Gliederung Makroökonomie 1 Prof. Volker Wieland Professur für Geldtheorie und -politik J.W. Goethe-Universität Frankfurt 1. Einführung 2. Makroökonomische Analyse mit Flexiblen Preisen 3. Makroökonomische Analyse in der kurzen Frist mit Rigiden Preisen Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 1 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 2 2. Makroök. Analyse mit flexiblen Preisen 2.5. Langfristige Arbeitslosigkeit 2.1 Produktion, Verteilung und Verwendung des volkswirtschaftlichen Outputs 2.2 Wirtschaftliches Wachstum Kapitalakkumulation und Bevölkerungswachstum im Solow Modell 2.3 Wirtschaftliches Wachstum Technischer Fortschritt und Wirtschaftspolitik 2.4 Geld und Inflation 2.5 Langfristige Arbeitslosigkeit 2.6 Aussenhandel, Internationale Kapitalströme und Wechselkurse 2.5.1 Einführung 2.5.2 Der Arbeitsmarkt im Klassischen Modell 2.5.3 Arbeitslosigkeit: Fakten und Definitionen 2.5.4 Strukturelle Arbeitslosigkeit 2.5.5 Friktionelle Arbeitslosigkeit 2.5.6 Die Arbeitslosigkeit in Europa Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 3 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 4
2.5.1 Einführung Bisher auf der realen Seite der Volkswirtschaft: Kapitel 2.1: Produktionsfaktoren fest und vollbeschäftigt Y = F( K, L) Kapitel 2.2 2.3: Kapitalstock ändert sich im Zeitverlauf Wachstum Zwei Fragen: Was bestimmt langfristig die von den Haushalten angebotene Arbeitsmenge? Was bestimmt langfristig das tatsächliche Ausmaß der Beschäftigung? 2.5.2 Arbeitsmarkt im klassischen Modell Terminologie: Haushalte bieten Arbeit an Unternehmen fragen Arbeit nach Klassisches Modell, bisher (Kapitel 2.1): Arbeitsangebot fest Arbeitsnachfrage fallend im Reallohn; Übung: Cobb-Douglas Fall: Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 5 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 6 Der Arbeitsmarkt: festes Arbeitsangebot Ableitung im Cobb-Douglas Fall w=w/p w* L Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 7 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 8
Arbeitsangebot flexibel Arbeitsangebot und Reallohn? Mehr Arbeit anzubieten heißt, weniger Freizeit zu konsumieren Freizeit hat einen Preis: Reallohn (Opportunitätskosten) Steigender Lohn: Vermögenseffekt: Konsum von Freizeit steigt ceteris paribus Arbeitsangebot fällt Substitutionseffekt: Konsum von Freizeit sinkt ceteris paribus Arbeitsangebot steigt Zeithorizont wichtig Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 9 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 10 Arbeitsangebot und Reallohn Arbeitsmarkt und Technischer Fortschritt w Arbeitsangebot (bisher konstant) Modell kann zur Erklärung der Reallohnentwicklung verwendet werden Solow Modell: Technischer Fortschritt erhöht MPL Cobb-Douglas-Fall: w= W / P= (1 α) AK α L α L MAX L Wenn A steigt, erhöht sich die Arbeitsnachfrage ( Rechtsverschiebung) Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 11 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 12
Technischer Fortschritt Technischer Fortschritt w 1 Arbeitsangebot MPL 1 Verlauf der Arbeitsangebotskurve bestimmt Effekt von technischem Fortschritt auf Arbeitsmenge und Reallohn Über eine sehr lange Frist beobachten wir einen Rückgang in der Anzahl der gearbeiteten Stunden (pro Kopf) und einen deutlichen Anstieg des Reallohn (siehe folgende Tabelle aus Burda- Wyplosz) L 1 L MAX Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 13 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 14 Zusammenfassung des Klassischen Modells Zum Reallohn w=w/p findet Markräumung auf dem Arbeitsmarkt statt die Menge an Arbeit die Haushalte zum Reallohn w arbeiten möchten entspricht der Menge and Arbeit die Unternehmen zum Reallohn w beschäftigen möchten Es gibt nur freiwillige Arbeitslosigkeit LMAX L zum Reallohn w möchten nicht alle (voll) arbeiten Es gibt keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit Unrealistisch, aber hilfreich als Referenzfall Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 15 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 16
