(eine empirische Pilotstudie)

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Transkript:

Der Einfluss der vorherigen Lektüre einer emotional getönten Geschichte auf den Leser einer neutralen Geschichte Die Stimmungslage beeinflusst die Erinnerung und Phantasie (eine empirische Pilotstudie) Facharbeit LK Psychologie bei Herrn Schürmans im Schuljahr 2016/17 am Humboldt Gymnasium Köln von Nina Marie Huber Köln, 12.3.17

2 Inhaltsverzeichnis Einleitung...3 Fragestellung...3 Der Paradigmenwechsel in der Gedächtnisforschung...3 Methodik und Durchführung der Untersuchung...5 Darstellung der Ergebnisse...6 Interpretation der Ergebnisse...8 Fazit und weiterführende Fragestellung...9 Literaturverzeichnis...10 Erklärung zur Selbstständigkeit der Arbeit...11 Graphische Ergebnisdarstellung, Fragebögen, verwendete Geschichten...12-14

3 Einleitung Studien aus der kognitiven Psychologie über das Gedächtnis zeigen, dass das Erinnern von biografischem Material nicht wie der Abruf von Dateien von einer Festplatte funktioniert, sondern erheblich beeinflusst wird von dem emotionalen Zustand, in dem man sich während des Erinnerns befindet. Bei jedem Erinnern wird das Erinnerte neu konstruiert. Fragestellung Hieraus ergibt sich die Frage, ob auch das Erinnern von nicht-autobiographischem Material beeinflusst wird durch den emotionalen Zustand zum Zeitpunkt des Erinnerns. Um diese Frage zu untersuchen, müssen Probanden in einen definierbaren emotionalen Zustand versetzt werden, bevor sie inhaltlich neutrales Material erinnern sollen, das ihnen zuvor präsentiert wurde. Die Hypothese lautet dann, dass je nach emotionalem Zustand das neutrale Material anders wahrgenommen und erinnert wird. Der Paradigmenwechsel in der Gedächtnisforschung Zunächst soll dargestellt werden, wie aus heutiger wissenschaftlicher Sicht das Erinnern von biographischem Material durch Emotionen beeinflusst wird. In der Forschung bezüglich des sogenannten episodischen Gedächtnisses (autobiographisches Gedächtnis), welches einen Teil des Langzeitgedächtnisses ausmacht, also der biographischen Erinnerungen aus länger zurückliegender Zeit und der Sammlung der persönlichen Erfahrungen, hat es in den letzten 40 Jahren einen Paradigmenwechsel (Konzeptwechsel) gegeben, den sogenannten konstruktivistischen Paradigmenwechsel 1. Zuvor hatte man angenommen, dass Erinnerungen unverändert abgespeichert werden in bestimmten Regionen des Gehirns und von dort 1:1 während des Vorgangs des Erinnerns genauso wieder abgerufen werden, wie sie abgespeichert wurden. Vor allen Dingen empirische Studien von Daniel Schacter in Harvard und anderen haben gezeigt, dass sich Erinnerungen jedoch verändern können im Laufe der Zeit und auch in 1 Unter Konstruktivismus versteht man in der Neurobiologie die Vorstellung, dass das Gehirn die Wirklichkeit nicht abbildet wie eine Kamera, sondern in der Wahrnehmung der Außenwelt ständig neu entwirft (konstruiert).

