360 Steuern und Recht für Kommunale Unternehmen Teil 12: 2b UStG die Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

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Transkript:

Sehr geehrte Damen und Herren, Eike Christian Westermann Partner Recht und Steuern Tel.: +49 211 981-1741 eike.christian.westermann@de.pwc.com Matthias Beier Partner Steuern Tel.: +49 211 981-2473 matthias.beier@de.pwc.com ob das Sprichwort, wonach, was lange währt, endlich gut wird, auch mit Blick auf die jetzt beschlossene Neuregelung der Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts Gültigkeit beanspruchen kann, ist eine Frage, die sich wohl erst dann einigermaßen belastbar beantworten lässt, wenn klar ist, wie Rechtsprechung und Finanzverwaltung künftig mit dem neuen 2b UStG umgehen werden. Nachdem bereits in Teil 6 unserer letztjährigen Herbstserie der damalige Entwurf für die Neuregelung kritisch gewürdigt worden war, ging jetzt offenbar alles ganz schnell zumindest gemessen an der schon fast unendlichen Geschichte, während derer in den vergangenen Jahren (man ist versucht, von Jahrzehnten zu sprechen) bereits über die Reform der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand diskutiert und gestritten wurde. Am 16. Oktober 2015 hat der Bundesrat dem sog. Steueränderungsgesetz 2015 zugestimmt, welches u.a. den neuen 2b UStG enthält und außerdem eine Übergangsregelung vorsieht, die das Jahr 2016 gerade aus Sicht vieler Kommunen zu einem ganz entscheidenden Jahr machen dürfte. Die nachstehend näher vorgestellten Neuregelungen sollen nämlich prinzipiell zum 01. Januar 2017 in Kraft treten; wo dies sinnvoll erscheint, können juristischen Personen des öffentlichen Rechts allerdings auf eigenen Wunsch eine Fortgeltung der alten Rechtslage noch bis Ende 2020 erreichen dies gilt jedoch nur dann, wenn eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt bis spätestens 31. Dezember 2016 abgegeben wird. Höchste Zeit also, sich mit den Änderungen vertraut zu machen, um sodann eine umfassende Bestandsaufnahme der eigenen umsatzsteuerlichen Ist-Situation sowie der für die kommenden Jahre geplanten Maßnahmen mit möglichen umsatzsteuerlichen Auswirkungen einzuleiten und eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Eine interessante Lektüre wünschen Ihnen daher Ihre Eike Christian Westermann Matthias Beier