2.5.3: Arbeitslosigkeit: Fakten und Definitionen Notation Erwerbspersonen: L = E + U, wobei L: E: U: Arbeitslosenquote u = Unterscheide Tatsächliche Arbeitlosenquote und Um zyklische Schwankungen bereinigte Arbeitlosenquote (langfristige/ natürliche/gleichgewichtige) Das Okun sche Gesetz Schwankungen der Arbeitslosenquote und des BIP sind sehr hoch korreliert Regression mit Daten für das Eurogebiet (Fagan et al. 2001) ergibt für 1970-2005 Δ BIP = 2.7 1.54Δu Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 17 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 18 Das Okun sche Gesetz Tatsächliche und langfristige Arbeitslosigkeit Prozentuale Veränderung des BIP 6 4 2 0-2 -4-6 -1-0.5 0 0.5 1 1.5 Veränderung der Arbeitslosenquote Zyklische Schwankungen in der Arbeitslosenquote werden im Kapitel 3 weiter behandelt (hier nur längerfristige Perspektive). Berechnung der Langfristigen Arbeitslosigkeit bspw. durch gleitenden 20-Jahres-Durchschnitt (Annahme: Wert am Begin und Ende der Zeitreihe jeweils für 10 Jahre konstant) Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 19 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 20
Tatsächliche und langfristige Arbeitslosigkeit Zwischenfazit Prozent Prozent 10 5 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Quelle: Fagan et al. (2001) 10 5 EU USA 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Quelle: OECD Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 21 Es gibt unfreiwillige Arbeitslosigkeit, teilweise Zyklischer Natur (Kapitel 3) Langfristig ( gleichgewichtig, natürlich ) Langfristige Arbeitslosigkeit: Nicht konstant, sondern Trends erkennbar Im folgenden analysiert unter Verwendung des Klassischem Modells als Benchmark Dabei unterschieden 1. Strukturelle Komponente 2. Friktionelle Komponente Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 22 2.5.4 Strukturelle Arbeitslosigkeit Reallohnstarrheit verhindert Markträumung Kernidee: Reallohnstarrheit Reallöhne sind starr, vor allem nach unten Sie passen sich nicht so an, wie es erforderlich wäre, um dem Arbeitsmarkt zu räumen Gleichgewichtiger Reallohn niedriger als tatsächlicher Lohn Gleichgewichtiger Reallohn w* L A L D L Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 23 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 24
Strukturelle Arbeitslosigkeit 2.5.4.1 Gewerkschaften Hauptursachen: Zentrale Lohnverhandlungen (Gewerkschaften) Mindestlöhne Effizienzlöhne Rolle der Gewerkschaften: Stärkung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer (Arbeitsanbieter) in Lohnverhandlungen Gewerkschaften beeinflussen auch die Löhne von Unternehmen, deren Mitarbeiter nicht gewerkschaftlich organisiert sind Organisationsgrad sehr verschieden (siehe folgende Tabelle aus Burda-Wyplosz) Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 25 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 26 Insider-Outsider Perspektive Gewerkschaftliche Verhandlungsführer in der Regel durch beschäftigte Gewerkschaftsmitglieder (Insider) gewählt; unbeschäftigte Mitglieder (Outsider) sind in der Minderheit Präferenzen der Verhandlungsführer Relativ starkes Gewicht auf Reallohn gegenüber Beschäftigung Aber bei starker Arbeitslosigkeit steigt Angst der Insider vor Arbeitslosigkeit ( Lohnzurückhaltung) Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 27 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 28
Gewerkschaft und Arbeitslosigkeit Präferenzen gewerkschaftlicher Verhandlungsführer: Indifferenzkurven Referenzfall vs. individuellunfreiwillige Arbeitslosigkeit ŵ L A w* L D 2 L D L D 1 I 1 Beschäftigung Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 29 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 30 2.5.4.2 Mindestlöhne Mindestlöhne Gesetzlich festgelegte Reallohnstarrheit Negativer Beschäftigungseffekt hängt von Differenz zum gleichgewichtigen Referenzlohn ab Dieser ist am niedrigsten für Geringqualifizierte Mindestlohn w* L A L D Mindestlohn w* L A L D Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 31 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 32