4 Abhängigkeit von den Bedingungen, unter denen die Erinnerung stattfindet. Im wesentlichen war es der aus Norwegen stammende kanadische Wissenschaftler Endel Tulving, der herausfand, dass die Situation, in welcher etwas erinnert wird, die Erinnerung selbst, d.h. die erinnerten Inhalte, beeinflusst. Endel Tulving beschrieb das Prinzip der Enkodierungsspezifität: "Gedächtnisinhalte kommen am leichtesten wieder, wenn der Kontext des Abrufs mit dem Kontext der Enkodierung übereinstimmt" 2. Tulving verwendet als anschauliches Beispiel eine Beschreibung von Marcel Proust aus seinem berühmten Werk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" 3 : Seine Mutter hatte ihm einen Lindenblütentee angeboten. Er tauchte eine petite madeleine (französisches Gebäck) in den Tee und im selben Moment tauchte sehr lebendig eine Erinnerung an seine Tante Léonie in Combray auf. Sie hatte ihm immer Lindenblütentee mit petites madeleines angeboten. Er erinnerte sich mit allen Sinnen an das Haus der Tante in Combray und erinnerte sich an viele Details. Tulving spricht an Hand dieser Beschreibung von Proust von einem sogenannten zustandsabhängigen Abruf 4. Dieser beschreibt, dass der Hinweisreiz, welcher dazu führt, dass der Gedächtnisinhalt erinnert (ekphorisiert) wird, möglichst genau der Situation entsprechen soll, in welcher eben dieser Gedächtnisinhalt gespeichert (enkodiert) wurde. Das Engramm und die Umstände seiner Speicherung bestimmen also, welche Hinweisreize später notwendig sind, damit es ekphorisiert, also in einen aktuell erinnerten Zustand verwandelt werden kann. Nach den oben geschilderten wissenschaftlichen Ergebnissen sind detailgenaue Erinnerungen sehr stark abhängig von der Situation, in welcher erinnert wird. Dabei spielen Emotionen eine besonders wichtige Rolle. Das "petites madeleines Phänomen" bedeutet, dass bei einem entsprechenden Triggerreiz in der aktuellen Situation alles assoziiert und erinnert wird, was damals in einer vergleichbaren Situation abgespeichert wurde. Ist die aktuelle Situation in einer bestimmten Weise emotional getönt, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ähnlich emotional getönte Aspekte der damals stattgefundenen Situation jetzt auch bevorzugt erinnert werden. 2 zit. n. Gerrig, Richard J. (Hg.): Psychologie. (Pearson) 2015, S. 252-253 3 Proust, Marcel: A la recherche du temps perdu, (Gallimard) 2003, S.44 ff. 4 Tulving, Endel: Elements of episodic memory. (New York, Oxford Univ. Press) 1983, S.127

5 Deswegen kann hypothetisch angenommen werden, dass eine neutrale Geschichte, deren Ende erzählerisch offen bleibt, in verschiedener Weise erinnert wird, je nachdem, wie die Stimmungslage des Lesers beim Erinnern der Geschichte ist. Auf diese Stimmungslage lässt sich vermutlich (Hypothese) dadurch Einfluss nehmen, dass eine Probanden-Gruppe zuvor eine traurige und die andere Gruppe eine Geschichte mit einem guten Ende liest. Die Hypothese ist dann, dass diejenigen, deren Stimmungslage durch das Lesen einer traurigen Geschichte negativ beeinflusst wurde, die neutrale Geschichte anders abspeichern und erinnern, als diejenigen, deren erste Geschichte gut ausgegangen ist. Dies lässt sich überprüfen, indem man die Erwartung bezüglich des Ausgangs der neutralen Geschichte abfrage mit Hilfe von emotional gefärbten Polaritätsprofilen (gegensätzliche Begriffe, verbunden mit einer Linie, auf welcher ein Kreuz gesetzt wird an der Stelle, die den momentanen Empfindungen am ehesten entspricht). Methodik und Durchführung der Untersuchung Zwei Schülergruppen, die sich in demographischen Variablen möglichst wenig unterscheiden sollen (Alter, Geschlecht, Schulbildung ), erhalten jeweils zwei Texte. Der erste Text ist so verfasst, dass er beim Lesen ein trauriges beziehungsweise ein frohes Gefühl hinterlassen soll. Es handelt sich beide Male um die Geschichte eines entlaufenen, geliebten Haustieres. Die eine Gruppe erhält einen Text, in dem das Tier glücklich zurückkehrt, die Geschichte der anderen Gruppe geht schlecht aus, das Tier stirbt. Die Annahme ist, dass nach dem Lesen dieser Geschichte der Leser sich in einem entweder frohen oder traurigen Gefühlszustand befindet und dies einen Einfluss hat auf die Abspeicherung und spätere Erinnerung einer zweiten Geschichte, die danach gelesen wird und deren Ende offen gelassen wurde. Auch diese Geschichte handelt davon, dass ein Tier verloren geht, das Ende bleibt jedoch erzählerisch offen. Es gibt Indizien für und gegen die Annahme eines guten Ausgangs. Danach werden auf einem Fragebogen sogenannte Polaritätsprofile (Semantische Differentiale nach Osgood) 5 ausgefüllt. Es handelt sich um polare Begriffe wie Fröhlichkeit-Traurigkeit oder warmkalt, gut oder schlecht. Auf einer Linie zwischen den beiden Begriffen soll ein Kreuz gesetzt werden. Die Anweisung lautet, nicht lange nachzudenken, sondern spontan und 5 https://de.wikipedia.org/wiki/semantisches_differenzial

