Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure



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Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure Jürgen Härdler Lehr- und Praxisbuch ISBN 3-446-40759-6 Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/3-446-40759-6 sowie im Buchhandel

8 Finanzwirtschaft 8.1 Studienziele Dieses Kapitel soll dem Leser ermöglichen die betriebliche Finanzwirtschaft als integralen Bestandteil der Betriebswirtschaft zu verstehen; die unterschiedlichen Finanzierungsarten zu unterscheiden und zu charakterisieren; die klassischen Finanzierungsregeln kennen zu lernen und einzuschätzen; den Zusammenhang von Cashflow und Jahresüberschuss herzustellen; die differenzierten Möglichkeiten der Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung für unterschiedliche Unternehmensformen zu erkennen; die Potenzen emissionsfähiger Unternehmen für die Eigenkapitalstärkung aufzuzeigen; Alternativen der langfristigen und kurzfristigen Fremdfinanzierung von Unternehmen zu erkennen und nach Wirtschaftlichkeitskriterien zu vergleichen; grundlegende Aufgaben der finanziellen Führung zu verstehen. 8.2 Einführung in die Finanzwirtschaft 8.2.1 Zusammenhang von Investition und Finanzierung Sie haben in den vorangegangenen Kapiteln vielfältige betriebliche Aufgaben kennen gelernt, die finanzielle Voraussetzungen oder finanzielle Auswirkungen haben. Als zwei Seiten eines einheitlichen Prozesses sind zusammenzuführen die Beschaffung der finanziellen Mittel (Kapitalbeschaffung) und die Verwendung der finanziellen Mittel (Kapitalverwendung). 8 Die Beschaffung bzw. Aufbringung finanzieller Mittel kennzeichnet die Finanzierung, die Verwendung finanzieller Mittel die Investition. Investition und Finanzierung stehen in einem engen Zusammenhang. Investitionen sind nur dann realisierbar, wenn eine Finanzierung darstellbar ist. Andererseits erfordern freie finanzielle Mittel eine ertragsbringende, investive Verwendung. Finanzierung und Investition sind den zwei Seiten der Handelsbilanz zuordenbar (vgl. Abschnitt 10.3.4). Während die Bestandsgrößen der Finanzierung auf der Passivseite der Bilanz dargestellt werden, enthält die Aktivseite die Ergebnisse der Investitionen als Bestandsgrößen. Den Investitionsprozess haben Sie im Kapitel 4 kennen gelernt. Der Finanzierung wendet sich das aktuelle Kapitel zu.

336 Finanzwirtschaft 8.2.2 Finanzwirtschaftliche Ziele Finanzwirtschaftliche Ziele sind Bezug nehmend auf die allgemeinen Unternehmensziele (vgl. Abschnitt 2.4.1) die Maximierung des Ergebnisses oder der Rentabilität, die Sicherung der Liquidität, die nachhaltige Sicherheit, ggf. auch Unabhängigkeit des Unternehmens. Dabei gelten folgende Zusammenhänge: Als Ergebnis finden Gewinngrößen und/oder Cashflow-Größen (vgl. Abschn. 8.4) Anwendung. Dabei ergibt sich der Gewinn als Differenz der Erlöse und Kosten bzw. der Erträge und Aufwendungen, der Cashflow als Differenz der Einzahlungen und Auszahlungen. Die Rentabilität stellt den Quotienten einer Ergebnisgröße (Gewinn und/oder Cashflow) und einer Bezugsgröße, wie Kapitaleinsatz und Umsatz, dar. Die Sicherung der Liquidität beinhaltet das existenzielle Postulat der ständigen Zahlungsfähigkeit. Moderne Zielkonzeptionen betonen die Sicht der Kapitaleigner (Shareholder) auf Steigerung des Unternehmenswertes (Shareholder Value). Viele börsennotierte Unternehmen, z. B. DaimlerChrysler oder RWE, nutzen wertorientierte Konzepte. Danach steigt der Unternehmenswert, wenn das finanzielle Ergebnis höher ist als die Kosten für das Eigen- und Fremdkapital. Anderenfalls findet eine Wertvernichtung statt. (Grundlagenbuch zur wertorientierten Unternehmensführung: Rappaport 1999). 8.2.3 Finanzierungsarten Finanzierungsarten entstehen durch Strukturierung der Finanzierung nach praktisch relevanten Kriterien. Für die Systematisierung sind folgende Kriterien bedeutend: Herkunft des Kapitals (Außenfinanzierung und Innenfinanzierung) Rechtsstellung der Kapitalgeber (Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung) Dauer der Finanzierung (unbefristet, langfristig, mittelfristig, kurzfristig) Häufigkeit der Finanzierung (laufend, einmalig, gelegentlich) Anlass der Finanzierung (Unternehmensgründung, Unternehmenserweiterung, Fusion, Umwandlung, Sanierung) Die Abbildung 8.1 zeigt das Ergebnis der Strukturierung nach der Herkunft des Kapitals, die auch der weiteren Gliederung im Buch zu Grunde liegt. Bei der Außenfinanzierung handelt es sich um die Finanzierung aus außerbetrieblichen Quellen. Von außen kommen Einlagen und Beteiligungen sowie Kredite.

