Public Private Partnership beim Autobahnbau Einstieg in die Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland?

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Transkript:

5. Europäischer Verkehrskongress 1.-4. Juni 2006 in Brünn (Tschechische Republik) Jürgen Deiters & Simon Deutler Public Private Partnership beim Autobahnbau Einstieg in die Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland? - Vortragstext - Die privatwirtschaftliche Finanzierung öffentlicher Infrastrukturprojekte trägt in den Entwicklungs- und Schwellenländern maßgeblich zum Modernisierungs- und Wachstumsprozess bei. Die Weltbank schätzt den Umfang privater Investitionen für Infrastrukturprojekte von 1990 bis 2004 auf 954 Mrd. USD. Im Vordergrund stehen die Sektoren Telekommunikation (47%) und Energie (27%); auf Verkehrsprojekte entfallen 15% der Privatinvestitionen. In den Ländern Mittel- und Osteuropas bestehen seit 1990 über 200 Infrastrukturprojekte mit privater Beteiligung, davon mehr als zwei Drittel in Tschechien, Ungarn und Polen. Sie spielen eine wichtige Rolle im Transformationsprozess, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Hälfte der Projekte und rund 60% der privaten Investitionsmittel auf die Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen entfallen, vor allem in den Bereichen Telekommunikation und Energieversorgung. Mit einem Anteil von 9% tritt die Privatfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur demgegenüber stark zurück. In Deutschland hat sich Public Private Partnership zur Realisierung öffentlicher Infrastrukturprojekte erst in den letzten Jahren durchgesetzt (FOLIE 2). Eine Umfrage bei Bund, Ländern und Kommunen hat ergeben, dass es mehr als 300 aktuelle PPP-Projekte mit einem Investitionsvolumen von über 7 Mrd. Euro gibt. Seit 2004 besteht ein regelrechter Boom; die Zahl der Vertragsabschlüsse hat sich gegenüber den Vorjahren verdoppelt. Der kommunale Anteil liegt bei über 80%; die meisten Projekte entfallen auf Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen (FOLIE 3). Die vergleichsweise wenigen Bund-Länder-Projekte weisen mit durchschnittlich 70 Mio. Euro jedoch deutlich höhere Investitionsvolumina auf. Schwerpunkte bei Bund und Ländern sind die Bereiche Verkehr und öffentliche Sicherheit. Mit einem PPP-Anteil an öffentlichen Investitionen von 4% bleibt Deutschland allerdings weit hinter vergleichbaren Industrieländern wie Großbritannien und Niederlande zurück, die eine PPP-Quote von bis zu 15% aufweisen. Mangelnde Transparenz des Verfahrens, Unsicherheit langfristiger Nachfrageprognosen und Probleme bei der Risikoteilung gelten als wesentliche Hindernisse für eine breitere Akzeptanz von PPP-Projekten. 1

PPP-Modelle im Straßenbau Sieht man vom sog. Konzessionsmodell, einer in den neunziger Jahren praktizierten Form der privaten Vorfinanzierung von Straßenbauvorhaben, und dem sog. Funktionsbauvertrag ab, mit dem Bau und Erhaltung, nicht jedoch der Betrieb von Straßen auf Private übertragen wird, gibt es in Deutschland zwei Grundmodelle zur Realisierung von Straßenbauprojekten in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) mit Refinanzierung durch Nutzerentgelte (FOLIE 4). Mit dem Fernstraßenbau-Privatfinanzierungsgesetz wurden 1994 die Voraussetzungen dafür geschaffen, Bau, Erhaltung und Betrieb eines Fernstraßenabschnitts auf einen Privaten zu übertragen, der sich durch Gebühren refinanziert. Diese als F-Modell bezeichnete PPP- Variante war aus europarechtlichen Gründen zunächst auf sog. Erschwernisstrecken