Münsteraner Verwalterkonferenz 2011 Fazit zur BGH-Entscheidung zum Ausweis der Instandhaltungsrückstellung: Welche Praxis-Empfehlungen gibt es nach einem Jahr Diskussion? Prof. Dr. Florian Jacoby Münster, BGH v. 4.12.2009 V ZR 44/09 Tatsächliche und geschuldete Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Instandhaltungsrücklage sind in der Jahresgesamt- und -einzelabrechnung weder als Ausgabe noch als sonstige Kosten zu buchen. In der Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage, die in die Abrechnung aufzunehmen ist, sind die tatsächlichen Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Rücklage als Einnahmen darzustellen und zusätzlich auch die geschuldeten Zahlungen anzugeben. Folie 2 1
Etappen der Diskussion 12/09 Erlass der Entscheidung 01/10 Jahresabrechnung als Schwerpunktthema des Münsteraner Verwalterforums 2010 02/10 Veröffentlichung der Entscheidung 03/10 Soforthilfe-Seminare Diskussion... - BFW-Kongress - Fischen - Dortmund (VNWI-Muster) Folie 3 Armer Verwalter Gericht 49 Abs. 2 WEG Verwalter Programmangebot 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG Softwarehäuser Eigentümer Folie 4 2
Starker Verwalter Gericht Erklären des Abrechnungskonzepts Verwalter Marktdruck Beschlussvorschläge Softwarehäuser Eigentümer Folie 5 Im Überblick Teil 1: Zwecke der Abrechnung Teil 2: Gegenstand der Einzelabrechnung Teil 3: Zweckbindung der Rücklage Teil 4: Darstellung der Rücklage Teil 5: Darstellung der offenen Forderungen Teil 6: Fazit Folie 6 3
Teil 1: Zwecke der Abrechnung oder In welchem Verhältnis stehen Gesamt- und Einzelabrechnung zueinander? Folie 7 Systematik des 28 WEG (1) Wirtschaftsplan 1. Einnahmen und Ausgaben 2. Anteilmäßige Lasten- und Kostentragung 3. Instandhaltungsrückstellung (2) (...) (3) Jahresabrechnung [Gesamt- und Einzelabrechnung] (4) Rechnungslegung (5) Beschlusskompetenz Folie 8 4
Gesamt- und Einzelabrechnung Unterscheide zwei Zwecke - Gesamtabrechnung zwecks Rechnungslegung: Einnahmen und Ausgaben (qualifizierte Kontendarstellung) - Einzelabrechnung zwecks Kostenverteilung: Nutzungen und Kosten (Verteilungsrechnung) Folgerung: Positionen der Einnahmen- und Ausgabenrechnung lassen sich unterteilen in - verteilungsrelevant und - nicht verteilungsrelevant Folie 9 Nicht verteilungsrelevante Positionen Einnahmen - Nachzahlungen auf Jahresabrechnung - Hausgeld (Zahlungen auf den Wirtschaftsplan) - Zur Auffüllung der Instandhaltungsrücklage gewidmete Zinsen oder sonstige Einnahmen Ausgaben - Erstattung von Gutschrift aus Jahresabrechnung - Bezahlung von Öl - Über-/Unterzahlung an Wärmelieferanten - Aus der Instandhaltungsrücklage bestrittene Ausgaben Folie 10 5
Auszug aus Gesamtabrechnung Folie 11 Tipp 1 Unterscheiden Sie die unterschiedlichen Zwecke von Gesamtabrechnung einerseits sowie Einzelabrechnung andererseits und übernehmen Sie nur die verteilungsrelevanten Beträge in die Einzelabrechnung. Folie 12 6
Teil 2: Gegenstand der Einzelabrechnung oder Worauf bezieht sich der Beschluss der Eigentümer? Folie 13 Kernthesen Abrechnung ersetzt den Wirtschaftsplan nicht. Forderungen bestehen aus Wirtschaftplan grds. fort. Abrechnung korrigiert aber im Umfange der Abrechnungsspitze: - Neuer, weiterer Anspruch in Höhe der Abrechnungsspitze oder - Reduzierung der Wirtschaftsplanforderung im Umfange der Abrechnungsspitze. Folie 14 7
