Grundlagen der Basalen. Stimulation Hintergrundwissen

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Transkript:

51 Grundlagen der Basalen Stimulation 51 Stimulation Grundlagen der Basalen 51.1 Hintergrundwissen Definition Basale Stimulation Basale Stimulation versteht sich als ein Konzept, Menschen zu fördern, die in ihrer Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung stark beeinträchtigt sind. Dies geschieht durch Angebote zur Kommunikation, zum Austausch mit der Umwelt und zur Regulation ihrer eigenen Bedürfnisse. Beispiel Spastik Herr Thomas ist 40 Jahre alt und hatte einen Herzinfarkt mit Herzstillstand. Daraus resultierte ein hypoxischer Hirnschaden. Herr Thomas hat ausgeprägte Spastiken in allen Extremitäten, der Kopf ist meist nach hinten überstreckt. Er wirkt nicht ansprechbar. Als es einmal zur Abwechslung recht ruhig auf der Station ist, geht eine Pflegende in das Zimmer. Sie schließt die Tür, macht leise die Musik an, die die Angehörigen mitgebracht haben, und beginnt mit der Grundpflege. Sie spricht nicht viel und lässt sich Zeit. Sie versucht, durch Berührungen zu erreichen, dass Herr Thomas den Mund öffnet und die Hand streckt. Sie streicht die Extremitäten langsam und gleichmäßig aus. Am Ende stellt sie fest, dass Herr Thomas tatsächlich entspannt im Bett liegt. Auch sie selbst hat die konzentrierte Ruhe genossen. Als sie den Kontakt abbrechen muss und beginnt, den Arbeitsplatz aufzuräumen, beobachtet sie, wie die Spastiken wieder einsetzen. Wenige Minuten später liegt Herr Thomas da wie vorher. Würde Herr Thomas häufiger nach den Prinzipien der Basalen Stimulation versorgt, könnten die Spastiken evtl. reduziert werden. Basal meint, dass die besonders früh entwickelten Sinne des Menschen angesprochen werden. Mit Stimulation sind Anregungen gemeint, die den Patienten einladen, ein Pflegeangebot anzunehmen. Basale Stimulation soll Menschen nicht hilflos unterschiedlichen Reizen aussetzen. Bei der Basalen Stimulation geht es primär darum, die Fähigkeiten eines Menschen mit Einschränkungen zu entdecken und auszubauen ( Abb. 51.1). Sie kann dazu führen, dass sich Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung sowie persönliche und räumliche Orientierung verbessern. Basale Stimulation fragt nicht nach der Funktionsstörung und den Defiziten also dem, was gemeinhin die Krankheit ist (auf der in der Klinik häufig der Fokus liegt). Sondern sie fragt und sucht nach dem Potenzial eines Menschen, mit der Umwelt zu kommunizieren. Dazu werden Impulse des Patienten aufgenommen und weiterverfolgt. Abb. 51.1 Basale Stimulation. 864

Hintergrundwissen Hintergrundwissen Kommunikation S. 865 Stimulation S. 865 Zentrale Ziele S. 866 Pflegemaßnahmen Somatische en S. 867 Vibratorische en S. 868 Taktile en S. 868 Vestibuläre en S. 868 Audiorhythmische en S. 869 Orale und olfaktorische en S. 869 Visuelle en S. 869 Pflegeabläufe sollten den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden, z. B. sollte eine Ganzkörperwaschung abgebrochen werden, wenn der Patient überfordert wirkt. Basale Stimulation sieht sich nicht primär als therapeutische Technik, sondern als pädagogisches Konzept. Von der Basalen Stimulation profitieren vornehmlich Menschen, die wahrnehmungsbeeinträchtigt sind, z. B. durch Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, geistige Behinderung, Demenz, hypoxischen Hirnschaden oder Analgosedierung bei beatmeten Patienten. Basale Stimulation richtet sich auch an Menschen, von denen angenommen wird, sie seien ohne Bewusstsein. 