Hochbegabung zwischen. Hochdeutsch und Hochliteratur

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Transkript:

Didaktik der deutschen Sprache und Literatur: Hochbegabung zwischen Hochdeutsch und Hochliteratur Dr. Beate Laudenberg (Prof. Dr. Carmen Spiegel) Institut für deutsche Sprache und Literatur (Pädagogische Hochschule Karlsruhe)

Vergleich der Bezeichnungen - als wissenschaftliche Disziplin: - als Fachdidaktik: Germanistik Didaktik der deutschen Sprache und Literatur Mathematik Didaktik der Mathematik - als Unterrichtsfach: Deutsch Mathematik - als Intelligenz (nach Gardner): sprachliche Intelligenz logischmathematische Intelligenz - als Leistungsbereich im Münchner Hochbegabungsmodell: Sprachen / (Kunst?) Mathematik

Sprachbegabung In der Sprachwiss[enschaft] weitgehend abgelehnte, aber allgemein verbreitete Auffassung, nach der sich die Menschheit in Gruppen mit angeborener größerer oder kleiner S[prachbegabung] teilt. In der Tat gibt es den Fall, dass sich einzelne polyglotte Personen mit erstaunlich erscheinender Leichtigkeit und Geschwindigkeit viele Spr[achen] aneignen ebenso wie den Fall, dass Personen trotz eifrigen Bemühens schon an einer Fremdsprache scheitern. Ob dies mit Begabung, d.h. einer biolog[ischen]. Disposition, erklärt werden kann, ist unklar, [ ] Metzler-Lexikon Sprache, hg. v. Helmut Glück. Stuttgart; Weimar 4 2010

Genie - (Geniezeit = Sturm und Drang) - als literaturwissenschaftlicher Terminus weder geeignet noch in Gebrauch Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. v. Klaus Weimar u.a., Berlin u.a.: Bd. 1, 1997

Kompetenz Bewegungs-, Informations- und Medien-, Lese-, Medien-, Methoden-, Minimal-, Motorische -, Rechtschreib-, Reflexions-, Register-, Schreib-, Schriftsprachliche - in der Zweitsprache, Soziale -, Sprach-, Sprachliche -, Sprech-, Stil-, Textbildungs-, Text-, Textproduktions-, Textsorten-, s. auch Fähigkeit Stichwortregister: Didaktik der deutschen Sprache: ein Handbuch, hg. v. Ursula Bredel u.a. Paderborn 2 2006

literarischer Kompetenz fehlt es bisher an einer stringenten Systematisierung der einzelnen Dimensionen sowie des Erwerbsverlaufs. Folgende Felder literarischen Verstehens werden unterschieden: die Realitäts- / Fiktionsunterscheidung, das Gattungswissen, das Verstehen indirekten Sprachgebrauchs, das Komikverstehen, die Empathiefähigkeit, die Fähigkeit zur Perspektivübernahme, die Fähigkeit zum Probehandeln, das Moralverstehen, die Fähigkeit zum Genuss, die Einsicht in die historische Entwicklung literarischer Konventionen, die Fähigkeit zur Anschlusskommunikation und die Fähigkeit zur kritischen Verständigung über Literatur. Lexikon Deutschdidaktik, hg.v. Heinz-Jürgen Kliewer / Inge Pohl. Baltmannsweiler 2 2012

Sprachliche Intelligenz zeigt sich in der und durch die Produktion von mündlicher und/oder schriftlich fixierter Sprache im Zusammenhang mit den sich daraus ergebenden Möglichkeitskomplexen. (Erzählen, Dichten, Erörtern, Argumentieren, Humor und Satire, begriffliches Einordnen und Ausschließen, Vergleichen, symbolisches Denken etc. pp.). Trautmann, Thomas (2007): Sprachliche (Hoch)begabung und schulischer Unterricht. In: Hahn, Heike u.a. (Hg.): Begabungsförderung in der Grundschule. Baltmannsweiler, S. 154-167, Zit. S. 156

Sprachliche Intelligenz ist die Fähigkeit, Sprache, sei es Muttersprache oder Fremdsprache, treffsicher einzusetzen, um eigene Gedanken auszudrücken und zu reflektieren, sowie die Fähigkeit andere zu verstehen. Huser, Joelle (2011 6 ): Lichtblick für helle Köpfe. Ein Wegweiser zur Erkennung und Förderung von hohen Fähigkeiten bei Kindern und Jugendlichen auf allen Schulstufen. Zürich (1999), S. 8