Ständige BGH-Rechtsprechung BGH v. 4.12.2009 - V ZR 44/09, Tz. 13: Der Beschluss über die Jahresabrechnung begründet Verpflichtungen der Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft, Nachzahlungen zu leisten, soweit die anteilig auf die einzelnen Wohnungseigentümer umgelegten tatsächlich entstandenen Lasten und Kosten hinter den mit dem Wirtschaftsplan beschlossenen (Soll-)Vorschüssen zurückbleiben. [sog. Abrechnungsspitze] BGHZ 131, 228 = NJW 1996, 725 (Erwerb) BGH NJW 1994, 1866 (Insolvenz) Folie 15 LG Nürnberg-Fürth v. 30.11.2009 Beschließen Wohnungseigentümer in einer Jahresabrechnung zugleich auch über Altforderungen, die bereits in früheren Jahresabrechnungen beschlossen wurden, so ist der Beschluss insoweit mangels Beschlusskompetenz nichtig. Folie 16 8
Zeitabschnitte 01.01. 31.12. Beschluss Wirtschaftsplan Abzurechnendes Jahr Beschluss Abrechnung Beitragsforderung entsteht Fälligkeit der Vorschüsse Vorschusszahlungen? Klageerhebung? Titulierung? jeweils gegen derzeitigen Eigentümer Beitragsforderung bleibt bestehen, wird nur angepasst mit belastender Wirkung nur gegen aktuellen Eigentümer. Folie 17 Beispiel eines Anschreibens Folie 18 9
Tipp 2 Weisen Sie in den Einzelabrechnungen den Abrechnungsspitze aus und lassen darüber beschließen! Folie 19 Teil 3: Zweckbindung der Rücklage oder Wie beschließen die Eigentümer, was dazu gehört? Folie 20 10
Rücklagenbildung durch Zweckbindung Prägendes Merkmal: Zweckbindung - Guthaben der (rechtsfähigen) Eigentümergemeinschaft - das von den Eigentümern zur Bestreitung von Instandhaltungsmaßnahmen angesammelt wird Rücklage entsteht - nicht durch Umbuchung auf Festgeldkonto (zwei Taschen), - sondern durch Zahlungseingang (Hausgeld, Zinsen) diesbezügliche Zweckbeschluss (WP, ) Folie 21 Beschlussvorschlag Zweckbindung Geldmittel, die der Eigentümergemeinschaft als Zinsen aus Geldanlagen [...] zufließen, werden der Instandhaltungsrücklage zugewiesen. Geldmittel, die der Eigentümergemeinschaft als Erlöse aus dem Betrieb des Waschautomaten zufließen (Waschmarkenerlöse), werden der Instandhaltungsrückrücklage zugewiesen.... Folie 22 11
Zwecke des Hausgelds und Teilzahlungen (Monatliche) Hausgeldrate ist einheitliche Forderung, zusammengesetzt aus Berechnungspositionen - Bewirtschaftungskosten (Lasten- und Kostentragung) - Instandhaltungsrücklage Verrechnung von Zahlungen auf mehrere Raten (BGB): - Tilgungsbestimmung des Eigentümers (schlüssig, insb. Höhe) - Gesetzliche Tilgungsreihenfolge (zunächst ältere) Verrechnung von Teilzahlungen auf einzelne Raten ist durch Beschluss zum WP zu regeln. Folie 23 Beschlussvorschlag Teilzahlungen Erbringen Eigentümer Teilzahlungen auf ihre Beitragspflichten aus dem Einzelwirtschaftsplan, so sind diese Zahlungen quotal auf die Positionen Bewirtschaftungskosten einerseits und Instandhaltungsrücklage andererseits jeweils in dem Verhältnis anzurechnen, wie es dem Verhältnis dieser Positionen im jeweiligen Einzelwirtschaftsplan entspricht. Alternativvorschlag: Erbringen Eigentümer Teilzahlungen auf ihre Beitragspflichten aus dem Einzelwirtschaftsplan, so sind diese Zahlungen zunächst auf die Bewirtschaftungskosten und erst, wenn diese gedeckt sind, auf die Beitragsverpflichtung zur Instandhaltungsrücklage anzurechnen. Folie 24 12
Zweckbindung und Liquidität Zweckbindung verbietet grundsätzlich die Verwendung von Mitteln der Rücklage, um Liquiditätslöcher zu decken. Ausnahme bedarf eines Beschlusses. Folie 25 Beschlussvorschlag Liquiditätshilfe Der Verwalter wird ermächtigt, Mittel der Instandhaltungsrücklage zur Zwischenfinanzierung von Liquiditätsengpässen zu verwenden. Der hierfür verwandte Betrag darf insgesamt...euro (1/4 der Plansumme des Jahreswirtschaftsplans) nicht überschreiten. Folie 26 13
