Gewalt Verdacht? Die Rolle der MDK Gutachter/-innen Vortrag: MDK Bayern - Expertentag der SEG 2 Datum: 03.11.2016 Referentin: Anna Grundel (M.Sc. Public Health)
Inhalt 1.Safer Care Eckdaten 2.Safer Care Hintergrund 3.Vorüberlegung wer kann helfen? 4.Projektziele 5.Vorgehen und Ergebnisse 6.Weiterführende Informationen Seite 1
Eckdaten Arbeitsgruppe: Gesundheitsschutz bei interpersoneller Gewalt Projektleitung: Prof. Dr. Beate Blättner Prof. Dr. Henny A. Grewe Mitarbeiterinnen: Anna Grundel Katharina Liepe Rebekka Schuler Katrin Möller Laufzeit: 07/2011-01/2015 gefördert vom: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Seite 2
Hintergrund Gewalt als Gesundheitsproblem: Gewalt auf sich selbst gerichtete interpersonelle kollektive Suizidales Verhalten Selbstverletzung Familiäre- / Partnergewalt Öffentliche Gewalt sozial politisch ökonomisch (Ex-) Kind Ältere Bekannte Fremde Partner (WHO 2003) Seite 3
Hintergrund 1. Ältere Menschen erfahren insgesamt weniger Gewalt als jüngere 2. aber es gibt verschiedene Risikofaktoren, die speziell Pflegebedürftige betreffen. 3. Schätzungen zufolge sind 4 % aller Pflegebedürftigen von Gewalt betroffen. Das Ausmaß der Problematik ist uns jedoch nicht umfassend bekannt. Seite 4
Hintergrund Ausübende: Älterer, pflegebedürftiger Mensch Leittragende: Pflegende Angehörige, Pflegekräfte, Mitbewohner/-innen Institutionen häusliche Umgebung Ausübende: Pflegepersonal Leittragende: Älterer, pflegebedürftiger Mensch Ausübende: Angehörige Leittragende: Älterer, pflegebedürftiger Mensch Seite 5
Situationsübergreifend Hintergrund Psychische Gewalt Körperliche Gewalt Sexualisierte Gewalt Materielle Ausbeutung Vernachlässigung Freiheitsentzug -- + Vorsätzliche Handlung + -- 4. vorsätzlich situationsübergreifend 3. vorsätzlich situativ 2. nicht vorsätzlich situationsübergreifend 1. nicht vorsätzlich situativ (Krug et al. 2002, Perel-Levin 2008) (Görgen et al. 2009) Komplexes Problem Mehrdimensional Erfordert umfassendes Verständnis und flexibles Handeln Kein Schema F anwendbar Seite 6
Wer kann helfen? Polizei? Betreuungsbehörde / Gesundheitsamt? Hilfe- und Beratungsstellen? Ärztinnen und Ärzte? Ambulante Pflegedienste / Pflegestützpunkte? Pflegekassen / MDK? Zuständigkeiten sind in Deutschland nicht geklärt Zusammenarbeit ist wichtig und erfolgsversprechend Seite 7
Wer kann helfen? Sie haben einen Zugang! Versorgungsauftrag / Beratungsauftrag MDK Gutachter/-innen sehen und sprechen Pflegebedürftige in ihrer häuslichen Umgebung Schätzen deren Pflegesituation ein. Sie bilden eine Schnittstelle zu Pflegekassen, Hausärzten und Pflegediensten Seite 8
Projektziele 1. Handlungssicherheit im Umgang mit gewaltbetroffenen oder bedrohten, älteren, pflegebedürftigen Menschen erhöhen und somit deren Lebenssituation verbessern. 2. Identifizieren von Versorgungsstrukturen, die Prävention und Intervention nachhaltig unterstützen oder behindern. Seite 9
Hintergrund In Anlehnung an RADAR (1996) und das S.I.G.N.A.L.-Projekt (Brzank et al. 2005) Seite 10
Vorgehen und Ergebnisse Gesprächsrahmen Anzahl TN Fokusgruppe I 4 Ausführliches Protokoll der Fokusgruppe II 5 Diskussionsbeiträge auf Grundlage von Mitschriften, die während der Diskussion Fokusgruppe III 6 angefertigt wurden Interview Pflegekasse I 1 Interview Pflegekasse II 1 Datenmaterial Auswertung Validierung Kodierverfahren Theoriegenerierung Interview Pflegekasse III Interview Pflegestützpunkt I Interview Pflegestützpunkt II Interview MDK 1 1 1 1 Dichte Interviewmemos auf der Grundlage von Tonbandaufnahmen und/oder Kodierverfahren Theorie- Workshops mit Expertinnen und Experten im Zuge einer Expertentagung im Juni 2013 Interview HBPA 2 Gesprächsmitschriften generierung Interview Polizei 1 Interview Amtsanwaltschaft Interview Betreuungsbehörde I Interview Betreuungsbehörde II 1 2 2 Seite 11
Vorgehen und Ergebnisse Tätigkeit Anzeichen erkennen Verdacht ansprechen Voraussetzungen Fähigkeit zur Einschätzung von Gesundheit und Wohlbefinden Handlungshilfen existieren Fähigkeiten der empathischen Gesprächsführung Handlungshilfen existieren Schulungsbedarf Schulungsbedarf Anzeichen dokumentieren Fähigkeit gerichtsverwertbar zu dokumentieren Schulungsbedarf Hilfe vermitteln Zuständige externe Ansprechpartner kennen unklar Betroffene schützen Möglichkeiten des akuten Schutzes kennen Rechtliche Grundlagen kennen Teilweise unklar Häufig uneffektiv Seite 12
Vorgehen und Ergebnisse MDK Gutachter/- innen Gewaltverdacht entsteht bei der Begutachtung Info an Klienten Ausführliche Dokumentation der Anzeichen Evtl. Beratung Dokumentation an Pflegekasse Information an Akuthelfer Qualität der Dokumentation Koordination weiterer Maßnahmen MDK Gutachter/- innen Seite 13