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 2 Vorgeschichte : die bisherige Rechtslage... und die Rechtsprechung von EuGH und BFH Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1, 2 der Europäischen Mehrwertsteuer- Systemrichtlinie (MwStSystRL) gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts prinzipiell nicht als Steuerpflichtige im Hinblick auf die Mehrwertsteuer, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang damit Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Sie gelten jedoch für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Bislang bildet(e) 2 Abs. 3 UStG die Umsetzung dieser Regeln in deutsches Umsatzsteuerrecht: Danach sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (jpdör) nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (i.s.v. 1 Abs. 1 Nr. 6, 4 Körperschaftsteuergesetz KStG) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Folge der Anknüpfung an den Begriff des Betriebs gewerblicher Art (BgA) war insbesondere, dass Tätigkeiten aus dem Bereich der Vermögensverwaltung (also der entgeltlichen Überlassung von Grundstücken, der Einräumung von Rechten etc.) durch jpdör ebenso wenig der Umsatzsteuer unterlagen wie Tätigkeiten unterhalb der ertragsteuerlich für Betriebe gewerblicher Art geltenden Bagatellgrenzen oder sog. Beistandsleistungen zwischen jpdör (auch als Amtshilfe oder interkommunale Zusammenarbeit bezeichnet), die auch nach dem bisherigen Verständnis der Finanzverwaltung als nicht umsatzsteuerbar behandelt wurden. Ausgehend von zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH; Urteile vom 16. September 2008, Rs. C 288/07 "Isle of Wight" und vom 04. Juni 2009, Rs. C 102/08 "SALIX") und gefolgt von einer ganzen Reihe von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH; z.b. vom 17. März 2010, XI R 17/08 ("Werbemobil"), vom 15. April 2010, V R 10/09 ("Automatenaufstellung"), vom 03. März 2011, V R 23/10 ("Marktplatzsanierung") oder vom 10. November 2011, V R 41/10 ("Sporthallenüberlassung")) hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Umsatzsteuerrechts hervorgehoben und festgestellt, dass eine jpdör, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und zu den gleichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer entgeltliche Leistungen erbringt, insoweit stets unternehmerisch tätig wird, ohne dass es auf weitere Voraussetzungen ankäme, und dass, wenn die jpdör in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts agiert, zwingend zusätzlich zu prüfen ist, ob die Nichtbesteuerung mit Umsatzsteuer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 3 Daraus ergibt sich folgendes (vermeintlich einfache ) Prüfschema: Die Nichtsteuerbarkeit der Vermögensverwaltung war jedenfalls nach Auffassung des BFH damit ebenso Geschichte wie die der Beistandsleistungen zwischen jpdör. Reaktionen der Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung hat sich wohl nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Brisanz dieser Rechtsprechung, z.b. für die kommunalen Haushalte mit einer Veröffentlichung der BFH-Urteile und deren Anwendung über den entschiedenen Einzelfall hinaus zunächst eher schwer getan. Lediglich auf ausdrücklichen Wunsch des Steuerpflichtigen sollte die richtlinienkonforme Auslegung und der europäische Unternehmerbegriff bei jpdör zur Anwendung kommen, dann allerdings nur einheitlich bezogen auf die gesamten Tätigkeiten (also ohne die Möglichkeit eines Rosinenpickens, vgl. Verfügung der OFD Niedersachsen vom 27. Juli 2012, S 7106 283 St 171). Nachdem im Frühjahr 2013 der Entwurf für ein BMF-Schreiben zur Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand (mit einer im Ermessen der Steuerpflichtigen stehenden Fortgeltung des alten Rechtszustands für eine Übergangsfrist bis Ende 2018) zunächst in Umlauf gebracht, dann aber wieder in der Versenkung verschwunden war, wurde im Juni 2014 unter der Überschrift Umsatzbesteuerung von Leistungen der öffentlichen Hand Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein erster von den Finanzstaatssekretärinnen und sekretären des Bundes und der Länder erarbeiteter Vorschlag für eine Neuregelung in einem neuen 2b UStG-E in eine Verbändeanhörung eingebracht. Nach Abschluss der durchaus kontroversen Anhörung wurde der Entwurf des 2b UStG im Oktober 2014 (gegenüber dem ersten Entwurf im Wesentlichen unverändert) von den Finanzministerinnen und Finanzministern