51.1.1 Kommunikation Menschliche Kommunikation findet hauptsächlich über Sprache, Gestik und Mimik statt, aber auch über Veränderung in der Atmung oder Körperspannung. Die Basale Stimulation geht davon aus, dass der Körper immer in der Lage ist, sich zu äußern (z. B. durch Atmung oder Muskelspannung), und der Körper immer ansprechbar ist für Berührungen, Temperaturunterschiede, Lageveränderungen usw. Basale Stimulation nimmt an, dass jeder Mensch wahrnehmungs- und erlebnisfähig ist auch wenn er für uns keine wahrnehmbare (oder eine für uns nicht adäquate) Reaktion auf einen Stimulus zeigt. Beispiel Beeinträchtigte Wahrnehmung Frau Choukri hat einen Sohn entbunden. Noch im Kreißsaal wird sie reanimationspflichtig. Sie liegt beatmet auf der Intensivstation, man vermutet ein Multiinfarktsyndrom. Sie ist aufgrund zerebraler Infarkte im Wachkoma und hat multiple kardiale Basale Stimulation umsetzen S. 871 Infarkte erlitten. Die Extremitäten sind teilweise schlecht durchblutet. Wie sich die Organe (Leber, Niere, Herz) entwickeln, wird sich noch zeigen. Sie zeigt auf normale Stimuli keine Reaktion. Sie hüstelt beim Absaugen. Eines Tages vereinbaren Neugeborenenstation und Intensivstation, dass das Kind zur Mutter gebracht wird. Herzfrequenz und Blutdruck der Mutter steigen signifikant, solange das Kind da ist. Sie ist also in der Lage, ihre Umwelt wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Das Beispiel zeigt, dass auch Menschen mit stark beeinträchtigter Wahrnehmung Reize wahrnehmen und darauf reagieren können. Darauf setzt Basale Stimulation. Voraussetzung ist, die zur jeweiligen Ausgangslage und Situation passenden Reize zu finden. Basale Stimulation ist in einer Sache kompromisslos: Sie ist stets ein Angebot, sie fordert nichts. Erfolgt keine Reaktion, liegt das nicht an der Unfähigkeit des betroffenen Menschen. Sondern daran, dass der geeignete Zugang noch nicht gefunden wurde. 51.1.2 Stimulation Selbstwahrnehmung ist eng an die Bewegungsfähigkeit des Körpers gekoppelt. Wir können z. B. den Raum in seiner Gänze nur durch Drehung des Kopfes sehen. Die Grenzen unseres Körpers erfahren wir über Bewegung und Kontakt mit anderen Oberflächen z. B. schlicht darüber, dass wir Kleidung tragen, die wir auf der Haut spüren. Ein Mensch, der sich krankheitsbedingt lange in einer Position befindet und diese aktiv nicht verändern kann, verliert über die Zeit das Gespür für den eigenen Körper die Grenzen verschwimmen. Befindet sich ein Mensch in einer besonders reizarmen Umgebung, z. B. in einem weißen Krankenhauszimmer, so versucht er dennoch, einen Sinn zu finden, und interpretiert 865

51 Grundlagen der Basalen Stimulation Abb. 51.2 Stimulation. a b a Visuell stimulierende Umgebung. krsmanovic/fotolia.com b Nichts als Ebene so weit das Auge reicht. Rich Vintage/istockphoto ggf. seine Wirklichkeit. Möglicherweise wird er irgendwann falsche Sinneseindrücke (Halluzinationen) wahrnehmen. Das Gehirn versucht, die nicht vorhandene Stimulation selber zu erschaffen. Definition Sensorische Deprivation Sensorische Deprivation ist der teilweise bis völlige Entzug von Sinnesreizen. Diese umfassen visuelle (Sehen), auditorische ( Hören), olfaktorische (Riechen), gustatorische (Schmecken) und somatische (Fühlen) Eindrücke. Zu den somatischen Eindrücken gehören auch vestibuläre (Gleichgewicht), vibratorische (Vibration) und taktile (Tasten) Sinneseindrücke. Wer lange an die weiße Decke starrt, sieht irgendwann schwarze Punkte (wissenschaftlich betrachtet sind es die Blutgefäße im Augenhintergrund), die dann vielleicht zu Spinnen werden. Schnell kann es dann heißen, der Patient sei verrückt, was er aber nicht ist. Äußere Reize durch eine sich verändernde Umgebung und körperliche Stimulation sind wichtig, um Halluzinationen oder andere negative Folgen der eingeschränkten sinnlichen Wahrnehmung zu vermeiden, siehe auch Deprivationsprophylaxe (S. 432). Beispiel Umgebung und Wahrnehmung Stimulierende Umgebung: Sie werden morgens wach, räkeln und strecken sich. Schauen aus dem Fenster: Ist es schon hell? Sie orientieren sich. Kämmen sich die Haare und cremen Ihr Gesicht ein. Sie machen sich unbewusst die Grenzen