Rentner, Arbeitnehmer und Arbeitgeber viel zu teuer!) Notwendigkeit der Prioritätensetzung und zeitlichen Staffelung nach Wesentlichkeit und Dringlichkeit (durch «Portionierung» und «Priorisierung»; Ja zu Gesamtschau, nein zu Gesamtpaket; keine Zusatzfinanzierung auf Vorrat! 19 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
massive Kostenfolge Chance vor dem Volk? Kostenfolge Rentner: 2% MwSt-Erhöhung für ein Rentnerehepaar mit CHF 4 700 Rente pro Monat ca. CHF 65; Absenkung Rentenniveau auf 95% kostet ein Ehepaar mit der maximalen Rente ca. CHF 175, total Kosten der Reform ca. CHF 240 pro Monat! (= weniger verfügbares Einkommen!) Kostenfolge: Familie mit 2 Kindern, beide 45-jährig, Vater Vollzeit mit CHF 5 500 pro Monat, Mutter mit CHF 1 500 pro Monat; Kostensteigerungen: höherer Beitrag Ehemann inkl. höherer koordinierter Lohn CHF 746, neuer Beitrag Ehefrau CHF 776, MwSt- Erhöhung 2% CHF 902, Beitrag Stabilisierungsregel CHF 315, total CHF 2 739 pro Jahr / ca. CHF 230 pro Monat (= CHF 230 pro Monat weniger verfügbares Einkommen!) Arbeitgeber: Hohe Kostenfolge durch paritätische Tragung sämtlicher lohnbeitragsrelevanter Erhöhungen 20 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
4. Reform der Altersvorsorge: Ausweg aus der Sackgasse dank Portionierung und Priorisierung? 21 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Reformprozess Altersvorsorge 2020: sichere Renten dank verdaubaren Portionen und klaren Prioritäten! (1) Paket «Portionen» Kernvorlage 1 Kernvorlage 2 Vorlage «techn.» Revision AHV Anpassung Verordnungen «Transparenz» 2. Säule (Versicherungen) Inhalt 22 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich Beratung Parlament (inkl. Inkraftsetzung ggf. Referendumsabstimmung) Referenzrentenalter mindestens 65/65 Flexibilisierung Rentenbezug 62-70 Erhöhung MwSt zugunsten AHV deutlich 2015/16/17 2018 unter 1% (rechtl. gekoppelt mit mind. 65/65) Mindestumwandlungssatz 6,0% mit Kompensation Stabilisierungsregel AHV (schrittweise Anhebung Referenzrentenalter um max. 24 Monate + moderate MwSt-Anpassung) div. Bestimmungen zur Modernisierung der Durchführung der AHV 2015/16/17 2018 2015 Vernehmlassung, 2016 Beschluss Bundesrat gezielte Massnahmen zur Stärkung der Transparenz insb. im Modell der Vernehmlassung Vollversicherung (nach separat durchgeführter 2015 Vernehmlassung) 2017 2017
Reformprozess Altersvorsorge 2020: sichere Renten dank verdaubaren Portionen und klaren Prioritäten! (2) Paket «Portionen» Vorlage AHV «leistungsseitig» Vorlage BVG Inhalt div. Massnahmen leistungsseitig, insb. schrittweise weitere Erhöhung Referenzrentenalter insb. Entpolitisierung Mindestumwandlungssatz Beratung Parlament (inkl. Inkraftsetzung ggf. Referendumsabstimmung) ab 2020 2023 ab 2020 2023 23 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
5. Länger arbeiten und wo bleiben die Jobs? 24 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Massnahmen für längere Erwerbstätigkeit Männer scheiden heute im Durchschnitt mit 64,1 Jahren aus dem Erwerb aus, Frauen mit 62,6 Jahren (praktisch ein Jahr später als noch vor wenigen Jahren!; 1/3 der 65-69-jährigen erzielt noch AHV-pflichtiges Einkommen) = Trend zu längerer Erwerbstätigkeit! Bundesrat schlägt als Massnahmen vor: Anhebung Referenzrentenalter auf 65/65; Anhebung Mindestrentenalter in BV auf 62 Jahre; Flexibilisierung verbessert Anreiz für teilweise Weiterführung der Erwerbstätigkeit über 65 hinaus; Beiträge nach 65 Jahren sind in der AHV rentenbildend 25 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (1): Studie Infras im Auftrag des BSV (2012) demografiebedingte Stagnation der Erwerbsbevölkerung und sinkende Erwerbsquote führt zu Verknappung des Arbeitskräfteangebotes Erwerbspotenzial älterer Arbeitnehmer muss besser ausgeschöpft werden die Arbeitsmarktbeteiligung älterer Arbeitnehmer in CH ist im europäischen Vergleich spitze und hat in den letzten Jahren weiter zugenommen gute Gesundheit, interessante Arbeit und gute Arbeitsbedingungen (Wertschätzung!) sind zentrale Faktoren für den längeren Verbleib im Erwerbsleben 26 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (2): Studie Infras im Auftrag des BSV (2012) finanzielle Zwänge und institutionelle Anreize haben eine vergleichsweise geringe Bedeutung, spielen aber eine Rolle bei frühzeitigem Erwerbsaustritt Mehrheit der befragten Unternehmen begrüsst Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (über 58) insbesondere zur Erhaltung spezifischer Kenntnisse Unternehmen rechnen kaum mit demografiebedingten Rekrutierungsschwierigkeiten; falls, dann geben sie älteren Arbeitskräften als Potenzial weniger Bedeutung als Frauen und ausländischen Arbeitskräften befragte Unternehmen verfügen meist über keine systematische Personalpolitik zur Beschäftigung älterer Arbeitskräfte 27 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (3): Arbeitgeber müssen handeln! Höheres faktisches Rentenalter lässt sich nur über Vorbildfunktion der Arbeitgeber erreichen! Demografische Entwicklung wird den Arbeitsmarkt schon in wenigen Jahren dramatisch verändern: Ältere Arbeitnehmer müssen als Ressource genutzt werden (Eigeninteresse der Wirtschaft)! Attraktive Arbeitsbedingungen und Wertschätzung durch die Arbeitgeber sind wesentliche Voraussetzungen für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben! Schweizersicher Arbeitgeberverband: Plattform 45 +! 28 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Martin Kaiser kaiser@arbeitgeber.ch 29 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Alternde Gesellschaft, 19. März 2014, Zürich