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 4 der Länder zustimmend zur Kenntnis genommen und der Bundesfinanzminister aufgefordert, ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Steueränderungsgesetz 2015: Jetzt wird s ernst! 2b Abs. 1 UStG Nachdem es zwischenzeitlich so ausgesehen hatte, als würde teilweise mit dem Argument, die EU-Kommission bereite ja ohnehin eine europaweite Neuregelung der Materie vor, die erst einmal abgewartet werden solle auch dieser Entwurf wieder im Papierkorb der Steuerrechtshistorie verschwinden, zwingt die mit Blick auf die bisherige Entwicklung fast schon etwas überraschende Aufnahme der gesetzlichen Neuregelung in das am 24. September 2015 vom Deutschen Bundestag und am 16. Oktober vom Bundesrat gebilligte Steueränderungsgesetz 2015 Steuerpflichtige und Berater dazu, sich jetzt mit den Änderungen und ihren Auswirkungen möglichst zeitnah vertraut zu machen. 1 Vorbehaltlich des Absatzes 4 gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des 2, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. 2 Satz 1 gilt nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. 2b Abs. 1 UStG übernimmt weitestgehend Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL, wonach jpdör nicht als Unternehmer gelten, soweit sie Tätigkeiten ausüben 1, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, es sei denn, die Behandlung als Nichtunternehmer würde zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Ganz wichtig erscheint, sich zunächst vor Augen zu führen, dass sich der neue 2b UStG somit insgesamt nur noch auf das Tätigwerden der öffentlichen Hand innerhalb des Hoheitsbereichs bezieht. Wo eine jpdör zukünftig auf privatrechtlicher Grundlage tätig wird, unterliegt sie wie jeder andere Unternehmer auch den allgemeinen Regeln des 2 Abs. 1 UStG; der bisherige 2 Abs. 3 UStG wird im Zuge der Einführung des 2b UStG ersatzlos gestrichen. Das bedeutet aber auch, dass die Vermögensverwaltung künftig umsatzsteuerbar ist und es auf die Umsatzgrenze von derzeit 30.678, unterhalb derer keine relevante Einrichtung (i.s. eines BgA) vorliegt, für Umsatzsteuerzwecke künftig nicht (mehr) ankommt. 1 In Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL wird neben den Tätigkeiten allerdings zusätzlich auch das Bewirken von Umsätzen erwähnt.

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 5 Was unter größeren Wettbewerbsverzerrungen zu verstehen ist, wird in 2b Abs. 1 UStG nicht definiert. Der Entwurf nimmt vielmehr eine Negativabgrenzung in den 2b Abs. 2 und 3 UStG vor. Insbesondere in den dort bezeichneten Fällen sollen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen und damit keine umsatzsteuerbaren Leistungen vorliegen. 2b Abs. 2 UStG 1 Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen insbesondere nicht vor, wenn 1. der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder 2. vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht ( 9) einer Steuerbefreiung unterliegen. 2b Abs. 2 UStG enthält eine unwiderlegbare Vermutung des Fehlens größerer Wettbewerbsverzerrungen, wenn die Voraussetzungen nach Nr. 1 oder Nr. 2 erfüllt sind. Mit Blick auf die Nr. 1 wird entscheidend sein, wie der unbestimmte Begriff der gleichartigen Tätigkeiten definiert bzw. konkretisiert wird beispielsweise in einem zukünftigen Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung zu 2b UStG. Je nachdem, wie eng oder weit die Gleichartigkeit gefasst wird, sind durchaus Möglichkeiten denkbar, eine Vielzahl kleinerer, auf hoheitlicher Grundlage erbrachter 2 Aktivitäten aus dem unternehmerischen Bereich der jpdör auszuscheiden, was aus Sicht privater Konkurrenten durchaus die Frage nach einer möglichen Gleichheitsverletzung aufwerfen mag. Nicht ausgeschlossen daher, dass diese Thematik in absehbarer Zukunft die Gerichte beschäftigen wird. Eine wettbewerbsrelevante unternehmerische Tätigkeit soll nach 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG außerdem nicht vorliegen, wenn die jpdör auf hoheitlicher Grundlage umsatzsteuerfreie Dienstleistungen erbringen, bei denen keine Option zur Umsatzsteuer möglich ist, da in diesen Fällen durch die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmer eine Wettbewerbsverzerrung per se nicht entstehen kann (der Private hätte in dieser Situation auch keinen Vorsteuerabzug auf seine Eingangsumsätze). Mögliche Anwendungsfälle liegen z.b. im Bereich der Bildungsleistungen oder heilberuflicher Leistungen. Die Ausnahme nach Nr. 2 gilt allerdings nicht, wenn auf die Steuerfreiheit nach 9 UStG verzichtet 2 Soweit die jpdör ihre Dienstleistungen auf privatrechtlicher Grundlage erbringt, handelt sie ohne weitere Einschränkungen unternehmerisch (s.o.). In diesen Fällen kommt die Bagatellgrenze dementsprechend nicht zur Anwendung, mit der Folge dass alle auf privatrechtlicher Grundlage erbrachten Dienstleistungen grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen.