6 intuitiv die Kreuzchen zu setzen. Die Auswertung geschieht so, dass der Streckenabschnitt vom jeweils negativen Pol zum Kreuzchen zur Gesamtstrecke zwischen den beiden Polen in Beziehung gesetzt wird. Es werden dann bezüglich jeder Polarität Mittelwerte innerhalb jeder Gruppe gebildet und verglichen. Die Hypothese dieser Pilotstudie lautet also: in der Gruppe, in der zunächst eine traurige Geschichte gelesen wurde, führt diese negative emotionale Vorstimmung dazu, dass der Ausgang der zweiten Geschichte negativ erwartet wird und dementsprechend überwiegend zum negativen Pol hin angekreuzt wird. In der anderen Gruppe ist zu erwarten, dass die Kreuzchen eher im positiven Bereich erfolgen und das Ende der zweiten Geschichte positiv erwartet wird. Um diese Studie in der Schule durchführen zu können, werden die Kinder einer 6. Klasse gebeten, während einer Unterrichtsstunde den Test auszuführen. Die Kinder jeder Gruppe (gleich viel Mädchen wie Jungen pro Gruppe) erhalten zunächst den Bogen mit den beiden Geschichten. Nachdem diese wieder eingesammelt wurden, erhalten Sie den Fragebogen. Darstellung der Ergebnisse Gruppe 1 (positive 1. Geschichte, "Hund") bestand aus 13 Schülern, etwa zur Hälfte Mädchen und Jungs, Gruppe 2 (negative 1.Geschichte, "Katze") bestand aus 14 Schülern, ebenfalls etwa zur Hälfte Mädchen und Jungs (Tabelle 1). Die Rohwerte und Mittelwerte der einzelnen Items sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Zur Auswertung wurde für jede Item-Polarität der Abstand in cm vom negativen Pol (N=0) bis zum Kreuzchen (K) gemessen und durch die Gesamtlänge der Linie zwischen den beiden Polen (L) geteilt: x=( K-N ) / L und als Prozentwert (x*100) angegeben. Beispiel: In der Polarität wurde das Kreuzchen in 6,3 cm Abstand vom negativen Pol (=0) gesetzt. Die Länge der Gesamtlinie betrug 9,2cm. Der Rohwert betrug also (6,3/9,2)*100 = 68,47. Durch diese Form der Auswertung bedeuteten geringe Werte (0% - 50% der Linienlänge) eine negative und höhere Werte (50%-100% der Linienlänge) positive Färbungen. In der Tabelle sind die beiden Gruppen mit dem Titel "Hund"(positive 1.Geschichte) und "Katze"(negative 1.Geschichte) untereinander aufgeführt. In den Zeilen K-W 11 bzw. K-X 30 finden sich die Nummern der Teilnehmer der Gruppe. In den jeweiligen Spalten darunter sind die Rohwerte für jeden Teilnehmer und jede Polarität (Spalte I) aufgeführt. Die Längen der Linien zwischen den Polen finden sich in

