Routinedaten als Abbild der Versorgungswirklichkeit?

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Transkript:

Routinedaten als Abbild der Versorgungswirklichkeit? WINEG Summer School 2013 PD Dr. Udo Schneider

Teil I GKV-Routinedaten und das Data Warehouse der TK 2

Routinedaten / Sekundärdaten Kontinuierlich erhobene (Primär-)Daten (z.b. BADO: Basisdokumentation Suchtbereich) Prozessdaten / administrative Daten z. B. Daten der gesetzlichen Krankenversicherung: ambulante ärztl. Versorgung 294/295 SGB V Arzneimitteldaten 300 des SGB V Krankenhaussektor 301 SGB V Heilmittel 302 SGB V; Hilfsmittel 300/302 Pflege 94 SGB XI Sekundärdatenanalyse: Wissenschaftliche Auswertung von Daten, die primär zu anderen Zwecken erhoben wurden 3

GKV-Routinedaten Versichertenstammdaten (z. B. Geburtsdatum, Geschlecht, Versicherungszeiten, höchster Schulabschluss des Versicherten, Versicherungsstatus) Diagnosedaten sowie diagnostische und therapeutische Leistungsdaten aus der ambulanten ärztlichen Versorgung (Datum/Quartal der Leistungserbringung, Arztbezug mit Angabe der Arztgruppe) Stationäre Aufenthalte in Krankenhäusern ICD-Diagnosen bei Aufnahme und Entlassung sowie Nebendiagnosen, OPS-Leistungen [Operationen- und Prozedurenschlüssel], Beginn und Ende des stationären Aufenthaltes, DRG 4

Fortsetzung Rehabilitation (ICD-Diagnose, Aufnahme- und Entlassungsdatum, Rehabilitationssetting) Daten zur Arbeitsunfähigkeit (ICD-Diagnose, Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit, Krankengeldzahlungen) Verordnungsdaten von Arzneimitteln aus Apotheken (Pharmazentralnummer, Verordnungs- und Abgabedatum), Verordnungsdaten von Heil- und Hilfsmitteln (Art des Heil- oder Hilfsmittels, Datum der Verordnung). Verknüpfung über Versicherten-Pseudonym 5

Was kennzeichnet GKV-Daten? Personenbezug gesamte GKV-Population (Bevölkerungsbezug) keine Selektion, kein Drop-out sektorübergreifend erhobene Daten: Ambulant, stationär, Arzneimittel, Heil- /Hilfsmittel, Pflege vollständige Daten (in Bezug auf Abrechnung) kein Erinnerungsbias Kein Interviewer-, Beobachtungsbias kontinuierlich erhoben langer Beobachtungszeiten (aber: Aufbewahrungsfristen) Querschnitts- und Längsschnittbeobachtungen Aussagen nur über GKV- erstattete Inanspruchnahme; keine klinischhumanistischen Angaben 6

Anwendungsfelder von GKV-Routinedaten Morbiditätsschätzungen Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen Versorgungsmuster Versorgungsqualität Ressourcenverbrauch/ Kosten Inzidenz- und Prävalenzschätzungen: Bei wie vielen Versicherten ist (erstmalig) eine bestimmte Diagnose kodiert? Art und Intensität der Leistung, Kennziffern: Wer erhält wann, wie oft, wie lange welche Leistungen? Patientenbezogene Versorgungsverläufe, Persistenzstudie: Wie unterscheiden sich Versicherte mit derselben Diagnosekodierung hinsichtlich der Inanspruchnahme von Leistungen in einem bestimmten Zeitraum? Wie ist die Persistenz der Therapie? Indikatorengestützte Bewertung der Versorgung: Entspricht die beobachtete Versorgung den Therapieempfehlungen? Krankheitskostenstudien: Welche Kosten entstehen für Versicherte mit einer bestimmten Erkrankung? 7