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 6 werden kann (z.b. Vermietungsumsätze nach 4 Nr. 12 UStG), um mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu vermeiden. 2b Abs. 3 UStG 1 Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere nicht vor, wenn 1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder 2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen, b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen, c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und d) der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt. In 2b Abs. 3 UStG hat die spätestens nach dem BFH-Urteil vom 10. November 2011, V R 41/10, heftig entflammte Diskussion um die Zukunft interkommunaler Beistandsleistungen ihren Niederschlag gefunden: 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG will die klassische Amtshilfe auf Gebieten, die schon aufgrund gesetzlicher Bestimmungen jpdör vorbehalten sind, von der Steuerbarkeit ausschließen. 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG bestimmt, dass ebenfalls keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen, wenn die Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen durch gemeinsame spezifisch öffentliche Interessen bestimmt ist, von deren Vorliegen ausgegangen werden kann, wenn die in den Buchstaben a) bis d) genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Hierbei wird allerdings eine Reihe von unbestimmten Begrifflichkeiten (z.b. langfristig, Kosten, gleichartig, im Wesentlichen ) verwendet, zu denen auch die Gesetzesbegründung keine abschließenden Klarstellungen liefert. Dem Vernehmen nach soll seitens des BMF eine zügige Klärung offener Abgrenzungsfragen über ein Anwendungsschreiben vorangetrieben werden; es bleibt zu hoffen, dass dies so rechtzeitig gelingt, dass die Übergangsfrist (siehe sogleich) seitens der öffentlichen Hand sinnvoll genutzt werden kann.

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 7 Vor dem Hintergrund, dass sich der Gesetzgeber bei der Frage der Steuerbarkeit der interkommunalen Zusammenarbeit an den Voraussetzungen der Vergabefreiheit der interkommunalen Zusammenarbeit orientiert hat, dürfte von erheblichem Interesse sein, inwieweit die Entscheidungspraxis der Gerichte im Vergaberecht bei der Auslegung der Begrifflichkeiten von Bedeutung sein wird. Es bleibt abzuwarten, ob der Grundsatz, dass alle vergabefreien interkommunalen Zusammenarbeiten auch nicht steuerbar sind und umgekehrt, Bestand haben wird. 2b Abs. 4 UStG 1 Auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gegeben sind, gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des 2 Absatz 1 mit der Ausübung folgender Tätigkeiten stets als Unternehmer: 1. die Tätigkeit der Notare im Landesdienst und der Ratschreiber im Land Baden-Württemberg, soweit Leistungen ausgeführt werden, für die nach der Bundesnotarordnung die Notare zuständig sind; 2. die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung; 3. die Leistungen der Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe; 4. die Tätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden; 5. Tätigkeiten, die in Anhang I der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr.L 347 S. 1) in der jeweils gültigen Fassung genannt sind, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. 2b Abs. 4 UStG übernimmt die bisher in 2 Abs. 3 Satz 2 UStG aufgeführten Katalogtätigkeiten und fingiert hier die Unternehmereigenschaft, wenn alle übrigen Voraussetzungen des 2 Abs. 1 UStG erfüllt sind; neu hinzugekommen ist außerdem eine Bezugnahme auf Tätigkeiten gemäß Anhang I der MwStSystRL. 3 3 Es handelt sich um ein Verzeichnis von Tätigkeiten, bei denen Einrichtungen des öffentlichen Rechts nach Wertung der MwStSystRL stets als Steuerpflichtige gelten, wenn der Umfang der jeweiligen Tätigkeit nicht unbedeutend ist, hierzu zählen beispielsweise Telekommunikation, die Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität oder thermischer Energie, Güterbeförderung, Hafen- und Flughafendienstleistungen, Personenbeförderung, Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter, Umsätze von Kantinen und zahlreiche weitere Tätigkeiten.

