Aus Erfahrungen lernen oder: Warum Lessons Learned (nicht) funktionieren

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Aus Erfahrungen lernen oder: Warum Lessons Learned (nicht) funktionieren

Aus Erfahrungen lernen oder: Warum Lessons Learned (nicht) funktionieren 1. Einleitung Aus Erfahrungen nachhaltig zu lernen und dadurch das Wiederholen von Fehlern zu vermeiden oder gute Praxis auf breiter Basis weiterzugeben und zu nutzen, gehört zum Wesen einer Lernenden Organisation. Es sind Ziele sowohl des Wissensmanagements als auch des Qualitätsmanagements. So stellt die aktuelle Norm ISO 9001 im Kontext Umgang mit dem Wissen der Organisation fest, dass fehlendes Wissen zu erlangen nicht nur durch den Blick nach außen möglich ist, sondern auch durch ein konsequentes und systematisches Lernen aus den eigenen Erfahrungen, also durch eine Nutzung der eigenen organisationalen Wissensbasis. Der Anspruch einer aus kontinuierlichem Lernen heraus erwachsenden kontinuierlichen Verbesserung, hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass Lessons Learned als Methode in die meisten Unternehmen eingezogen ist zumindest in der Theorie. In der Praxis erfüllt dieses Instrument in den wenigsten Fällen die daran geknüpften Erwartungen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. 2. Warum Lessons Learned nicht funktionieren Lessons Learned sind ein Kernelement einer Lernenden Organisation. Um zu verstehen, warum Lessons Learned funktionieren oder eben auch nicht, lohnt daher ein Blick auf das Konzept der Lernenden Organisation. Abbildung 1: Das Wissensmanagement-Modell der Gesellschaft für Wissensmanagement e.v. zeigt, wie das Lernen aus Erfahrungen die Wissensbasis bereichert und auf die Prozessqualität rückwirkt Nach Pedler et al. ist eine Lernende Organisation eine Organisation, die das Lernen aller Organisationsmitglieder ermöglicht und sich selbst transformiert. 1 Lernen findet auf unterschiedlichen Ebenen statt: als individuelles Lernen, soziales Lernen und schließlich organisationales 1 Pedler, Mike et al. (1991) Auf dem Weg zum lernenden Unternehmen. Wiesbaden. S. 60 2 Aus Erfahrungen lernen oder: Warum Lessons Learned (nicht) funktionieren

Lernen, wobei sich letzteres in einer Veränderung der organisationalen Strukturen und Prozesse als Ergebnis des eigentlichen Lernprozesses manifestiert. auf der Grundlage des individuellen und sozialen Lernens kritisch hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden. Abbildung 2: Lernorte der Lernenden Organisation Im Kontext Lessons Learned bedeutet dies, dass zunächst ein Individuum, beispielsweise ein Projektteam-Mitglied, eine positive oder negative Erfahrung macht und aus dieser Erfahrung lernt, d.h. eine Erkenntnis gewinnt und eine Handlungs- oder Verhaltensmaxime für die Zukunft ableitet. Individuelles Lernen findet statt. Der Anspruch hinter Lessons Learned ist nun, dass aus diesem individuellen Lernen ein soziales Lernen wird. In einem ersten Schritt kann das bedeuten, dass die Erfahrung und die daraus gewonnene Erkenntnis mit dem Projektteam geteilt werden und damit die anderen Teammitglieder von dieser Erkenntnis und der daraus abgeleiteten Handlungs- oder Verhaltensmaxime profitieren können, ohne zwangsweise die Erfahrung selbst wiederholen zu müssen. In einem nächsten Schritt kann und sollte das soziale Lernen in diesem Sinne noch über die Grenzen des Projektteams hinausgehen und all jene Organisationsmitglieder involvieren, die von der Erkenntnis generell profitieren können. Die Ebene des organisationalen Lernens schließlich wird dann erreicht, wenn Strukturen und Prozesse Welche möglichen Gründe gibt es dafür, dass Lessons Learned nicht funktioniert? > Der Ausgangspunkt allen Lernens, das individuelle Lernen, findet bereits nicht statt, weil Zeit und Freiraum für notwendige Reflexion nicht gegeben sind. Eine Erfahrung zu machen bedeutet noch nicht, auch quasi automatisch daraus zu lernen. Dafür bedarf es der Reflexion: Was konkret ist eigentlich passiert? Warum ist es passiert? Mit welchen Folgen? Wie kann eine Wiederholung vermieden (negative Erfahrung) oder unterstützt (positive Erfahrung) werden? Mit welchem Nutzen? 3