Data Warehouse der TK 8

Das relationale Datenbankmodell Tabelle "Versicherten-Stammdaten" ID_VERS Geschl Geb-Datum Wohnort 1234567 M 11.02.1978 Duisburg 2222222 W 25.12.1943 Heide Tabelle "Stationäre Aufenthalte" ID_STAT ID_VERS Beh_von Beh_bis 1 1234567 15.06.2005 25.06.2005 2 1234567 27.06.2005 01.07.2005 Tabelle "Diagnosen" ID_DIAG ID_STAT ICD_TYP ICD 88888 1 AUF K90.0 88889 1 ENT K90.0 9

Datenbankmodell (grob vereinfacht) Stationäre Aufenthalte Prozeduren (OPS) Ambulante Behandlungen Stammdaten Diagnosen (ICD 10) Arzneimittel- Verordnungen Disease Management Programme (DMP) Entgelte

Teil II Analyse des Versorgungsgeschehens mit Routinedaten Die PRISCUS-Liste Einhaltung von G-BA Richtlinien am Beispiel der Polysomnographie 11

Ärztliches Verordnungsverhalten von potenziell inadäquaten Medikamenten (PRISCUS-Liste) PRISCUS-Liste (seit 2010): formal und inhaltlich an den deutschen Arzneimittelmarkt adaptierte Aufstellung relevanter Potenziell Inadäquater Medikationen (PIM). 83 PIM aus 18 Arzneistoffklassen, die für Patienten ab 65 Jahre (Gruppe 65+) als potenziell inadäquat bewertet wurden. Forschungsfragen: Bestehen Unterschiede im Verordnungsverhalten einer potentiell inadäquaten Medikation (PIM) bei älteren gegenüber jüngeren Patienten? Zeichnen sich im Verlauf der letzten Jahre Änderungen ab? Ist ein Einfluss der öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit der Publikation der PRISCUS-Liste erkennbar? 12

Daten Stamm- und Arzneimitteldaten ( 198-206 und 300 SGB V) aller erwachsenen Versicherten, die in den Jahren 2008, 2009, 2010, 2011 oder 2012 jeweils durchgehend in der Techniker Krankenkasse (TK) versichert oder als Familienangehörige mitversichert waren. Zuordnung der ATC-Codes zu den Arzneistoffen. Beschränkung auf systemisch wirksame Arzneistoffe. Analyse von 80 der 83 in der PRISCUS-Liste geführten PIM (140 ATC-Codes): Prasugrel erst seit 1.4.2009 in D erhältlich, seit 2010 im ATC-Index "Amitriptylin" und "Terazosin" auch alternativer Einsatz, dort jedoch nicht auf PRISCUS-Liste. Zusammenfassung der 80 PIM zu 24 Indikationsgebieten; keine Verordnungen im Indikationsgebiet Laxantien (A06A). 13

Ergebnisse I Anteile PIM-Verordnungen ab Alter 65+ 14

Ergebnisse II Anteil der gesamten PIM-Verordnungen alle Indikationsgebiete 15

Ergebnisse IIIa: niedrigerer PIM-Anteil für Ältere 16

Ergebnisse IIIb: Höherer PIM-Anteil für Ältere 17

Zwischenfazit Anteil der Patienten ab 65 Jahre mit mindestens einer PRISCUS-Verordnung im Jahr 2008 betrug 21,7 % und verringerte sich kontinuierlich auf 19,4 % im Jahr 2011. Erstmals indikationsspezifischer Ansatz: Vergleich des Verordnungsverhaltens zwischen Alt und Jung unabhängig von den Gesamtvolumina. Trotz rückläufigen Trends bei PIM: PIM-Gesamtanteil bei den Älteren stabil höher als bei den unter 65-Jährigen. Vergleich des Verordnungsverhaltens auf Ebene der Indikationsgebiete: heterogenes Bild, das auf die Notwendigkeit zukünftiger indikationsspezifischer Analysen hinweist. Einfluss der PRISCUS-Liste auf das Verordnungsverhalten von potentiell inadäquaten Medikamenten im Untersuchungszeitraum nicht erkennbar. 18