7 der Spalte J. Die Ergebnisse (Mittelwert der Rohwerte, Relativwerte (Mittelwerte durch Länge der Linie) und Prozentwerte) finden sich in den Spalten Y bis AA. Danach wurden die Mittelwerte der einzelnen Polaritäten der Gruppe "Hund" von den Mittelwerten der einzelnen Polaritäten der Gruppe "Katze" subtrahiert. Die Annahme war, dass, wenn diese Differenz groß ausfallen würde, die Arbeitshypothese bestätigt wäre. Diese Differenzen finden sich in Spalte AB. Eine erste Auswertung der Rohdaten nach dieser Vorgehensweise ergab folgende Auffälligkeiten: 1. Die Mittelwerte der Gruppen unterschieden sich kaum voneinander. 2. Die beiden Teilnehmer 7H (H=Hund) und 9H waren erheblich auffällig in ihrem Antwortverhalten, indem sie (7H) nur Extremwerte ankreuzten oder (9H) völlig außerhalb der Mittelwerte der Gruppe ankreuzte. Ähnliches war zu beobachten in der anderen Gruppe (7K (K=Katze), 11K, 14K). Diese Teilnehmer unterschieden sich sehr stark von den Mittelwerten ihrer Gruppe. 3. Es zeigte sich deutlich, dass einige Item-Polaritäten eher zu Antworten im mittleren Bereich (40-60%), andere zu sehr hohen, beziehungsweise sehr niedrigen Werten führten. Dabei lagen die Polaritäten in den erwarteten Richtungen. Hieraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass einige Items offenbar trennschärfer sind als andere. Diese Items ermöglichten demnach eine klarere Trennung und ein klareres Ergebnis. Bei Items, die im mittleren Bereich angekreuzt wurden, könnte man auch vermuten, dass diese von den Probanden nicht in inhaltlichen Bezug zu den Geschichten gesetzt werden konnten. Diese Vermutung liegt nahe, da während der Durchführung des Experiments viele Fragen der Teilnehmer zu diesen Polaritäten gestellt wurden. Es wurde dann die Hypothese formuliert, dass vielleicht das Ergebnis klarer zu interpretieren wäre, wenn man die Teilnehmer von der Auswertung ausschließen würde, die sehr weit außerhalb der Gruppenmittelwerte angekreuzt hatten (7H, 9H, 7K, 11K, 14K). In einem zweiten Auswertungsschritt wurden die Teilnehmer dann nicht berücksichtigt, die den oben genannten Ausschlusskriterien entsprachen.