Zeit, gedankliche Freiräume und grundsätzlich (selbst-) kritisches Denken sind grundlegende und allzu oft im hektischen Projektgeschäft vernachlässigte Faktoren. > Aus dem individuellen erwächst kein soziales Lernen, weil die Erfahrungen und Erkenntnisse aus unterschiedlichen Gründen nicht geteilt werden: Keine Zeit: Das Identifizieren von Lessons Learned ist mittlerweile in den meisten Unternehmen Standardelement des Projektmanagement-Prozesses. Trotzdem wird ein entsprechender Workshop zum Ende des Projektes oder bei größeren Projekten zu definierten Meilensteinen oft nicht durchgeführt, weil es als echtes Arbeitspaket im Projektplan nicht berücksichtigt wird und damit keine entsprechenden zeitlichen Ressourcen dafür zur Verfügung stehen. Damit soziales Lernen stattfindet, muss über Erfahrungen auch negative offen gesprochen, deren Ursachen ohne Schuldzuweisungen diskutiert und mögliche Handlungsempfehlungen sachlich und offen gemeinsam entwickelt werden. Dieser Prozess benötigt eine Kultur der Offenheit, der grundsätzlichen Lernbereitschaft und der Fehlertoleranz. Wo dies nicht gegeben ist, werden negative Erfahrungen verschwiegen, anstatt gemeinsam daraus zu lernen. > Das soziale Lernen findet nur im unmittelbaren Umfeld, d.h. im unmittelbaren (Projekt-)Team statt. Erfahrungen werden innerhalb der Grenzen eines Teams gemacht bzw. geteilt, aber nicht darüber hinaus an andere mögliche Zielgruppen aktiv transferiert. Eine schlichte Dokumentation von Lessons Learned, beispielsweise in einem Projektabschlussbericht, reicht als Transfer in der Regel nicht aus, weil dieser entweder nicht oder nicht von den relevanten Zielgruppen gelesen wird. Damit entsteht aus dem Aufwand, Lessons Learned zu dokumentieren, kein Nutzen. > Und schließlich findet das Lernen auf der organisationalen Ebene nicht statt, weil die Beharrungskräfte der Organisation zu groß sind, also Strukturen und Prozesse aufgrund individuell-sozialer Lernerfahrungen nicht verändert werden. Oft fehlt es hier an einer angemessenen Durchlässigkeit hin zu den Entscheidern. 3. Warum Lessons Learned funktionieren Damit Lessons Learned ihren Nutzen realisieren und einen Beitrag zum Lernen der Organisation leisten, müssen sie konsequent identifiziert und ebenso konsequent genutzt werden. Um eine konsequente Identifizierung zu unterstützen, sollte Lessons Learned als echtes Aufgabenpaket mit den für einen oder mehrere entsprechende Workshops mit Vor- und Nachbereitung notwendigen Ressourcen von Anfang an eingeplant werden. Bei größeren oder über eine längere Zeit laufenden Projekten empfiehlt es sich, Lessons-Learned-Workshops nicht erst am Ende, sondern schon während des Projektes zu relevanten Meilensteinen durchzuführen. Für einen Einsatz von Lessons Learned außerhalb eines Projektkontextes sollten ebenfalls konkrete Anlässe beplant und organisiert werden, beispielsweise als regelmäßiger Agendapunkt in einem ohnehin stattfindenden Team- oder Abteilungsmeeting. Die Identifizierung ist der erste Schritt von einem individuellen zu einem sozialen Lernen, vorausgesetzt Lessons Learned werden im Rahmen eines Workshops ermittelt und nicht am grünen Tisch ausschließlich vom Projektleiter. Ein solcher Workshop unterstützt dabei auch die individuelle Reflexion, weil sich durch unterschiedliche Sichten auf eine eigene individuelle Erfahrung oder Problemstellung oft auch neue zusätzliche Handlungsoptionen zeigen. 