Stufendiagnostik nach Richtlinie des G-BA: Analyse der Anwendung der Polysomnographie Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) (2004): Änderung der Richtlinien Diagnostik von Schlafstörungen hinsichtlich anerkannter Untersuchungsmethoden bei schlafbezogenen Atemstörungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Einteilung des Verfahren in vier Stufen: Anamnese, klinische Untersuchung, kardiorespiratorische Polygraphie (PG) und kardiorespiratorische Polysomnographie (PSG) 19

Polygraphie oder Polysomnographie? Kardiorespiratorische Polygraphie Kardiorespiratorische Polysomnographie (KRPSG) Messung peripherer Parameter des HerzKreislauf-Systems, der Atmung und der Körperlage. Die Schlafdauer wird als Schätzgröße ermittelt. Messung im Schlaflabor, die neben der Polysomnographie auch die Parameter des Herz-Kreislauf-Systems und der Atmung registriert. Sie ermöglicht damit die Differentialdiagnostik sämtlicher schlafmedizinischer Erkrankungen einschließlich der schlafbezogenen Atmungsstörungen Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2005), Themenheft 27: Schlafstörungen, Berlin. 20

Hintergrund Bis 2004 war PSG nur im Krankenhaus Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Durch Neufassung der Richtlinie wurde die 1991 eingeführte Stufendiagnostik bestätigt; Zulassung als ambulante ärztliche Leistung zu Lasten der GKV. PSG soll im Rahmen einer Stufendiagnostik nur dann durchgeführt werden, wenn vorher eine Polygraphie erfolgte und diese die Frage nach der adäquaten Therapie nicht mit ausreichender Klarheit beantworten konnte. Bei der Verordnung von spezifischen Hilfsmitteln, wie CPAP-(Continuous Positive Airways Pressure)-Geräten, sieht die Richtlinie im Rahmen der Ersteinstellung die PSG vor. Für weitere Kontrollen wird nur in Problemfällen eine PSG anstelle der PG für erforderlich gehalten. 21

Daten und Fragestellungen Studie basiert auf Daten von 6,6 Mio. TK-Versicherten, die im Zeitraum 01.01.2009 bis 30.06.2012 durchgehend bei der TK versichert waren. In Zeitraum 2009Q3 bis 2012Q2 finden sich knapp 107.000 Polysomnographien, die auf 50.688 Patienten entfallen. 54,4 % der PSG-Untersuchungen im stationären Bereich, mehr als 77 % der Patienten waren männlichen Geschlechts und die Mehrheit der Fälle bezog sich auf das Alter zwischen 41 und 80 Jahren. Fragestellung: Ausgehend vom Termin der (Erst-)PSG wurde analysiert, ob a) eine PG vorausging, b) die PSG mit einem Gewinn an Diagnoseinformationen einherging und c) Untersuchungen zur Ersteinstellung und weiteren Kontrollen nach einer Hilfsmittelverordnung mittels PSG erbracht wurden. 22

Alters- und Geschlechtsverteilung der Versicherten mit PSG 23

ad a): Ging der PSG eine PG voraus? Polygraphie bis zu 90 Tage vor 1. PSG Versicherte mit PSG und PG Anzahl PG PG pro Versichertem PG pro VE mit PSG in % 22055 22975 1,04 43,51 nur ambulant 12902 13442 1,04 55,76 nur stationär 9153 9533 1,04 33,22 Polygraphie bis zu 180 Tage vor 1. PSG Versicherte mit PSG und PG Anzahl PG PG pro Versichertem PG pro VE mit PSG in % 30553 32441 1,06 60,28 nur ambulant 16872 17910 1,06 72,92 nur stationär 13681 14531 1,06 49,66 24

ad b): Diagnosegewinn nach PSG? Falls im Vorquartal eine unspezifische Diagnose (G47.39) vorlag. ICD_KAT Frequency Percent Cumulative Frequency Cumulative Percent F51.- 46 1.34 46 1.34 G47.30 72 2.10 118 3.45 G47.31 1275 37.23 1393 40.67 G47.32 20 0.58 1413 41.26 G47.38 124 3.62 1537 44.88 G47.39 1327 38.74 2864 83.62 G47.3 4-Steller 258 7.53 3122 91.15 G47.- 3-Steller 303 8.85 3425 100.00 25