wie Brücken, Tunnel und Gebirgspässe im Zuge von Bundesfernstraßen beschränkt. In Deutschland sind bisher erst zwei Projekte nach dem F-Modell realisiert worden, und zwar der Warnow- Tunnel bei Rostock (eröffnet 2003) und der Herren-Tunnel in Lübeck (eröffnet 2005). Weitere Projekte nach dem F-Modell sind in Vorbereitung, darunter ein zweiter Elbetunnel im Zuge der A 20 nordwestlich von Hamburg. Nach erfolgreicher Einführung der Lkw-Maut im Januar 2005 hat die Bundesregierung eine andere Variante von PPP-Projekten auf den Markt gebracht. Es handelt sich um zunächst fünf Pilotprojekte zum sechsspurigen Ausbau bestehender Autobahnen, als A-Modell bezeichnet, darunter die Autobahn A 1 zwischen Hamburg und Bremen. Anders als beim F- Modell fließen dem Betreiber nur die anteiligen Einnahmen aus der Lkw-Maut zu. Da diese zur Refinanzierung nicht ausreichen und der Betreiber auf die Mautsätze keinen Einfluss nehmen kann, besteht ein erhebliches Risiko für den Betreiber, das der Staat mit einer Anschubfinanzierung bis zu 50% der Investitionskosten ausgleicht. Von der Haushalts- zur Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur Der Grundgedanke, Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur schrittweise von der Haushaltsfinanzierung auf Nutzerfinanzierung umzustellen, ist in Deutschland nicht neu (FOLIE 5). Bereits 2000 legte die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eingesetzte Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (sog. Pällmann-Kommission) ein Lösungskonzept vor. Kern der Reformidee ist die schrittweise Umstellung von der herkömmlichen Haushaltsfinanzierung auf eine Nutzerfinanzierung, wobei sich die Entgelte der Verkehrsnutzer an den Wegekosten orientieren sollen. Die Einnahmen aus den Nutzerentgelten sollten vorrangig für Investitionen im jeweiligen Infrastrukturbereich verwendet werden. Weitere Bestandteile des Lösungskonzepts sind die Ausgliederung der Bundesverkehrswegeplanung aus der Bundesverwaltung und die Übertragung ihrer Aufgaben auf privatrechtlich organisierte Finanzierungs- und Betreibergesellschaften. Die Infrastrukturverantwortung sollte jedoch beim Bund bleiben. 2

Die Reformvorschläge der Pällmann-Kommission wurden nicht umgesetzt. Erst das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Verkehr beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom März 2005 hat die Diskussion um einen Politikwechsel zur Privatfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur wiederbelebt (FOLIE 6): Die Gesamtplanung der Verkehrswege sowie Umweltschutz und Verkehrsicherheit sollen weiterhin Staatsaufgaben bleiben, alle übrigen Aufgaben wie Entwurf, Bau, Finanzierung und Betrieb von Verkehrswegen sollen jedoch privaten Akteuren übertragen werden. Zur Umsetzung nutzungsabhängiger Finanzierungskonzepte ist die Einbeziehung aller Nutzergruppen erforderlich, also auch der Pkw, Omnibusse und leichten Lkw. Auch der Wissenschaftliche Beirat setzt sich für eine strikte Zweckbindung der Einnahmen für die Verkehrsinfrastruktur ein bei gleichzeitiger Kompensation der Nutzerbeiträge durch Senkung verkehrsbezogener Steuern. Fallbeispiel Küstenautobahn A 22 künftige Realisierung als PPP-Projekt? Am Beispiel der geplanten Küstenautobahn A 22 in Niedersachsen zwischen der künftigen Unterelbe-Querung und dem Anschluss an die Autobahn A 28 nordwestlich Oldenburg sollen die Chancen und Risiken der Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen aufgezeigt werden (FOLIE 7). Mit einer Länge von 116 km stellt die