Amb. Pflegedienst Evaluation eigener Maßnahmen zeigt keine Problemreduktion Einbezug der Klienten Ausführliche Dokumentation der Anzeichen Weitergabe Einwilligung? Evtl. Beratung Wegen Notstand nach 34 StGB oder Garantenpflicht Mit Einverständnis der betroffenen Person Begründet Nichtstun Dokumentation an Pflegekasse Dokumentation an HBPA Information an Akuthelfer Qualität der Dokumentation Koordination weiterer Maßnahmen MDK Gutachter/- innen Seite 14
Vorgehen und Ergebnisse Pflegedienste Pflegekassen Pfl.Stützpunkt + MDK Keine Rückmeldung an die Informanten Informanten haben Angst (da)vor: negativen Konsequenzen für die Betroffenen. Kundenverlust und Rufschädigung. als Kontrollinstanz wahrgenommen zu werden. fehlende Motivation Fälle zu verfolgen schlechte Informationsbasis Koordination Seite 15
Weitere Informationen zu dem Projekt Safer Care finden Sie: Unter: www.hs-fulda.de/stopp-violence Kontakt: a.grundel@anlagenring.de (069 / 913322-0) Material: Handlungsempfehlung zu Prävention und Intervention Dokumentationshilfe Seite 16
Literatur Brzank P, Hellbernd H, Maschewsky-Schneider U (2005): Häusliche Gewalt gegen Frauen: Gesundheitsfolgen und Versorgungsbedarf Ergebnisse einer Befragung von Erste-Hilfe-Patientinnen im Rahmen der S.I.G.N.A.L.- Begleitforschung. Gesundheitswesen 2004; 66: 164-169. DHPol (o. J.): "Translation and Dissemination of the Elder Abuse Suspicion Index in Germany. http://www.dhpol.de/de/hochschule/fachgebiete/easi.php (Zugriff am 15.02.2012). DHPol (2009): VIMA (Verdachts-Index Misshandlung im Alter). http://www.dhpol.de/de/medien/downloads/hochschule/13/vima_fragebogen.pdf (Zugriff am 18.01.2012). DHPol (2012): Aktionsprogramm Sicher leben im Alter (SiliA). http://www.dhpol.de/de/hochschule/fachgebiete/silia.php (Zugriff am 14.02.2012). Galtung J. (1990): Cultural Violence. Journal of Peace Research 27 (3): 291-305. Görgen T., Bauer R., Fritsch N., Greve W., Herbst S., Kotlenga S., Mauder B., Mild N., Nachtmann J., Nägele B., Nowak S., Pfeiffer C., Rabold S., Rauchert K., Schröder M., Tesch-Römer C., Winkelsett B. (2009): Sicherer Hafen oder gefahrvolle Zone? Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen im Leben alter Menschen. Ergebnisse einer multimethodalen Studie zu Gefährdungen älterer und pflegebedürftiger Menschen. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Berlin. Görgen T., Rauchert K., Birkenstock L., Fisch S., Kämmer K. (2011): Sicher leben im Alter. Prävention von Misshandlung und Vernachlässigung älterer Menschen in der häuslichen Pflege. Materialien für die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ambulanter Pflegedienste. Entwurf. Unveröffentlicht. KHSB Berlin (2012): Herzlich willkommen beim Projekt PURFAM: Potenziale und Risiken in der familialen Pflege alter Menschen. http://www.khsb-berlin.de/forschung/aktuelle-projekte/purfam/ (Zugriff am 14.02.2012). Seite 17
Literatur Krug E. G., Dahlberg L. L., Mercy J. A., Zwi A. B., Lozano R. (2002): World report on violence and health. World Health Organization, Genf. Perel-Levin S. (2008): Discussing Screening for Elder Abuse at Primary Health Care Level. World Health Organization. Genf. RADAR (1996): Massachusetts Medical Society A Domestic Violence Intervention. http://www.pamedsoc.org/mainmenucategories/patientcare/publichealth/domesticviolence/radar.html (Zugriff am 25.01.2012). Sethi D., Wood S., Mitis F., Bellis M., Penhale B., Iborra Marmolejo I., Lowenstein A., Manthorpe G., Ulvestad Kärki F. (2011): European report on preventing elder maltreatment. World Health Organization Regional Office for Europe, Kopenhagen. WHO (2003): Weltbericht Gewalt und Gesundheit. Zusammenfassung. http://www.who.int/violence_injury_prevention/violence/world_report/en/summary_ge.pdf (Zugriff am 27.08.20129 Yaffe M. J., Wolfson C., Lithwick M., Weiss D. (2008): Development and validation of a tool to improve physician identification of elder abuse: The elder abuse suspicion index (EASI). Journal of Elder Abuse & Neglect, 20 (3), 276-300. Zank S., Schacke C. (2011): Aktualisierte Unterlagen zum Assessment und zur Evaluation des Projektes Potentiale und Risiken in der familialen Pflege alter Menschen. Stand: November 2011. Unveröffentlicht. Zoom e.v. (2012): SiliA-Aktionsprogramm Sicher leben im Alter. http://www.prospektiveentwicklungen.de/projekte/aktuelle-projekte/sicher-leben-im-alter (Zugriff am 14.02.2012). Seite 18