Keywords Neurogenic claudication, leg pain, spinal stenosis

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Transkript:

Übersichtsarbeit 303 Claudicatio spinalis A. Mehrkens; B. Jeanneret Spinale Chirurgie, Universitätsspital Basel/Schweiz Schlüsselwörter Claudicatio spinalis, Beinschmerzen, Spinalkanalstenose Zusammenfassung Die Claudicatio spinalis ist ein Leitsymptom der lumbalen Spinalkanalstenose und eine wichtige und häufige Differenzialdiagnose bei Beinschmerzen. Eine genaue Anamnese kann bei oft relativ unauffälliger klinischer Untersuchung bereits häufig zur richtigen (Vermutungs-)Diagnose führen, welche mittels Magnetresonanz-Tomographie oder Myelographie-CT bestätigt wird. Wenn keine relevanten neurologischen Ausfälle bestehen, kann zuerst konservativ mittels Analgesie, periduralen Kortisoninfiltrationen und Physiotherapie behandelt werden. Bei Versagen der konservativen Therapie oder bei Auftreten neurologischer Ausfälle profitieren die meisten Patienten von einer operativen Dekompression des Spinalkanals, je nach Befund mit eventuell zusätzlicher Stabilisation. Korrespondenzadresse Dr. med. Arne Mehrkens Prof. Dr. med. Bernhard Jeanneret Spinale Chirurgie, Universitätsspital Basel Spitalstrasse 21, CH-4031 Basel/Schweiz E-Mail: bernhard.jeanneret@usb.ch Keywords Neurogenic claudication, leg pain, spinal stenosis Summary Neurogenic claudication is a cardinal symptom of lumbar spinal stenosis and an important and frequent differential diagnosis in reported leg pain. Whereas findings are often relatively normal on clinical examination, a detailed anamnesis can frequently lead to the correct (suspected) diagnosis, which is subsequently confirmed by magnetic resonance imaging or CT myelography. In the absence of any relevant neurological deficits, conservative treatment with analgesia, peridural cortisone injections and physiotherapy can initially be attempted. If conservative treatment fails or neurological deficits occur, most patients benefit from surgical decompression of the spinal canal, with additional stabilisation if appropriate. Zitierweise des Beitrages/Cite as: Neurogenic claudication Phlebologie 2014; 43: 303 307 DOI: http://dx.doi.org/10.12687/phleb2223-6-2014 Eingereicht: 22. Juli 2014 Angenommen: 12. August 2014 English version available at: www.phlebologieonline.de Die betroffenen Patienten beschreiben Beinschmerzen, die nach einer gewissen Gehstrecke oder beim Stehen auftreten und in einem oder beiden Beinen von proximal nach distal ausstrahlen. Die Schmerzen sind radikulär angeordnet, d.h. sie strahlen also je nach betroffenem Segment über das Gesäß bis zum Knie, zur Großzehe, in die Wade oder zum lateralen Fußrand aus und gehen manchmal mit Kribbelparästhesien im Ausbreitungsgebiet des entsprechenden Nerven einher, manchmal auch mit einer gehabhängigen Beinschwäche. Die Schmerzen werden im Stehen oder während des Gehens so heftig, dass die Patienten nach einer gewissen Zeit absitzen oder sich nach vorne beugen müssen. Manchmal werden zudem die Beine während des Gehens so unsicher, dass die Patienten deswegen absitzen müssen, Misstritte machen oder gar umfallen. Normalerweise verschwinden die beschriebenen Beschwerden innerhalb weniger Minuten sobald der Patient sich hinsetzt oder nach vorne beugt. Patienten mit einer Claudicatio spinalis klagen selten über Rückenschmerzen. Ein eindeutig gehstreckenabhängiger Rückenschmerz kann allerdings gelegentlich einziges klinisches Symptom einer Spinalkanalstenose sein. Die Patienten klagen dann nicht über bewegungsabhängige oder belastungsabhängige Rückenschmerzen, sondern nur über gehabhängige Rückenschmerzen, welche verschwinden, sobald sich der Patient nach vorne neigt oder absitzt. Die Claudicatio spinalis ist das Leitsymptom der lumbalen Spinalkanalstenose (LSKS), eine der häufigsten Pathologien an der Wirbelsäule. Die betroffenen Patienten beschreiben typischerweise