8 Im Ergebnis zeigte sich jetzt eine deutlich klarere Differenz der Mittelwerte zwischen den beiden Gruppen. Der Mittelwert in der Gruppe H (gutes Ende der 1.Geschichte) betrug 44,75% (alle Items, alle Teilnehmer, minimales Item 22,36; maximales Item 66,39). Der Mittelwert der Gruppe K (schlechtes Ende der 1.Geschichte) betrug 35,55% (minimales Item 16,29; maximales Item 72,73). Gruppe H hatte einen größeren Wert als Gruppe K, was bei dieser Form der Auswertung bedeutet, dass Gruppe H eine positivere Erinnerung, beziehungsweise Einschätzung der neutralen 2. Geschichte hatte, Gruppe K hingegen eine mehr negativ geprägte. Die Differenz zwischen den Mittelwerten der beiden Gruppen bezüglich des Items "wiedergefunden" erwies sich als besonders groß (Gruppe H 52,50; Gruppe K 18,27). Hätte man nur dieses Item verwendet, wäre die Arbeitshypothese direkt bestätigt worden. Dieses Ergebnis ist logisch nachzuvollziehen, da der Polaritätsbegriff von den Probanden leicht in Beziehung zur Geschichte gesetzt werden konnte. Das Ergebnis bezüglich der Polarität warm-kalt hingegen ist nicht ohne weiteres verständlich. Diese war gedacht zum Erfragen einer Art Grundstimmung. Die Differenz der Mittelwerte beider Gruppen war bei diesem Item ebenfalls sehr hoch (Gruppe H 48,86; Gruppe K 23,95), dies entsprach der Intention bei der Erstellung des Fragebogens. Interpretation der Ergebnisse Die Studie zeigt, dass beim Erinnern einer neutralen Geschichte, die ergebnisoffen formuliert ist, der Stimmungszustand des Lesers die Erwartung des Ausgangs der Geschichte beeinflusst. Die Stimmungslage wurde durch das Lesen einer weiteren, emotional getönten, Geschichte hervorgerufen. Dieses Ergebnis bedeutet, dass eine Geschichte nicht neutral abgespeichert wird, sondern im Zusammenhang mit den Gefühlen und der Stimmung, die beim Lesen vorhanden waren. Offenbar funktioniert Gedächtnis so, dass der emotionale Kontext von Ereignissen mit abgespeichert wird und deswegen beim Erinnern eine Rolle spielt. Tulving hat die Theorie aufgestellt, dass beim Abspeichern und beim Abruf von Gedächtnisinhalten die Gefühlssituation oder Stimmung eine wesentliche Rolle spielen. Am ehesten vollständig ist eine Erinnerung, wenn sie in dem (emotionalen) Zustand erinnert wird, in dem sie auch abgespeichert wurde. Diese Theorie hat eine enorme Bedeutung. Sie bedeutet, dass Erinnerungen nur

9 dann authentisch sind, wenn es gelingt, den Zustand beim Abspeichern beim Erinnern möglichst genau zu reproduzieren. Sie bedeutet auch, dass es zu falschen Erinnerungen kommen kann, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Für diese Studie bedeutet Tulvings Forschung, dass eine Geschichte, deren Ausgang erzählerisch offen gelassen wurde, nur in wenigen Fällen korrekt, nämlich neutral erinnert wurde (ankreuzen um 50%). Die meisten Probanden erinnerten die neutrale Geschichte emotional getönt, je nachdem was für eine Stimmung zuvor erzeugt worden war beim Lesen der ersten Geschichte. Ein weiteres Konzept aus der wissenschaftlichen Literatur, das für die Interpretation der Ergebnisse dieser Studie herangezogen werden könnte, ist das sogenannte "Priming". Der Begriff Priming bzw. Bahnung bezeichnet in der Psychologie die Beeinflussung der Verarbeitung (Kognition) eines Reizes dadurch, dass ein vorangegangener Reiz implizite Gedächtnisinhalte aktiviert hat 6. Wenn also etwa ein bestimmter Begriff häufig gehört oder gelesen wurde, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er später vorrangig erinnert wird bei entsprechenden Hinweisreizen erhöht. Forscher hatten z.b. den Namen eines bestimmten Bundesstaates häufig erwähnt. In der Folge wurde der Name dieses Bundesstaates von Versuchspersonen häufiger erinnert, wenn nach den Namen von Bundesstaaten gefragt wurde 7. Dieses Konzept kommt für die Interpretation der Ergebnisse dieser Studie jedoch nicht in Betracht, weil es nur kognitive, aber nicht emotionale Vorgänge betrifft. Fazit und weiterführende Fragestellung Mit der Einschränkung der kleinen Teilnehmerzahl bestätigt diese Studie die Arbeitshypothese. Als nächster Schritt käme eine Studie in Frage, die überprüft, ob zum Beispiel auch emotional getönte Bilder (etwa "Der Schrei" von Edward Munch oder ein idyllisches Landschafsgemälde) eine ähnliche Wirkung auf das Gedächtnis haben. Zunächst müssten für die Auswertung trennschärfere Polaritäten entwickelt werden. Man könnte auch untersuchen, ob zum Beispiel eine negative Stimmung die Erinnerung einer positiven Geschichte beeinflusst. 6 https://de.wikipedia.org/wiki/priming_(psychologie) 7 zit. n. Gerrig, Richard J. (Hg.): Psychologie (Pearson) 2015, S. 258

