Wegfall der Arbeitnehmerprivilegierung für Prokuristen und Leitende Angestellte durch D&O-Versicherung?



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Transkript:

Dr. Fabian Herdter, LL.M. Eur. Versicherungspraxis, August 2014 D&O-Versicherung Wegfall der Arbeitnehmerprivilegierung für Prokuristen und Leitende Angestellte durch D&O-Versicherung? 1. EINLEITUNG Die D&O-Versicherung rückt die Frage nach dem Umfang der Haftung von Prokuristen und Leitenden Angestellten wieder in den Fokus der Arbeitsgerichte. Neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) könnte so ausgelegt werden, dass der Abschluss einer D&O-Versicherung durch das Unternehmen dazu führt, dass Prokuristen und Leitende Angestellte gegenüber dem Unternehmen nicht mehr beschränkt (nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung Arbeitnehmerprivilegierung ), sondern uneingeschränkt haften. Eine solche Auslegung könnte den in der Haftpflichtversicherung geltenden Grundsatz, dass die Deckung stets der Haftung folgt, teilweise aufheben. 2. MITVERSICHERUNG VON PROKURISTEN UND LEITENDEN ANGESTELLTEN Die D&O-Versicherung deckt in erster Linie Schäden des Unternehmers, die dem Unternehmen durch Pflichtverletzungen seiner eigenen Manager entstehen (Innenhaftungsfälle). Hält der Versicherer den Anspruch des Unternehmens gegen den Manager für unbegründet, bezahlt der Versicherer die Kosten, die für die Abwehr des Anspruchs des Unternehmens gegen den Manager notwendig sind (in erster Linie Rechtsanwaltskosten). Begründete Ansprüche des Unternehmens reguliert der D&O-Versicherer. Prokuristen und Leitende Angestellte sind in der überwiegenden Mehrzahl der am Markt angebotenen D&O-Policen neben Vorständen, Geschäftsführern, Aufsichtsrä- PARTNERSCHAFT VON RECHTSANWÄLTEN MBB SITZ: DÜSSELDORF AG ESSEN PR 1597

- 2 - ten etc. versicherte Personen. Begehen Prokuristen / Leitende Angestellte eine Pflichtverletzung zu Lasten des Unternehmens und macht das Unternehmen deshalb Schadensersatzansprüche geltend, tritt die D&O-Versicherung zu Gunsten des Prokuristen / Leitenden Angestellten ein. Manche Policen ergänzen, dass Prokuristen und Leitende Angestellte nur in dem Umfang, der sie persönlich treffenden Haftung gemäß der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung versichert sind. 3. HAFTUNGSMASSSTAB FÜR PROKURISTEN UND LEITENDE ANGESTELLTE Die Haftung von Prokuristen und Leitenden Angestellten gegenüber dem Unternehmen bestimmt sich vertraglich nach 280 ff. BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag sowie deliktisch nach 823 ff. BGB. Verschuldensmaßstab für beide Anspruchsgrundlagen ist 276 Abs. 1 BGB, wonach bereits einfache Fahrlässigkeit für das Verschulden ausreicht. Ein einfach fahrlässiges Handeln eines Prokuristen oder Leitenden Angestellten könnte also zu einer hohen (ggf. existenzvernichtenden) Haftung des Prokuristen/ Leitenden Angestellten gegenüber dem Unternehmen führen. 3.1 Eingeschränkte Haftung durch Arbeitnehmerprivilegierung Um diese Konsequenz zu vermeiden, entwickelte das Bundesarbeitsgericht (BAG) für Arbeitnehmer in ständiger Rechtsprechung ein abgestuftes Haftungsregime nach unterschiedlichem Verschuldensgrad (sogenannte Arbeitnehmerprivilegierung). Im Wesentlichen unterscheidet das BAG vier Verschuldens-Stufen, wobei sich das Verschulden stets auf die Pflichtverletzung und den Schadenseintritt bzw. die Rechtsgutverletzung nicht aber auf den Schadenumfang beziehen muss: Keine Haftung des Arbeitnehmers besteht, wenn der Arbeitnehmer mit leichter Fahrlässigkeit handelte. Eine Quotelung der Haftung nimmt das BAG an, wenn Arbeitnehmer mit mittlerer Fahrlässigkeit handeln. Bei höheren Schäden beschränken sich die Gerichte in der Regel der Höhe nach auf wenige Monatsgehälter des haftpflichtigen Arbeitsnehmers. Eine Haftung im vollen Umfang nimmt das BAG grundsätzlich bei Handeln mit grober Fahrlässigkeit an. Teilweise tendieren die Gerichte bei hohen Schäden