Einführung in die Finanzwirtschaft 337 Einlagen und Beteiligungen stellen dabei das Gründungs- oder Erweiterungskapital dar, dass betriebliche Eigentümer im Allgemeinen unbefristet bereitstellen. Kreditfinanzierung führt hingegen zu Gläubigerkapital. Es wird zeitlich befristet gegen Zahlung von Zinsen genutzt. Finanzierung Außenfinanzierung Innenfinanzierung Vermögenszuwachs Vermögenszuwachs Vermögensumschichtung Kredit- Einlagen- und Finanzierung Finanzierung finanzierung Beteiligungs- von Reinvesti- von Nettoinfinanzierung tionen aus vestitionen aus Umsatzerlösen Umsatzerlösen Finanzierung aus Gewinn (Selbstfinanz.) Finanzierung aus langfristigen Rückstellungen Abbildung 8.1: Gliederung der Finanzierung nach der Herkunft des Kapitals Bei der Innenfinanzierung handelt es sich um eine Finanzierung aus innerbetrieblichen Quellen, vorwiegend aus dem Umsatzprozess. 8 Anzumerken ist, dass die erwirtschafteten Mittel dennoch von außen kommen, die Quellen dafür aber innerhalb des Unternehmens liegen. Beispiel: Ein Unternehmen weist folgende Struktur der Erträge und Aufwendungen auf: Umsatzerlöse 1.000.000 Abschreibungen 100.000 Personalaufwand.000 Materialaufwand 500.000 Pensionsaufwand 50.000 Als Differenz der Umsatzerträge und der Aufwendungen entsteht ein Gewinn von 100.000. Das erklärt die Finanzierung aus Gewinn, die sog. Selbstfinanzierung. Mit ihr ist ein Vermögenszuwachs verbunden.

338 Finanzwirtschaft Die Material- und die Lohnaufwendungen müssen zur Fortführung des Leistungsprozesses durch die Umsatzerlöse ersetzt werden. In diesem Maße erfolgt die Finanzierung von Reinvestition aus Umsatzerlösen. Sie führt ausschließlich zu einer Vermögensumschichtung. Die Abschreibungen haben eine Sonderstellung. Sie sind Aufwand, der nicht zu Auszahlungen in der gleichen Periode führt. Der über die Umsatzerlöse zurückfließende Betrag kann zwischenzeitlich investiv eingesetzt werden. Das charakterisiert die Finanzierung von Nettoinvestitionen aus Umsatzerlösen begrifflich auch Finanzierung aus Abschreibungen genannt. Sie führt vorwiegend zu einer Vermögensumschichtung. Unternehmen können im Interesse der Altersversorgung Pensionsaufwendungen bei steuerlicher Anerkennung planen. Der Rückfluss dieser Mittel über die Umsatzerlöse führt zu keinen Auszahlungen in der gleichen Periode. Über die Einstellung in die Rückstellungen werden die vereinbarten Ansprüche künftiger Zeiträume gesichert. Bis dahin können die Mittel als Finanzierungsart genutzt werden. Das erklärt an diesem Beispiel die Finanzierung aus langfristigen Rückstellungen. Sie führt zu einem Vermögenszuwachs. Aus der Rechtsstellung der Kapitalgeber resultiert die Trennung von Eigenkapital und Fremdkapital. Eigenkapital entsteht durch die Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung und durch die Selbstfinanzierung. Fremdkapital entsteht durch die Kreditfinanzierung und durch die Finanzierung aus Rückstellungen. Finanzierungen aus Vermögensumschichtungen sind hierbei nicht eindeutig zuordenbar. 8.2.4 Liquidität Liquidität erklärt die Fähigkeit eines Unternehmens, die fälligen Verbindlichkeiten unter der Voraussetzung des reibungslosen Ablaufs des Betriebsprozesses zu begleichen, d. h. alle Zahlungsverpflichtungen betragsgenau und zeitgenau (fristgerecht) zu erfüllen. Die Liquidität ist eine Existenzbedingung des Unternehmens und gehört deshalb zu den finanzwirtschaftlichen Oberzielen. Allgemein gilt, dass unter Einbeziehung des Anfangsbestandes an Zahlungsmitteln (AB an ZM) die Einzahlungen und ggf. eine freie Kreditlinie (Kr-Linie) ausreichend sein müssen, um die fälligen Auszahlungen jederzeit tätigen zu können.

