Handlungsfeld: Mobilität Eine Auto-arme Entwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2050? Dr. Manfred Treber, Germanwatch Vilm, 19. Juli 2011
Germanwatch e.v. Ziel: Strukturen im "Norden" verändern, um Lebensbedingungen der Menschen im "Süden" zu verbessern 1991 gegründet ca. 500 Mitglieder, Fördermitglieder und Kampagneros 35 MitarbeiterInnen in Büros in Bonn und Berlin Arbeitsschwerpunkte: Klima: Klimaschutz und -verantwortung, Anpassung, Emissionshandel, Verkehr, nachhaltiges Investment Welthandel: Ernährungssicherung, Agrarhandel und Leitsätze für multinationale Unternehmen Unternehmen & Finanzsektor: Unternehmensverantwortung, Finanzsektor & Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz Entwicklungspolitik: Informations- und Lobbyarbeit in der "klassischen" Entwicklungszusammenarbeit und globalen Strukturpolitik
Das Klimaziel: Zwei Grad als Limit Unter zwei Grad globale Temperaturerhöhung ist das Risiko für das Überschreiten der kritischen Schwelle bei den meisten Großrisiken gering (mögliche Ausnahme: Grönland- Eisschild).
Die Wahrscheinlichkeit, 2 Grad Erwärmung zu überschießen (Quelle: Meinshausen, 2006)
Herausforderung eins: Das Unbewältigbare vermeiden Industrieländer: 95 % Verringerung der THG bis 2050 Weltweit: 80 Prozent THG-Verminderung bis 2050 Zum Vergleich: Betriebsdauer typisches Kohlekraftwerk: 40 Jahre Herausforderung zwei: Das Unvermeidbare bewältigen Anpassung an Änderungen u.a. Meeresspiegelanstieg, vermehrte Hitzewellen,...
Übersetzung auf den Verkehr
Fahrzeug-km (PKW) in 2000 [Mrd/a] Weltweit : 7732 (100%) Nordamerika: 2471 (32%) Westeuropa: 2508 (32%) Deutschland: 517 (7%) Quelle: Borken et al Das Ausmaß des PKW-Verkehrs in Nordamerika und Europa ist nicht weltweit verallgemeinerbar.
Personenverkehr weltweit 2005 und projiziert für das Jahr 2050 Quelle IEA
Unterstützung durch das Weißbuch Verkehr der EU-Kommission vom 28. März 2011
Aussagen des Weißbuchs (1) - Emissionsminderungen bis zum Jahr 2050 um mindestens 60 % gegenüber 1990 - Bis 2050 sollte der Großteil der Personenbeförderung über mittlere Entfernungen auf die Eisenbahn entfallen - Halbierung der Nutzung mit konventionellem Kraftstoff betriebener PKW im Stadtverkehr bis 2030; vollständiger Verzicht auf solche Fahrzeuge in Städten bis 2050
Aussagen des Weißbuchs (2) - Bis 2050 Senkung der Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr auf nahe Null - 30 % des Straßengüterverkehrs über 300 km sollten bis 2030 auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagert werden, mehr als 50 % bis 2050
Umsetzung für Deutschland
Verkehrsleistung der Landverkehrsträger Deutschland (2008) [1] [in Mrd Pkm] Motorisierter Individualverkehr 880 Öffentlicher Verkehr 162 darunter Eisenbahn [EBO] 82 Nahverkehr 46 Fernverkehr 36 Bus Gelegenheitsverkehr 27 ÖPNV Straße 37 ÖPNV Schiene [BOStrab]* 16 Gesamt 1042 Quellen für die Angaben zu 2008: BVZ, DLR, ISL (2009): Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr. Mittelfristprognose Winter 2008/2009; im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung FE-Nummer 96.0905/2008/. Februar 2009, 67 Seiten Statistisches Bundesamt (2009): 2008: Weiterer leichter Zuwachs im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen.