3.1 Identifizieren von Lessons Learned in einem Workshop Eine sehr effiziente Möglichkeit, einen solchen Workshop durchzuführen, bietet die Projektmanagement-Methode SCRUM 2. In einer ersten Runde notieren die Teilnehmer jeder für sich Ereignisse, die im Verlauf des Projektes eingetreten sind, auf weißen Moderations-Karten. Zunächst möglichst bewertungsfrei. Es geht in dieser ersten Runde lediglich darum, das Projekt wieder in seiner Gesamtheit wahrzunehmen, sozusagen die ganze Story des Projektes. Gerade zum Projektabschluss sind viele Teammitglieder ganz auf die letzten oft stressigen Wochen fixiert. Die weißen Karten sollen dabei helfen, auch Ereignisse z. B. aus der Zeit des Projektstarts wieder zu erinnern. In einer zweiten soll auf grünen Karten die Frage Was würden wir beim nächsten Mal wieder so machen? beantwortet werden. Wieder hat jeder für sich Zeit zum Nachdenken, dann werden die Karten reihum gehängt 2 Mehr zur Projektmanagement-Methode SCRUM: http://www.scrum-kompakt.de/ 4 Aus Erfahrungen lernen oder: Warum Lessons Learned (nicht) funktionieren

und kurz erläutert. Dabei geht es nun darum, im Team so genannte Gute Praxis zu identifizieren. Doch nicht jede grüne Karte ist per se eine positive Lesson Learned. Manchmal verbergen sich dahinter auch schlicht glückliche Fügungen, aus denen sich keine Empfehlungen oder Handlungsmaximen ableiten lassen. Hat das Team gemeinsam eine Gute Praxis identifiziert, geht es nun darum, den Transfer hinein in die Organisation zu konkretisieren (s. 3.2). In der dritten und letzten Runde geht es nun um die Frage: Was würden wir beim nächsten Mal anders machen?. Dabei kommen rote und gelbe Karten zum Einsatz. Hier gilt die Regel: Keine rote Karte ohne gelbe, wobei die rote Karte den Fehler oder Misserfolg benennt, die gelbe Karte den konkreten Verbesserungsvorschlag. Wie schon in den Vorrunden, schreibt zunächst jeder für sich die Karten, dann werden diese aufgehängt und erläutert bzw. bewertet. Und schließlich entstehen aus denjenigen Lessons, die vom Team über die Grenzen des (Projekt-)Teams hinaus als relevant erachtet werden, konkrete Transfermaßnahmen (s. 3.2). wirkt die gesamte Methode ggf. deeskalierend auf das Projektteam. 3.2 Weitergeben und Dokumentieren von Lessons Learned Ziel von Lessons Learned ist es nicht nur, dass das Projektteam zum Abschluss des Projektes nochmals gemeinsam Erfahrungen reflektiert und Erkenntnisse verdichtet und damit Lerneffekte verstärkt. Vielmehr geht es auch darum, diese Erfahrungen in die Gesamtorganisation hinein zu geben (erweitertes soziales Lernen, organisationales Lernen). Daher sollte es fester Bestandteil des Lessons-Learned-Workshops sein direkt Maßnahmen für die Weitergabe zu definieren. Grundsätzlich sind bereits im Lessons-Learned-Workshop drei Fragen zu beantworten: Können wir eine direkte Verbesserungsmaßnahme anstoßen? Wer sind die Zielgruppen für diese Lesson Learned? Auf welchem Weg teilen wir diese Lesson Learned dieser Zielgruppe am besten mit? Abbildung 3: Vorgehen bei einem Lessons Learned Workshop in Anlehnung an SCRUM Erfahrungsgemäß und abhängig von Dauer und Komplexität des Projektes dauert ein solcher Lessons Learned- Workshop in der Regel nicht länger als zwei Stunden, weil das stark strukturierte und sehr systematische Vorgehen sehr effizient ist. Durch die frühe Verschriftlichung auf den Karten ist die Diskussion außerdem sachlich so Das Dokumentieren von Lessons Learned ist dabei nur eine Möglichkeit und nicht unbedingt die effektivste, weil nicht sichergestellt werden kann, dass diese Dokumentation von den richtigen Zielgruppen zum rechten Zeitpunkt gelesen wird. Wirkungsvoller ist es, konkrete Verbesserungsmaßnahmen am Prozess selbst zu identifizieren, z. B. Ergänzen des Projektleitfadens, Aktualisieren einer Checkliste, Überarbeiten von Vorlagen usw. 5