In Deutsch sollte Nico wie alle anderen Kinder auch als Hausaufgabe zwanzig Wörter aufschreiben, die man vorne groß schreibt, und zwanzig Wörter, die man vorne klein schreibt.. Für Kinder wie Nico ist das, als würde man einen Fisch am Ufer in die Sonne legen. Er trocknet aus. Nico hatte nämlich längst entdeckt, dass die Sache mit der Groß- und Kleinschreibung viel komplizierter, aber auch viel interessanter ist, als sie im Unterricht dargestellt wurde. Liest man Werbung zum Beispiel, dann sieht man, dass es da noch ganz andere Regeln für Groß- und Kleinschreibung gibt oder andere Freiheiten. Als Nico das einmal seiner Deutsch-Lehrerin erzählte wir sagen hier ihren Namen nicht, damit keiner mit dem Finger auf sie zeigt -, regte sie sich furchtbar auf: Er sei frech und wie komme er überhaupt dazu anzuzweifeln, was sie im Unterricht sagt, und allenfalls würde man in der weiterführenden Schule über so etwas reden wie die Rechtschreibung in der Werbung und bis dahin solle er sich gefälligst beherrschen. Wais, Mathias (2008): Hilfe ich bin hochbegabt! Mit schlauen Füchsen unterwegs. Stuttgart, Berlin, S. 163

Hochbegabung im deutsch-, insbesondere im literaturdidaktischen Diskurs = ein Tabu da Begabungs-, Entwicklungs- und Leistungsunterschiede als schichtenspezifisch verursacht erklärt wurden und noch werden Fischer-Brehm, Karin (1998): Literaturdidaktik und Hochbegabung. In: Urban, Klaus K. / Joswig, Helga (Hrsg.): Begabungsförderung in der Schule. Rodenberg, S. 77-97, Zit. 84

(Hochbegabten-) Förderung im Deutschunterricht durch (Binnen-) Differenzierung und Individualisierung Zahlreiche Materialien aufgrund curricularer Vorgaben, aber bislang ohne Forschungsgrundlagen / Evaluation, zudem im Unterricht kaum realisiert (vgl. Ernst Hany 2 2000: Muss man unterschiedlich hoch begabte Kinder unterschiedlich fördern? In: Wagner, Harald (Hrsg.): Bildung und Begabung Bad Honnef (1995), S. 71-96)

Lehrer/innen wollen - Hilfe bei dem Problem, Begabungen zu erkennen - Hilfe bei dem Problem, Begabungen zu fördern - Hilfe im Umgang mit Underachievern - Unterstützung bei der Entwicklung von Lern- und Arbeitstechniken Feger, Barbara (2000 2 ): Begabte Schüler und die Schule: Wo ist das Problem? In: Wagner, Harald (Hg.): Begabung und Leistung in der Schule. Bad Honnef (1995), S. 25-37, Zit. S. 35

Forschung: aktueller Stand Bertschi-Kaufmann, Andrea; Lötscher, Gabi (2006): Von Geschichtenschreiberinnen und Erzählprofis. Sprachbegabungen erkennen, fördern, beobachten. In: Unterricht konkret 2, 34-37. Dies. (o. J.): Sprachleistungen beobachen Begabungsprofile erkennen. http://www.schulenargau.ch/kanton/dokumente_offen/atelier%20litera%20 sprachleistungen-beobachten_begabungsprofile-erkennen.pdf (07.09.2012) Farkas, Katharina (2011): Texte hochbegabter Kinder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. In: Behrend, U. / Eriksson, B.: Sprachliches Lernen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Bern, 75-97.

Forschung: Desiderata Kriterien, was unter sprachlicher / literarischer Begabung zu verstehen ist Differenzierungen zwischen möglicherweise verschiedenen sprachlichen / literarischen Begabungen Beschreibungen des Zusammenhangs sprachlicher / literarischer Begabung mit anderen Begabungen Zusammenhang klären zwischen Schreiben, Lesen, Sprechen, Kommunizieren sprachlicher Begabung und Fremdsprachenerwerb sprachlicher Begabung und LRS sprachlicher / literarischer Begabung und Einfluss/Vorhandensein anderer Begabungen?

Forschung: Desiderata Didaktik / Unterricht: inbes. Evaluation von Differenzierungsmöglichkeiten / -materialien Außerschulisch: Förderung entwickeln und etablieren Wünschenswert: Interdisziplinäres Arbeiten und enge Zusammenarbeit mit Praktiker/innen in Schulen und außerschulischen Fördereinrichtungen