Beschlusskompetenz Beschluss bedarf zur Wirksamkeit Beschlusskompetenz: Beschluss im jeweiligen Wirtschaftsplan (sicherer Weg) Beschlusskompetenz folgt aus - 28 Abs. 5 WEG (Annex zum Wirtschaftsplan) Allgemeiner Beschluss für alle Wirtschaftsjahre: Beschlusskompetenz folgt aus - 21 Abs. 3 WEG (str.) - 21 Abs. 7 WEG (str.) Folie 27 Tipp 3 Lassen Sie beschließen - ggf. über die Widmung sonstiger Einnahmen für die Instandhaltungsrücklage - über die Verrechnung von Teilzahlungen - über eine Liquiditätshilfe Folie 28 14
Teil 4: Darstellung der Rücklage oder Warum sind wir auf dem Weg zum Vermögensstatus? Folie 29 Forderung des BGH Den Eigentümern muss deutlich werden, in welchem Umfange Mittel für Instandsetzungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Folie 30 15
Darstellung der Rücklagenentwicklung Bezeichnung Soll-Betrag Ist-Betrag ---------------------------------------------------------------------------------- I. Anfangsbestand 1.1.2010 50.000,00 50.000,00 II.1 Zuführung durch Hausgeld 1.200,00 1.000,00 II.2 Zuführung durch Zinsen 123,45 123,45 II.3 Zuführung durch Waschmarken 220,00 220,00 III. Entnahme Rücklage (Dach) - 4.000,00-4.000,00 -------------------------------- IV. Endbestand 31.12.2010 47.543,45 47.343,45 Ausstehende Beiträge 200,00 Was ist mit Liquiditätshilfen, die Ist schmälern? Folie 31 Zusätzlich: Vermögensstatus Bezeichnung Betrag ---------------------------------------------------------------------------------- I.1 Saldo Festgeldkonto 40.000,00 I.2 Saldo Girokonto 2.901,91 I.3 Saldo Hauskasse 345,67 II.1 Fehlbetrag 2010 (Summe der Spitzen ) 870,00 II.2 Rückstand Wirtschaftsplan 2010 350,00 II.3 Rückstand Abrechnung 2009 195,87 III. Ölbestand (bezahlt, aber nicht verteilt) 3.000,00 IV. Gebühren Messdienst (verteilt, nicht gezahlt) - 120,00 -------------------------------- V. Vermögensbestand per 31.12.2010 47.543,45 Folie 32 16
Tipp 4 Nehmen Sie in Ihre Abrechnung einen Vermögensstatus auf, um den Eigentümern die tatsächliche Vermögenslage transparent darzustellen. Folie 33 Teil 5: Darstellung der offenen Forderungen oder Wer gehört an den Pranger? Folie 34 17
Darstellung aller Abrechnungsergebnisse Folie 35 Teil 6: Fazit oder Welche Bestandteile sollte eine Abrechnung haben? Folie 36 18
Bestandteile einer Abrechnung 1. Anschreiben 2. Gesamtdarstellung der Einnahmen und Ausgaben 3. Einzelabrechnung 4. Übersicht über alle Abrechnungsergebnisse 5. Entwicklung der Instandhaltungsrückstellung und Vermögensstatus ZMR-Sonderheft 2011 www.vnwi.de DWE 4/2010 www.hausundgrund.de Folie 37 Es geht weiter... LG Köln v. 7.10.2010 29 S 57/10 Es ist unschädlich, wenn der Verwalter bei Eigentümerwechsel zwei Abrechnungen erstellt. LG München I v. 20.12.2010-1 S 8436/10 Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass sowohl die Gesamtgemeinschaft als auch die Untergemeinschaften Jahresabrechnungen aufstellen sollen, besteht eine Beschlusskompetenz der Untergemeinschaft zur Genehmigung der Jahresabrechnung nur, soweit durch diese Abrechnung gemeinschaftsbezogene Zu- und Abflüsse auf die Miteigentümer der Untergemeinschaft verteilt werden, die zuvor durch die Abrechnung der Gesamtgemeinschaft der Untergemeinschaft wirksam zugewiesen wurden. Folie 38 19
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld florian.jacoby@uni-bielefeld.de www.jura.uni-bielefeld.de/fir/ Folie 39 20