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 8 Erstmalige Anwendung und Übergangsregelung Mit Blick auf die mit der Neuregelung unstreitig verbundene Zäsur sieht das Steueränderungsgesetz 2015 vor, dass 2b UStG grundsätzlich zum 01. Januar 2017 in Kraft tritt. Aus dem neu in das UStG eingefügten 27 Abs. 22 UStG ergibt sich allerdings für jpdör die Möglichkeit, durch einmalige, gegenüber dem Finanzamt bis zum 31. Dezember 2016 abzugebende Erklärung zu bestimmen, dass sie 2 Abs. 3 UStG in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung für sämtliche vor dem 01. Januar 2021 ausgeführten Leistungen weiter anwenden will. Diese Erklärung kann mit Wirkung zum nächstfolgenden Beginn eines Kalenderjahres widerrufen werden. Diese Übergangsregelung beinhaltet somit Folgendes: Die Entscheidung einer jpdör, dass man sich auf die Fortgeltung des bisherigen Rechts berufen möchte, muss zwingend im Laufe des Jahres 2016 getroffen und vor dessen Ablauf dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt worden sein; die Erklärung wirkt längstens bis zum 31. Dezember 2020; ein Wechsel zum neuen Recht ist schon vor diesem Zeitpunkt möglich, aber jeweils nur mit Wirkung zum Beginn des jeweils nächstfolgenden Veranlagungszeitraums; nach einem solchen Wechsel hin zum neuen Recht ist die erneute Rückkehr zum alten Recht nicht länger möglich. Die Uhr läuft... Handlungsbedarf in 2016 Zugegeben, es hätte schlimmer kommen können, und ein Anpassungszeitraum von gut einem Jahr erscheint auf den ersten Blick recht großzügig, andererseits ist im Tagesgeschäft erfahrungsgemäß auch ein Jahr immer wieder überraschend schnell vorbei. Daher gilt: die weiteren Entwicklungen rund um ein mögliches erläuterndes Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung zum neuen 2b UStG werden sicher sorgfältig beobachtet werden müssen, erst einmal darauf warten sollte man aber lieber nicht. Stattdessen ergeben sich für 2016 folgende Maßnahmen: BESTANDSAUFNAHME: In einem ersten Schritt sollte seitens der jpdör möglichst zügig eine Bestandsaufnahme angestoßen werden, welchen Umfang das eigene umsatzsteuerliche Unternehmen nach neuem Recht künftig haben wird (hierzu gehören beispielsweise die Identifikation bislang nicht relevanter, da vermögensverwaltender oder unterhalb der BgA-Grenzen liegender Betätigungen sowie die Prüfung, was künftig unter 2b UStG erfasst werden kann).

PricewaterhouseCoopers / WIBERA, 19. November 2015 Seite 9 PRÜFUNG: In Auswertung dieser Bestandsaufnahme und unter Berücksichtigung etwaiger, in der näheren Zukunft geplanter Maßnahmen (Stichwort: Vorsteuerabzugspotenziale) gilt es, den bestmöglichen Zeitpunkt für den Wechsel zu bestimmen. ABSICHERUNG: Nicht vergessen werden sollten dabei auch bereits laufende oder bevorstehende Projekte; hier sind die Möglichkeiten einer weitestgehenden umsatzsteuerlichen Absicherung (Steuerklauseln, Alternativgestaltungen etc.) zu prüfen. Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir und Ihre bekannten PwC-/ WIBERA-Ansprechpartner Ihnen gerne zur Verfügung. Ansprechpartner Stefan Maier Senior Manager Rechtsanwalt / Steuerberater Tel.: 0211 981-4761 stefan.maier@de.pwc.com PricewaterhouseCoopers AG Niederlassung Düsseldorf Moskauer Straße 19 40227 Düsseldorf Florian Zemke Manager Steuerberater Tel.: 0211 981-2092 florian.zemke@de.pwc.com PricewaterhouseCoopers AG Niederlassung Düsseldorf Moskauer Straße 19 40227 Düsseldorf Im nächsten Teil unserer Herbstserie befassen wir uns mit Neuerungen zur Konzessionsvergabe für Strom- und Gasnetze.