10 Literaturverzeichnis (2) zit. n. Gerrig, Richard J. (Hg.): Psychologie. (Pearson) 2015, S. 252-253 (3) Proust, Marcel: A la recherche du temps perdu, Paris (Gallimard) 2003, S.44 ff. (4) Tulving, Endel: Elements of episodic memory. (New York, Oxford Univ. Press) 1983, S.127 (5) https://de.wikipedia.org/wiki/semantisches_differenzial (6) https://de.wikipedia.org/wiki/priming_(psychologie) (7) zit. n. Gerrig, Richard J. (Hg.): Psychologie. (Pearson) 2015, S. 258

11 Erklärung zur Selbstständigkeit der Arbeit Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen Hilfsmittel verwendet habe. Köln, am 12.3.17

12 80,0 70,0 60,0 50,0 40,0 positiv negativ 30,0 20,0 10,0 0,0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Abbildung Gruppenmittelwerte der einzelnen Polaritäten (1-14, positive Einschätzung blau, negative Einschätzung rot), Gesamt-Gruppenmittelwert (16) Die Graphik zeigt, dass die neutrale Geschichte von den Gruppenmitgliedern, die zuvor eine positive Geschichte gelesen hatten (blau) positiver eingeschätzt wurde als von den Gruppenmitgliedern, welche zuvor eine negative Geschichte gelesen hatten (rot).

13 Die folgenden Fragen betreffen Geschichte 2 (Wellensittich) Links und rechts stehen jeweils zwei gegensätzliche Begriffe. Auf der Linie zwischen den beiden Begriffen kannst Du mit einem Kreuz markieren, wie stark diese Aussage auf die Geschichte 2 zutrifft. Ein Beispiel: traurig X lustig würde bedeuten, dass Du die Geschichte lustig findest und nicht traurig. Hier nun zum Ankreuzen für Dich: es wird gut ausgehen es wird schlecht ausgehen traurig lustig Hoffnung keine Hoffnung hell dunkel allein gemeinsam warm kalt bedrückt befreit lebendig tot schwarz weiss kaputt heil keine Hoffnung Hoffnung glücklich unglücklich verloren wiedergefunden