Küstenautobahn (A 22) die größte Neubaumaßnahme im Bundesverkehrswegeplan dar, die sich als weiterer Bedarf mit Planungsrecht allerdings noch in einem frühen Planungsstadium befindet. Für die besondere Eignung dieses Projekts als Testfall für neue Finanzierungs- und Betreibermodelle der Bundesfernstraßen in Deutschland sprechen folgende Gründe (FOLIE 8): Erstens konnte schon jetzt ein starkes regionales Interesse mobilisiert werden, das sich darin äußert, dass neben dem Land Niedersachsen die Kommunen und Wirtschaftsunternehmen der Region zu je einem Drittel die Planungskosten tragen. Zweitens besteht die Erwartung, durch Privat- oder Mischfinanzierung die Küstenautobahn in drei bis fünf Jahren (nach Planfeststellung) fertig zu stellen gegenüber mindestens 20 Jahren bei herkömmlicher Finanzierung durch Bund und Land. Drittens gilt die besondere regionalwirtschaftliche Bedeutung der Küstenautobahn als erwiesen; sie besteht vor allem für den Hinterlandverkehr der großen Seehäfen (einschließlich des geplanten Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven) und für den Tourismus. Viertens besteht eine Wechselwirkung mit der Autobahn A 1 Hamburg Ruhrgebiet, die durch die Küstenautobahn künftig entlastet wird, die aber demnächst bis zum Bremer Kreuz als PPP-Projekt (A-Modell) sechsspurig ausgebaut werden soll. Fünftens spielt die geplante Elbequerung westlich von Hamburg eine ähnliche Rolle, die als F-Modell gebaut werden soll und im Unterschied zum bestehenden Elbetunnel in Hamburg mautpflichtig sein wird. 3

Die Idee einer Küstenautobahn in Niedersachsen ist nicht neu, doch erfuhr diese Planung durch die deutsche Vereinigung und die Osterweiterung der Europäischen Union eine völlig neue Bewertung (FOLIE 9). Dazu haben auch die vorzeitige Fertigstellung der Emslandautobahn (A 31) und die geplante Weiterführung der Ostseeautobahn (A 20) bis zur Unterelbe westlich Hamburg beigetragen. Aus Sicht der Region Bremen/Niedersachsen stellt die Küstenautobahn neben dem künftigen Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven die mit Abstand wichtigste Infrastrukturmaßnahme in Nordwestdeutschland dar (FOLIE 10). Die Küstenautobahn soll die norddeutschen Seehäfen und Industriestandorte an der Küste miteinander verbinden, soll zur Erweiterung des Hafenhinterlandes und zur Kooperation der Containerhäfen Wilhelmshaven und Bremerhaven beitragen (FOLIE 11) und soll damit den Jade-Weser-Port (der 2010 in Betrieb gehen wird) im Wettbewerb der großen Seehäfen der Nordrange (insbesondere Rotterdam) um Containerverkehre von und nach Osteuropa stärken (FOLIE 12). In europäischer Sicht ist die Küstenautobahn A 22 Bestandteil einer großräumig bedeutsamen Verkehrsachse, die von den Baltischen Staaten über das nördliche Polen, Mecklenburg- Vorpommern und Schleswig-Holstein weiter über die A 28 in die Niederlande (Groningen, Friesland) und dort bis Amsterdam bzw. Rotterdam führt (FOLIE 13). Im Schnittpunkt mit der Verkehrsachse, die die skandinavischen Länder über Hamburg/Niedersachsen, Ruhrgebiet und das Oberrheingebiet mit Südeuropa verbindet, könnte die Küstenautobahn zusammen mit der Emslandautobahn einen Teil des stark anwachsenden Nord-Süd-Verkehrs aufnehmen und die Region zu einer Verkehrsdrehscheibe von europäischem Rang machen. Verkehrsprognosen zeigen, dass die Küstenautobahn starke innerregionale Verkehrsverlagerungen bewirkt (FOLIE 14), vor allem zur Entlastung der Autobahn A 1 zwischen Hamburg und Bremen. Einem Neuverkehr von täglich 20-25 Tausend Kraftfahrzeugen