Beinschmerzen, welche beim Gehen oder Stehen allmählich auftreten und die Gehstrecke zunehmend einschränken. In Anbetracht des klinischen Erscheinungsbildes ist die Claudicatio spinalis eine wichtige Differenzialdiagnose insbesondere der Claudicatio intermittens vaskulärer Genese. Im Folgenden werden klinisches Bild, Ätiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie der symptomatischen LSKS besprochen. Klinisches Bild Ätiologie der lumbalen Spinalkanalstenose Grundsätzlich lässt sich die lumbale LSKS in angeborene (primär) und erworbene Formen (sekundär) einteilen. Zu den primären Ursachen der LSKS gehört z.b. die Achondroplasie. Dabei wachsen die Pedikel nicht normal, der Spinalkanal bleibt sehr eng (1). Die weitaus häufigere, nämlich die erworbene Form der LSKS ist in der Regel degenerativ bedingt (siehe unten). Im Prin-

304 A. Mehrkens, B. Jeanneret: Claudicatio spinalis Abb. 1 Links im Bild ist der Wirbelkörper L5 einer jungen Person abgebildet, rechts einer alten Person. Links ist der Spinalkanal normal weit, nicht eingeengt. Rechts wird der Spinalkanal durch große osteo - phytäre Reaktionen der kleinen Wirbelgelenke, durch eine Verkalkung des Ligamentum flavum sowie durch Osteophyten des Wirbelkörpers stark eingeengt. zip kann aber jede Veränderung, welche zu einer Verengung des Spinalkanales führt, zu einer Claudicatio spinalis führen, also auch eine Fraktur, ein Infekt, ein Hämatom oder ein Tumor etc. (2). Degenerativ bedingte Spinalkanal-Stenose der LWS ( Abb. 1): Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer Degeneration der Bandscheiben. Der dadurch bedingte Höhenverlust bedingt im betroffenen Bewegungssegment sowohl eine Protrusion der Bandscheibe von ventral her als auch eine Protrusion der Ligamenta flava von dorsal her: beides führt zu einer Einengung des Spinalkanals. Zusätzlich führt die veränderte Biomechanik zur Degeneration der Fassettengelenke, deren Hypertrophie wie auch entzündlich reaktiven Prozesse des Weichteilgewebes wesentlich zur Verminderung des Spinalkanal-Querschnittes beitragen. Nicht nur der Spinalkanal selbst, sondern auch die Foramina intervertebralia werden eingeengt: dies ist einerseits durch die Verschmälerung der Bandscheibe, anderseits durch die Gelenksarthrose bedingt. Somit können die Nerven also sowohl im Spinalkanal selbst als auch im Foramen intervertebrale eingeengt werden. Pathophysiologische Betrachtungen Die klinischen Beschwerden der LSKS werden durch eine funktionelle neuronale Hypoxie der Nervenwurzeln verursacht. Diese ist durch die Einengung im Spinalkanal oder im Foramen intervertebrale bedingt, welche ihrerseits zu einer mechanische Kompression der Nervenwurzel selbst sowie der intraspinalen vaskulären Strukturen führt. Die dabei entstehende mechanisch bedingte venöse Stauung und arterielle Minderperfusion führen zu einem intraneuronalen Ödem mit nachfolgender Hypoxie und vorübergehenden Funktionsstörung der entsprechender Nervenwurzel. Mit der Zeit kann auch schrittweise eine Fibrosierung der neuronalen Strukturen auftreten (3). Die Einengung des Spinalkanales ist in Lordose und unter Belastung, also im Stehen und im Gehen, aber auch beim flach auf dem Rückenliegen am ausgeprägtesten ( Abb. 2). In Kyphose (Sitzen, Fahrrad fahren, sich nach vorne neigen, Beugen) werden die Ligamenta flava, die Gelenkkapseln, das hintere Längsband sowie der dorsale Anteil des Anulus fibrosus gedehnt. Dabei nehmen diese Strukturen relativ weniger Volumen im Spinalkanal ein, der Spinalkanal wird also etwas weiter, wodurch auch die Kompression der intraspinalen Strukturen abnimmt und die Symptome verschwinden. Diagnostik Abb. 2 Lumbale Myelographie in Extension (links) und Inklination (rechts). In Extension ist der Spinalkanal auf Höhe L2 bis L5 stark eingeengt, während er in Inklination viel weiter ist und nicht mehr eingeengt erscheint (siehe auch Text). Wichtigster Baustein in der Diagnosestellung der symptomatischen LSKS mit Claudicatio spinalis ist die sehr typische Anamnese (siehe klinisches Bild). Die klinische Untersuchung der Patienten ist dagegen häufig weitgehend unauffällig bzw. altersentsprechend. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit ist in der Regel nicht oder unwesentlich eingeschränkt und nicht schmerzhaft, einzelne Reflexe können fehlen (bis zu 65 %)(4, 5), was im Alter dieser Patienten aber auch andere Ursachen haben kann (z.b. periphere Polyneuropathie). Radikuläre Ausfälle werden erst sehr spät im Krankheitsverlauf beobachtet. Phlebologie 6/2014 Schattauer 2014

A. Mehrkens, B. Jeanneret: Claudicatio spinalis 305 Goldstandard zur bildgebenden Darstellung der LSKS ist die Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) ( Abb. 3a), da hiermit die neuralen Strukturen und deren eventuelle Beeinträchtigung am besten dargestellt werden können (6). Sollte eine MRT nicht möglich sein (z.b. wegen eines Herzschrittmachers), ist auch eine Myelographie mit Funktionsaufnahmen in Reklination und Inklination mit anschließendem CT sehr aussagekräftig (7). Mittels Myelographie können außerdem Stenosen, welche erst unter Belastung (d.h. im Stehen) zu einer relevanten Kompression führen, dargestellt werden. Sollten keine Kontraindikationen bestehen, kommt zur Beantwortung dieser speziellen Frage auch ein sogenanntes upright -MRI in Frage dies ist jedoch nur begrenzt verfügbar und die richtige Interpretation der erstellten Abbildungen nicht immer ganz einfach (8). In unklaren Situationen kann eine diagnostische peridurale Kortisoninfiltration hilfreich sein. Verschwinden die Beschwerden oder werden dadurch vorübergehend wesentlich gelindert, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Spinalstenose für die Beschwerden verantwortlich ist (9). Bei eindeutig radikulären Schmerzen ohne sicheres radiologisches Korrelat kann zudem die eine oder andere Nervenwurzel diagnostisch anästhesiert werden. Verschwindet der Schmerz vorübergehend nach einer solchen Infiltration, ist der anästhesierte Nerv höchstwahrscheinlich für die Beschwerden verantwortlich. Therapie Es stehen prinzipiell zwei Behandlungsmöglichkeiten zur Auswahl. Die konservative oder die chirurgische Behandlung (10). Die konservative Behandlung ist solange möglich, wie der Patient mit seinen Beschwerden umgehen kann und keine neurologischen Ausfälle bestehen. Sobald neurologische Ausfälle auftreten ist allerdings eine chirurgische Dekompression dringlich, da diese Ausfälle irreversibel sein können. Ziel der Therapie ist die Verbesserung der Lebensqualität, d.h. die Schmerzreduktion und Verlängerung der Gehstrecke. Konservative Behandlung Medikamentöse Behandlung An Analgetika sind Medikamente aus der Gruppe der NSAID Mittel der ersten Wahl, soweit keine Kontraindikationen bestehen. Sollte dies nicht ausreichen, kann nach Stufenschema die Analgesie auch mit Medikamenten aus der Gruppe der Opioide weiter ausgebaut werden. Auch Antiepileptika (z.b. Gabapentin oder Pregabalin) sowie Antidepressiva können hilfreich sein (11) (12). Physiotherapeutische Behandlung Mit der Physiotherapie wird eine Entlordosierung der LWS angestrebt. Hierbei ist es wichtig, den Patienten zu regelmäßigen Abb. 3a 75-jähriger Mann mit typischer Claudicatio spinalis infolge Spinalkanalstenose bei degenerativer Spondylolisthese L4/5. Das konventionelle Röntgenbild (links) zeigt mäßige degenerative Veränderungen der gesamten LWS sowie auf Höhe L4/5 eine leichte degenerative Spondylolisthesis infolge Destruktion der kleinen Wirbelgelenke. Das sagittale MRT-Bild (Mitte) zeigt die Spondylolisthesis L4/5, wobei der Spinalkanal auch stark eingeengt wird. Im axialen Bild (rechts) wird die massive Einengung des Spinalkanales sichtbar. Die Dura wird durch die stark arthrotisch destruierten und vergrößerten Gelenkfortsätze sowie durch das dicke Ligamentum flavum massiv eingeengt.