Ihres Körpers bewusst. Die Temperatur Ihres Kaffees testen Sie mit Lippen und Zunge. Auf diese Weise geleiten Ihre Sinne, Ihr Wissen und kognitives Vermögen, Ihre Bewegung Sie sicher durch den Tag. Abends würde Sie der Geruch von Popcorn, die Stimme Ihrer Lieblingsschauspieler und das Gemurmel vieler Leute sicher im Kino verorten selbst wenn Sie die Augen schlössen. Stimulationsarme Umgebung: 2 Menschen fahren in das australische Outback. So weit das Auge reicht nichts. Nichts als Ebene. Sie setzen sich vor das Auto und genießen die Stille nicht lange. Sie stellen bald fest, dass Ihnen schwindelig wird, Übelkeit einsetzt. Sie stehen auf und fühlen sich unsicher. Schlussendlich setzen Sie sich in das Auto und machen Musik an. Die Symptome verschwinden. Die weite Landschaft ohne Struktur (z. B. Felsen, Häuser) bietet keine Fläche, um Schall zu reflektieren die meisten Menschen benötigen aber diese Reize oder Grenzen, um sich (z. B. über das Vestibularsystem) zu verorten und sicher zu fühlen. (siehe Abb. 51.2). 51.1.3 Zentrale Ziele Basale Stimulation stellt das Befinden und die Aktivitäten des Patienten in den Mittelpunkt. Die zentralen Ziele sind: 1. Leben erhalten und Entwicklung erfahren. 2. Das eigene Leben spüren. 3. Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen. 4. Den eigenen Rhythmus entwickeln. 5. Die Außenwelt erfahren. 6. Beziehung aufnehmen und Begegnung gestalten. 7. Sinn und Bedeutung geben. 8. Das eigene Leben gestalten. 9. Autonom leben und Verantwortung übernehmen. Die einzelnen Punkte bauen aufeinander auf, können aber jederzeit individuell in ihrer Reihenfolge verändert werden. WISSEN TO GO Basale Stimulation Hintergrundwissen Mit Basal ist gemeint, dass die früh entwickelten Sinne angesprochen werden. Stimulation bedeutet, den Pflegebedürftigen anzuregen bzw. einzuladen, ein Pflegeangebot anzu nehmen. Fähigkeiten wahrnehmungsbeeinträchtigter Menschen sollen entdeckt und gefördert werden, hierzu zählen: Wahrnehmung, Kommunikation, Bewegung, persönliche und räumliche Orientierung. Zentrale Ziele 1. Leben erhalten und Entwicklung erfahren. 2. Das eigene Leben spüren. 3. Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen. 4. Den eigenen Rhythmus entwickeln. 5. Die Außenwelt erfahren. 6. Beziehung aufnehmen und Begegnung gestalten. 7. Sinn und Bedeutung geben. 8. Das eigene Leben gestalten. 9. Autonom leben und Verantwortung übernehmen. 866

Pflegemaßnahmen 51.2 Pflegemaßnahmen Abb. 51.3 Initialberührung. Die Förderung eines Grundvertrauens durch individuell angepasste Rituale, Wiederholungen und persönliche Pflegeangebote sind Kernpunkte der Basalen Stimulation. Basale Stimulation nutzt verschiedene Wahrnehmungsbereiche, um Angebote zu Kommunikation und körperlichen en zu machen. Dazu gehören: somatische en vibratorische en taktile en vestibuläre en audiorhythmische en orale und olfaktorische en visuelle en Spastiken wie die am Beispiel von Herrn Thomas beschriebenen, können als Resultat mangelnder sensorischer Information aufgefasst werden. Wenn der eigene Körper nicht bewegt werden kann und sich dadurch zunehmend fremd anfühlt, kann ein erhöhter Muskeltonus kurzfristig eine Eigenwahrnehmung erleichtern. Abgesehen davon, dass Spastiken langfristig zu Schmerzen führen, sollten den Patienten andere Möglichkeiten der Eigenwahrnehmung geboten werden. Durch eine Kombination somatischer, vibratorischer und vestibulärer Stimulation kann der eigene Körper in Abgrenzung zur Außenwelt (z. B. über die Haut) und im Ganzen (z. B. über die Muskulatur und das Skelett) gespürt, die eigene Lage im Raum empfunden und können Spastiken vermieden werden. 