auf der A 22 steht eine Abnahme auf der A 1 um 9-10 Tausend Fahrzeuge pro Tag gegenüber. Unter Einbeziehung des Hafenhinterlandverkehrs, der überproportional zunehmen wird, kommt es längerfristig zu einer großräumigen Umverteilung des Straßengüterverkehrs (FOLIE 15), wobei die A 1 um werktäglich 12.000 Lkw entlastet würde. Dennoch ist die regionale Wirtschaft davon überzeugt, dass die allgemeine Zunahme des Straßengüterverkehrs bis 2020 neben dem Bau der Küstenautobahn auch den Ausbau der A 1 rechtfertigt. Auch wenn im jetzigen (frühen) Planungsstadium der Küstenautobahn mit dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens nicht vor 2012 zu rechnen ist, denkt man in der Region bereits darüber nach, ob die Küstenautobahn als PPP-Projekt verwirklicht werden kann. Bei herkömmlicher Herstellungsweise durch den Bund müsste mit einer Bauzeit von 15-20 Jahren gerechnet werden. Es wird erwartet, dass ein privates Konsortium die Autobahn in längstens fünf Jahren fertig stellen könnte. Im Folgenden soll geklärt werden, ob dafür eines der in Deutschland üblichen Betreibermodelle oder ein alternatives, im Ausland erprobtes PPP- Modell in Betracht kommt. 4

Realisierung der Küstenautobahn als F-Modell? Das deutsche F-Modell entspricht dem britischen, mittlerweile weltweit eingesetzten BOT- Modell (FOLIE 16); das Kürzel steht für Build-Operate-Transfer und bedeutet, dass ein privates Konsortium für die Errichtung (inkl. Finanzierung) und das anschließende Betreiben des Straßenprojekts auf der Basis einer Konzession zuständig ist, die zur Erhebung von Nutzungsgebühren berechtigt, um nach Ablauf der Nutzungsdauer (20-35 Jahre) das Verkehrsbauwerk an den Staat zurückgegeben. Da die europarechtlichen Gründe für eine Beschränkung des F-Modells auf Erschwernisstrecken inzwischen weggefallen sind, käme eine Realisierung der Küstenautobahn als F-Modell grundsätzlich in Frage. Die Vorteile dieses Modells liegen auf der Hand: Der Betreiber erhebt abhängig von den Gesamtkosten (inkl. Gewinnzuschlag) von allen Verkehrsteilnehmern Nutzungsgebühren, über die er selbst unmittelbar verfügen kann. Doch setzt die Möglichkeit, auf eine für Pkw, leichte Lkw und Busse gebührenfreie Alternativroute (A 1) auszuweichen, den Mauteinnahmen auf der Küstenautobahn enge Grenzen. Das gilt auch für höhere Mautsätze bei schweren Lkw. Daher scheidet das F- bzw. BOT-Modell als mögliches Betreibermodell für die Küstenautobahn aus. Realisierung der Küstenautobahn als A-Modell? Beim A-Modell, das für den sechsspurigen Ausbau bestehender Autobahnteilstücke konzipiert wurde, erfolgt die Refinanzierung der privaten Investitions- und Betriebskosten durch die auf diesen Streckenabschnitt entfallende Lkw-Maut (FOLIE 17). Die Übertragung des A-Modells auf ein Neubauprojekt wie die Küstenautobahn wäre aus zwei Gründen problematisch: Erstens erfordert der Neubau einer Autobahn weitaus höhere Kosten pro Streckenkilometer als der Ausbau einer bestehenden. Da der Bund bei den fünf Pilotprojekten des A-Modells bereit ist, zum Risikoausgleich bis zu 50% der Investitionssumme als Anschubfinanzierung beizusteuern, müsste dieser Anteil bei einem Neubauprojekt noch deutlich höher sein. Zweitens besteht bei einem Autobahnneubau ein deutlich höheres Verkehrsmengenrisiko als bei einer Autobahn, die von vier auf sechs Spuren erweitert wird. Dieses Risiko könnte für den Betreiber nur durch hohe Kompensationszahlungen seitens des Bundes ausgeglichen werden. Damit ginge jedoch das privatwirtschaftliche Leistungspotenzial als