Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) Seite 5.1 5. 5.1 Gestehungskosten für die elektrische Energie Der jährliche Leistungskostenanteil eines Betriebsmittels errechnet sich aus seinem Anschaffungspreis K 0, seiner höchstzulässigen Dauerleistung P max und dem Faktor für feste Dienste f. (5.1) Diese Leistungskosten können auch für komplexe Systeme von Betriebsmitteln, wie zum Beispiel komplette Kraftwerke, Energieversorgungsnetze, Umspannwerke usw. angegeben werden. Unter Verwendung der jährlichen Benutzungsdauer einer Anlage kann aus den jährlichen Leistungskosten der Anteil der Leistungskosten an den Energiekosten berechnet werden. (5.2) Die spezifischen Arbeitskosten k w bestehen in erster Linie aus den spezifischen Brennstoffkosten und berücksichtigen die Übertragungsverluste durch einen pauschalen Wirkungsgrad der Elektroenergieübertragung (Kraftwerkswirkungsgrad η i, Übertragungswirkungsgrad η ü. (5.3) Die spezifischen Kosten verschiedener Kraftwerkstypen enthält Tabelle 5.1. Wir erkennen, daß man keine einheitlichen Gestehungskosten für elektrische Energie angeben kann. Sie hängen stark vom jeweiligen Kraftwerkstyp und von den Brennstoffkosten ab. Auch der Kraftwerksstandort kann ein bedeutender Kostenfaktor sein. Das ist in der Tabelle allerdings nicht berücksichtigt. Neben den Erzeugungskosten für die Elektroenergie sind auch die der Übertragung zu berücksichtigen. Die Leistungskosten bei Energieabnahme im Niederspannungsnetz sind höher als die bei Energieabnahme aus dem Mittelspannungs- oder Hochspannungsnetz, weil das Energieversorgungsunternehmen für den Netzausbau bis an die Übergabestelle zum Abnehmer zuständig ist. Tabelle 5.2 enthält dazu Richtwerte, die die Errichtungskosten k p der Kraftwerke als Mittelwert berücksichtigen. Die gesamten Gestehungskosten K der Elektroenergie setzen sich aus den Leistungskosten und den Arbeitskosten zusammen. Be/Do 27.01.0 WS 1999/2000
Seite 5.2 Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) (5.4) Die gesamten Gestehungskosten je Energieeinheit erhält man durch Division von Gleichung (5.4) durch die Energiemenge pro Jahr. (5.5) Die Gestehungskosten für die Energieeinheit werden umso niedriger, je höher der Belastungsgrad m ist. Tabelle 5.1: Spezifische Kosten verschiedener Kraftwerkstypen WS 1999/2000 Be/Do 27.01.0
Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) Seite 5.3 Für das in Tabelle 5.1 angegebene Pumpspeicherwerk erhalten wir mit Gleichung (5.5) die Kosten für eine Kilowattstunde abgegebener elektrischer Energie (5.6) Wenn die Benutzungsstundenzahl des Pumpspeicherwerkes auf 2000 h/a gesteigert werden könnte, würde es die Kilowattstunde elektrische Energie für (5.7) abgeben. Tabelle 5.2: Spezifische Leistungskosten von Energieversorgungsnetzen Die Leistungskosten sind feste Kosten. Sie repräsentieren die Kosten der Betriebsbereitschaft, die auch dann anfallen, wenn keine Energie abgenommen wird. Die Arbeitskosten sind dagegen veränderliche Kosten. Be/Do 27.01.0 WS 1999/2000