51.2.1 Somatische en Definition Somatische Sinneserfahrungen Somatisch kommt vom griechischen Wort soma = Körper. Somatische Sinneserfahrungen beziehen sich auf den Körper, z. B. Sinneseindrücke über die Haut. Die Haut ist die größte Kontaktstelle nach außen. Pflege ist ein Beruf, der sehr viel mit Berühren zu tun hat. Er bietet daher viele Möglichkeiten, über Berührung Kontakt aufzunehmen. Menschen mit einer beeinträchtigten Wahrnehmung bedürfen vor allem klarer, ausdrucksstarker und möglichst vertrauter Berührung. Berührung sollte z. B. primär durch eine und nicht mehrere Personen gleichzeitig erfolgen, den Anfang und das Ende einer Handlung markieren, möglichst konstant erfolgen, einen Rhythmus entwickeln, mit angemessenem Druck ausgeübt werden und möglichst großflächig erfolgen. Für die Praxis kann das z. B. heißen: Möglichst nur ein Pflegender sollte eine Handlung vollziehen. Wenn uns 3 Menschen gleichzeitig ansprechen, wissen wir auch nicht, auf wen wir zuerst reagieren sollen. Wenn 2 Pflegende an einem Patienten arbeiten, übernimmt einer die Führung. Eine Geste (etwa das Auflegen der Hand auf die Schulter) kann den Anfang einer Aktion markieren (Initialberührung), der Druck einer Hand das Ende. Pflegende sollten ihre Maßnahmen so planen, dass sie den Patienten nicht mittendrin verlassen müssen und dass er ihre Nähe spürt. Jeder Verlust des Kontakts bedeutet für Der Patient wird begrüßt und an der Schulter berührt. ihn vielleicht einen Neuanfang und er muss sich neu orientieren. Das kann für ihn sehr anstrengend sein. Rhythmus ist ein Versprechen, dass es so weitergeht wie bisher. Die Bewegungen der Pflegenden sollten deshalb eher langsam und wiederholend sein, z. B. beim Ausstreichen der Beine oder Nachmodellieren des Gesichts. Die Bewegungen sollten nicht flüchtig und/oder plötzlich erfolgen, das kann zu Verwirrung und Erschrecken führen. Pflegende sollten den Patienten mit einem für ihn angenehmen Druck berühren, damit er die Berührung wahrnehmen und zuordnen kann. Eine flächenhafte Berührung kann der Patient besser lokalisieren und zuordnen, da im Gegensatz zur punktuellen Berührung mehr Sinnesrezeptoren in der Haut gereizt werden. Initialberührung Wenn möglich sollte jede Handlung mit einem Ansprechen des Patienten, gefolgt von einer Berührung, beginnen und enden. Die Berührung soll am besten am Oberkörper oder der Schulter stattfinden, ruhig und eindeutig sein und in eine gleitende Berührung übergehen, die zu der Stelle führt, an der die Pflegemaßnahme ansetzt ( Abb. 51.3). Die Initialberührung ist eine ritualisierte Begrüßung (oder Verabschiedung). Sie vermittelt Sicherheit und Vertrauen, da sie verlässlich stattfindet und den Patienten über die Anwesenheit der Pflegekraft informiert. Wenn dem Patienten die Berührung unangenehm ist, sollte sie abgebrochen werden. Wenn dem Patienten die Berührung angenehm ist, kann sie wiederholt werden. Atemstimulierende Einreibung Die ASE ist eine rhythmische Einreibung mit beiden Händen im Rücken- und vereinzelt auch im Brustbereich des Patienten. Sie dient in erster Linie der Förderung der Atmung, wirkt aber je nach Rhythmus auch beruhigend oder anregend und unterstützt die Kommunikation zwischen Pflegekraft und Patient. Die Durchführung der ASE finden Sie im Kap. Pflegetechniken zur Unterstützung der Atmung (S. 542). 867

51 Grundlagen der Basalen Stimulation 51.2.2 Vibratorische en Schon der Embryo erfährt Vibration: Die Mutter läuft, spricht, fährt Auto. Wenn Sie brummen, spüren Sie Ihren Thorax als Körperraum. In der Praxis zeigt sich, dass vibratorische Stimuli den Menschen aufmerksam, wacher und gleichzeitig entspannter machen. Wenn lange bettlägerige Patienten mobilisiert werden, sacken ihnen manchmal einfach die Beine weg. Bekommen diese Patienten vorher eine vibratorische Stimulation, zeigen sie mehr Kontrolle über ihre Gliedmaßen. Diese Menschen spüren ihre Beine nach so langer Untätigkeit einfach nicht mehr, sie gehören nicht mehr zu ihnen. Vibratorische Stimulation kann da gegensteuern. In der Praxis sollte bei der vibratorischen