- 3 - dazu, die Haftung der Höhe nach zu begrenzen (zum Beispiel auf zwölf Monatsgehälter). Eine Haftung ohne Einschränkung besteht bei vorsätzlichem Handeln des Arbeitsnehmers. 3.2 Arbeitnehmerprivilegierung auch bei freiwillig abgeschlossener Berufshaftpflichtversicherung einschlägig Ein Arbeitnehmer haftet nach Rechtsprechung auch dann nur eingeschränkt nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, wenn er freiwillig eine Berufshaftpflichtversicherung für sich selbst abschließt, die den von ihm verursachten Schaden des Unternehmens deckt. 1 Wenn sich der Arbeitnehmer selbst gegen das Risiko seiner betrieblichen Tätigkeit freiwillig versichert, soll dies nicht dem Arbeitgeber zugutekommen. Bei Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung durch den Arbeitnehmer, für deren Abschluss kein gesetzlicher Zwang besteht, haftet der Versicherer also nur in dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer selbst haftet. 3.3 Keine Arbeitnehmerprivilegierung bei Bestehen einer Pflicht- Haftpflichtversicherung Ein Arbeitnehmer haftet dagegen unbeschränkt ohne Arbeitnehmerprivilegierung für den vollen Schaden, wenn zu seinen Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht- Haftpflichtversicherung (z.b. Kfz-Haftpflichtversicherung, zwingende Berufshaftpflichtversicherung) besteht. 2 Denn bei Vorliegen einer solchen Pflicht-Haftpflichtversicherung liegen spezielle Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig erachtet, dass er den Handelnden nicht ohne Versicherungsschutz tätig sehen will. Der Gesetzgeber erkennt in diese Fälle ein erhöhtes Risikopotential der ausgeübten Tätigkeit und will die volle Entschädigung möglicher Geschädigter gewährleisten. Eine wirtschaftliche Überforderung des Arbeitsnehmers liegt wegen der Deckung über die Pflicht-Haftpflichtversicherung nicht vor. 1 Vgl. BAG NZA 1998, 310, 311 a.e. 2 Vgl. BAG, AP Nr. 36 zu 611 BGB; BGH AP Nr. 68 zu 611 BGB; BAG NZA 1998, 310, 311; vgl. auch Schaloske in: Herbert Frommes Versicherungsmonitor, Legal Eye Rechtskolumne vom 7. Juli 2014, der sich gegen die zukünftige Ausgestaltung der D&O-Versicherung als gesetzliche Pflicht-Haftpflichtversicherung ausspricht.

- 4 - Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung finden dementsprechend keine Anwendung. 3.4 Keine Arbeitnehmerprivilegierung bei Bestehen einer der Pflicht- Haftpflichtversicherung vergleichbaren Haftpflichtversicherung Die Arbeitnehmerprivilegierung könnte auch dann entfallen, wenn der Arbeitnehmer auf eigene Rechnung oder das Unternehmen auf fremde Rechnung eine der Pflicht- Haftpflichtversicherung vergleichbare Haftpflichtversicherung abschließt. In einer Entscheidung vom 28. Oktober 2010 3 entschied das BAG in einem obiter dictum, dass eine freiwillige Haftpflichtversicherung (wie bspw. eine D&O-Versicherung) mit einer Pflicht-Haftpflichtversicherung gleichzustellen sein kann, wenn Variante 1: der Arbeitgeber wegen bestehender Risiken der gefahrgeneigten Tätigkeit den Abschluss einer Haftpflichtversicherung im Arbeitsvertrag zwingend verlangt und zur Einstellungsbedingung macht, erst recht, wenn dafür zusätzliche Vergütungsbestandteile vereinbart werden, und/ oder Variante 2: der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer wegen bestehender Risiken den Abschluss einer Haftpflichtversicherung arbeitsvertraglich verbindlich vereinbart. Die Arbeitnehmerprivilegierung entfiele unter Zugrundelegung dieser Ansicht des BAG also zum Beispiel dann, wenn der Prokurist / Leitende Angestellte bei Abschluss seines Arbeitsvertrages mit dem Unternehmen verbindlich vereinbart, dass eine D&O- Versicherung zu seinen Gunsten bestehen soll (oder er für sich selbst eine D&O- Versicherung abschließen soll und er dafür eine höhere Endvergütung erhält). Gleiches gilt wohl dann, wenn das Unternehmen von sich aus bei Abschluss des Arbeitsvertrages verbindlich zusagt, eine D&O-Versicherung für den Prokuristen / Leitenden Angestellten abzuschließen. Die Haftungserleichterung der Arbeitnehmerprivilegierung entfiele wohl in diesen Fällen. Prokuristen / Leitende Angestellte würden dann unbeschränkt haften. 3 BAG 8 AZR 418/09, NJW 2011, 1096, 1099 [Rn. 29].