306 A. Mehrkens, B. Jeanneret: Claudicatio spinalis entsprechenden Heimübungen zu motivieren. Zusätzlich zu den spezifischen Übungen ist regelmäßige körperliche Aktivität wie Fahrrad fahren oder (Rücken-) Schwimmen zu empfehlen soweit dies der Gesamtgesundheitszustand des Patienten zulässt (13). Abb. 3b Post-operative Röntgenbilder: In Anbetracht der starken Destruktion der kleinen Wirbelgelenke wurde nicht nur eine Dekompression, sondern auch eine Stabilisation des Bewegungssegmentes L4/5 mittels einem Pedikelsystem vorgenommen. Peridurale Kortisoninfiltrationen Sollte unter der obgenannten konservativen Therapie keine ausreichende Besserung erreicht werden, besteht als weitere nicht-operative, aber invasive Methode die Möglichkeit der epiduralen Steroidinfiltration. Diese kann bei gewissen Patienten die Schmerzen während Wochen bis Monaten unterdrücken. Diese Infiltrationen können auch, bei gutem Ansprechen, wiederholt werden. Die Erfolgsraten dieser Option sind allerdings heterogen, ebenso wie die Wirkdauer nach positivem Ansprechen (14). Auch wenn durch die konservativen Therapiemaßnahmen die strukturellen Veränderungen im Spinalkanal und degenerative Prozesse an der Wirbelsäule nicht korrigiert werden können, erfährt eine große Anzahl von Patienten dadurch zumindest initial eine deutliche Verbesserung ihrer Beschwerden. Abb. 3c Die post-operative MRT zeigt sowohl im sagittalen als auch im axialen Bild weite Verhältnisse im Spinalkanal (beide Schichten entsprechen den Schichten von Abb. 3a). Chirurgische Behandlung Nach Versagen der konservativen Therapie oder bei Auftreten neurologischer Ausfälle ist die operative Therapie indiziert ( Abb. 3). Ziel jeder operativen Technik ist eine ausreichende Erweiterung des Spinalkanals und Dekompression der neuronalen Strukturen bei weitestgehender Schonung der umliegenden Strukturen und dadurch Erhalt der Stabilität der Wirbelsäule. Je nach Befund (z.b. beim Vorliegen einer degenerativen Spondylolisthesis) muss das Bewegungssegment evtl. zusätzlich chirurgisch stabilisiert werden. Dies geschieht am sichersten mittels eines Pedikelsystems ( Abb. 3b), eventuell kombiniert mit einer interkorporellen Fusion mit Cage-Einlage. Diese operative Behandlung zeigt hervorragende Resultate mit schlagartiger post-operativer Beschwerdefreiheit bei bis zu 90 % der operierten Patienten (15 17). Phlebologie 6/2014 Schattauer 2014

A. Mehrkens, B. Jeanneret: Claudicatio spinalis 307 Literatur 1. Singh K, Samartzis D, Vaccaro AR, Nassr A, Andersson GB, Yoon ST, et al. Congenital lumbar spinal stenosis: a prospective, control-matched, cohort radiographic analysis. Spine J 2005; 5(6): 615 622. 2. Arnoldi CC, Brodsky AE, Cauchoix J, Crock HV, Dommisse GF, Edgar MA, et al. Lumbar spinal stenosis and nerve root entrapment syndromes. Definition and classification. ClinOrthopRelat Res 1976(115): 4 5. 3. Katz JN, Harris MB. Clinical practice. Lumbar spinal stenosis. NEJM 2008; 358(8): 818 825. 