Stimulation Folgendes beachtet werden: Pflegende sollten nicht den Thoraxvibrator (Vibrax) benutzen. Seine Erschütterungen sind zu stark. Es gibt kleinere Geräte, z. B. kann auch eine elektrische Zahnbürste eingesetzt werden. Vibrationen sollten nicht an den Muskeln ansetzen, dort können sie die Muskelspannung (auch im Sinne einer Ablehnung) ungünstig beeinflussen. Pflegende sollten an Stellen beginnen, die auch bei physiologischer Bewegung die Erschütterung erfahren, z. B. Fersenbein (Laufen), Handwurzelknochen (anstoßen). Am besten geeignet sind gelenknahe Stellen. Pflegende können dem Patienten das vibrierende Gerät zunächst in die Hand legen. 51.2.3 Taktile en Lass mal fühlen wie weich der Pulli oder wie schwer das Werkzeug ist. Für uns ist selbstverständlich, dass wir greifen und begreifen. Sinnlich machen wir so z. B. en von Dreidimensionalität und erschließen uns die Welt. Wer pflegebedürftig im Bett liegt, hat fast keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten, eine taktile oder haptische zu machen denn er kommt schlicht nicht an Gegenstände heran. Nesteln gilt in dem Zusammenhang als der Versuch, sich eine Greiferfahrung zu verschaffen. Definition Nesteln Nesteln (sich mit den Fingern an etwas zu schaffen machen) ist wie Flockenlesen (Zupf- und Greifbewegungen der Hand) ein Zeichen motorischer Unruhe und tritt oft in Verbindung mit sensorischer Deprivation auf. Beispiel Taktile en Frau Gehr ist dement und nestelt ständig herum. Eine Pflegende, die weiß, dass Frau Gehr viel Handarbeit betrieben hat, gibt ihr einen Absaugkatheter in die Hand mit den Worten: Bitte schön, für Sie. Frau Gehr befühlt den Absaugkatheter lange und beginnt dann, ihn ganz fein zu verknoten. Später geben ihr die Pflegenden Wolle, die sie ebenfalls konzentriert bearbeitet. Frau Gehr nestelt nun nicht mehr. Für die Praxis kann das z. B. heißen: Pflegende sollten die Füße und Hände nicht nur mit dem Waschlappen waschen, sondern ein Hand- oder Fußbad in einer Schüssel mit Wasser anbieten. Pflegende können dem Patienten Gegenstände in die Hand geben, z. B. die Zahnbürste vor der Mundpflege, die Orange vor dem Abschälen, den Waschlappen vor der Grund pflege. Pflegende können die Bewegungen des Patienten z. B. bei der Zahnpflege führen. Sie können die Bürste in die Hand des Patienten legen und seinen Arm zum Mund führen. Abb. 51.4 Taktile en. Eine Patientin, die in ihrem Leben viel genäht hat, kann mit Garn und Stoffen taktisch stimuliert werden. Harald Biebel/fotolia.com Pflegende können mit den Angehörigen einen taktilen Kasten zusammenstellen, z. B. für den Heimwerker Werkzeug oder für die Näherin Stoffe und Knöpfe ( Abb. 51.4). 51.2.4 Vestibuläre en Definition Vestibuläres System Das vestibuläre System ist das Gleichgewichtssystem und befindet sich im Innenohr. Es sagt uns, wo wir uns in einem Raum befinden und ob und mit welcher Geschwindigkeit wir uns fortbewegen oder drehen. Menschen, die lange in einem Bett liegen (womöglich auf einer Weichlagerungsmatratze), bekommen wenig Reize zur Standortbestimmung. Schwerkrafterfahrungen, wie das Spüren des eigenen Gewichts, sind nicht vorhanden, die Position im Raum ist unklar. Bettlägerige Menschen erfahren oft nicht mehr als das Herauf- und Herunterfahren des Bettes (das sie schlimmstenfalls als Fallen ins Bodenlose empfinden!) oder das Rechts-links-Bewegen im Bett. Basale Stimulation bietet ihnen mehr, z. B.: Pflegende können hin und wieder den Kopf des Patienten leicht drehen und in eine andere Position bringen. Zusätzlich kann dadurch ein Dekubitus an den Ohrmuscheln oder am Schädel verhindert werden. Wenn Pflegende den Patienten komplett bewegen, können sie den Kopf in ein Handtuch legen und ihn vorsichtig schaukeln. Einen Positionswechsel des Körpers können Pflegende darüber einleiten, dass sie den Kopf in die Richtung wenden, in die der Patient bewegt werden soll. Pflegende können einen Arm oder ein Bein in ein Handtuch legen, hochheben und schaukeln so erfährt der Mensch das Gewicht der Extremität und ihre Bewegung im Raum. Schaukelbewegungen aktivieren das vestibuläre System. Wenn Pflegende den Patienten mobilisieren, können sie sich mit ihm an den Bettrand setzen und gemeinsam mit ihm schaukeln. Den Oberkörper können sie dabei leicht kreisen lassen. Das ist prinzipiell auch in sitzender Position im Bett möglich. 868