Seite 5.4 Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) 5.2 Energiekosten und Energiepreise Die Selbstkostenstruktur für elektrische Energie ist heute im allgemeinen durch hohe Kosten für die in Anspruch genommene Leistung und niedrige Kosten für die abgenommene elektrische Arbeit geprägt. Sie ist im Bild 5.1 links über alle Spannungsebenen gemittelt schematisch dargestellt. Die festen Kosten haben in dieser Struktur einen Anteil von mehr als 60 %. Bild 5.1: Kosten- und Preisstruktur der elektrischen Energie Auch die Preisstruktur in der konventionellen Strangpreisstruktur mit Gebietsmonopol muß prinzipiell von einem festen und einem variablen Preisanteil ausgehen. Eine direkte Umsetzung der Kostenstruktur in das Preisgefüge würde dementsprechend zu hohen Grundpreisen und niedrigen Arbeitspreisen führen. Das ist aus preispolitischen Gründen praktisch nicht durchsetzbar. Ein Kleinabnehmer würde sehr hohe Energiepreise zu tragen haben. Das ist nicht zuletzt aus sozialer Sicht nicht tragbar. Außerdem wäre der Anreiz zum Energiesparen bei niedrigen Arbeitspreisen entsprechend gering. Die Preisstruktur weicht daher in Richtung niedriger Grundpreise und höherer Arbeitspreise von der Kostenstruktur ab. Sie ist im Bild 5.1. rechts schematisch dargestellt. Ausgleichsabgaben und Mehrwertsteuer sind in dieser Darstellung nicht berücksichtigt. Die Preise für elektrische Energie müssen sich jedoch unabhängig von preispolitischen Erwägungen letztendlich an den Kosten orientieren. Der prinzipielle Zusammenhang zwischen Preisen und Kosten ist im Bild 5.2 schematisch dargestellt. Die Energiepreise werden in der Vergangenheit so gestaltet, daß die Kosten bei einer vorgegebenen jährlichen Energieabgabe gedeckt werden und zusätzlich dazu ein kalkulatorischer Gewinn erwirtschaftet wird. WS 1999/2000 Be/Do 27.01.0
Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) Seite 5.5 Die Energiepreise werden schließlich in verschiedenen Tarifen angeboten, die Besonderheiten der Abnehmer berücksichtigen (Tarifkunden, Sondervertragskunden, Abschaltkunden, etc.). Darauf soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Bild 5.2: Zusammenhang zwischen den Kosten und Preisen für elektrische Energie Wir untersuchen ein Beispiel: Eine Firma bezieht ihre jährliche Energiemenge von W =500.000 kwh bei einer maximalen Leistung von P max = 85 kw aus dem Mittelspannungsnetz. Der Stromvertrag mit dem zuständigen EVU sieht einen Leistungspreis von k p = 600 DM/kWa und einen Arbeitspreis von k w = 15 Dpf/kWh vor. Der Belastungsgrad beträgt: (5.8) Die Firma bezahlt einen Energiepreis von (5.9) Ihre gesamten Kosten für die elektrische Energie betragen (5.10) Durch die Einführung eines Energie-Managementsystems gelingt es der Firma, die maximale Leistung bei gleicher aufgenommener Energiemenge auf 65 kw zu senken. Ihr Belastungsgrad, der Energiepreis Be/Do 27.01.0 WS 1999/2000
Seite 5.6 Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) und die gesamten Energiekosten werden auf diese Weise (5.11) (5.12) (5.13) Die Firma spart mit dem Energie-Managementsystem jährlich 12.000 DM an Energie- kosten ein. 5.3 Liberalisierter Energiemarkt Am 29.4.1998 ist ein neues Energiewirtschaftsgesetz in der BRD in Kraft getreten. Danach gelten keine Betriebsgebietsmonopole mehr. Darüber hinaus müssen die Kosten für Stromerzeugung und verteilung durch eine vorgeschrieben getrennte Bilanzierung erfaßt werden. Hierdurch soll die Kostenermittlung transparenter gemacht und eine Durchleitung von Strom durch fremde Netze rechtlich auf wirtschaftlicher Basis ermöglicht werden. Die Kosten für die Durchleitung werden danach nach öffentlich Durchleitungssätzen, die z.b. im Internet veröffentlicht werden ermittelt. WS 1999/2000 Be/Do 27.01.0