14 Gruppe K Bitte lies die beiden Geschichten sorgfältig durch. Versuche, Dir alles zu merken. Nur zu einer der beiden Geschichten werde ich Dir später Fragen stellen. Welche Geschichte das sein wird, weißt Du nicht. Also behalte beide Geschichten gut im Gedächtnis! Geschichte 1 Als Tom am morgen, nachdem er gerade aufgewacht war, seinen kleinen Kater Johnny rief, erfolgte keine Reaktion. Tom war es gewohnt, dass Johnny, wenn er ihn rief, mit einem kleinen freudigen Miau in sein Zimmer gelaufen kam, auf seinen Schoß sprang und sich kraulen ließ. Tom bekam ein unangenehmes Gefühl. Er begann ihn in der Wohnung zu suchen. Nirgends war Johnny aufzufinden. Plötzlich sah Tom, dass das Fenster zum Balkon einen Spalt geöffnet war. Jemand aus seiner Familie hatte offenbar vergessen, es zu schließen. Die Wohnung befand sich im Erdgeschoss. Für eine kleine Katze war es kein Problem, das Weite zu suchen. Tom erstarrte vor Angst. Johnny war noch nie zuvor draußen gewesen. Tom begann bei Nachbarn zu fragen und die Gegend um das Haus herum abzusuchen, ständig nach Johnny rufend. Einen ganzen Tag bis spät in den Abend hinein verbrachte die Familie damit, Johnny wiederzufinden. Als der kleine Kater am nächsten Morgen immer noch nicht zurück war, wussten alle, es war etwas schreckliches passiert. Wenig später fand ein Nachbar den leblosen Körper des kleinen Katers am Straßenrand. Geschichte 2 Lisas Wellensittich Fritzi ist entflogen. Es ist nicht das erste Mal. Jemand hat wieder das Fenster aufgelassen, einen Moment zu lang. Letztes Mal dauerte es eine halbe Stunde, dann kam er zurück. Er saß auf dem Fenstersims und hatte offenbar keine Schwierigkeiten gehabt, sich auf dem Weg zurück nach hause zu orientieren. Fritzi ist intelligent und zutraulich, er hat keine Angst vor Menschen. Lisa schaut lange aus dem Fenster, aber sie kann ihn nirgends entdecken. Früher hatte er einmal auf einem Baum gegenüber gesessen. Er war auch schon einmal für mehrere Tage weg, damals kehrte er mit einer Verletzung an einem Flügel zurück. Lisa vertraut darauf, dass er auch diesmal allein zurückfindet. Aber irgend etwas macht ihr Sorgen, etwas fühlt sich anders an diesmal. Ob Fritzi etwas zugestoßen ist?

15 Gruppe H Bitte lies die beiden Geschichten sorgfältig durch. Versuche, Dir alles zu merken. Nur zu einer der beiden Geschichten werde ich Dir später Fragen stellen. Welche Geschichte das sein wird, weißt Du nicht. Also behalte beide Geschichten gut im Gedächtnis! Geschichte 1 Lokalnachrichten, Abendredaktion von, 23.1.2014 Der am gestrigen Vormittag von seinem Besitzer, dem elfjährigen Tom, als vermisst gemeldete einjährige schwarz-weiß gescheckte kleine Hund "Snoopy" wurde heute morgen von einer Nachbarin wohlbehalten wieder aufgefunden. Er hatte den gestrigen Tag und die Nacht in einem Park in der Nähe von Toms Wohnung zugebracht. Der Junge hatte gestern verzweifelt nach seinem kleinen Hund gesucht und sogar handgeschriebene Steckbriefe mit einem Foto seines kleinen Freundes an Bäumen und Laternenpfählen angebracht. Seine Eltern hatten überall in der Nachbarschaft herum telefoniert, niemand hatte Snoopy jedoch gesehen. Überglücklich nahm Tom Snoopy von seiner Nachbarin entgegen. Auch dem kleinen Hund war die Freude anzumerken. "Endlich mal eine Geschichte, die gut ausgeht!" freute sich die Nachbarin. Geschichte 2 Lisas Wellensittich Fritzi ist entflogen. Es ist nicht das erste Mal. Jemand hat wieder das Fenster aufgelassen, einen Moment zu lang. Letztes Mal dauerte es eine halbe Stunde, dann kam er zurück. Er saß auf dem Fenstersims und hatte offenbar keine Schwierigkeiten gehabt, sich auf dem Weg zurück nach hause zu orientieren. Fritzi ist intelligent und zutraulich, er hat keine Angst vor Menschen. Lisa schaut lange aus dem Fenster, aber sie kann ihn nirgends entdecken. Früher hatte er einmal auf einem Baum gegenüber gesessen. Er war auch schon einmal für mehrere Tage weg, damals kehrte er mit einer Verletzung an einem Flügel zurück. Lisa vertraut darauf, dass er auch diesmal allein zurückfindet. Aber irgend etwas macht ihr Sorgen, etwas fühlt sich anders an diesmal. Ob Fritzi etwas zugestoßen ist?