ad c) Hilfsmittelversorgung und Ersteinstellungs-PSG CPAP 90 Tage nach 1. PSG ab 2009Q3 VE mit 1. Versicherte mit Anteil VE Anzahl CPAP pro PSG HM mit HM CPAP Versichertem 50688 22781 44,94 23388 1.026645 PSG und PG innerhalb von 90 Tagen nach CPAP-Versorgung Anzahl Anteil in % PG oder PSG 90 Tage nach CPAP 5475 24,4 darunter: PSG 90 Tage nach CPAP 4176 18,6 PG 90 Tage nach CPAP 1518 6,8 PG und PSG 90 Tage nach CPAP 219 1,0 keine Diagnostik 90 Tage nach CPAP 16968 75,6 alle mit CPAP-Versorgung 22443 100,0 Anmerkung: Nur CPAP-Versorgungen von 2009Q3 bis 2012Q1. 26

Zwischenfazit Stufendiagnostik im Rahmen der Schlafapnoe in der vertragsärztlichen Versorgung scheint nur in einem Teil der untersuchten Fälle eingehalten worden zu sein. Bei 90 Tagen als maximaler zeitlicher Abstand zwischen der PSG und der PG wurde nur in gut der Hälfte aller Fälle vor der ambulanten PSG eine PG durchgeführt. Auch bei den stationär durchgeführten PSG findet sich in einer erheblichen Zahl der Fälle keine vorgelagerte PG. Stationäre Versorgung gehört zwar nicht zum Regelungsbereich der G-BA- Richtlinie, die Grundsätze für ein evidenzbasiertes, effektives und zugleich wirtschaftliches diagnostischen Vorgehen gelten jedoch sowohl für den ambulanten als auch den stationären Sektor. 27

Zusammenfassung I Vorteile von GKV-Routinedaten Eindeutiger Personen- bzw. Bevölkerungsbezug, Daten einzelner Leistungsbereiche können personenbezogen miteinander verknüpft werden, große Studienkollektive, aktueller als viele andere routinemäßig verfügbaren Daten, Möglichkeit längsschnittlicher Analysen, retrospektive und prospektive Studien möglich, Abbildung der Routineversorgung, direkte Angabe tatsächlicher Leistungsausgaben. 28

Zusammenfassung II Limitationen von GKV-Routinedaten Es werden nur über die GKV abgerechnet Leistungen erfasst, klinische Informationen fehlen, Diagnosedaten der ambulanten Versorgung werden nur quartalsbezogen dokumentiert, Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteldaten sind nicht für stationäre Behandlungen verfügbar, Adhärenz der Patienten in Bezug auf die Arzneimitteleinnahme nicht messbar. Quelle: Zeidler, J. und S. Braun (2012), Sekundärdatenanalysen, in: Schöffski, O. und J.-M. Graf von der Schulenburg (Hrsg.), Gesundheitsökonomische Evaluationen 4. Auflage, Berlin [u.a.] : Springer, S. 243-274. 29

Zusammenfassung III Kernaussagen Großes Potenzial der Routinedaten für die Forschung: Analyse der realen Versorgungssituationen. Vielzahl von für medizinische und gesundheitsökonomische Fragestellungen relevante Parameter. Bestehende Limitationen müssen bei Studiendesigns beachtet werden. "Unter sorgfältiger Beachtung der Grenzen und Limitationen sind die vielfältigen und teilweise sogar einzigartigen Informationen dieser Datenquelle von hohem Nutzen für die Wissenschaft." (Zeidler und Braun (2004), S. 274) Weitere Informationen unter: http://www.wineg.de http://www.versorgungsforschung-deutschland.de 30

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. PD Dr. Udo Schneider www.wineg.de dr.udo.schneider@wineg.de