Einführung in die Finanzwirtschaft 339 AB an ZM + Einzahlungen Auszahlungen + freie Kreditlinie 0 Der oben definierte Liquiditätsbegriff wird begrifflich auch als relative Liquidität bezeichnet. Der Liquiditätsbegriff wird aber noch in einem anderen Sinne verwendet, und zwar als absolute Liquidität oder als güterwirtschaftliche Liquidität. Die absolute Liquidität kennzeichnet die Liquidierbarkeit der Wirtschaftsgüter (Drukarczyk 1996, 27). Jedes betriebliche Vermögensgut hat einen bestimmten zeitlichen Abstand zum Geldzustand. Fertige oder halbfertige Erzeugnisse sind z. B. schneller liquidierbar als Materialvorräte oder gar Betriebsmittel. Praktische Bedeutung hat dieser Zusammenhang für das Schaffen einer Liquiditätsreserve (dafür sind nur schnell liquidierbare Vermögensgüter geeignet) und das Beibringen von Kreditsicherheiten (dafür kommen nur Vermögensgüter in Frage, die durch die Kreditgeber verwertbar, also liquidierbar sind). Dem betrieblichen Nachweis der Zahlungsfähigkeit dienen verschiedene Kennziffern und Kennziffernrelationen. Unter Bezugnahme auf die Positionen der Handelsbilanz werden Liquiditätsgrade berechnet. Liquidität 1. Grades ZM = 100 (%) (Barliquidität) kurzfristige Verbindlichkeiten Liquidität 2. Grades ZM+ kurzfr. Forderungen = 100 (%) (Quick Ratio) kurzfristige Verbindlichkeiten 8 Liquidität 3. Grades (Bankers Rule) ZM+ kurzfr. Forderungen+Vorräte = 100 (%) kurzfristige Verbindlichkeiten Während im Nenner stets die Verbindlichkeiten erfasst werden, die in einer definierten Zeit, z. B. innerhalb von 3 Monaten, zu Auszahlungen führen (z. B. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, kurzfristige Bankverbindlichkeiten, aber auch kurzfristige Rückstellungen), werden in den Zähler die Zahlungsmittel (ZM) und die liquidierbaren Mittel des Umlaufvermögens (mit abnehmender Liquidierbarkeit) eingestellt. Als Orientierungen gelten: Die Liquidität 2. Grades sollte möglichst 100 % betragen.

340 Finanzwirtschaft Die Liquidität 3. Grades als favorisierte Kennzahl von Banken sollte wesentlich höher als 100 % sein; in der Literatur und in der Praxis finden sich Richtwerte von 130 bis 200 %. Demonstrationsbeispiel: Eine Kapitalgesellschaft weist folgende Strukturbilanz auf (Angaben in 1000 ): Aktiva Passiva t =1 t =0 t =1 t =0 200 200 300 300 50 0 Anlagevermögen 1.000 800 gezeichnetes Kapital Rücklagen Jahresüberschuss Umlaufvermögen Vorräte Forderungen Zahlungsmittel 300 300 100 Rückstellungen (kurzfristige) Verbindlichkeiten kurzfristige langfristige 300 200 750 600 Bilanzsumme 1.750 1.500 1.750 1.500 Die Liquiditätsgrade können für das Berichtsjahr (t = 1) und das Vorjahr (t =0) ermittelt werden, wodurch Entwicklungstendenzen erkennbar werden. 150 200 Liquidität 1. Grades Liquidität 2. Grades Liquidität 3. Grades t =1 t =0 100=55,56 % 300+150 100 100 25,00% 200 + 200 = + 100 + 300 100 = 111,11 % 100 = 100,00% 300 + 150 200 + 200 + + 100 + 300 + 300 100 = 166,67 % 100 = 175,00% 300 + 150 200 + 200 Die Aussagekraft dieser bilanzbezogenen Kennziffern ist dadurch begrenzt, dass aus Vergangenheitsdaten Wertungen für Gegenwart und Zukunft abgeleitet werden, keine Kenntnisse über die genaue Fälligkeit der Forderungen und Verbindlichkeiten vorliegen und verschiedene bilanzielle Wahlrechte (vgl. Abschnitt 10.3.4) Einfluss haben können. Genaue Ergebnisse sind zu erzielen, wenn auf der Grundlage der Stromgrößen Einzahlungen und Auszahlungen betrags- und zeitgenau eine Liquiditätsplanung vorgenommen wird. Damit wird der betriebliche Cashflow ermittelt.