Pflegemaßnahmen WISSEN TO GO Basale Stimulation Pflegemaßnahmen Somatische en primär durch eine und nicht durch mehrere Personen gleichzeitig Anfang und Ende einer Handlung markieren (Initialberührung) Bewegungen nicht flüchtig oder plötzlich, möglichst konstant Rhythmus entwickeln: Bewegungen langsam und wiederholend Berührung mit angenehmem Druck nicht punktuell, sondern großflächig Vibratorische en kleines Gerät verwenden, z. B. elektrische Zahnbürste an Stellen ansetzen, die auch bei physiologischer Bewegung Vibrationen erfahren gelenknahe Stellen wählen Taktile en Hand- oder Fußbad dem Waschen mit dem Waschlappen vorziehen Patienten Gegenstand in die Hand geben und ertasten lassen Bewegungen führen, z. B. bei der Zahnpflege Arm zum Mund führen taktilen Kasten zusammenstellen Vestibuläre en Kopf des Patienten häufiger leicht drehen und in eine andere Position bringen Kopf in ein Handtuch legen und vorsichtig schaukeln Positionswechsel einleiten, indem der Kopf in die Bewegungsrichtung gewendet wird Arm oder Bein in ein Handtuch legen, hochheben und schaukeln Schaukelbewegungen oder leichtes Kreisen des Oberkörpers 51.2.5 Audiorhythmische en Besonders in der Klinik erfahren Pflegebedürftige viele unbekannte Geräusche, denen sie meist hilflos ausgeliefert sind. Das kann zu Stress führen. Pflegefachkräfte sollten daher bewusst mit Geräuschen umgehen. Definition Habituation Habituation beschreibt das Nachlassen der Intensität eines Verhaltens als Reaktion auf einen konstanten Reiz oder mehrerer konstanter Reize. Es handelt sich um eine Art Gewöhnung. Gleichzeitig können Geräusche aber auch zur Stimulation der Pflegebedürftigen genutzt werden. Audiorhythmische en fördern den Hörsinn. Vertraute Geräusche sind für einen Menschen mit eingeschränkter Wahrnehmung Wegweiser im Akustik-Dschungel. Für die Praxis kann das z. B. heißen: Pflegende sollten für bekannte und geliebte Geräusche sorgen. Angehörige können z. B. Lieblingsmusik, Hörspiele, Pod casts, die Aufzeichnung der letzten Sportschau, alte Folgen der Lieblingsserie mitbringen oder MP3s. Pflegende sollten testen, ob die Lautstärke für einen nicht beeinträchtigten Hörer angenehm ist. Bei Beeinträchtigung des Hörsinns sollten sie mit der Lautstärke langsam höher gehen. Pflegende sollten den akustischen Reiz nur auf einer Seite setzen, z. B. indem sie das Gerät nur auf einer Seite aufstellen oder den Kopfhörer nur auf ein Ohr legen. So kann der Patient sich abwenden. Pflegende sollten die Reaktion beobachten und dokumentieren. Pflegende können die Biografie des Pflegebedürftigen nutzen. Vielleicht reizt das Geräusch von Autobahnen einen LKW-Fahrer, vielleicht aktiviert das Plätschern von Wasser jemanden, der für sein Leben gerne geschwommen ist. Pflegende sollten das Abspielen der Geräusche zeitlich begrenzen, um eine Überstimulation zu vermeiden. Pflegende sollten den Patienten von den Betriebsgeräuschen der Station abschirmen, z. B. indem sie die Tür schließen. 