2.5.4.3 Effizienzlöhne Idee: höhere Löhne führen zu höherer Arbeitsproduktivität, deshalb zahlen Unternehmen freiwillig Löhne oberhalb des gleichgewichtigen Referenzlohns Einfachstes Beispiel: höhere Löhne erlauben bessere Ernährung (Entwicklungsländer) Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 33 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 34 Weitere Gründe für Effizienzlöhne Arbeitsplatzfluktuation wird verringert Reduzierung des Moral Hazard Problems: Erhöht die Kosten von Drückebergerverhalten (Shirking) und reduziert dadurch die Überwachungskosten (Monitoring). Vermindert ein Unternehmen die Löhne, sehen sich die qualifiziertesten Arbeitnehmer nach neuen Arbeitsplätzen um; die geringer Qualifizierten bleiben zurück (Adverse selection) Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 35 2.5.5. Friktionelle Arbeitslosigkeit Arbeitsmarkt ist dynamisch Alte Beschäftigung endet, neue entsteht Sektoraler Wandel Entstehung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen: Arbeitsplätze sind nicht identisch Arbeitskräfte und Fähigkeiten sind nicht identisch Friktionen Entstehung neuer Beschäftigungverhältnisse erfordert Informationsverarbeitung Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 36
Neuer Job Arbeitsmarktdynamik Beschäftigte (E) Rente Einstellung (fu) Entlassung (se) erfolgreich Eintritt in den Arbeitsmarkt Arbeitslose (U) erfolglos entmutigt Auflösungsquote (separations, s) und Neuabschlussquote (findings, f) Neue Beschäftigung: fu Beendigung bestehender Beschäftigung: Steady state des Arbeitsmarkts: se Nicht-Erwerbspersonen Definition (siehe oben): Folglich Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 37 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 38 Friktionelle Arbeitslosigkeit: Beispiel Auflösungen pro Monat: 0,01 Neuabschlüsse pro Monat: 0,2 Arbeitslosenquote Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 39 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 40
Friktionelle Arbeitslosigkeit: Politikmaßnahmen Reduzierung friktioneller Arbeitslosigkeit durch Reduzierung der Quote von Auflösungen von Beschäftigungsverhältnissen (s) Erhöhung der Quote von Neuabschlüssen von Beschäftigungsverhältnissen (f) Prominente Beispiele für letzteres Hartz II: Jobcenter, Ich-AG, Minijobs Hartz IV Grundidee: Negative Anreizwirkung der sozialen Sicherungssysteme reduzieren Hartz IV (Gesetze zur Reform des Arbeitsmarkts), seit 01.01.2005 in Kraft Das bisherige Arbeitslosengeld wird auf die Hälfte der bisherigen Laufzeit reduziert (max. 1 Jahr) und zum Arbeitslosengeld I (ALG I). Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum ALG II, dessen Niveau ist nominell unterhalb der bisherigen Sozialhilfe; allerdings auf Grund von Einmalleistungen der Sozialämter z. B. für Wohnungserstausstattung, Kleidung, Weihnachten faktische höher. Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 41 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 42 2.5.6. Die Arbeitslosigkeit in Europa Auffällig ist der Anstieg der langfristigen Arbeitslosigkeit in Europa (auch relativ zu USA) Prozent 10 5 USA Euroraum Ursachen Langfristige Arbeitslosigkeit in Europa Trendverlauf macht deutlich: Kein Nachfrageproblem, weil Nachfrage nur kurzfristige Effekte ( Kapitel 3) Ursachen sind struktureller oder friktioneller Natur 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Anmerkung: Gleitende 20-Jahres Durchschnitte (Quelle: Fagan et al. (2001), OECD), Annahme: Werte am Sample-Ende werden 10 Jahre lang fortgeschrieben. Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 43 Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 44
Entwicklungen in Europa Bis frühe 1970er Jahre: langfristige Arbeitslosigkeit in Europa sehr niedrig Ölpreisschocks 1973 und 1979: negative Produktivitätshocks Verlagerung der Arbeitsnachfragekurve nach links (MPL fällt) Arbeitslosigkeit steigt dramatisch an: Gewerkschaften verhindern fallen des Reallohns Relativ großzügige Sozialversicherungssystem reduzieren Arbeitsanreiz Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 45 Reallohnentwicklung und Beschäftigung Index Index 180 160 140 120 100 180 160 140 120 100 Reallohn pro Kopf Euroraum 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Beschäftigung USA Beschäftigung Reallohn pro Kopf 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Quelle: Fagan et al. (2001), OECD, Anmerkung: Reallohn berechnet aus Compensation to Employees / Total Employment Prof.Volker Wieland - Makroökonomie 1 2.5 Arbeitslosigkeit/ 46