Darüber hinaus ist die direkte Kommunikation von Lessons Learned hilfreich, z. B. in Abteilungs- oder Projektleiterbesprechungen, Führungskreisen usw. Doch auch wenn eine Lesson Learned primär mündlich kommuniziert werden soll, empfiehlt es sich, diese zu dokumentieren, damit dauerhaft und situationsbedingt darauf zugegriffen werden kann. Für eine knappe Dokumentation von Lessons Learned hat sich die folgende Textstruktur bewährt 3 : 1. Aussagekräftige Überschrift mit den wesentlichen Stichwörtern für ein schnelles Auffinden 2. Story Leitfragen: Was ist konkret passiert? Warum ist es passiert? Mit welchen positiven oder negativen Folgen? 3. Lesson Learned Leifragen: Was haben wir daraus gelernt? Was müssen wir tun, damit sich das wiederholt bzw. nicht wiederholt? Was wäre der Nutzen? Doch jede Dokumentation entfaltet erst dann ihren Wert, wenn sie genutzt wird. D.h. Lesson Learned-Artikel sollten so zur Verfügung gestellt werden, dass sie schnell und einfach wiederauffindbar und zugreifbar sind. Hier haben sich in den letzten Jahren Wiki-Lösungen bewährt, weil Inhalte dort leicht erfasst, schnell gefunden und bei Bedarf kommentiert und weiterentwickelt werden können. Darüber hinaus kann das bewusste Recherchieren nach relevanten Lessons Learned eine im (Projektmanagement-)Prozess konkret benannte Aktivität sein vergleichbar dem Arbeitspaket Lessons Learned identifizieren (Workshop). 4. Fazit Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen beruht auf ihrem Vermögen, aus Erfahrungen nachhaltig und auf allen Ebenen zu lernen. Lessons Learned können hierbei eine zentrale Rolle spielen, wenn sie denn ihre Wirkung entfalten. Dies beginnt bei einer konsequenten Identifizierung möglicher relevanter Lessons, basierend auf individueller und sozialer Reflexion, und endet erst dort, wo eine Lesson genutzt wird, d.h. die gewonnene Erkenntnis angewandt und die empfohlene Handlungs- oder Verhaltensmaxime befolgt wird. Dazu braucht es eine klare prozedurale Verankerung sowie unterstützende Instrumente, wie z. B. eine möglichst einfache Workshop-Struktur, Plattformen zur Publikation und Rezeption dokumentierter Lessons Learned usw. Es braucht aber vor allem auch eine grundsätzliche Lernbereitschaft individuell, sozial und organisational. Eine Lernende Organisation ist immer auch Ausdruck einer Geisteshaltung. Über die Autorin Gabriele Vollmar M.A. unterstützt als Beraterin Organisationen im In- und Ausland bei der Einführung von Wissensmanagement. Ihre Schwerpunkte sind der strategische Umgang mit Wissen, Wissensbilanzierung und Wissenstransfer. Begonnen hat sie ihre Laufbahn als Qualitätsmanagerin. Gabriele Vollmar ist Mitglied des Beirats der GfWM e.v. Sie hat verschiedene Lehraufträge für Wissensmanagement. Neben zahlreichen Fachartikeln hat sie das Buch Knowledge Gardening. Wissensarbeit in intelligenten Organisationen veröffentlicht. Außerdem ist sie Mitautorin des Kapitels Wissensmanagement im Masing Handbuch Qualitätsmanagement und von Wissensmanagement in der ISO 9001:2015 praktische Orientierung für Qualitätsverantwortliche. 3 in Anlehnung an den Mikroartikel nach Willke, Helmut (2004) Systemisches Wissensmanagement. Frankfurt 6 Aus Erfahrungen lernen oder: Warum Lessons Learned (nicht) funktionieren