Szenarien für Deutschland bis 2050 Die prominenten bestehenden Szenarien bis zum Jahr 2050 (BMU; WWF; Greenpeace; FfE*; Energiekonzept) erreichen relativ anspruchsvolle Klimaziele. Allerdings beinhalten allesamt keine nennenswerte Änderung des modal-split hin zum Umweltverbund: Der MIV** bleibt bei 80% Anteil. * im Auftrag der vier großen Stromerzeuger (nur 70 % Reduktion) ** motorisierter Individualverkehr
Nachhaltigkeit ist mehr als Klimaschutz
Methodisches Problem: Operationalisierung von Synergieeffekten...... etwa als Ausgleich für die hohen CO 2 -Preise
Gegenentwurf: Das 50/50 2050 Szenario* Der Anteil des Umweltverbunds (ÖV, Fahrrad,...) im Jahr 2050 liegt bei 50%, der des MIV gleichermaßen. * bei insgesamt schrumpfender Verkehrsnachfrage (Ende des billigen Öls und Klimarestriktion)
Verkehrsleistung der Landverkehrsträger Deutschland (2050) [in Mrd Pkm] Motorisierter Individualverkehr 400 Umweltverbund 400 Öffentlicher Verkehr 350 CarSharing, (E-)Bikes... 50 Gesamt 800
Rahmenbedingungen ÖV-Wachstum: Verdopplung in 40 Jahren, d.h. weniger als 2 % Wachstum/a mit: - Ausbau Schienenpersonenverkehr (EBO u BO Strab) - wichtigere Rolle von Fernbussen Ende des preiswerten Rohöls Siedlungsstruktur erzwingt weniger MIV
Blick auf die Politik Zur Realisierung des 50/50 Szenarios sind erhebliche öffentliche Investitionen notwendig (es ist kein Selbstläufer) i) Kann dies nach dem Prinzip 'Verkehr finanziert Verkehr' geschehen? * ii) Investitionsoffensive der Öff. Hand zur Umsetzung der "Großen Transformation" ** * wie bei den Regionalisierungsmitteln im Rahmen der Bahnreform (1993) ** etwa auch zur Unterstützung des damit verbundenen Kondratieff-Zyklus
Beitrag der Wissenschaft Die Umsetzung des 50/50-Szenarios ist mit Synergien verbunden, z.b. weniger Verkehrstote weniger Flächenverbrauch geringere Klimaemissionen geringerer Materialverbrauch/ Ressourceninanspruchnahme, deren Vorteile bisher einzeln gesehen werden und daher nicht als Ganzes in Entscheidungen einfließen. Kann die Wissenschaft Instrumente/Szenarien entwickeln, die dies zusammengenommen darstellt? Können externe Kosten oder Nutzen berücksichtigt werden?
Exkurs zum Güterverkehr Dieser Beitrag betrachtet nur Personenverkehr jedoch: Schieneninfrastruktur (Nachfrage durch Personen- und Güterverkehr) ist bereits heute nahe der Kapazitätsgrenze Vorschlag UBA-Studie: Kapazität für Schienengüterverkehr relativ preiswert in 15 Jahren verdoppelbar Dennoch: Trassen auf Hauptabfuhrstrecken sind für Personenverkehr knapp, Kapazitätsausweitung durch Fahrzeuge mit höherer Kapazität (etwa Doppelstöckigkeit)
Thesen These 1 Das 50/50-Szenario bis 2050 ist noch keine umfassende Vision. Es weist lediglich in die richtige Richtung. Für den Energiesektor haben wir eine (100% Erneuerbare Energien), für den Verkehrsbereich noch nicht.
These 2 Das 50/50-2050 Szenario ist (noch) machbar.
These 3 Die Umsetzung des 50/50-2050 Szenario bedarf großer struktureller Umbrüche. Genannt seien etwa der Wertewandel sowie neue große Finanzierungsinstrumente*. * Hinweis: Derzeit investiert der Bund kaum mehr als 1 Mrd / a in neue Schienenprojekte (China dagegen 100 Mrd /a, die Schweiz sechsmal mehr als Deutschland).
Deutschland ist Schlusslicht
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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