51.2.6 Orale und olfaktorische en Embryos saugen am Daumen, schlucken Fruchtwasser. Wir riechen Gefahr, z. B. Rauch. Der Mund ist eine der sensibelsten Regionen des Körpers. Die Zungenspitze ist mit den meisten Rezeptoren ausgestattet Kinder stecken sich in einer Entwicklungsphase alles in den Mund. Sie erkunden die Welt Geschmack? Form? Hart? Weich? Rund? Der Geruch entscheidet zudem oft über Sympathie und Antipathie. Der Mund liefert viel Aufschluss über die Befindlichkeit: Mundwinkel oben lustig, lachen. Mundwinkel unten blöd, traurig. Wem etwas nicht geheuer ist, der weicht mit dem Kopf (und damit mit dem Gesicht ein wenig nach hinten). Fragend, abwartend. Für die Praxis kann das z. B. heißen: Pflegende können die Mundpflege anbahnen, indem sie z. B. mit dem Finger langsam über die Wange bis zum Mundwinkel streichen. Zum Zähneputzen kann eine elektrische Zahnbürste verwendet werden, um Vibrationen im Mund zu erzeugen. Pflegende sollten eigene Pflegemittel des Patienten verwenden. Der Geschmack (Geruch) schafft einen vertrauten Eindruck. Tupfer können mit dem Lieblingsgetränk (oder Essen) benetzt und dem Patienten in die Wangentasche gelegt werden. Trockene Erbsen oder ein weicher Stoff können in einen Tupfer gewickelt werden und darüber die Zungenbewegung aktiviert werden. Damit wird eine haptische/taktile geboten. Schälchen mit bekannt riechenden Dingen oder Duftölen können in die Nähe des Patienten gestellt werden. 51.2.7 Visuelle en Das Sehen ist unser Hauptsinn, wir erschließen uns die Welt mit den Augen. Auch Patienten mit beeinträchtigter Wahrnehmung erhalten visuelle Reize. Aber vielleicht sind sie verschwommen und nicht sinnhaft. Manche stellen einen Reiz womöglich in einen anderen Zusammenhang, als wir es täten und setzen sich so ihre eigene Realität zusammen. Was diese Menschen sehen, kann niemand sicher sagen. Eine geeignete Umwelt für Menschen mit beeinträchtigter Wahrnehmung finden Sie in der Klinik selten bis gar nicht: Liegende Menschen in der Klinik oder Einrichtung starren meist an die Decke ein wenig kontrastreicher Anblick. 869

51 Grundlagen der Basalen Stimulation Generell gilt: In sitzender Position erfahren Menschen die Welt klarer als im Liegen. Allein schon deshalb, weil mehr Gegenstände gesehen werden können. Bei der visuellen Stimulation sollte z. B. Folgendes beachtet werden: Hilfreich sind Kontraste klare Linien und eindeutige Farben. Insbesondere nach dem Aufwachen aus dem Koma sind Schwarz-Weiß-Kontraste am vorteilhaftesten. Nimmt die Sehfähigkeit zu, kann eine farbige Umgebung gewählt werden. Tags ist es hell, nachts dunkel. Pflegende sollten für diesen Rhythmus sorgen nachts Licht aus, tags Vorhänge auf! Hastige oder abrupte Bewegungen sollten vermieden werden. Das Bett sollte wenn möglich so gedreht werden, dass der Patient aus dem Fenster schauen kann. Es sollte darauf geachtet werden, dass das Blickfeld nicht z. B. durch Kissen oder medizinische Geräte verstellt ist. Pflegende sollten visuelle Reize setzen, z. B. eine große Uhr, eine Lampe oder Blumen. Dabei sollten sie darauf achten, dass die Gegenstände nicht direkt im Blickfeld, aber erreichbar sind so hat der Patient die Möglichkeit wegzuschauen. Abb. 51.5 fasst noch einmal die verschiedenen möglichen en der Basalen Stimulation zusammen. Abb. 51.5 Mögliche en der Basalen Stimulation. Visuelle visuelle Stimulation schafft Orientierung Schwarz-Weiß-Fotos Gegenständen im Zimmer (große Uhr, Lampe) Achten auf Patient soll sich abwenden können Blickfeld nicht verstellen Orale und olfaktorische orale Stimulation verbessert Schlucken und Kauen Lieblingsnahrungsmitteln vertrauten Gerüchen (z.b. Kleidung, Tierdecken) WISSEN TO GO Basale Stimulation Pflegemaßnahmen Audiorhythmische en für bekannte und geliebte Geräusche sorgen akustischen Reiz nur auf einer Seite setzen, so kann der Patient sich abwenden Biografie beachten auf Kongruenz der Geräusche achten Patienten von den Betriebsgeräuschen der Station abschirmen Orale und olfaktorische en Mundpflege über Berührung anbahnen elektrische Zahnbürste zum Zähneputzen verwenden eigene Pflegemittel des Patienten verwenden Tupfer mit Lieblingsgetränk (oder Essen) benetzen und in Wangentasche legen trockene Erbsen oder weichen Stoff