- 5-3.5 Keine Arbeitnehmerprivilegierung bei Unkenntnis des Prokuristen / Leitenden Angestellten vom Bestehen der D&O-Versicherung? Fraglich ist, ob der Prokurist / Leitende Angestellte auch dann voll haftet, wenn das Unternehmen für den Prokuristen / Leitenden Angestellten eine D&O-Versicherung abschließt, ohne dass die Versicherung im Arbeitsvertrag vereinbart wird oder wenn die Unternehmens-D&O-Versicherung dem Prokuristen / Leitenden Angestellten nur vage bekannt ist. Kann der Abschluss einer solchen D&O-Versicherung eine der Pflicht- Haftpflichtversicherung vergleichbare Haftpflichtversicherung im Sinne der Rechtsprechung des BAG darstellen? 3.5.1 Argumente für die Übertragung des BAG-Urteils auf diese Konstellation Dafür sprechen folgende Argumente: 3.5.1.1 Die Arbeitnehmerhaftung ist gesetzlich nicht statuiert Im Grundsatz gilt für die Arbeitnehmerhaftung 276 Abs. 1 BGB (unbeschränkte Haftung schon bei einfacher Fahrlässigkeit). Die Arbeitnehmerprivilegierung beruht auf Richterrecht. Der Arbeitnehmer soll durch seine Arbeitserbringung keiner Existenznot ausgesetzt sein, die in keinem Verhältnis zu seinen Verdienstmöglichkeiten steht. Deshalb bedarf die Arbeitnehmerprivilegierung stets einer Abwägung der Gesamtumstände. Zu diesen Umständen gehören auch ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder versicherbares Risiko, also auch der Abschluss einer D&O-Versicherung. Besteht demnach für den vom Arbeitnehmer verursachten Schaden Versicherungsschutz, besteht für den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerprivilegierung kein Grund. 3.5.1.2 Kein Unterschied, ob Arbeitgeber D&O-Versicherung zwingend oder freiwillig besorgt Das BAG hielt in seinem Urteil fest, dass bei Bestehen einer im Arbeitsvertrag vereinbarten zwingend abzuschließenden Haftpflichtversicherung die Arbeitnehmerprivilegierung nicht greift. Gleiches muss aber erst recht dann gelten, wenn zwar der Arbeitnehmer nicht vertraglich gezwungen wird, eine eigene Haftpflichtversicherung abzuschließen, aber stattdessen der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer freiwillig eine Haftpflichtversicherung abschließt. In beiden Fällen übernimmt der Versicherer so zumindest die Theorie die Risiken aus der erweiterten Haftung des Prokuristen / Leitenden Angestellten. Ein Unterschied besteht im Ergebnis nicht.

- 6-3.5.1.3 Gängige D&O-Policen bilden Risiken ab Die von einigen Versicherern in D&O-Bedingungswerken verwendete Formulierung, wonach Prokuristen und Leitende Angestellte in dem Umfang der sie persönlich treffenden Haftung gemäß der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung haften, führt zu keiner vertraglichen Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ändert sich fortlaufend und ist insbesondere im Rahmen der oben zitierten BAG-Entscheidung (im Hinblick auf den Wegfall der Arbeitnehmerprivilegierung) auszulegen. Unabhängig davon könnte die Formulierung gemäß der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung AGB-unwirksam sein. 3.5.2 Argumente gegen die Übertragung des BAG-Urteils auf diese Konstellation Gegen die Übertragung des BAG-Urteils und somit für die Arbeitnehmerprivilegierung lässt sich folgendes anführen: 3.5.2.1 Der versicherungsrechtliche Grundsatz Deckung folgt Haftung wird durchbrochen. Das versicherungsrechtliche Trennungsprinzip gebietet zwischen Haftungs- und Deckungsverhältnis zu unterscheiden. Das Bestehen von Versicherungsschutz darf also nicht dazu führen, dass sich die Haftungssituation des Prokuristen / Leitenden Angestellten verändert. Dies würde im Ergebnis zu einer nicht beabsichtigten unbeschränkten Management-Haftung auf zweiter, dritter oder sogar vierter Führungsebene führen. 3.5.2.2 Die D&O-Versicherung bewirkt das Gegenteil dessen, was die Vertragsparteien bei Ab-schluss des Vertrages bezweckten. Die Parteien des D&O-Versicherungsvertrages bezweckten mit der Mitversicherung der Prokuristen und Leitender Angestellter im D&O-Versicherungsvertrag die Deckung der Haftungsrisiken im Rahmen der Arbeitnehmerprivilegierung (vgl. Formulierung oben: der sie [die Prokuristen/ Leitende Angestellte] persönlich treffenden Haftung gemäß der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ). Der Abschluss der Versicherung bezweckt nach dem Parteiwillen nicht, die Haftung für Prokuristen/ Leitende Angestellte gegenüber dem Unternehmen zu erweitern.