4. Jenis LG, An HS. Spine update. Lumbar foraminal stenosis. Spine (Phila Pa 1976). 2000;25(3):389 94. 5. Kim SL, Lim RD. Spinal stenosis. Dis Mon 2005; 51(1): 6 17. 6. Boden SD, Davis DO, Dina TS, Patronas NJ, Wiesel SW. Abnormal magnetic-resonance scans of the lumbar spine in asymptomatic subjects. A prospective investigation. J Bone Joint Surg Am 1990; 72(3): 403 408. 7. Modic MT, Masaryk T, Boumphrey F, Goormastic M, Bell G. Lumbar herniated disk disease and canal stenosis: prospective evaluation by surface coil MR, CT, and myelography. AJR Am J Roentgenol 1986; 147(4): 757 765. 8. Kanno H, Endo T, Ozawa H, Koizumi Y, Morozumi N, Itoi E, et al. Axial loading during magnetic resonance imaging in patients with lumbar spinal canal stenosis: does it reproduce the positional change of the dural sac detected by upright myelography? Spine (Phila Pa 1976) 2012; 37(16): E985 992. 9. Dvorak J, Grob D. [Epidural injections. What is certain?]. Orthopade 2004; 33(5): 591 593. 10. Atlas SJ, Keller RB, Wu YA, Deyo RA, Singer DE. Long-term outcomes of surgical and nonsurgical management of lumbar spinal stenosis: 8 to 10 year results from the maine lumbar spine study. Spine (Phila Pa 1976) 2005; 30(8): 936 943. 11. Yaksi A, Ozgönenel L, Ozgönenel B. The efficiency of gabapentin therapy in patients with lumbar spinal stenosis. Spine (Phila Pa 1976. 2007; 32(9): 939 942. 12. Orbai AM, Meyerhoff JO. The effectiveness of tricyclic antidepressants on lumbar spinal stenosis. Bull NYU Hosp Jt Dis 2010; 68(1): 22 24. 13. Watson L, Ellis B, Leng GC. Exercise for intermittent claudication. Cochrane Database Syst Rev. 2008(4): CD000990. 14. Cohen SP, Bicket MC, Jamison D, Wilkinson I, Rathmell JP. Epidural steroids: a comprehensive, evidence-based review. Reg Anesth Pain Med 2013; 38(3): 175 200. 15. Jeanneret B, Odstrcilik E, Forster T. [Degenerative spinal canal stenosis in lumbar spine: clinical view and treatment.]. Acta Chir Orthop Traumatol Cech 1997; 64(3): 133 143. 16. Schaeren S, Broger I, Jeanneret B. Minimum fouryear follow-up of spinal stenosis with degenerative spondylolisthesis treated with decompression and dynamic stabilization. Spine (Phila Pa 1976) 2008; 33(18): E636 642. 17. Schnake KJ, Schaeren S, Jeanneret B. Dynamic stabilization in addition to decompression for lumbar spinal stenosis with degenerative spondylolisthesis. Spine (Phila Pa 1976) 2006; 31(4): 442 449. CME Bilden Sie sich fort! Mit cme.schattauer.de Für Abonnenten kostenfrei! O. Nelzén. Great uncertainty regarding treatment of varicose vein recurrence. Phlebologie 2014; 43: 13 18. Teilnahmeschluss: 18.02.2015 G. Mosti. Compression treatment in venous insufficiency and arterial disease. Phlebologie 2014; 43: 127 133. Teilnahmeschluss: 17.06.2015 R. E. Scharf; M. A. Pestka. Medikamentöse Thromboembolie-Prophylaxe in Gynäkologie und Geburtshilfe. Hämostaseologie 2014; 34: 277 288. Teilnahmeschluss: 06.11.2015 www.phlebology.ch Schweizerische Gesellschaft für Phlebologie Société Suisse de Phlébologie