in Tupfer wickeln und Zungenbewegung aktivieren Schälchen mit bekannten Düften aufstellen Visuelle Hilfreich sind Kontraste klare Linien, eindeutige Farben Schwarz-Weiß-Bilder sind manchmal geeigneter als bunte hastige oder abrupte Bewegungen vermeiden Bett so drehen, dass der Patient aus dem Fenster schauen kann visuelle Reize setzen Vestibuläre vestibuläre Stimulation fördert den Lage- und Gleichgewichtssinn Schaukelbewegungen Audiorhythmische audiorhythmische Stimulation fördert den Hörsinn Lieblingsmusik Ansprache von Angehörigen Achten auf Lautstärke Patient muss sich abwenden können Vibratorische vibratorische Stimulation fördert die Wahrnehmung der Gliedmaßen, Knochen und Gelenke z.b. elektrischer Zahnbürste an gelenknahen Stellen Taktile taktile Stimulation verbessert die Tastfähigkeit Gegenstände ertasten taktilem Kasten Somatische somatische Stimulation fördert Kommunikation durch Berührung Initialberührung atemstimulierender Einreibung 870

Basale Stimulation umsetzen 51.3 Basale Stimulation umsetzen Das Konzept der Basalen Stimulation wird häufiger in Einrichtungen eingesetzt, in denen Menschen mit beeinträchtigter Wahrnehmung leben. In der Klinik wird es zumindest bislang eher selten eingesetzt. Aber die Pflegewissenschaft erkennt immer mehr, welche positiven Effekte das Konzept auf den Menschen und seine Gesundung hat. Bei der Basalen Stimulation geht es nicht darum, einen Patienten mit Maßnahmen zu überfluten das wäre vermutlich sogar wenig förderlich. Pflegende sollten damit beginnen, bewusst ihre Sinne einzusetzen, aufmerksam zu sein und zu versuchen, ihr Gegenüber zu verstehen. Folgende Dinge sollten beachtet werden: Ausprobieren: Manchmal braucht es mehrere Anläufe, bis eine Maßnahme einen (gewünschten) Effekt zu haben scheint. Pflegende sollten sich Zeit nehmen und nicht so schnell aufgeben. Beobachten und dokumentieren: Ob ein Patient reagiert, kann man nur durch intensive Beobachtung herausfinden. Damit möglichst keine Information verloren geht, sollten Pflegende dokumentieren, welche Maßnahme sie mit welchem Erfolg vorgenommen haben und wie die Reaktion darauf war. Biografiearbeit: Wer ein Mensch war oder wie er gelebt hat, kann wertvolle Hinweise liefern, um einen Zugang zu ihm zu finden. Einem fanatischen Fußballfan kann z. B. durchaus ein Ball als haptische angeboten werden. Einem Rotweinliebhaber können abends ein paar edle Tropfen in den Mund gegeben werden. Betreuer und Angehörige fragen: Wenn ein wahrnehmungsbeeinträchtigter Patient aus einer Einrichtung oder von zu Hause in eine Klinik kommt, sollten Pflegende die betreuenden Personen fragen, wie sie mit diesem Menschen kommunizieren. Pflegende können z. B. deren Initialberührung übernehmen und sich bei den Angehörigen informieren, wie der Mensch sich ausdrückt: Augenbraue hochziehen heißt vielleicht nicht Erstaunen, sondern Unwille. Eindeutig bleiben: Beim Umgang mit dem Patienten sollten Pflegende darauf achten, eindeutig zu bleiben. Liegenlassen: Wenn sich ein Patient aus eigener Kraft in einer Ecke des Bettes zusammenrollt oder an das Bettgitter drückt und ein Bein aus dem Bett hängen lässt, dann ist das vielleicht eine Position, die ihm Sicherheit über gibt: Begrenzung durch das Gitter und Schwerkraft und (Eigen-)Gewicht durch das herabhängende Bein. Pflegende sollten sich vergewissern, dass der Patient keinen Dekubitus entwickeln kann, dass er entspannt und zufrieden wirkt und ihn einfach so liegen lassen. Sitzen: Pflegende sollten Patienten häufiger im Bett in eine sitzende Position bringen (wenn keine Kontraindikationen vorliegen). Das stimuliert das vestibuläre System, erweitert den Blickwinkel und ermöglicht die von Gewicht. Dauerberieselung vermeiden: Niemand hört den ganzen Tag Musik und schaut fern. Reize sollten akzentuiert gesetzt werden. Sonst setzt schnell eine Habituation ein. 871