- 7-3.5.2.3 Der Abschluss einer D&O-Versicherung durch den Arbeitgeber steht dem Abschluss einer freiwilligen Berufshaftpflichtversicherung durch den Arbeitnehmer gleich. Der Abschluss einer freiwilligen (Berufs-)Haftpflichtversicherung durch einen Arbeitnehmer führt nicht dazu, dass die Arbeitnehmerprivilegierung entfällt (siehe oben unter 3.2). Nicht anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitgeber die (Berufs- )Haftpflichtversicherung (über eine D&O-Versicherung) freiwillig für den Arbeitnehmer abschließt. 3.5.3 Eigene Wertung Die Gerichte entschieden bisher nicht die Frage, ob die Arbeitnehmerprivilegierung ggf. allein deshalb entfällt, weil das Unternehmen eine D&O-Versicherung unter Einschluss der Prokuristen / Leitenden Angestellten (als versicherte Personen) abschließt. Die besseren Argumente sprechen gegen die Annahme, allein auf Grund des Bestehens einer Unternehmens-D&O-Versicherung generell eine unbeschränkte Haftung für Prokuristen und Leitende Angestellte zu statuieren. Denn sollte der D&O-Versicherer auf Deckungsebene wie allgemein üblich Einwendungen (z.b. wegen angeblicher vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen des Unternehmens und der Versicherten, wegen angeblichen Vorsatzes oder wegen anderer ggf. einschlägiger Ausschlüsse) erheben, könnte der Prokurist / Leitende Angestellte im schlimmsten Fall auf dem vollen Schaden sitzen bleiben. 4. FAZIT Der Abschluss einer D&O-Versicherung durch das Unternehmen könnte nach bisher nicht gefestigter Rechtsprechung des BAG bei Inanspruchnahme zu einer unbeschränkten Haftung des Prokuristen / Leitenden Angestellten führen. Die Arbeitnehmerprivilegierung des Prokuristen / Leitenden Angestellten könnte insbesondere entfallen, wenn der Prokurist/ Leitende Angestellte den Abschluss der D&O-Versicherung im Arbeitsvertrag oder sonstwie verbindlich mit dem Unternehmen vereinbart. Gleiches würde für den Fall gelten, dass der Gesetzgeber die D&O-Versicherung zukünftig als Pflicht-Haftpflichtversicherung ausgestaltet. Sollte das Bestehen der Unternehmens- D&O-Versicherung dem Prokuristen / Leitenden Angestellten dagegen nicht oder nur vage bekannt sein, sprechen die besseren Argumente für die Aufrechterhaltung der Arbeitnehmerprivilegierung.

- 8 - Da die Frage des Wegfalls der Arbeitnehmerprivilegierung für Prokuristen / Leitende Angestellte bei Bestehen einer D&O-Versicherung durch die (Arbeits-)Gerichte nicht abschließend geklärt ist, sollten das Unternehmen und die Versicherten sicherstellen, dass sich der D&O-Versicherer sollte ein Gericht auf dieser Basis zur uneingeschränkte Haftung des Prokuristen / Leitenden Angestellten urteilen sich nicht der Deckung entziehen kann. Dr. Fabian Herdter, LL.M. Eur. Rechtsanwalt Master of European and International Business Laws Wilhelm Partnerschaft von Rechtsanwälten mbb Reichsstraße 43 40217 Düsseldorf Telefon: + 49 (0)211 687746-50 Telefax: + 49 (0)211 687746-20 www.wilhelm-rae.de fabian.herdter@wilhelm-rae.de AG Essen: PR 1597