Kernelement öffentlichprivater Partnerschaften vollends verloren. Realisierung der Küstenautobahn als DBFO-Modell? Auf der Suche nach alternativen PPP-Modellen bietet sich das in Großbritannien und anderen europäischen Ländern seit einigen Jahren erfolgreich praktizierte DBFO-Modell (FOLIE 18) an. Das Kürzel steht für Design-Build-Finance-Operate und bedeutet, dass im Unterschied zum BOT-Modell das private Konsortium bereits an der Planung des Verkehrsprojekts beteiligt wird, um auf diese Weise einen bestmöglichen Risikoausgleich zwischen privaten und öffentlichen Akteuren zu erreichen. Ein weiterer Unterschied zum BOT-Modell besteht darin, dass die Refinanzierung des Betreibers nicht durch Nutzerentgelte (Weiterleitung der Maut- 5

einnahmen), sondern durch regelmäßige Zahlungen der öffentlichen Hand erfolgt. Deren Höhe kann sich beispielsweise an der Verkehrsmenge orientieren (sog. Schattenmaut), aber auch an anderen Kriterien wie Verfügbarkeit der Strecke oder bestimmte Qualitätsstandards. Verschiedene Vergütungskriterien können auch miteinander kombiniert werden. Wie bei den anderen PPP-Modellen könnte die Bauzeit der Küstenautobahn gegenüber der herkömmlichen, haushaltsfinanzierten Herstellungsweise erheblich verkürzt werden, doch müsste mit höheren Gesamtkosten für Bau und Betrieb gerechnet werden. Ob sich diese Mehrkosten durch die frühere Verfügbarkeit der Autobahn rechtfertigen lassen, müsste letztlich politisch entschieden werden. Doch wäre auch dieses PPP-Modell mit den anderen, ebenfalls als PPP- Projekte geplanten Straßenbaumaßnahmen wie Ausbau der Autobahn A 1 (als A-Modell) sowie Bau und Betrieb der zweiten Elbquerung (als F-Modell) prinzipiell unverträglich, weil deren Wirtschaftlichkeit wechselseitig beeinträchtigt würde. Fazit Die Befürchtung des Wissenschaftlichen Beirats für Verkehr, verschiedene Einzelprojekte privat finanzierter Verkehrsanlagen könnten zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Lösungen führen, die sich später nur schwer in einen Gesamtrahmen zur Privatfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur einfügen, scheint sich im vorliegenden Fall zu bestätigen (FOLIE 19). Hier läge es nahe, für die angesprochenen Verkehrsprojekte eine Teilnetzlösung mit nur einem Betreiberkonsortium herbeizuführen. Doch bleiben solche Lösungen in Deutschland solange hinter dem eigentlichen Ziel eines sich selbst finanzierenden Systems der Verkehrsinfrastruktur zurück, wie die Einbeziehung aller Nutzergruppen in die Entgeltfinanzierung der Infrastruktur (Stichwort Pkw-Maut ) von der politischen Agenda verbannt bleibt. Auch wenn das österreichische Modell der ASFINAG mit einer Gesamtnetzkonzession für Autobahnen und Schnellstraßen nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar ist, so könnte doch die deutsche Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft (VIFG), der seit Anfang 2005 die Einnahmen aus der Lkw-Maut zufließen, nach österreichischem Vorbild mit weiteren Kompetenzen wie Planung, Erhaltung und Finanzierung des Bundesfernstraßennetzes ausgestattet und damit in den Rang einer Konzessionsgesellschaft europäischen Rechts gehoben werden. Ein alle Nutzergruppen erfassendes Mautsystem und die Verwendung der Mauteinnahmen für Bau und Erhaltung des Autobahnnetzes wären die künftigen Aufgaben dieser Gesellschaft. Im Unterschied zu Österreich kommen für Deutschland wohl eher Teilnetzkonzessionen für verschiedene private Betreiber in Betracht. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit (FOLIE 20). 6